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Im verzweifelten Bemühen, mit ihrer verflossenen großen Liebe endgültig abzuschließen, reist die wohlhabende Immobilienkauffrau Christina zurück an den Lago Maggiore, wo sie einst den Hotelier Roberto kennen und lieben lernte. Seine Eltern, die strikt gegen die Beziehung waren, weil Roberto in die besten Kreise Italiens einheiraten sollte, hatten sie erfolgreich auseinandergebracht. Christina hat seither nichts mehr von Roberto gehört. Nun möchte sie ihr Herz für Volker freimachen, der sie mehr liebt als alles andere auf der Welt, doch das Wiedersehen mit Roberto verläuft völlig anders als geplant ... Ein gut gehütetes Familiengeheimnis, die traumhafte Kulisse des Lago Maggiore und flammende Herzen, die gegen wirtschaftliche Interessen und elterliche Einflussnahme ankämpfen müssen, sind die Zutaten, die diesen romantischen und leidenschaftlichen Liebesroman ausmachen.
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Seitenzahl: 239
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Anne Schröter
Herausforderung des Schicksals
Herausforderung des Schicksals
Anne Schröter
published by: epubli GmbH, Berlin
www.epubli.de
Copyright: © 2012 Anne Schröter
ISBN 978-3-8442-3749-8
Lektorat: Erik Kinting / www.buchlektorat.net
Titelgestaltung: Erik Kinting unter Verwendung eines Aquarells von Gerda Baltes
Imprint
Inhaltsverzeichnis
Kapitel I
Kapitel II
Kapitel III
Kapitel IV
Kapitel V
Kapitel VI
Kapitel VII
Kapitel VIII
Kapitel IX
Kapitel X
Kapitel XI
Kapitel XII
Kapitel XIII
Kapitel XIV
Kapitel XV
Kapitel XVI
Kapitel XVII
Kapitel XVIII
Kapitel XIX
Kapitel XX
Kapitel XXI
Kapitel XXII
Kapitel XXIII
Kapitel XXIV
Kapitel XXV
Kapitel XXVI
Kapitel XXVII
Kapitel XXVIII
Kapitel XXIX
Kapitel XXX
Kapitel XXXI
Kapitel XXXII
Kapitel XXXIII
Kapitel XXXIV
Kapitel XXXV
Kapitel XXXVI
Kapitel XXXVII
Kapitel XXXVIII
Christina ließ ihre Seele baumeln; endlich hatte sie ihren wohlverdienten Urlaub angetreten. Nach so langer Zeit war sie wieder einmal am Lago Maggiore, genauer: In Cannero Riviera!
Den Namen Riviera trägt jene besonders geschützte, nach Süden hin ausgerichtete Bucht, die Christina so liebte und in der Zitronen und Orangen selbst im Winter gediehen. Es hatte sich seit ihrem letzten Besuch nichts verändert, alles sah noch genauso zauberhaft aus wie zu der Zeit, als sie mit Helen dort war. Mit ihrem Hotel konnte sie zufrieden sein: Es war sehr exklusiv und bot alles an Annehmlichkeiten, was man sich nur vorstellen konnte. Auf der Terrasse genoss sie die herrliche Aussicht auf den Lago Maggiore. Gerade jetzt im Mai offenbarten die Bäume hier ihr prächtigstes Blütenkleid, deren süßlicher Duft ein ganz leichter Wind mit sich trug. Ungestört konnte sie an diesem Ort ihren Gedanken freien Lauf lassen.
Das Leben, das sie in Frankfurt am Main führte, gefiel ihr durchaus, und auch ihr Beruf als Immobilienkauffrau war aufregend und spannend. Außerdem gab es da noch Volker in ihrem Leben: Volker Steinert, von dem ihre Schwester Lilian behauptete, dass etwas Besseres, als ihn zu treffen, ihr gar nicht hätte passieren können. Nur schade, dass Volker erst später nach Italien nachkommen konnte. Als Anwalt arbeitete er gerade an einem größeren Fall, bei dem es Gerichtstermine einzuhalten galt. Sie kannten sich nun schon seit fünf Jahren, verstanden sich gut und waren glücklich. Jeder hatte zwar nach wie vor seine eigene Wohnung, doch die Wochenenden verbrachten sie meistens gemeinsam. Volker gab ihr das Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit; er war sehr bodenständig und man konnte sich hundertprozentig auf ihn verlassen. Zudem kochte er leidenschaftlich gerne. Meistens kreierte er an den gemeinsamen Wochenenden abends ein richtiges Dinner. Bei einem Glas Rotwein unterhielten sie sich oft stundenlang. Die Pläne für das gemeinsame Traumhaus, an dem beide mit viel Eifer gearbeitet und ihre Ideen eingebracht hatten, waren schon fertiggestellt. Außerhalb von Frankfurt, wo es noch ziemlich ländlich war, hatten sie rein zufällig ein traumhaftes Grundstück entdeckt, das an einem See lag. Es war einfach ideal, genau das, was sie sich vorgestellt hatten. Alles Weitere wurde gut durchdacht und bis ins Detail geplant. Sobald das Haus fertig wäre, wollten sie auch heiraten. Das Thema Heirat wurde in letzter Zeit immer mehr zu einem Bestandteil ihrer Unterhaltungen. Es war nicht so, dass es von Christina angesprochen wurde, nein, es war Volker, der nun darauf drängte. Warum eigentlich nicht, dachte sich Christina, obwohl es nicht die ganz große stürmische Liebe war.
