Herzenssache - Prof. Dr. med. Michael Becker - E-Book

Herzenssache E-Book

Prof. Dr. med. Michael Becker

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Beschreibung

Frauenherzen brauchen Frauenmedizin »Ich habe den absolut richtigen Mann für mein Frauenherz gefunden! Michael Becker ist sehr engagiert und er schafft Vertrauen. Vertrauen, das man spätestens dann in andere haben sollte, wenn es um das eigene Leben geht.« Margarethe Schreinemakers - Das Wichtigste zur Frauengesundheit vom Gründer des ersten Frauenherz-Zentrums in Deutschland - Ein Weckruf: Frauen verdienen den besonderen Blick auf Ihr Herz, der heilt und bewahrt! Frauenherzen werden durch die praktizierte Einheitsmedizin oft falsch behandelt. Nicht selten sind schlimme Krankheitsverläufe die Folge. Professor Michael Becker, Kardiologe und Chefarzt, lässt zahlreiche betroffene Frauen zu Wort kommen. Zudem bietet er wertvolle Tipps zur Frauengesundheit und setzt sich mit Fachwissen und Empathie für eine Medizin ein, die Frauen das Leben rettet. Nach wie vor ist die verbreitete Auffassung in der Medizin, dass Frauen und Männer anatomisch im Prinzip gleich sind und nach denselben Maßgaben diagnostiziert, behandelt und medikamentiert werden können. Aber: Die weibliche Gesundheit, speziell das weibliche Herz ist anders als das männliche und Herzbeschwerden können sich bei Frauen grundlegend anders bemerkbar machen als beim Mann. Für die Herzgesundheit einer Frau hat diese Gleichbehandlung fatale, nicht selten sogar lebensbedrohliche Folgen. Professor Michael Becker, Kardiologe und Gründer des ersten Frauenherz-Zentrums in Deutschland, plädiert eindringlich für eine geschlechtergerechte Medizin, die diese Unterschiede zwischen Mann und Frau berücksichtigt und anerkennt, dass Frauenherzen anders behandelt werden müssen. Anhand von zahlreichen Beispielen betroffener Frauen erklärt er leicht verständlich die Funktionsweise des Herzens und die Gefahren einer männer-fokussierten Medizin. Darüber hinaus liefert er wertvolle Tipps zur Frauengesundheit: Welche Risikofaktoren gibt es? Welche Rolle spielen der weibliche Zyklus und die Wechseljahre? Was können Frauen tun für ein gesundes Herz und damit für ein glückliches Leben?

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Michael Becker

Herzenssache

Warum Frauenherzen anders schlagen

Für meine Herzenssache und meine Herzensmenschen

Vorwort von Margarethe Schreinemakers

Liebe Leserinnen und liebe Leser,

 

ich war tatsächlich schon tot. Satte 8 Minuten. Der berühmte Sekundentod. Plötzlich und unerwartet. Beim Joggen im Wald. Vollfit. 50 Jahre alt (jung). Ohne die sofortigen lebenserhaltenden Maßnahmen meines wundervollen Ehemannes hätte ich bereits seit 14 langen Jahren einen festen Platz auf dem örtlichen Friedhof. Aber das ist eine andere Geschichte.

Es gibt Begegnungen im Leben, die sind einzigartig, sie sind einfach ein Geschenk des Himmels. Ich rede von einem fabelhaften Arzt, einem Menschen mit der unerschütterlichen »Lizenz zum Optimismus«. Eine Art »James Bond im weißen Kittel«.

Ein Mensch von unglaublicher Strahlkraft. Voller guter Energie. Er betritt den Raum, und du weißt direkt: Ab sofort wird alles gut.

Michael Becker ist nicht nur ein großartiger Kardiologe, er ist so viel mehr. Man merkt sofort, er liebt den Umgang mit Menschen. Sein unerschütterliches Ziel: Es soll ihnen besser gehen. Er will sie verstehen und, ganz wichtig: Er will auch verstanden werden. Kein Fachchinesisch. Dieser Arzt geht komplett auf seine Patientinnen und Patienten ein. Und das merkt man bereits, wenn man ihn fröhlich lächeln sieht.

Wir Frauen sind es gewohnt, etwas auszuhalten. Wir melden uns immer erst recht spät, wenn etwas ist. Einige leider zu spät. Und nicht selten geraten Frauen leider an einen falschen Ansprechpartner. Wie oft gibt es das Problem, dass bei Frauen nicht genau hingesehen wird – diese Erfahrung musste ich auch einige Male machen. Inzwischen habe ich mir daher eines zu eigen gemacht: Ich lasse mich grundsätzlich von niemandem mehr behandeln, bei dem ich ein ungutes Gefühl habe.

Aber manchmal muss man eben auch ein Glückspilz sein: in der Stunde der Not einen Arzt oder eine Ärztin zu finden, der/die weiß, dass eine Frau eben eine Frau ist und kein Mann! In der Diagnostik der weiblichen Herzen und der Mediation zwischen Patientin und Arzt bleibt noch viel zu tun, aber ich darf mit Stolz behaupten: Ich habe den absolut richtigen Mann für mein Frauenherz gefunden! Michael Becker ist sehr engagiert in diesem Thema aktiv, und er schafft Vertrauen. Vertrauen, das man spätestens dann in andere haben sollte, wenn es um das eigene Leben geht, das wirklich nur ein einziges Mal gelebt werden kann.

