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Im fünften Band der Buchreihe "Lebendiges Brauchtum - Sagen, Märchen und Legenden aus aller Welt" werden zahlreiche Sagen und Legenden aus Litauen sowie Ost- und Westpreußen behandelt. Interessante Sagen zum geschichtlichen Hintergrund und dem Einzug des Christentums finden sich darin ebenso wie düstere Legenden von Hexen, Werwölfen und Vampiren. Abgerundet wird der Band mit der Erläuterung zahlreicher noch im 19. Jahrhundert gebräuchlichen Hochzeitsgebräuche, Beschwörungen und abergläubischen Handlungen.
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Seitenzahl: 398
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Lebendiges Brauchtum - Sagen, Märchen
und Legenden aus aller Welt
Band 5
Ist den wissenschaftlichen Bestrebungen der neuesten Zeit irgendein Verdienst hoch anzurechnen, so ist es ihre Vielseitigkeit. So wie sie überall, selbst bis nach Indien und in das verschlossene China hinein, sich einheimisch machten, so gewannen sie auch intensiv an Ausdehnung und Mannigfaltigkeit. Längst beiseite gelegte, ja verachtete Zweige des Wissens wurden hervorgeholt und sorgfältig gepflegt. Vorzugsweise aber ward diese Gunst dem zuteil, das, seiner Entstehung nach, gerade der Wissenschaft entgegengesetzt, unter denen zuerst aufgewachsen ist, welche aller Schulbildung fremd waren und das daher die Gelehrten von Fach auch bisher nur mit Mitleid betrachten zu müssen geglaubt hatten: der Volkssage, dem Märchen, dem Volkslied. – Kaum ein halbes Jahrhundert ist verflossen, seit man zuerst begann, diesem Zweig geistiger Tätigkeit Aufmerksamkeit zu widmen, und schon gibt es nurmehr wenige Länder, wo nicht wenigstens etwas geschehen wäre. Und leugnen läßt es sich nicht, daß die Volksliteratur dieser Pflege wohl wert war. „Obgleich“, sagt Selden (bei Percy „Reliques of ancient english poetry“) ,,obgleich manche die Flugschriften verachten, so kann man doch aus ihnen sehen, was für ein Wind weht. Nimm einen Strohhalm und wirf ihn in die Luft empor, so wirst du daraus entnehmen, woher der Wind kommt, was du nicht vermagst, wenn du einen Edelstein emporwirfst. Schwerere Dinge geben den Geist der Zeiten nicht so erkennen, als Lieder und Flugschriften.“
Dies gilt nun vorzugsweise von den Volkssagen. Sie sind es, die uns vom Geist und der Gemütsart der Nation das treueste, sprechendste Abbild gewähren. Denn, dem Volk entwachsen, tragen sie den Charakter seiner Individualität an sich; und ebendieselbe Verschiedenheit, welche, von der Uranlage, von Klima, Bodenbeschaffenheit, bürgerlicher Verfassung, Religion, den bisherigen Schicksalen und sonstigen physischen und moralischen Einflüssen bedingt, in der geistigen Befähigung und Richtung, in der sittlichen Bildung und Gemütsbeschaffenheit der Volksstämme obwaltet, findet sich auch in ihren Sagen wieder. So charakterisiert düstere Glut die spanischen, witzige und sanguinische Heiterkeit die französischen, Genialität und Schwermut die britischen, sinniger Ernst die germanischen; in den nordischen prägt sich die starre, großartige Natur ihrer Heimat aus, in den italienischen die frische Üppigkeit und der ewig unbewölkte Himmel der Umgebungen, unter welchen sie erwachsen.