Sie hatten sich im Reitstall kennengelernt und er war ihr von Anfang an sehr sympathisch. Dass Christina schon damals seine heimliche große Liebe war, ahnte sie nicht. Er verstand es, diese Gefühle geschickt zu verbergen. Volker war nie irgendwie aufdringlich gewesen, aber stets sehr hilfsbereit. Er war einfach immer da, sobald sie in irgendeiner Form Hilfe brauchte. Wenn das Wetter es erlaubte, ritten sie gemeinsam aus. Aus Freundschaft wurde im Laufe der Zeit so etwas wie Liebe. In seiner Nähe fühlte Christina sich wohl, sie wurde ausgeglichener und ruhiger, womit sie aus ihrem oft sehr stressigen Berufsalltag entfliehen konnte.
Doch sie vermisste ihn schon jetzt. Seit sie in Cannero Riviera war, hatte sie ein Gefühl der Unsicherheit beschlichen. Was soll’s, die paar Tage ohne Volker werden schon vorübergehen, dachte sie sich. Im Großen und Ganzen konnte Christina ganz zufrieden sein. Manchmal wusste sie selber nicht, weshalb sie ausgerechnet in diesem Jahr ihren Urlaub am Lago Maggiore verbringen wollte. Warum alte Wunden wieder aufreißen? Lilian hatte ihr dringend davon abgeraten.
„Wie kannst du nur so unvernünftig sein“, hörte sie sie noch sagen, „hast du denn das alles vergessen? Wie sehr du damals gelitten hast? Und was sagt Volker dazu? Ich denke, er kennt die ganze Geschichte? Wie kann er dir so etwas nur erlauben? Noch dazu, wo er erst später nachkommen kann!“
Lilian ahnte nicht, dass Christina längst alles mit Volker besprochen hatte. Er wusste von Roberto, ihrer damaligen unglücklichen Liebe. Volker gab die Hoffnung aber auch damals nicht auf, denn er liebte Christina so lange er denken konnte. Irgendwann würde sie diesen Roberto vergessen. Dessen war er sich ziemlich sicher. Außerdem war diese Geschichte schon lange her.
Damals war Christina gerade 20 und voller romantischer Träume. Sie verbrachte ihren ersten Urlaub am Lago Maggiore. Helen, eine Freundin aus ihrer Studienzeit, begleitete sie. Im Gegensatz zu Christina flirtete Helen mit jedem netten Jungen, dem sie begegneten. Christina war dagegen eher etwas scheu und zurückhaltend. Doch als sie Roberto traf, verliebte sie sich Hals über Kopf in ihn. Für Christina war er die ganz große Liebe! Mittlerweile waren fast acht Jahre vergangen, trotzdem konnte sie ihn nicht vergessen. Doch weshalb nur?
Sie wusste, dass es im Grunde albern war, und sie wollte dieses Kapitel in ihrem Leben endlich abschließen. Volker war zu klug, um ihm etwas vorzumachen. Sie gingen immer offen und ehrlich miteinander um. Roberto würde weiterhin zwischen ihnen stehen, wenn Christina dieses Erlebnis nicht für sich abschließen würde, Volker hatte das längst erkannt. Solange Christina sich nicht ganz sicher war, kam für sie eine Heirat nicht infrage. Deshalb willigte er ein, als Christina den Vorschlag machte, mit ihm den Urlaub am Lago Maggiore zu verbringen. Ihm lag sehr viel daran, dass Christina sich endlich über ihre Gefühle im Klaren wurde. Er hoffte insgeheim darauf, dass Roberto ihr tatsächlich zufällig mit Frau und Kindern über den Weg liefe. Dann würde sich die ganze Sache von selbst erledigen. Denn immer dann, wenn das Thema Heirat von ihm angesprochen wurde, wurde sie wieder unsicher. Christina wollte herausfinden, ob die Liebe, die sie inzwischen für Volker empfand, so stark war, dass sie ihn mit reinem Gewissen heiraten konnte. Ihr fiel deshalb ein Stein vom Herzen, als Volker mit ihren Urlaubsplänen einverstanden war. Leider gab es mit seinen beruflichen Terminen Probleme. Sobald er sich dann aber bereit erklärt hatte schnellstmöglich nachzukommen, ging es ihr wesentlich besser.