Ich bin heilfroh, dass dieser besondere Mensch in meinem Leben ist. Solche Ärztinnen und Ärzte wünsche ich allen Frauen. Sie machen die Welt für uns wirklich ein ganzes Stück besser.

Auf das Leben!

 

Herzlichst, Ihre

Margarethe Schreinemakers

Vorwort des Autors

Im Sommer 2023 erreichte mich eine schöne und ehrenvolle Einladung. An der medizinischen Fakultät einer Universität sollte zum Wintersemester der Studienbereich »Gendermedizin« starten – und ich wurde gebeten, die Einführungs-Vorlesung zu halten. Eine entsprechende Arbeitsgruppe gab es in dem Universitätsklinikum bereits seit Jahren, aber durch die COVID-Pandemie war ihre Präsenz leider immer weiter zurückgegangen und sollte nun wieder gestärkt werden. Meine Einladung verdankte ich also sehr engagierten Mitarbeiterinnen der Universität. Die Veranstaltung wurde ein voller Erfolg. Viele interessierte Studierende waren gekommen, und auch Beschäftigte aus vielen benachbarten Kliniken waren im Publikum. Der Hörsaal war voll und wir diskutierten angeregt über die zahlreichen Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Die Freude über diesen gelungenen Austausch wurde jedoch leider ein wenig getrübt: Einige Herzspezialisten aus dem Universitätsklinikum hatten versucht, die Vorlesung zu verhindern. Die geschlechtssensible Kardiologie sei unseriös und nicht durch wissenschaftliche Studien belegt. Am Ende dieses Buchs, wenn Sie viel über das weibliche Herz, die Unterschiede zum männlichen Organ und die zahlreichen wissenschaftlichen Erkenntnisse gelesen haben, können Sie sich selbst ein Urteil über diese Aussage bilden.

Für mich war diese Abwehrhaltung nicht neu, aber sie macht mich dennoch immer wieder traurig. Die Fehlwahrnehmung, es gebe keine relevanten Unterschiede zwischen Frauen- und Männerherzen, enthält so vielen leidenden Patientinnen die angemessene Diagnostik und Therapie vor. Deshalb versuche ich mit vielen tollen Mitstreiterinnen und Mitstreitern diesem so wichtigen Thema immer wieder Raum zu verschaffen. Ich hoffe sehr, dass die Gendermedizin endlich einen nachhaltigen und sicheren Platz im Medizinstudium erhält. Nur so können die jungen Ärztinnen und Ärzte von Anfang an ein Verständnis für die geschlechtssensible Medizin entwickeln und das Erlernte direkt zum Beginn ihrer medizinischen Tätigkeit in den Alltag integrieren. Dieser Fortschritt sollte es den traditioneller orientierten Fachkollegen wert sein, den »blinden Fleck« anzuerkennen, den unsere Zunft sich jahrzehntelang geleistet hat.

 

Während meiner Ausbildung habe ich mich schon früh für die Unterschiede zwischen den Herzen von Männern und Frauen interessiert, erhielt aber wenig Unterstützung. Das Thema wurde als unwichtig abgetan. Erst als ich mit einigen engen Kolleginnen und Kollegen nach Würselen wechselte, um gemeinsam mit einem tollen Team die Abteilung für Herz- und Nierenerkrankungen am Rhein-Maas Klinikum aufzubauen, konnten wir uns diesem Aspekt mit der nötigen Gründlichkeit widmen und 2018 das erste Frauenherz-Zentrum in Deutschland gründen. Unsere Arbeit stieß sofort auf heftige Widerstände, vor allem seitens männlicher Herz-Spezialisten (Kardiologen) in der Umgebung. Wir wurden als unseriös beschimpft. Das sei »nur ein Werbe-Gag«. Einige drohten mit einem Boykott unseres Krankenhauses. Und immer wieder fiel der verräterische Satz: »Frauen kann doch jeder!«

Dieser Satz belegt wie kein anderer die immer noch herrschende Ignoranz – und auch die Gewöhnung an eine männlich dominierte Einheitsmedizin. Die Ablehnung ging sogar so weit, dass ein kardiologischer Kollege uns bei der Kassenärztlichen Vereinigung anzeigte, weil wir Kassenpatientinnen, die laut Gesetz zuerst ambulant in eine Praxis kommen müssen und nicht gleich im Krankenhaus gesehen und behandelt werden dürfen, die Möglichkeit einer Behandlung auch ohne stationäre Aufnahme anböten. Diese rechtlich relevante Anschuldigung verlief zwar im Sande, zeigte aber, wie vehement der Kampf gegen eine weiblich fokussierte Kardiologie und für ein »Weiter so« geführt wurde. Vielen Kolleginnen und Kollegen geht es erkennbar auch um die Sorge vor finanziellen Einbußen, weil Patientinnen nicht in die eigene Praxis beziehungsweise Klinik kommen, sondern in spezialisierte Zentren gehen. Besonders schlimm aber ist die Ignoranz, die sich in dieser Ablehnung zeigt: Frauen würden keinen besonderen diagnostischen oder therapeutischen Ansatz benötigen.

Anfangs war ich geschockt und versuchte zu vermitteln und aufzuklären. Danach kam der Gedanke ans Aufgeben. Sollten wir das Frauenherz-Zentrum schließen und uns wieder in die vorgegebene medizinische Ordnung eingliedern? Doch dann zeigte sich, dass wir etwas anboten, worauf betroffene Frauen offensichtlich schon lange gewartet hatten. Nach zwei Berichten in der Tageszeitung und im Radio wurden wir von Terminanfragen geradezu überrannt. Zuerst nur aus der Region, dann bald auch aus ganz Deutschland und dem nahen Ausland kamen Frauen gezielt nach Würselen oder wurden zu uns überwiesen. Mit dem Erfolg kam auch die Gewissheit zurück, dass wir das Richtige tun. Und die Dankbarkeit der Patientinnen berührt mich immer wieder.