Teilen nun die Volkssagen diese Seite ihres Werts meist mit den Volksliedern und Volksmärchen, so ist doch der, welchen sie für die Geschichte bieten, ihnen eigentümlich, und je höher hinauf ihr Ursprung steigt, um so bedeutsamer werden sie in dieser Beziehung. Über den Urzustand des Landes und Volkes verbreiten sie ein viel helleres Licht, und bieten ein Gemälde in viel treueren Farben, als dies selbst die ältesten schriftlichen Zeugnisse vermögen, deren Überlieferer, meist einem fremden Volk angehörig, gewöhnlich die Dinge nicht mit unbefangenem Auge, sondern durch Okulare anschauten, welche die Farben mannigfach brachen und die Gegenstände bald zu klein, bald zu groß erscheinen ließen. Ja, die Urgeschichte jedes Landes besteht mehr oder minder aus Volkssagen. Vorzugsweise wichtig werden diese aber, wenn, wie bei Preußen, die Ureinwohner gar keine schriftlichen Denkmäler hinterlassen, wenn die ältesten Berichterstatter nach Volksstamm, Gottesverehrung und durch Gelübde, deren erbitterte Gegner waren, wenn überhaupt ältere schriftliche Quellen so äußerst sparsam fließen, daß sie weite, dazwischen liegende Gebiete ganz unberührt lassen und das Ganze einer großen Wüste gleicht, wo wenige Oasen dem Wanderer einen Haltpunkt gewähren.
Berücksichtigt man endlich noch, wie die Volkssagen in hohem Grade geeignet sind, den Nationalsinn zu wecken und zu fördern, so bedarf die Herausgabe einer Sammlung gerade solcher, die sich auf Preußen beziehen, wohl um so weniger einer Rechtfertigung, als für dieses Land in der gedachten Beziehung noch so gut wie nichts geschehen ist.
Um nun aber das beim Sammeln beobachtete Verfahren zu rechtfertigen, scheint es vor allem notwendig, die Grenzen des Gebietes genau zu bestimmen, welches der Volkssage angehört. Auf der einen Seite grenzt dasselbe an das der Geschichte; auf der andern an die des Märchens und des Volkliedes. Der Geschichte gehört alles an, was urkundlich bewahrt ist; die vorhistorische Zeit fällt daher ganz in den Bereich der Sage und bildet in dieser den Kreis der sagenhaften Geschichte, denjenigen Teil der letzteren, der, von den ersten Überlieferern dem Mund des Volks entnommen, in der Tradition kein Fundament hat, mithin bei kritischer Sichtung vom Historiker, als nicht vollkommen beglaubigt, beiseite geschoben werden muß. Von der eigentlichen Sage unterscheidet sich die sagenhafte Geschichte auch namentlich dadurch, daß bei ihr das Unbegreifbare kein notwendiges Element ist.
Erst von da an, wo gleichzeitige Gewährsmänner vorhanden sind, gewinnt die Geschichte vollkommen sicheren Boden, aber neben ihr wuchert die Sage noch fort. Hier verwachsen beide oft so innig ineinander, daß es schwer wird zu bestimmen, welche Sprößlinge dieser, welche jener angehören. Denn es ist nicht noch alles, was bei strenger Kritik ungerechtfertigt bleibt, eine Sage; Irrtümer, Erdichtungen der Schriftsteller gehören nicht in deren Gebiet. Insoweit sich nun nicht wirklich ein volksmäßiger Ursprung ergibt, bleibt hier nur ein Kriterium: das Wunderbare, der Natur der Dinge nach Unmögliche. Wenn bei allem Übrigen die Vermutung gegen eine Entstehung aus dem Volk her spricht, so zeugt sie hier dafür, und nur wo andere Tatsachen diese Vermutung entkräften, es sich, z. B. bei den Legenden, nachweisen läßt, daß sie von denen, welche sie überliefern, selbst ersonnen sind, wird eine Ausschließung erfolgen müssen. Das Wunderbare, als notwendiges Element für die Volkssagen der historischen Zeit, ist es denn auch, was dieselben von den geschichtlichen Anekdoten, von denen auch gewiß viele einer vollkommen zuverlässigen Beglaubigung ermangeln, scheidet. Obwohl die preußischen Chronisten deren eine große Zahl und teilweise nicht eben uninteressante enthalten, so haben wir dennoch geglaubt, dieselben, insofern sich nicht wirklich etwas Volkstümliches in ihnen kundtat, ausscheiden zu müssen, so die Erzählungen von der Bestrafung des ungerechten Richters durch den Hochmeister Ludger von Braunschweig, von der Jungfrau, die um ihre Ehre zu retten, sich selbst der Augen beraubt, von der Bekehrung des Sudauerfürsten Skomand, von dem gottlosen Wucherer und frommen Masuren, von dem Maurenkampf des Hans von Baysen, von den preußischen Messerschluckern u. a. m.