Ihre Gedanken kehrten zurück in die Gegenwart und sie beschloss, dass der Tag viel zu schön sei, um sich so ernsten Gedanken zu widmen. Beim Kellner bestellte sie sich noch einen Cappuccino und nahm sich vor, anschließend schwimmen zu gehen.
Am nächsten Morgen begab sie sich nach dem Frühstück erst einmal in den Wellness-Bereich des Hotels. Eine ordentliche Massage würde ihr jetzt gut tun. Nachmittags schloss Christina sich der Reisegruppe des Hotels an: Sie wollte an der Rundfahrt auf dem Lago Maggiore teilnehmen. Für den Abend plante sie, nach Stresa zu fahren. Im Hotel sagte man ihr, dass dort ein Konzertabend veranstaltet würde. Christina dachte kurz nach, wie es wäre, wenn ihr dort Roberto über den Weg liefe … und dann vielleicht noch mit seiner Frau? Wie peinlich! Sei jetzt kein Feigling, sagte sie sich. Schließlich hab' ich es doch selbst heraufbeschworen, ihm irgendwo über den Weg zu laufen.
Nach dem Abendessen machte sie sich für das Konzert fertig. Je später es wurde, umso größer wurde ihre Unsicherheit, die allmählich in ihr hochstieg. Wie konnte ich nur so dumm sein? Wenn doch jetzt Volker bei mir wäre. Mit einem Partner an meiner Seite sähe das alles gleich ganz anders aus, dachte sie. Erst in der Villa, in der das Konzert stattfand, wurde sie langsam wieder ruhiger. Es waren zwar viele Leute da, glücklicherweise konnte sie aber kein ihr bekanntes Gesicht entdecken. Ihre Befürchtungen hatten sich also nicht bestätigt. Auch in der Pause hielt sie immer wieder Ausschau. Ihre innere Anspannung löste sich erst nach und nach. Es bestand keine Gefahr mehr, Christina ließ sich von den Klängen der Musik davontragen.
Später fiel sie ziemlich erschöpft ins Bett. Sie hatte ihn nicht getroffen. Das war gut so. Was hätte sie nur tun sollen, wenn er plötzlich vor ihr gestanden hätte? Womöglich noch mit seiner Ehefrau an der Hand. Wie dumm von mir, dachte sie. Vielleicht war ja alles nur eine fixe Idee. Was erwartete sie eigentlich?
Egal, jetzt war sie nun mal hier und musste das Beste daraus machen. Christina nahm sich vor, am nächsten Tag auf einen ausgiebigen Einkaufsbummel zu gehen. Das brachte sie sicher auf andere Gedanken. Ihrer Erfahrung nach machte sie das besser, bevor Volker ankam, denn wie fast alle Männer war auch er in diesen Dingen zu ungeduldig. Außerdem wollte sie sich besonders hübsch machen, wenn er eintraf.
Am nächsten Morgen machte Christina sich nach einem gemütlichen Frühstück auf den Weg zu einem Stadtbummel. Gut gelaunt genoss sie die Sonne und schaute sich die Auslagen in den Schaufenstern an. Als sie gerade aus einer Boutique trat, in der sie ein traumhaft schönes Kleid entdeckt hatte, hörte sie plötzlich eine vertraute Stimme ihren Namen rufen.
„Christina? Christina, bist du es wirklich?“
Sie blieb stehen und schaute sich um. Da sah sie ihn — Roberto. Im ersten Moment dachte sie, ihr Herz bliebe stehen. Ihre große Liebe. Was nun? Wie sollte sie bloß reagieren? Seitdem sie hier war, hatte sie sich vorgestellt, wie es wohl wäre, ihn wiederzusehen. Insgeheim hatte sie sich dieses Treffen auch erhofft! Aber gerade in diesem Moment hatte sie absolut nicht mit ihm gerechnet. All die Jahre hatte sie versucht, ihn zu vergessen, sein Gesicht, das immer wieder vor ihr auftauchte, zu verdrängen. Sie wollte ihn aus ihren Gedanken streichen. Aber es gelang ihr einfach nicht. Und auf einmal stand er nun so plötzlich vor ihr. Ihr Herz klopfte so laut, dass sie dachte, er müsse es hören. Wie war das möglich? Sei nicht albern, dachte sie. Einfach zusammenreißen. Doch ihr Herz gehorchte ihr nicht, es klopfte immer lauter und lauter. Er kam auf sie zu. Die anderen Menschen in der Einkaufspassage nahm sie gar nicht mehr wahr. Christina hatte den Eindruck, sie beide stünden ganz alleine auf der Straße. Ihr schoss eine feine Röte ins Gesicht. Wie konnte sie diesen Mann immer noch lieben … und zugleich hassen? Nach so langer Zeit.