Die heftige Gegenwehr und die Anfeindungen kann ich bis heute nicht verstehen. Es gibt viele Studien, die belegen, dass Frauen schlechter als Männer behandelt werden und das oft sogar mit dem Leben bezahlen. Ich war davon ausgegangen, dass gerade medizinisches Fachpersonal und Kollegen großes Interesse an neuen Erkenntnissen und einem breiteren Angebot für alle Patientinnen und Patienten haben müssten. Im Rückblick war das wohl naiv.

 

In den vergangenen Jahren ist mir klar geworden, dass die Gesundheit des weiblichen Herzens nicht nur ein medizinisches Thema ist, sondern auch ein gesellschaftspolitisches. Hoffen wir, dass die Gesundheit von Frauen dieser Politisierung nicht zum Opfer fällt, sondern davon profitiert. Mit meiner täglichen Arbeit im Frauenherz-Zentrum, mit meinen Vorträgen und mit diesem Buch möchte ich dazu beitragen, der Herzmedizin und der Gesundheitspolitik die Scheuklappen abzunehmen, die bisher hauptsächlich den Blick auf das männliche Herz zuließen.

Einleitung

Beginnen wir mit einem kleinen Gedankenspiel: Stellen wir uns vor, es hätte sich irgendwann im 20. Jahrhundert herausgestellt, dass die Anatomie bis dahin ausschließlich Frauenherzen studiert habe. Wie lange hätte es wohl gedauert, bis das männliche Herz umfassend analysiert und die Diagnose- und Therapiemethoden geschlechterspezifisch differenziert worden wären? Keine zehn Jahre, schätze ich. Aber es war bekanntlich umgekehrt: Sehr lange betrachtete die Kardiologie das männliche Herz als Standard – auch bei der Behandlung von Frauen. Das ist schon seit Jahrzehnten bekannt – aber noch immer wissen viele Medizinerinnen und Medizinern zu wenig darüber, wie fundamental sich das weibliche Herz vom männlichen unterscheidet. Und wie gezeigt, sträuben sich bis heute manche traditionsorientierten Fachkollegen gegen die inzwischen vorliegenden Erfahrungen und wissenschaftlichen Erkenntnisse. Zwischen Frauen und Männern bestehe bezogen auf das Herz kein Unterschied – so wird das noch immer von den meisten Medizinern gesehen. Diese Meinung ist falsch und führt bei zahlreichen Patientinnen zu unnötigen Verunsicherungen, Leidenswegen und sogar Todesfällen.

Unsere Gesellschaft wird diverser und individueller, aber die Medizin folgt dieser Veränderung bisher gar nicht oder noch nicht ausreichend. Das mag auch daran liegen, dass der Begriff »Geschlecht« schillert – je nachdem, ob man ihn gesellschaftspolitisch betrachtet und Geschlechterrollen anschaut oder ob man ihn biologisch-naturwissenschaftlich definiert. Aber auch auf der medizinisch-naturwissenschaftlichen Ebene hat sich in den letzten Jahren durch verfeinerte Messmethoden und genaueres Hinschauen etwas getan. Denn auch wenn die Definition des Geschlechts aufgrund der Gene, der Geschlechtshormone und -organe zunächst einfach und eindeutig scheint: Durch eine unterschiedliche Ausprägung der Gene und Hormone gibt es eine Vielzahl zwischengeschlechtlicher Konstellationen, die seit einiger Zeit als »diverses« Geschlecht zunehmend Akzeptanz in der Gesellschaft finden. Allerdings ist der Anteil der diversen Menschen an der Gesamtbevölkerung niedrig (aktuell geht man von etwa 1 Prozent aus), sodass es schwierig ist, eine ausreichend hohe Zahl von Personen für Studien zusammenzubekommen, um mehr Erkenntnisse über eine optimale Behandlung und Therapie dieser Menschen zu erlangen. Doch das kann und darf kein Grund sein, die Existenz einer Vielfalt von geschlechtlichen Varianten zu ignorieren. Was für die kardiologische Verschiedenheit von Männern und Frauen gilt, trifft wahrscheinlich auch für diverse Menschen zu.

Thema dieses Buchs sind jedoch die Unterschiede zwischen Männern und Frauen bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Und für dies Unterschiede gibt es bereits zahlreiche aussagekräftige Studien und Belege.

 

Dieses Buch soll dabei helfen, Vorurteile und Gegenwehr abzubauen – und vor allem soll es Ihnen als Patientin Mut machen, sich bei Bedarf gegen die einheitsmedizinische Meinung von Ärzten und Ärztinnen zu wehren und einen geschlechtssensiblen Blick auf Ihre Beschwerden einzufordern. Aber auch die Familien, Partner und Freunde der betroffenen Patientinnen und alle anderen an diesem Thema interessierten Personen sind eingeladen, den medizinischen Ausführungen und vor allem den beeindruckenden Fallbeispielen zu folgen und ein Umdenken in der Gesellschaft voranzubringen.