Vom Volkslied unterscheidet sich die Sage nicht sowohl dadurch, daß jenes lyrischer, diese epischer Natur ist, denn auch das Volkslied hat einen epischen Zweig: die Ballade; sondern, daß die Sage sich beständig als einen Teil der Geschichte betrachtet wissen will, das Volkslied dagegen sich bewußt ist, ganz der Welt der Dichtung anzugehören. Jene ist objektiv; sie haftet immer an einer bestimmten Lokalität, einem durch die Geschichte gesicherten Namen; das Faktische, wenigstens das, was sie dafür hält, ist ihr so sehr Hauptsache, daß sie, wenn es ihr genommen wird, alle Bedeutung verliert. Das Volkslied ist subjektiv; es ist selbständig und hat seinen Wert in sich, es bedarf keiner örtlichen und persönlichen Beziehungen; für die politische Geschichte der Nation ist es daher auch ohne allen Wert. Denn wir sehen, wie die Volkslieder von einem Volksstamm zu anderen, selbst über Meere und Gebirge ziehen, so daß es zuletzt unmöglich wird, ihr ursprüngliches Vaterland zu ermitteln. So können sich Deutschland (des: Knaben Wunderhorn Tl. II. S. 19), Schottland (Percy Reliques Vol. II. p. 127) und Schweden (vergl. Geijer in der Einleitung zu seiner und Afzelius Sammlung schwedischer Volkslieder) um die Ehre streiten, die erste Heimat jener durch Bürgers Leonore so berühmt gewordenen Dichtung zu sein. Die schaudervolle altschottische Ballade „Edward und seine Mutter“ (Percy Reliq. I. p. 59) finden wir in Schweden („Der Knabe im Rosenhain“ bei Geijer und Afzelius Svenska Folk Visor III. 3 – 4) und in Finnland („Der blutige Sohn“, in Schröters Finnischen Runen S. 124) wieder. Dieser Übereinstimmung, die sich noch mit unzähligen Beispielen belegen ließe und die sich selbst bis auf kleine Nuancen erstreckt, begegnet man nicht nur bei verwandten, sondern selbst völlig fremden, so den germanischen und slawischen Volksstämmen. Es vergleicht Swoboda (Königshofer Handschrift S. 36) daher auch treffend die slawischen Volkslieder mit freundlichen Tauben, die von einem Stamm zu anderen Brüderstämmen flogen.
Anders ist es mit der Sage; sie ist stets an den Boden gefesselt. „Aus dieser ihrer Gebundenheit“, sagt Grimm (Deutsche Sagen Tl. I. S. 7) „folgt, daß sie nicht gleich dem Märchen überall zu Hause sein könne, sondern irgendeine Bedingung voraussetze, ohne welche sie bald gar nicht da, bald nur unvollkommen vorhanden sein würde.“
Das Märchen hat es mit dem Volkslied gemein, daß es nicht auf bestimmtem Boden ruht, dieselbe Grenze scheidet beide von der Sage, doch so, daß diese dem Volkslied noch näher liegt, wie dem Märchen. Denn letzteres reißt sich absichtlich von allem Konkreten los; es setzt sich zum Zweck, aller Wirklichkeit zu spotten. Entfernen sich Sage und Volkslied von dieser, so ist das unwesentlich; dem Märchen aber ist dieser Gegensatz notwendiges Element. Es gehört ganz dem Reich der Dichtung an, und nur insoweit die poetische Anlage der Nationen überhaupt von den äußeren Einflüssen bedingt ist, wird sich bei ihm noch ein Merkmal des Ursprunges kundtun.