Sie versuchte zu lächeln und stammelte: „Du bist es, Roberto.“ Mehr brachte sie nicht heraus.
Da stand er nun vor ihr. Der Mann, den sie über alles geliebt hatte. Und er sah blendend aus … seine dunklen Haare, das braun gebrannte Gesicht … der Kragen von seinem legeren Hemd stand etwas offen, die saloppe Kleidung ließ ihn sportlich und jugendlich aussehen. Christina blickte in seine dunklen Augen. Plötzlich war alles wieder da: Die unvergessenen Nächte voller Zärtlichkeiten, erfüllt von einer Leidenschaft, die ihre Körper vor Begierde erschauern ließ. Christina spürte plötzlich ein leises Beben in sich aufsteigen. Verzweifelt kämpfte sie dagegen an, Roberto sollte auf keinen Fall bemerken, wie aufgeregt sie war. Er schmunzelte leicht, legte den Kopf etwas schräg und sah sie an.
Seine Stimme brachte sie wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. „So ein Zufall. Was für eine Überraschung, nach all den Jahren“, sagte Roberto. „Lass dich umarmen.“
Christina war nicht mehr in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. Sein Geruch war ihr so vertraut; er roch noch genauso angenehm wie damals. Dann spürte sie seine zarten Lippen auf ihren Wangen und ein heißer Schauer durchströmte ihren ganzen Körper. Ihr wurde ganz schwindelig. Taumelnd löste sie sich rasch aus seiner Umarmung, dann hörte sie ihn sagen:
„Wo kommst du her, was machst du hier?“
Schnell sammelte sie sich wieder und antwortete betont gleichgültig: „Ich mache Urlaub. Schön, dich zu sehen, wie geht es dir?“
„Christina, schau, das kleine Café auf der anderen Straßenseite, kennst du es noch? Da können wir uns besser unterhalten, komm', ich lade dich ein. Du musst mir alles erzählen, wie es dir ergangen ist und was du so machst.“
Christina wurde förmlich überrumpelt. Sie kam gar nicht dazu, ‚Ja’ oder ‚Nein’ zu sagen.
In dem kleinen Café ging Christina alles wieder durch den Kopf, weshalb ihre Beziehung damals zerbrochen war:
Die Satoris besaßen zwei große Hotels in Cannobio, direkt an der Uferpromenade gelegen. Darüber hinaus gehörten ihnen einige Häuser und Grundstücke. Sie waren sehr wohlhabend. Es war einfach unvorstellbar für die Eltern, dass ihr einziger Sohn, Roberto, kein Mädchen aus ihren Kreisen heiraten würde. Und mit Maria Biantini war er so gut wie verlobt gewesen, das hatten die Eltern so ausgemacht, schließlich waren die Biantinis noch wohlhabender, als die Satoris. Roberto flehte seine Eltern an das Versprechen, das sie den Biantinis damals gegeben hatten, zurückzunehmen. Sie drohten ihm jedoch nur damit, ihn zu enterben. Roberto gab nicht auf, denn er hoffte, wenn sie Christina erst einmal kennenlernten, dann würden sie ihre Meinung schon ändern. Das Ganze endete jedoch in einer Katastrophe. Für seine Eltern gab es kein Zurück mehr, es hing zu viel davon ab. Sie regten sich fürchterlich auf. Ein gegebenes Versprechen nimmt man nicht zurück. Seine Mutter behauptete, sein Vater hätte sich so sehr aufgeregt, dass er einen Herzanfall bekommen habe — was natürlich übertrieben war. Signora Satori gab Christina die Schuld dafür. Obendrein behauptete sie, sie habe sich ihrem Sohn absichtlich an den Hals geworfen, um an sein Erbe zu kommen. Außerdem brächte Sie nur Unheil über die gesamte Familie, sie sei mit dem Teufel im Bunde und wolle die Familie nur ins Unglück stürzen. Eines Morgens tauchte auch noch der Vater von Maria Biantini in ihrem Hotel auf: Er besaß die Unverschämtheit, ihr eine beträchtliche Summe anzubieten, damit sie von der Bildfläche verschwände. Schließlich erwartet Maria ein Kind von Roberto. All das war für Christina zu viel gewesen. In Tränen aufgelöst hatte sie versucht Roberto telefonisch zu erreichen, doch vergebens. Seine Mutter war am Apparat und teilte ihr mit, dass er ausrichten ließe, er habe sich dazu entschlossen, diese aussichtslose Affäre zu beenden. Doch so einfach ließ Christina sich nicht abwimmeln, und schon kurze Zeit später stand sie zum ersten Mal persönlich seiner Mutter gegenüber. Sie war fest entschlossen, selber mit Roberto zu sprechen. Seine Mutter sah aus, als hätte sie einen Geist vor sich. Sie wirkte richtig erschrocken. Sie presste die Lippen zusammen und ihre Wangenknochen traten erkennbar hervor. Noch einmal erklärte sie ziemlich scharf, dass Roberto nicht zu Hause sei und er darauf verzichte, sie wiederzusehen. Zudem solle sie sich ihren Sohn gefälligst aus dem Kopf schlagen. Für ihn sei sie sowieso nur eine dumme Liebelei gewesen, sonst nichts. Er habe schließlich Verpflichtungen seiner Verlobten gegenüber.