Das Herz – Geschenk unseres Lebens

Dieses Buch handelt überwiegend von Erkrankungen des Herzens. Das könnte Angst machen. Nicht umsonst kann man die Verwandtschaft der Wörter »Enge« und »Angst« nirgends so gut ablesen wie bei der Beklemmung, die Herzanfall-Patienten verspüren. Angina pectoris, »Enge der Brust«, nennt die Medizin diese beengende und beängstigende Erfahrung.

Aber Sie sollen dieses Buch nicht mit Angst lesen. Sondern mit dem Vertrauen auf dieses Wunder der Natur, das unser Leben vom Anfang bis zum Ende mit unglaublicher Zuverlässigkeit begleitet und ermöglicht. Das erste Zeichen von Lebendigkeit, das werdende Eltern im Ultraschall zu sehen bekommen, ist das rasend schnell pochende Herz des Embryos. Und wenn ein Mensch im Sterben liegt, dann erkennen wir das Ende seines Lebenswegs zuerst daran, dass sein Herz aufgehört hat zu schlagen.

Dazwischen hat das Herz mehrere Milliarden Mal Blut in unseren Organismus gepumpt – über hunderttausendmal am Tag. Es ist der einzige Muskel im Körper, der niemals müde wird. Ohne dass wir uns darauf besinnen müssen, schlägt das Herz ohne Unterbrechung und ohne Pausen jede Sekunde unseres Lebens. So pumpt es »neues«, sauerstoffreiches Blut in die Organe und transportiert das »verbrauchte«, sauerstoffarme Blut zurück in die Lunge, wo es dank unserer Atmung wieder mit Sauerstoff angereichert wird. Wenn wir schlafen, arbeitet das Herz langsamer, und wenn wir Sport treiben, kann es die Leistung um ein Vielfaches steigern. (Und es freut sich sogar über diese »Anstrengung«.) Mehrmals pro Stunde bewegt das Herz unser gesamtes Blut durch unseren Körper. Im Laufe des Tages kommt so ein Volumen von mehr als 8000 Litern zusammen. Die Power des gesunden menschlichen Herzens ist so groß, dass das Blut damit bis zu zehn Meter hoch gepumpt werden könnte. Diese Zahlen faszinieren und lassen uns staunen.

Das Herz ist zu Recht ein Symbol für Kraft, Leben und Liebe und verdient unsere besondere Beachtung. Seit jeher spüren wir, dass starke Empfindungen sich so direkt auf das Herz auswirken, dass wir diese Gefühle umgangssprachlich sogar dort lokalisieren und spüren. Dass uns etwas zu Herzen gehen oder von Herzen kommen kann, zeichnet uns Menschen aus. Herzlichkeit ist etwas vom Schönsten, mit dem wir beschenkt werden können. Wenn wir etwas wagen, fassen wir uns ein Herz – aber wenn wir das Wagnis scheuen, rutscht es uns in die Hose. Und nicht nur Stress, Schrecken und Angst, sondern auch Freude, Verliebtsein und Glück lassen unser Herz höherschlagen.

 

Wir denken viel zu selten über dieses so wichtige Organ nach und gehen leider manchmal leichtfertig mit seiner Gesundheit um. Daher freue ich mich, dass ich Ihnen am Ende dieses Buchs Risikofaktoren für Herzerkrankungen, aber auch Wege zur Förderung der Herzgesundheit zeigen kann. Das Herz kann erkranken – aber wenn das rechtzeitig entdeckt und kompetent behandelt wird, dann hat dieses unermüdliche Organ erstaunliche Genesungskräfte. Also: Lesen Sie dieses Buch nicht mit Angst, sondern mit beherztem Mut.

 

Ein Wort zum Thema »Gendern«: Wenn es ein Buch gibt, in dem man über die Dominanz der männlichen Formen in unserer Sprache nicht einfach hinweggehen darf, dann ist es dieses. Zugleich liegt mir die Lesefreundlichkeit am Herzen. Deshalb verwende ich manchmal nur die weibliche Form (»Ärztinnen«); die männlichen Kollegen sind dann mitgemeint. Und manchmal mache ich es umgekehrt. Wenn Missverständnisse möglich sind, tauchen stets beide Formen auf, also »Ärztinnen und Ärzte«. In Aufzählungen kann es auch mal abwechselnd die weibliche und die männliche Form sein; gemeint sind dann jeweils alle Geschlechter.

 

Ich versuche in diesem Buch, die medizinischen Zusammenhänge so zu erklären, dass auch Laien sie verstehen können. Das geht oft nur, indem ich auf eine vollständige Darstellung aller fachlichen Nebenaspekte verzichte. Fachkolleginnen und -kollegen bitte ich dafür um Nachsicht. Dies ist kein Lehr- und Fachbuch, sondern ein Sachbuch, das so allgemeinverständlich wie möglich sein soll. Deshalb verzichte ich auch darauf, alle genannten Studien und Untersuchungen mit Fußnoten zu versehen und vollständig bibliografisch aufzuführen. Eine Liste der für dieses Buch wichtigsten Studien findet sich im Anhang. Für weitere Nachfragen hierzu stehe ich gerne zur Verfügung.

Ganz ohne medizinische Fachbegriffe kommt allerdings auch dieses Buch nicht aus. Im Anhang finden Sie deshalb Erläuterungen der wichtigsten Fachwörter. Wenn diese im Text zum ersten Mal auftauchen, sind sie kursiv gesetzt.

Noch eine kurze Erklärung zu den Abbildungen im Buch: Die meisten Ultraschall- und Röntgenbilder werden in der Medizin seitenverkehrt angezeigt. Das hat technische und Darstellungsgründe. Wundern Sie sich daher bitte nicht, wenn Sie in einer Abbildung zum Beispiel das linke Herz auf der rechten Seite sehen oder ein linkes Gefäß rechtsherum verläuft.