Finden sich auch Beispiele, daß Volkssagen fast übereinstimmend bei verschiedenen Nationen angetroffen werden, wie z. B. die Sage von der Jungfrau, welche, um ihre Unschuld zu retten, sich selbst von ihrem Verfolger, unter dem Vorgeben, ihm ein Mittel, das ihn hiebfest mache, lehren zu wollen, töten läßt, außer in Preußen auch in der Mark Brandenburg und selbst in Italien vorkommt, wie Aeneas Sylvius (Europa c. 20) von der Umhauung einer heiligen Eiche in Litauen durch Hieronymus den Prager ganz dasselbe berichtet, was von der Entstehung Heiligenbeils erzählt wird, wie ferner der preußische Glaube von dem Erdmännlein in Deutschland, an dem von den Kobolden, Kurd Chimgen oder Heinzchen (Prätorius Welt-Beschreibung I. 1315-320, Grimm deutsche Sagen Tl. I. S. 90 ff.) und im ganzen Norden (Voigt Gesch. Preußens Tl. I. S. 594) ein Seitenstück hat, wie sich überall Sagen von durch Versinken von Kirchen oder Schlössern gebildeten Seen (vergl. 3. B. Grimm I. c. S. 201), von Steinen, in denen des Teufels Krallen abgedrückt (Grimm 1. c. S. 275), oder in die Brot (Ders. S.326) oder Menschen (Ders. S. 308) verwandelt sein sollen, finden, welche alle wir auch unter den preußischen antreffen, so ist doch durchgängig eine bestimmte Örtlichkeit, eine Begebenheit, die in das Gebiet der Geschichte fällt, an die sie angeknüpft sind, vorhanden, welche sie wesentlich von dem Märchen unterscheiden und ihnen ihren Platz im Gebiet der Sage anweisen.
Ist nun aber die letztere so innig mit dem Boden und den Erlebnissen des Volkes verbunden, so müssen auch beide auf sie von dem wesentlichsten Einfluß sein, und in der Tat erhält sie von derselben überall nicht nur ihren Stoff sondern auch ihre Form.
Hier zeigt sich nun aber, daß Preußen in doppelter Beziehung sich in ungünstigen Verhältnissen befindet. Zuvörderst sind es nämlich stets die gebirgigen Länder gewesen, in denen dieser Zweig der Volkstümlichkeit am reichsten und mannigfaltigsten aufgeblüht ist. Ein weites Tiefland bietet in seinen räumlichen Bestandteilen zu wenig Wechsel, als daß das, was auf ihm emporkeimt, was das Gepräge seines Ursprungs nicht verleugnen kann, eine bedeutende Vielseitigkeit zu zeigen vermöchte. Wie die Vegetation eines solchen Landes einen einförmigen Charakter an sich tragen muß, so wird es auch mit den Sagen der Fall sein. So sind in Deutschland es immer nur die Gebirgsgegenden, der Harz, Thüringen, Tirol, Salzburg, Schwaben, die Rheintäler, welche einen Reichtum in dieser Beziehung besitzen; die weiten Ebenen Niedersachsens, Brandenburg, Pommern gewähren geringe Ausbeute und noch weniger der Zahl wie besonders dem Inhalte nach; die Ortssagen wenigstens zeigen hier überall die größte Einförmigkeit.
Auf die geschichtlichen und Geschlechtssagen haben die Bodenverhältnisse nun zwar nicht einen so unbedingten Einfluß; hier hat sich Preußen aber ebenso wenig einer besonderen Begünstigung zu erfreuen. Es ist nämlich im eigentlichen Preußen kein Volk, vielleicht kein Geschlecht mehr vorhanden, das eine Erinnerung an die Urzeit des Landes hätte bewahren können. Mit den Urbewohnern mußte auch ihre Geschichte, insoweit sie in der Tradition lebte, untergehen; nur das, was die Einzöglinge schon aufgenommen und selbst überlieferten, aber natürlich nach ihrer eigenen Individualität umgestaltet, und was gewiß nur einen geringen Teil des, wenn man nach dem Gebliebenen schließt, einst großen Reichtums ausmacht, ward aufbewahrt. Aber für den so erlittenen Verlust entschädigte kein neuer Erwerb. Denn da die Volkssage am Boden haftet, so kann sie nicht gleich einer fahrenden Habe mitgeführt werden. Sie gehört zu den unbeweglichen Besitztümern eines Volkes. Die Erinnerungen aus der Heimat, an die Geschlechtsgenossen mußten in der Fremde verlöschen.