Wieder in ihrem Hotel angekommen, schrieb Christina völlig verzweifelt einen Abschiedsbrief an Roberto. Sie fühlte sich entsetzlich gedemütigt, deshalb beschloss sie, noch am selben Tage abzureisen. Christina war damals völlig enttäuscht und verzweifelt gewesen. Sie hatte lange gebraucht, diesen Kummer zu überwinden und wieder aktiv am Leben teilzunehmen. Ihre damalige Freundin Helen hatte dafür überhaupt kein Verständnis, denn schließlich weine eine Frau keinem Mann hinterher. Ohne die Hilfe ihrer Schwester Lilian und ihres Schwagers Stefan, mit dem sie sich sehr gut verstand, hätte Christina diese schwere Zeit nicht überstanden. Lilian war die ältere der beiden Schwestern und sie wohnten alle gemeinsam in der Villa, die sie von ihren Eltern geerbt hatten.
Während sie mit ihren Gedanken so weit weg war, bestellte Roberto wie selbstverständlich zwei Espresso und fragte: „Den trinkst du doch hoffentlich immer noch so gerne?“
Sie antwortete verblüfft: „Das weißt du noch?“
Roberto schaute ihr jetzt tief in die Augen: „Wie könnte ich das vergessen? Nichts habe ich vergessen, aber auch gar nichts, jede Stunde mit dir ist mir in Erinnerung geblieben. Nachdem ich damals deinen Brief erhielt, aus dem ich nicht schlau wurde, bin ich fast gestorben vor Angst und Sorge um dich. Ich wollte dich auf keinen Fall verlieren, deshalb habe ich mich sofort auf den Weg gemacht, um dich zu suchen … aber ohne Erfolg. Da ich keine Adresse von dir hatte, war es mir nicht möglich, dich in Deutschland ausfindig zu machen.“
Christina stutzte. „Ja, hat dir denn deine Mutter nicht erzählt, dass ich bei ihr war, um dich zu sprechen?”
„Das höre ich jetzt zum ersten Mal, nein, davon wusste ich nichts.”
Christina musste sich beherrschen und versuchte, die Fassung nicht zu verlieren. Wut stieg in ihr hoch. Voller Zynismus fuhr sie fort: „Du hast dann doch sicherlich deine Maria geheiratet, da sie ja immerhin schwanger von dir war? Seid ihr wenigstens glücklich geworden?“
Entsetzt schaute Roberto sie an. „Was soll der Unsinn? Maria war nicht schwanger. Wie kommst du denn darauf?“ Nun klang Bitterkeit in Robertos Stimme mit. Die hochsteigenden Tränen in seinen Augen konnte er nur mit Mühe zurückhalten. Er antwortete dann in einem sehr harten Ton auf ihre Frage: „Ja … ja, ich habe Maria dann geheiratet, meine Eltern drängten mich dazu, aber wir hatten keine Kinder.“
„Warum sprichst du in der Vergangenheit?“
„Maria konnte keine Kinder bekommen, unsere Ehe war kinderlos … sie ist vor drei Jahren an Leukämie gestorben.“
„Das tut mir leid, bitte entschuldige, ich wollte dich nicht verletzen.“
Christinas Gedanken überschlugen sich: Dann war ja alles nur von seinen und Marias Eltern erlogen worden, um mich loszuwerden. Aber warum …. warum? Langsam fing sie an, das Unfassbare zu begreifen. Nein … nein, dachte sie, ich muss hier raus, nur weg von hier. Christina war jetzt nicht mehr in der Lage, das Gespräch mit Roberto weiterzuführen. Also stand sie auf und schaute ihn an — erst jetzt sah er die Tränen in ihren wunderschönen blauen Augen.