1: Frauenherzen schlagen anders: Was das weibliche vom männlichen Herzen unterscheidet

1a: Ein Fall-Bericht aus dem Frauenherz-Zentrum: Gisela

Allen Zweiflern an der Relevanz einer speziell auf Frauen fokussierten Herzmedizin sei empfohlen, sich einmal mit einer betroffenen Frau zu unterhalten. Wenn man sich öffnet für die Schilderungen ihres Leidensdrucks und Leidenswegs und auch ihrer Zweifel an der eigenen Wahrnehmung, wird der Ansatz einer geschlechtssensiblen Medizin vielleicht weniger befremdlich. Ich möchte hier einen Fall skizzieren, der typisch für viele Berichte ist und der mir sehr naheging.

Im Dezember 2020 stellte sich Gisela im Frauenherz-Zentrum vor. Die 55-jährige Patientin hatte sich jahrelang wegen Luftknappheit, immer wiederkehrenden Drucks im Brustraum und Herzstolpern an verschiedene Ärzte und Ärztinnen gewandt. Ihre Beschwerden konnte sie sehr detailliert schildern: eine lähmende Kraftlosigkeit, die sogar das Stehen und Sitzen anstrengend machte; dazu kamen Schmerzen bei Bewegungen, aber auch durch passive Erschütterungen, zum Beispiel beim Autofahren, sowie Wassereinlagerungen und eine Lichtempfindlichkeit, die einen normalen Alltag zusätzlich erschwerte. Phasenweise nahmen die Beschwerden etwas ab, dann kamen sie mit großer Wucht zurück. Gisela fiel es sichtlich schwer, von diesem Leidensweg zu berichten. Eindrücklich schilderte sie den Druck in der Brust, der sie vor allem abends überfiel, im Ruhezustand, also beim Lesen oder Fernsehen. Es war ein Druck, der ihr den Atem nahm und Angst vor einem Herzinfarkt oder einer anderen schweren Erkrankung auslöste.

Gisela hatte bereits zahlreiche Untersuchungen hinter sich, die alle keinen wegweisenden Befund ergaben. Zum Beispiel zeigte eine Magenspiegelung nur eine diskrete Magenschleimhaut-Entzündung und ein Lungenfunktionstest einen altersentsprechenden Befund. Eine Computertomografie des Herzens sowie eine Herzkatheter-Untersuchung hatten eine relevante Verkalkung der Herzkranzgefäße ausgeschlossen, und auch verschiedene Ultraschall-Darstellungen des Herzens und anderer Organe waren unauffällig.

Diese Negativ-Befunde bei weiterbestehendem Leidensdruck brachten natürlich keine Beruhigung, sondern verunsicherten die Patientin emotional und psychisch: »Bilde ich mir das Ganze nur ein?« und »Soll ich es lieber auf sich beruhen lassen?«. Denn die Reaktionen der behandelnden Ärztinnen und Ärzte, so berichtete sie, bestanden zunehmend in Ungeduld und genervtem Achselzucken. Obwohl sie noch nicht alt und bis auf ein gewisses Übergewicht fit war, verließ Gisela daraufhin über Monate das Schlafzimmer nicht mehr. Eine häusliche Sauerstoffgabe, die ein Arzt mehr aus Verzweiflung verschrieben hatte, schien subjektiv etwas Linderung zu bringen.

Die Patientin stellte sich nun in Begleitung ihres Ehemannes und mit einer Sauerstoffflasche im Gepäck im Frauenherz-Zentrum vor. Die Gespräche waren anfangs geprägt von Selbstvorwürfen und Zweifel – schließlich hatten sich ja bereits viele Ärzte mit ihren Beschwerden auseinandergesetzt und immer nur festgestellt, dass doch alles in Ordnung sei. Mehrfach sprach sie von ihrer Sorge, ihrer Familie unnötig zur Last zu fallen, weil sie ja offenbar nicht am Herzen, sondern »im Kopf« krank sei. Die gravierendste Erfahrung ihrer Ärzte-Odyssee war das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden. Gisela berichtete unter Tränen vom Augenrollen der Mediziner, dem Getuschel des Praxis- und Krankenhaus-Personals und der oft offen zur Schau gestellten Verwunderung oder sogar genervten Verärgerung bei jeder erneuten Vorstellung mit der Bitte um Hilfe.

Die Erinnerung an Giselas Berichte bei unserem ersten Kennenlernen macht mich heute noch wütend und fassungslos. Was muten Ärzte solchen Patientinnen zu! Mit wie viel Unsicherheit und Scham wegen ihrer Schmerzen und Ängste werden diese Frauen alleine gelassen! Wie schnell wird eine psychische Erkrankung angenommen oder eine hysterische Persönlichkeit unterstellt, anstatt wirklich unvoreingenommen alle körperlichen Aspekte zu überprüfen, um die richtige Diagnose zu stellen!

Verstehen Sie mich nicht falsch: Natürlich gibt es Patientinnen, deren gesundheitliches Problem eher auf der psychischen Ebene liegt – was übrigens genauso ernst genommen werden muss wie organische Erkrankungen. So kennen wir zum Beispiel die Herz-Neurose, eine psychiatrische Erkrankung, bei der betroffene Personen fälschlicherweise davon überzeugt sind, an einer schweren Herzerkrankung zu leiden, und verschiedene Symptome beklagen. Diese Menschen müssen mittels Psychotherapie behandelt werden – aber erst, nachdem mit allem(!) Wissen der heutigen Medizin eine körperliche Ursache der Beschwerden ausgeschlossen worden ist.