„Es bleibt überhaupt“, sagt Grimm (Deutsche Sagen Th. II. S. IX.) ,,bei der Frage, auf welchem Boden die epische Poesie eines Volkes gedeihe und fortlebe, von Gewicht, daß sie sich in urdeutschen Geschlechtsfolgen am liebsten zeigt, hingegen auszugehen und zu verkommen pflegt, da wo Unterbrechungen und Vermischungen mit fremden Völkern, selbst mit anderen deutschen Stämmen vorgegangen find. Dies ist der Grund, warum die in Deutschland eingezogenen und allmählich deutsch gewordenen slawischen Stämme keine Geschlechtssagen aufzuweisen haben, ja auch an örtlichen gegen die ursprünglichen Länder entblößt dastehen. Die Wurzeln greifen in das ungewohnte Erdreich nicht gern ein, ihrem Keim und Blättern schlägt die fremde Luft nimmer an.
In dem eigentlichen Preußen gestalteten sich die Verhältnisse noch ungünstiger, wie in den ehemals slawischen Ländern. Denn in den letzteren blieb doch, mehr oder minder, der Stamm des Lebens, wie er im Ablauf der Zeiten im Geiste Wurzel geschlagen und in seinen Verästelungen sich fortgebildet hatte, auch für die Zukunft stehen, und ihm ward Germanismus und Christentum nur als eine geistige Veredlung aufgepfropft, so daß die frische Jugendkraft, welche in dem Stamm lebte, noch dazu diente, den veredelten Zweig zur Blüte und Frucht heranreifen zu lassen; in Preußen aber ward der alte Baum ganz ausgerissen und an seine Stelle ein neuer Pflänzling gesetzt, der nun selbst erst Wurzel schlagen und sich unmittelbar aus dem Boden sein Mark hinaufziehen mußte, so daß er um so später zur Blüte und Frucht zu gelangen vermochte.
Wie wahr die obige Bemerkung sei, zeigt sich am deutlichsten, wenn wir das eigentliche Preußen (Ostpreußen) mit den beiden zugehörigen Nachbarländern Litauen und Westpreußen vergleichen. Im ersteren ist vom Urvolk nichts geblieben, darum fehlen auch alle Erinnerungen an die vorchristliche und vordeutsche Zeit ganz; was sich an Sagen erhalten hat, ist entweder neuer oder schon zu einer Zeit, die jenem Untergang voranging, aufgezeichnet. In Litauen treffen wir wenigstens Spuren der Urbewohner; noch ist ihre Sprache nicht ganz verklungen, so ist denn auch noch nicht jede Überlieferung aus der Vorzeit erloschen, obgleich der gebliebene Urstamm wenig Anlage und Neigung für geschichtlich-epische Poesie zeigt, und nur das leichte, tändelnde Lied ihn anspricht. Am reichsten hat diese sich aber in Westpreußen erhalten; denn hier bildet, wenigstens in einzelnen Teilen, das slawische Urvolk noch den fast unvermischten Volksstamm. Darum fehlt es hier nicht an mancherlei Stimmen, die an die früheste Vergangenheit mahnen. Aber der Slawe hat, ebenso wie der Litauer, wenig Anlage und Neigung für geschichtlich-epische Poesie, und darum ist auch hier die Ausbeute ziemlich dürftig. So nachteilig nun auch die vorstehend berührten Verhältnisse gewirkt haben, so ist doch nicht zu leugnen, daß die Geschichte Preußens im Mittelalter ein höchst eigentümliches Gepräge an sich trägt: Einen geistlichen Kriegerstaat der Art finden wir sonst nirgends; der Kampf, wie er hier zur Verherrlichung und Ausbreitung der Kirche fast zwei Jahrhunderte hindurch gekämpft ward, hat nie etwas Gleiches gehabt; nirgends begegnet man so vielen Beispielen von dem glühendsten, alles opfernden Glaubenseifer. Auf die Gestaltung der Volkssage konnte dies nicht ohne Einfluß bleiben. Wie der rote Faden, zieht sich durch sie die Glaubenssache hindurch; überall treten die Beziehungen auf die Religion, auf den zu ihrer und der Schutzpatronin des Ordens geführten Streit hervor.