Ihre Lippen zuckten, als Christina mit tränenerstickter Stimme sagte: „Verzeih, ich muss gehen, es ist alles so unbegreiflich für mich, gib mir ein wenig Zeit. Sei so lieb, ruf mich bitte heute Abend im Hotel an.“ Sie legte die Visitenkarte ihres Hotels auf den Tisch, notierte darauf ihre Zimmerdurchwahl und lief hinaus.
Roberto machte sich Sorgen. Hatte er etwas falsch gemacht? Konnte sie ihm etwa nicht verzeihen, dass er dann doch Maria geheiratet hatte, nachdem sie aus seinem Leben getreten war? Er beschloss, Christina am Abend anzurufen. Er würde sie zum Essen einladen und ihr alles erklären. Es lag ihm viel daran, sich mit Christina auszusprechen. Sicherlich war das alles ein bisschen viel für sie. Er warf einen Blick auf die Visitenkarte. Da kam ihm eine Idee: Christina wohnte also bei Vittorio. Roberto und Vittorio waren seit ihrer Kindheit gute Freunde. Außerdem wusste er noch ganz genau, dass Christina weiße Kamelien liebte. Sofort rief er Vittorio an und ließ ihr einen riesigen Straus weißer Kamelien auf ihr Zimmer bringen.
So aufgewühlt und verheult wollte Christina nicht ins Hotel zurück. Nun ahnte sie, welch falsches Spiel man damals mit ihr getrieben hatte. Ein langer Spaziergang wäre jetzt sicherlich gut. Sie musste sich erst einmal beruhigen. Ihre Gedanken flogen wild durcheinander. Ohne es zu bemerken, lief sie eine ganze Stunde ziellos durch die Gegend. Nachdem sie auf einer nahegelegenen Bank Platz genommen hatte, kam sie langsam wieder zur Ruhe. Sie dachte nun darüber nach, wie ihr Leben wohl verlaufen wäre, wenn man Roberto und ihr nicht so übel mitgespielt hätte. Am frühen Nachmittag machte sich Christina auf den Weg zurück ins Hotel.
In ihrem Zimmer angekommen, strömte ihr sogleich ein süßlicher Duft entgegen. Auf dem Tisch stand ein wunderschönes Blumenbouquet aus weißen Kamelien. Auch das hat Roberto also nicht vergessen, dachte sie. Christinas Hände zitterten, als sie die darin befindliche Karte las:
Verzeih' mir, wenn ich dich verletzt haben sollte.
Ich erwarte dich heute Abend um 19 Uhr im Hotelrestaurant Villa Margherita. Ein Wagen wird dich an deinem Hotel abholen.
Sie war hin und her gerissen. Christinas Gedanken überschlugen sich. Sollte sie es wagen, diese Einladung anzunehmen? Oder besser nicht? Gleichzeitig sagte sie sich: Was kann mir schon passieren? Er will doch nur mit mir Essen gehen, was ist denn schon dabei?
Christina entschied schließlich, Robertos Einladung anzunehmen. Nur so konnte sich alles aufklären.
Etwas Ruhe und ein bisschen Schlaf würden mir jetzt sicherlich gut tun, stellte sie fest. Deshalb legte sie sich etwas hin. Ihre Gedanken an Roberto begleiteten sie in den Schlaf.
Als sie dann später unter der Dusche stand und sich zum Abendessen umzog, ging ihr ein seltsamer Traum, den sie gerade gehabt hatte, nicht aus dem Kopf: Sie sah Robertos Mutter, eine typische stolze Italienerin, weinend und betend mit einem Rosenkranz in der Hand. Sie strafte Christina mit einem eisigen, verachtenden Blick. Überall brannten Kerzen, ringsherum lagen weiße Kamelien.
So ein Unsinn, dachte Christina. Ein Psychologe würde diesen Traum sicherlich auseinander pflücken und ihr raten, diese alte Liebe zu vergessen. Aber konnte sie Roberto wirklich einfach aus ihrem Gedächtnis löschen? Ihr Verstand sagte ihr: Ja, denn es ist lange vorbei. Schließlich hatte sie einen tollen Beruf als Immobilienkauffrau und außerdem gab es Volker, der ihr Sicherheit und Geborgenheit gab. Ja, sie konnte mit ihrem Leben zufrieden sein. Aber hatte sie nicht insgeheim sogar gehofft, Roberto hier wiederzutreffen? Christina war ehrlich genug, um sich einzugestehen, dass sie mit sich selber ins Reine kommen musste. Denn wenn sie Volker heiratete, sollte das Kapitel Roberto ein für alle Mal erledigt sein.