Bei den ersten Untersuchungen im Frauenherz-Zentrum zeigten sich bei Gisela im Herzultraschall und im 24-stündigen Blutdruckprofil gute und altersentsprechende Befunde. Auch die Wiederholung einer Herzkatheter-Untersuchung bestätigte den unauffälligen Befund der Herzkranzgefäße, den sie bereits bekommen hatte: keine nennenswerte Verkalkung. Und genau an dieser Stelle hatten die bisher eingeschalteten Kardiologen ihre Suche nach der Ursache der Beschwerden beendet und die Patientin unter »Nervensäge« einsortiert. Die Einheitsmedizin, die nicht auf geschlechtliche Unterschiede achtet, war hier am Ende ihres Lateins. Aber bei diesen Beschwerden und diesem Leidensdruck darf sich kein Arzt mit einem unauffälligen Befund zufriedengeben. Es müssen durch weitere Untersuchungen spezifische Erkrankungen abgeklärt werden, die sich häufig bei Frauen finden lassen. In diesem Fall brachte uns der Einsatz eines Spezialtests (mehr darüber in den Abschnitten 2a und 5d) im Anschluss an die Kontrastmittel-Darstellung der Herzkranzgefäße auf die richtige Spur: Diese Patientin litt seit Jahren unter einer Störung der koronaren Mikrozirkulation. Das bedeutet, dass das Blut nicht problemlos durch die kleinen und kleinsten Blutgefäße im Herzmuskel floss. Dazu muss man wissen, dass gerade das Herz für seine anspruchsvolle, ununterbrochene Tätigkeit viel sauerstoffreiches Blut benötigt. Deshalb zweigen von der Hauptschlagader die beiden Herzkranzgefäße ab und transportieren das Blut in den Herzmuskel (siehe Abbildung 1). Die dann immer kleiner werdenden und sich verästelnden Blutgefäße haben schließlich einen Durchmesser von einem halben Millimeter und weniger und verteilen das Blut in alle Bereiche des Herzgewebes.

Abbildung 1

Aus der Hauptschlagader gehen die beiden Herzkranzgefäße nach links und nach rechts ab, um sich dann wie die Zweige eines Baums immer weiter zu verästeln und über kleine und kleinste Blutgefäße das sauerstoffreiche Blut in den Herzmuskel zu bringen. Dabei teilt sich das linke Herzkranzgefäß rasch in zwei kräftige Gefäße auf und versorgt so das linke Herz, die Vorderwand des rechten Herzens und große Teile der Trennwand zwischen beiden Herzen mit Blut. Das rechte Herzkranzgefäß durchblutet vor allem das restliche rechte Herz und die Hinterwand des linken Herzens. Interessanterweise ist diese Verästelung über den gesamten Herzmuskel wie ein Fingerabdruck einzigartig, also bei jedem Menschen individuell ausgeprägt.

Bei einer Störung der koronaren Mikrozirkulation funktioniert die Feinabstimmung im Herz nicht mehr. Ein Vergleich macht das komplexe Geschehen vielleicht verständlicher. Stellen Sie sich ein Wehr an einem Fluss vor. Der Wärter öffnet das Wehr zu den angrenzenden Kanälen, wenn deren Pegel zu niedrig ist und die anliegenden Felder zu vertrocknen drohen. Dann bekommen die Kanäle eine größere Menge Wasser. Bei starkem Regen und drohender Überflutung wird das Wehr geschlossen und der Zufluss unterbunden. Wenn die Zuständigen alles richtig machen, kommt es nie zu einem »Zuwenig« oder einem »Zuviel«; die Kanäle und Felder bekommen immer die optimale Menge an Wasser. Eine Mikrozirkulationsstörung im Herzen kann man damit vergleichen, dass der Schleusenwärter seine Arbeit nicht ordentlich macht und Chaos anrichtet. Die kleinsten Herzkranzgefäße weiten sich, wenn es eigentlich gar nicht erforderlich ist, und verengen sich, wenn zum Beispiel im Rahmen einer sportlichen Aktivität eigentlich mehr Blut benötigt wird. So kommt es mal zu einer Überversorgung oder (gravierender) zu einer Unterversorgung des Herzmuskels mit Blut. Als Folge können verschiedene Beschwerden wie Luftknappheit, Herzstolpern oder Druck in der Brust auftreten.

 

Giselas Freude und die Dankbarkeit waren natürlich groß. Endlich gab es eine Diagnose und die Gewissheit, nicht »verrückt« zu sein. Zudem war es eine Erkrankung, die mit Medikamenten gut zu behandeln ist. Wir begannen mit einer milden Therapie, die die Gefäße zu einer entspannteren und vor allem wieder zielgerichteten Arbeit anregt. Bereits nach wenigen Tagen konnte die Patientin wieder nach Hause gehen. Nach ihrer Heimkehr berichtete sie in einer Mail von einer deutlichen Verbesserung ihres Zustands:

Guten Morgen, Herr Prof. Becker,

unsere Worte können die Dankbarkeit, die wir empfinden, nicht fassen!

Diese Mail schreibe ich, um Ihnen mitzuteilen, dass alles im Positiven eingetreten ist, was Sie prognostiziert haben:

 

Auf der Rückfahrt

Ich war total entspannt, ich habe weder auf Schlaglöcher (kaum wahrnehmbare) noch auf das Flackern der tiefstehenden Sonne, welche durch die laublosen Bäume schien, negativ reagiert.