Aus allem bisher Entwickelten lassen sich nun die Eigentümlichkeiten der preußischen Volkssagen herleiten. Meistens beziehen sie sich auf die Einführung des Christentums und den Kampf bei der Eroberung des Landes durch den deutschen Orden, gehören daher in die Klasse der Legenden; die Orts-sagen knüpfen sich größtenteils an Naturereignisse und Naturspiele, und wie beide Gattungen überhaupt nicht sehr mannigfaltig sein können, sind auch die einzelnen, denen wir begegnen, ziemlich einförmig; Geschlechtssagen sind fast gar nicht vorhanden, sagenhafte Geschichte nur so weit, als sie von den ersten christlichen Berichterstattern überliefert ist. Unter den Bewohnern selbst erhielten sich bis zur Zeit des Aufblühens der Wissenschaften in Preußen, d. i. bis zur Säkularisation des Landes und der Stiftung der Universität Königsberg, aus der Urzeit her fast nur einzelne abergläubische Meinungen.
Hiernach zerteilen sich die Sagen in folgende Klassen. A. Historische. Charakteristisch ist ihnen, daß sie sich an eine bestimmte Lokalität entweder gar nicht knüpfen oder solche doch völlig außerwesentlich ist. Sie sind teils vorchristlich und zerfallen dann in die Überlieferungen aus der Geschichte der Urzeit und in die einzelnen abergläubischen Meinungen, die aus dem Heidentum herübergewuchert sind; teils christliche älterer Zeit, wo sie sich dann entweder auf die Einführung des Christentums und die Eroberung des Landes, oder auf spätere Heilige und einzelne Wunderzeichen, oder endlich auf den deutschen Orden und dessen Kämpfe mit den Nachbarvölkern beziehen; ferner solche, die späterer Zeit angehören, zuletzt Geschlechtssagen.
In die erste Untergattung gehört insbesondere die ganze Geschichte bis zur Ankunft des Ordens, die wenigen spärlichen Nachrichten abgerechnet, welche sich bei den auswärtigen Geschichtschreibern früherer Zeit finden, insbesondere also das, was aus der Chronik des Bischofs Christian in die späteren Schriftsteller übergegangen ist. Wenn dieser Ereignisse erzählte, die sich mehr als ein halbes Jahrtausend vor ihm ereignet haben sollten, so konnte nur die Sage seine Quelle sein, wogegen er von dem, was er vom Gottesdienst und den Sitten berichtet, aus unmittelbarer Kunde sprechen mochte. Letzteres gehört daher auch nicht mehr in das Gebiet der Volkssage.
Bei den Legenden im allgemeinen ist wohl gewiß, daß sie weniger im Volk als in der Kirche ihre erste Entstehung gefunden und von letzterer dem ersteren überliefert sind, weshalb es denn auch durchaus angemessen ist, wenn sie sonst nicht in die Sagensammlungen Aufnahme erhalten. Anders ist es bei Preußen. Von seinen Wundertätern, die ersten Begründer des Glaubenswerkes, Adalbert und Bruno, ausgenommen, hat die römische Kirche stets so gut wie gar keine Kenntnis genommen; ist es doch nicht einmal gelungen, für die heilige Dorothea vom päpstlichen Hof die Heiligsprechung zu erreichen, und nur dem Volk verdankt sie ihre Kanonisation. Preußen zur Ordenszeit hat aber auch gar keine theologische Literatur; was von Denkmälern jene Periode uns überliefert hat, ist fast durchgängig historischen Inhalts. Überhaupt war der Einfluß des Klerus hier nie von hoher Bedeutung, gewiß in keinem Staat der römisch-katholischen Christenheit geringer als in diesem geistlichen. Der Ritterorden ließ die Mönchsorden es entgelten, daß sie so lange seiner Entfaltung widerstrebt, wies ihnen, als sie nun bei ihm eine Heimat suchten, eine ziemlich untergeordnete Stellung an, und machte es ihnen unmöglich, irgendeine Gewalt über das Volk zu gewinnen. So erscheint es denn auch wohl gerechtfertigt, wenn man die preußischen Legenden den Volkssagen zurechnet. Was letzteren nicht unbedingt überwiesen werden konnte, wie z. B. manche Erzählungen vom heiligen Adalbert, die sich bloß bei den Kirchenskribenten finden, ist ausgeschieden.