Der Wagen, der sie abholen sollte, war rechtzeitig vor der Eingangstür des Hotels vorgefahren. Im Restaurant angekommen, führte man sie zu einem reservierten Tisch, an dem sie Roberto schon erwartete. In dem türkisfarbenen trägerlosen Kleid, für das sie sich entschieden hatte, kam Christinas makellose Figur besonders gut zur Geltung. Ihre dunklen Haare fielen leicht gewellt auf ihre gebräunten Schultern. Nicht nur Roberto, sondern auch die anderen Gäste wurden durch ihre elegante Erscheinung auf sie aufmerksam. Christina sah einfach zauberhaft aus. Ihre leichte Nervosität und ihre Unsicherheit konnte sie geschickt verbergen. Voller Stolz begrüßte Roberto sie mit einem formvollendeten Handkuss.
Er ließ zur Begrüßung Champagner bringen. Christina bedankte sich erst einmal für die wunderschönen Kamelien, die sie von ihm bekommen hatte. Es entging ihr nicht, dass auf dem Tisch, an dem sie Platz nahm, wieder ein kleines weißes Kameliengesteck stand. Er hatte es also nicht vergessen, dass es ihre Lieblingsblumen waren, und es war nicht nur Zufall mit den Blumen im Hotelzimmer gewesen. Christina wunderte sich über die ausgesprochene Aufmerksamkeit der Bedienung.
Roberto erwähnte währenddessen kurz, dass seine Urgroßeltern väterlicherseits aus Deutschland stammten.
Christina unterbrach ihn, „Jetzt weiß ich auch, warum du so gut Deutsch sprichst.“
„Ich dachte, ich hätte dir das bereits erzählt?“
„Nein davon hatte ich keine Ahnung.“
Im Laufe des Abends erfuhr sie zudem, dass Roberto inzwischen der Besitzer dieses Hotels war. Während des Essens sprachen sie darüber, wie übel man ihnen damals mitgespielt hatte. Roberto war sehr enttäuscht von seinen Eltern. Solche Intrigen hätte er ihnen nie zugetraut. Er versprach ihr, seine Eltern in den nächsten Tagen diesbezüglich zur Rede zu stellen. Dann wechselten sie das Thema und beide bemühten sich, die Vergangenheit nicht mehr zu erwähnen. Christina berichtete, wie sie so lebte, und erzählte von ihrem Beruf. Ihre Schwester und Stefan erwähnte sie ebenfalls. Ja, sogar von Volker erzählte sie. Auch, dass sie vorhätten, in Kürze zu heiraten, verschwieg sie ihm nicht. Bildete sie sich das nun ein oder schaute er sie plötzlich irgendwie prüfender an? Sie sprach auch davon, dass ihre Eltern beide nicht mehr lebten.
„Die Immobilienfirma, die meine Eltern meiner Schwester und mir hinterlassen haben, führen wir nun gemeinsam weiter. Mit Stefans Hilfe kommen wir ganz gut zurecht. Sonst wären wir zwei aber auch ziemlich aufgeschmissen.“
Christina musste selber darüber lachen. Mittlerweile verschwanden ihre Unsicherheit und ihre Angst, sie unterhielten sich wie alte Freunde. Ja, sie lachten und scherzten sogar miteinander, es war genau wie früher. Nach dem Essen lud Roberto sie zu einer kleinen Hotelbesichtigung ein. Christina war angenehm überrascht. Voller Bewunderung stellte sie fest, mit wie viel Geschmack und Sinn für vornehme Eleganz das ganze Hotel eingerichtet war. Die absolute Krönung waren die Suiten.
Nachdem sie diese begutachtet hatten, begaben sie sich in einen ganz anderen Trakt. Roberto öffnete die Tür. Christina vermutete, dass sie sich hier in der sogenannten Luxussuite befinden müssten. Die Einrichtung war sehr elegant. Überall brannten Kerzen. Es sah einfach traumhaft schön aus, Romantik pur. Die ganze Einrichtung war mehr oder weniger im englischen Stil gehalten, die Möbel aus Mahagoni und mit Messing beschlagen. Die weiße Polstergarnitur kam besonders gut zur Geltung. Rechts und links befanden sich kleine Glastische mit großen Porzellanlampen. Auf dem großen Glastisch stand ein wunderschönes Gesteck aus Seidenblumen. Die Seidenvorhänge, auf denen pastellfarbene Kamelien waren, gaben dem Ganzen eine warme Gemütlichkeit. Der große Kamin lud zum Träumen ein.