 

Zu Hause

Ich konnte mit unseren 4 Kindern telefonieren, mit einer Kraft in der Stimme, die ich nicht mehr für möglich gehalten hatte.

Ich habe (fast) keine Beklemmungen mehr.

Ich verliere Wasser, einige Kilos bis heute Morgen, und bekomme deutlich mehr Luft.

Ich brauche, so seltsam sich das anhören mag, meinen Kopf nicht mehr abzulenken (so wie früher meist durch Lesen).

Ich hatte gestern und heute Morgen einen gesunden Appetit beim Frühstück – was ich fast nicht kenne.

Herr Prof. Becker, was uns beeindruckt hat, ist Ihre natürliche und ehrliche Bodenständigkeit – bewahren Sie sich diese, das ist ein Schlüssel zu Ihrem Erfolg, der den Menschen zugutekommt.

Mein Mann und ich hatten gestern Abend unseren ganz persönlichen Heiligen Abend 😊

 

Herzlichst, Gisela & Werner

Eine weitere schöne Rückmeldung kam wenige Monate später durch einen Telefonanruf des Ehemannes, der berichtete, dass er mit seinen Kindern am Wohnzimmerfenster stehend seiner Frau (die ja vor der Behandlung monatelang nicht aus dem Schlafzimmer gekommen war) beim Waschen des Autos zusah.

 

Vergleichbare Geschichten erleben wir in unserem Frauenherz-Zentrum täglich. So viele Frauen stellen sich mit langem Leidensweg und hohem Leidensdruck bei uns vor. Und leider hören wir immer wieder von der fehlenden Empathie und dem scheinbaren Desinteresse der Ärzte. In der Folge werden die Beschwerden erstens schlimmer und zweitens chronisch. Und fast immer kommt eine psychische Belastung durch die ständige Enttäuschung und das Gefühl des Nicht-verstanden-Werdens hinzu. Warum nur wehren sich so viele Mediziner gegen die Erkenntnisse der geschlechtssensiblen Medizin?

 

Vieles in diesem Buch kann man nur nachvollziehen, wenn man zumindest grob versteht, was im Herzen und Körper vor sich geht. Deshalb wird es ab jetzt ein wenig »technisch«. Ich versuche jedoch, die Dinge so verständlich wie möglich zu erklären. Ich freue mich, wenn Sie sich darauf einlassen.

Die auffälligsten Unterschiede zwischen einer Frau und einem Mann sehen wir in der Anatomie, das heißt im Aufbau ihres Körpers. Das betrifft neben den inneren und äußeren Geschlechtsorganen vor allem den Körperbau. Und aufgrund ihrer geringeren Größe (in Deutschland im Durchschnitt ca. 166 cm im Vergleich zu ca. 177 cm beim Mann) und des geringeren Körpergewichts (durchschnittlich ca. 69 kg; ca. 85 kg beim Mann) haben Frauen auch ein kleineres Herz. Das bezieht sich selbstverständlich nicht auf die physische und emotionale Power, sondern ausschließlich auf Gewicht und Durchmesser der Herzkammern. Zahlreiche Untersuchungen an gesunden Probanden und Probandinnen haben die deutlichen geschlechtsspezifischen Unterschiede bei der Größe der Herzen beschrieben und definiert. Aber das weibliche Herz ist nicht einfach nur eine kleinere Version des männlichen Herzens, sondern es unterscheidet sich im Aufbau erheblich. So ist zum Beispiel die Masse des weiblichen linken Herzens um etwa ein Drittel geringer, die des rechten Herzens aber nur um etwa ein Viertel kleiner als beim Mann. Die Wand zwischen der rechten und der linken Hauptkammer ist bei Frauen um etwa 10 Prozent dünner als beim Mann, die freie Wand der linken Hauptkammer um etwa 9 Prozent.

Einen massiven Unterschied für den gesamten Organismus und damit auch das Herz bedeuten die unterschiedlichen hormonellen Einflüsse je nach Geschlecht. Hormone sind chemische Botenstoffe, die als »Nachrichten-Übermittler« zwischen Organen und zwischen Zellen dafür sorgen, dass die biologischen Prozesse im Körper in der richtigen Reihenfolge und in der richtigen Stärke ablaufen. Während bei den Männern das Geschlechtshormon Testosteron dominiert, haben bei Frauen das Östrogen und das Progesteron den größten Einfluss. Die normalen Schwankungen der weiblichen Hormone – am stärksten messbar im Rahmen des monatlichen Zyklus und nach dem Beginn der Wechseljahre – beeinflussen auch das Herz. Denn Östrogen schützt das Herz-Kreislauf-System – unter anderem wegen seiner blutdrucksenkenden Wirkung. Im Zuge der Wechseljahre kommt es durch den Rückgang der Geschlechtshormone zu einer Umstellung des Hormonhaushalts. Entsprechend klagen Frauen nach der Menopause, also der letzten Monatsblutung, häufig über erhöhten Blutdruck und Herzrasen. Dies ist auch durch den Mangel an Östrogen und die dadurch verursachten Änderungen der Elektrolyt-Balance und die dann gesteigerte Aktivität des Nervensystems zu erklären. (Näheres hierzu im Kapitel 3.)