B. Bei der zweiten Hauptgattung, den geographischen oder Lokalsagen, ist das Örtliche Hauptelement, das zeitliche und persönliche Verhältnis außerwesentlich. Sie verlieren im Gegensatz gegen die historischen alle Bedeutung, wenn ihnen jenes entzogen wird. Teils beschäftigen sie sich mit der Entstehung der Ortschaften, und hier ist es insbesondere, wo die Sage, wenn die Geschichte schweigt, gern eintritt; teils knüpfen sie sich an auffallende Naturformen. Einen See von unergründlicher Tiefe, oder auf dessen Grundfläche sich besondere Gestaltungen zeigen, glaubt man durch das Versinken von Orten erklären zu müssen; Steine, die einer menschlichen Figur gleichen, hält man für versteinerte Personen. So erklärt es sich, daß dergleichen Sagen nicht selten, aber in einer Gegend, wo die Bodenverhältnisse wenig Abwechslung bieten, meist einförmig sind.
Wie hier die Gattungen und Klassen der Volkssagen aufgeführt sind, so haben sie auch bei der nachfolgenden Sammlung zum Faden, an den die einzelnen angereiht worden, gedient.
Bei der geographischen Begrenzung hielten wir uns nun zwar im allgemeinen an der politischen, welche gegenwärtig die Provinz Preußen hat; da jedoch Westpreußen, obwohl dem Volksstamm und der Geschichte nach meist von dem übrigen geschieden, nicht ausgeschlossen ward, so mußte auch das, was, wenn auch jetzt davon gesondert, bisher ihm zugehört hatte, wie die Länder Lauenburg und Bütow, berücksichtigt und selbst bei der Begrenzung gegen die übrigen Länder polnischer Zunge zuweilen von der gegenwärtigen administrativen Scheidelinie abgewichen werden.
Um nun der Quellen, aus denen die Sammlung geschöpft worden, noch zu gedenken, so besitzt Preußen bis jetzt noch kein Werk, das sich speziell diesem Gegenstande widmete, aber besonders die früheren Chronisten enthalten einen nicht unbedeutenden Vorrat an Material.
Was die Sagengeschichte des Landes betrifft, so verdanken wir sie fast ganz dem Apostel der Preußen, dem Bischof Christian von Culm. Sein Werk ist zwar nicht mehr auf unsere Zeit gekommen, hat jedoch im sechzehnten Jahrhundert noch existiert und ist namentlich von Simon Grunau und Lucas David benutzt. Weniges andere hierher Gehörige kommt auch bei Aeneas Sylvius und Erasmus Stella vor, die zwar schon im fünfzehnten Jahrhundert schrieben, aber Bischof Christians Werk nicht kannten und daher auch von diesem vielfach abweichen.
Für die frühere Ordenszeit ist Hauptquelle Peter von Dasburg, selbst noch Zeitgenosse des Kampfes mit den Urbewohnern; für die späteren sind es Simon Grunau, Lucas David und Caspar Schütz; der erstere aus der Zeit, wo das Land zur weltlichen Herrschaft überging, die beiden andern wenig später. Simon Grunau ist aber in Bezug auf seine Glaubwürdigkeit, besonders in der neuesten Zeit, mit so bitteren Vorwürfen und in dem Grade überhäuft, daß man alles das, was sich an Volkssagen bei ihm findet, geradezu für seine bloßen Erdichtungen erklärt hat, daß er auch nicht einmal hier als Gewährsmann genannt werden könnte, wenn nicht der eine der Herausgeber dieser Sammlung es bereits in einer besonderen Schrift versucht hätte, Grunaus Glaubwürdigkeit in der vorliegenden Beziehung zu rechtfertigen. Daß dieselbe von dem Geschichtsforscher nur mit großer Vorsicht benutzt werden darf, ist nicht zu leugnen, aber gerade das, was für diesen seinen Wert schmälert, der gänzliche Mangel an Kritik, verleiht ihm einen um so bedeutenderen für den Sammler von Volkssagen. Wäre Simon Grunau bei der Zusammenhäufung seines Materials, denn viel mehr hat er nicht getan, mit mehr Umsicht, Besonnenheit und Sichtung zu Werke gegangen, so würde er schwerlich eine solche Ausbeute an Volkssagen gewähren.