Roberto sah ihren fragenden Blick und sagte: „Das hier ist mein ganz privater Bereich. Hier wohne ich. Du hast doch sicherlich Verständnis dafür, wenn wir uns hier weiter unterhalten? Unter den Augen des Personals fühlt man sich dann doch nicht so wohl.“
Als Roberto ihr erneut ein Glas Champagner reichte, überfielen sie wieder diese Angst und Unsicherheit, die sie schon fast vergessen hatte. Sicherlich kam er jetzt darauf zu sprechen und wollte vielleicht wissen, weshalb sie ausgerechnet hier ihren Urlaub verbrachte? Was sollte sie ihm bloß antworten? Ihr Herz schlug plötzlich schneller. Ihre Knie fingen an zu zittern. Dann prostete er ihr zu, und als sie das Glas an ihre Lippen führte, hatte sie Mühe, ihre Hände ruhig zu halten.
Natürlich bemerkte Roberto ihre Nervosität. Er nahm ihr ganz behutsam das Glas aus der Hand, schaute ihr tief in die Augen und flüsterte: „Hab keine Angst, kleine Christina, ich liebe dich immer noch. Ich habe nie aufgehört, an dich zu denken.“ Dann schloss er sie in seine Arme und küsste sie voller Leidenschaft.
All ihre guten Vorsätze waren dahin. Ein Schauer voller Leidenschaft und Zuneigung durchzuckte ihren Körper. Christina hatte nicht die Kraft, sich dagegen zu wehren. Es war aussichtslos — die Angst und ihre Unsicherheit wichen einem Gefühl der zärtlichen und glühenden Erregung. Sie wurden von der gleichen Leidenschaft erfasst, die ihre Körper damals zum Schmelzen gebracht hatte. Christina konnte und wollte sich nicht dagegen wehren: Sie liebte Roberto immer noch; das wusste sie jetzt. Darum ließ sie sich einfach von ihren Gefühlen davontragen. Beide wurden von einer Leidenschaft erfasst, die sie erschauern ließ. Erst gegen Morgen schlummerten beide, eng umschlungen, vor Erschöpfung ein. Dieses Mal schworen sie sich: Keine Macht der Welt soll uns jemals wieder trennen können.
Roberto erzählte ihr später, was er damals durchgemacht hatte, als sie einfach abgereist war und er von niemandem erfuhr, was tatsächlich vorgefallen war. Er gestand ihr, dass er Maria nie geliebt hatte. Es machte Maria auch nichts aus, da sie ihre Ehe sowieso nicht ernst genommen habe. Maria war ein fröhlicher Mensch, sie wollte immer nur lustig sein.
Laut dachte Roberto nach: „Gab es überhaupt etwas, was Maria ernst nahm in ihrem Leben? Nein, auf eine ganz besondere Art genoss sie das Leben in vollen Zügen. So haben wir damals ein Abkommen getroffen und nur geheiratet, weil unsere Eltern es so wollten. Maria wusste, dass ich dich nicht vergessen konnte. Es gab eine Zeit, da redeten wir uns ein, wenn wir erst einmal Kinder hätten, würden wir lernen, uns zu lieben. Aber das war aussichtslos. So wurden wir sehr gute Freunde und konnten uns aufeinander verlassen.“
„Warum habt ihr euch dann nicht getrennt?“ Christina wollte alles ganz genau wissen.
„Marias Krankheit hat all das dann verhindert. Es wäre nicht fair von mir gewesen, sie ausgerechnet dann im Stich zu lassen, als sie mich am meisten brauchte.“ Sein Gesicht wirkte bei diesen Worten etwas nachdenklich und zugleich traurig.
Christina nahm ihn in den Arm und sie küssten sich wieder und wieder.
Roberto sagte: „Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich habe jetzt einen Bärenhunger.“ Er griff zum Telefon und bestellte ein Frühstück für zwei Personen.
Christina erschrak. „Was soll das Personal denken?“, meinte sie und verschwand sofort ins Bad.
Roberto lachte und zog sich seinen Bademantel an. Während des Frühstücks beschloss Roberto, sich für diesen Tag freizunehmen. Die Zeit mit Christina wollte er genießen. Jetzt, wo er sie endlich wiederhatte, hätte ihn niemand davon abhalten können.
„Meine Segeljacht liegt unten im Hafen. Was hältst du davon, wenn wir gleich ein bisschen rausfahren?“
Christina schaute ihn mit großen Augen an. „Nur du und ich?“
„Aber ja”, erwiderte Roberto.
Voller Begeisterung umarmte sie ihn. „Ich muss aber erst rasch in mein Hotel zurück, um mich dort umzuziehen.”
So verabredeten sie sich am Jachthafen.
Christina war begeistert und strahlte vor Glück, als sie sagte: „Ich liebe dich, ich liebe dich.“
Roberto schloss sie noch einmal in seine Arme. Seine dunklen Augen durchbohrten die ihren förmlich. „Liebes, bleib nicht so lange weg.“ Dann küsste er sie nochmals.