 

Doch damit nicht genug. Das weibliche Herz ist nicht nur anders gebaut als das männliche – es funktioniert auch anders. Zum besseren Verständnis schauen wir uns einmal an, wie das Herz seine Aufgabe im Körper erfüllt: Das Blut, dessen Sauerstoffgehalt auf dem Weg durch den Körper abgenommen hat, fließt durch die Venen in Richtung Herz, genauer: Es wird vom rechten Herz angesaugt und von hier aus in die Lunge gepumpt. In den Lungen wird das Blut wieder mit Sauerstoff angereichert und von dort über das linke Herz in die linke Hauptkammer und dann über die Hauptschlagader und verschiedene Arterien in den Körper getrieben. Die Phase des Ansaugens wird als Diastole bezeichnet, die Phase des Herauspumpens als Systole (siehe Abbildung 2).

Diese Kombination der Aktionen »Ansaugen« und »Pumpen« findet im Ruhezustand etwa 60–70 Mal pro Minute statt, bei körperlicher Belastung steigt je nach Bedarf die Frequenz der Herzaktionen an. Die Herzfrequenz, also das, was wir landläufig den »Puls« nennen, kann man an verschiedenen Stellen des Körpers durch Tasten messen. Am besten gelingt dies am Handgelenk unterhalb des Daumen-Ansatzes, an der Leiste oder am seitlichen Hals.

Neben der Häufigkeit, mit der das Herz seine Arbeit verrichtet, also der Herzfrequenz, gibt es noch zwei weitere wichtige Parameter, die hier erklärt werden sollen:

Das Schlagvolumen gibt an, wie viel Blut pro Pumpaktion von der linken Herz-Hauptkammer in den Körper geschickt wird. Der Normalwert liegt bei 70 bis 100 ml.

Die Auswurffraktion zeigt in Prozent an, wie viel von dem Blut, das sich in der linken Hauptkammer befindet, pro Pumpaktion herausgetrieben wird. Da sich das Herz nicht leer pumpen kann (und soll), liegt der Mittelwert bei einem gesunden Menschen nicht bei 100, sondern bei etwa 52 bis 60 Prozent.

 

Abbildung 2

Links: In der Füll-Phase (Diastole; Hauptkammern groß und voll) werden die Herz-Hauptkammern mit Blut aus den Herz-Vorkammern (Vorhöfen) gefüllt. Den Blutfluss zeigen die großen Pfeile. Aus dem Körper kommt über die Hohlvenen (kleine blaue Pfeile) das sauerstoffarme Blut in das rechte Herz. Über die Vorkammer und eine Segelklappe, die Trikuspidalklappe, gelangt es in die Hauptkammer. Das sauerstoffreiche Blut wird aus der Lunge über die Lungenvenen (kleine rote Pfeile) in das linke Herz geführt – ebenfalls über die Vorkammer und die andere Segelklappe, die Mitralklappe, in die Hauptkammer.

Rechts: In der Auswurf-Phase (Systole; Hauptkammern klein und zusammengezogen) wird das Blut aus dem rechten Herzen (blau) über eine Taschenklappe, die Pulmonalklappe, und die Lungenarterien in die Lunge gepumpt. Aus dem linken Herzen (rot) wird es über die zweite Taschenklappe, die Aortenklappe, in die Hauptschlagader (Aorta) und so in den Körper gepumpt.

Die Kombination aus Füllung und Auswurf ergibt eine Herz-Aktion. Die Herzklappen gehen nach dem Durchfluss des Blutes zu und verhindern so, dass das Blut in die falsche Richtung zurückfließen kann.

Kommen wir zurück zu den geschlechtsbezogenen Unterschieden. Wegen der geringeren Größe des Herzens ist das Schlagvolumen bei Frauen um etwa 10 Prozent geringer. Das heißt, dass bei jeder Aktion des Herzens im Vergleich zum Mann weniger Blut in den Körper gepumpt wird. Auf der anderen Seite schlägt das weibliche Herz 3–5 Mal häufiger pro Minute. Und es pumpt bei jeder Herz-Aktion auch einen höheren Anteil des Bluts, das sich im Herzen befindet, in den Körper. Diese Auswurffraktion sollte bei Frauen mindestens 54 Prozent betragen, beim Mann hingegen 52. Der Unterschied erscheint klein, steht aber für eine höhere Leistung des weiblichen Herzens, mit der der Größen-»Nachteil« ausgeglichen wird. Die stärkere Leistung drückt sich in einer um 10–14 Prozent höheren Kontraktilität aus, also der Möglichkeit des Herzens, sich zusammenzuziehen. Diese Fähigkeit verdanken Frauen wahrscheinlich der höheren Anzahl von Herzmuskel-Zellen in den Hauptkammern.

Die Unterschiede zwischen Frauen- und Männerherzen wirken sich direkt auf die Art und Weise aus, wie ein gesteigerter »Sauerstoffhunger« des Gehirns oder des gesamten Körpers gestillt wird – etwa, weil wir im Stress sind, eine anspruchsvolle Aufgabe lösen müssen oder uns körperlich anstrengen, zum Beispiel beim Sport. In solchen Phasen müssen der Blutdruck und der Blutfluss im Körper gesteigert werden, um den Zellen für diese Aufgaben mehr sauerstoffreiches Blut anbieten zu können. Dies ist bei Männern und Frauen unterschiedlich geregelt: Bei Frauen steigt als Erstes die Herzfrequenz und damit auch das Herzzeitvolumen, also die Menge Blut, die pro Minute durch den Körper gepumpt wird. Bei Männern hingegen erhöht sich als Erstes der periphere