Etwas Ähnliches gilt von Henneberger, dem Hauptschriftsteller für das sechzehnte Jahrhundert; da es ihn selbst keine Mühe kostete, die allerwunderbarsten Dinge für wahr zu halten, so zögerte er auch nicht, sie aufzunehmen. Seine ganze Persönlichkeit leistet unbedingt Gewähr, daß auch nicht die unbedeutendste seiner Erzählungen sein eigenes Machwerk sei. Die Reisen, die er zwecks Anfertigung seiner großen Landtafel durch alle Legenden des Landes unternahm, brachten ihn mit den verschiedensten Personen in Berührung. So erklärt sich die große Anzahl volkstümlicher Erzählungen, die sich bei ihm findet.
Einen geringeren Wert hat Löwe; teils ist er in seinen Nachrichten überhaupt weniger eigentümlich, teils macht ihn seine Stellung in der katholischen Kirche, als Kanonikus zu Guttstadt etwas verfänglich. An Leichtgläubigkeit gibt er jedoch Simon Grunau und Henneberger wenig nach.
Die Ausbeute aus den übrigen älteren Historikern, Johannes von Riefenburg, der Ordenschronik, der Daubmannschen und Dietmarschen Chronik, Waissel usw., ist gering; doch sind auch sie berücksichtigt worden.
Bald nach Löwe, namentlich mit Hartknoch, beginnt die kritische Bearbeitung der preußischen Geschichte; die Volkssagen wurden daher auch als etwas Ungehöriges beiseite geschoben, und nur selten findet sich noch eine beiläufige Andeutung.
Überall, wo wir einen Vorgänger hatten, haben wir ihn genannt. Dies schien durchaus notwendig, um der Beurteilung den erforderlichen Standpunkt anzuweisen. Es kam natürlich nicht darauf an, alle Schriften, in welche die Erzählung schon hinübergenommen, anzuführen; nur die ersten dort einander unabhängigen Gewährsmänner mußten angegeben werden.
Die zweite Hauptquelle war die mündliche Überlieferung; sie möglichst zu benutzen, haben sich die Sammler nach Kräften angelegen sein lassen. Hier konnte man auch bei der Auswahl minder schwierig sein. Denn teils war der volkstümliche Ursprung hier unzweifelhaft, teils schien auch selbst das Unbedeutende um deshalb der Aufnahme wert, weil es außer dem Kreise seiner bisherigen Umgebung noch ganz ungekannt war, und weil sonst bei der geringen Anhänglichkeit – die jetzt das Volk für dergleichen Überlieferungen der Vorzeit hegt, von deren Wahrheitsmäßigkeit es meist nicht mehr überzeugt ist – sein baldiges gänzliches Erlöschen zu befürchten steht. All die Sagen in unserer Sammlung, bei denen keine Quelle angeführt ist, sind unmittelbar dem Munde des Volkes entnommen.
Einer besonderen Erwähnung bedarf noch der Anhang, der eine Sammlung verschiedener abergläubischer Meinungen enthalt. Soll vom Volksglauben ein vollständiges Bild entworfen werden, so können auch sie nicht fehlen; man kann sie als die Dogmatik der Sage betrachten; in so enger Verbindung sie aber auch mit der letzteren stehen, deren Basis sie gewissermaßen bilden, so ließen sie sich doch in deren einzelnen Rubriken nicht unterbringen. Vieles stammt gewiß noch aus vorchristlicher Zeit, es ist aber mit dem Späteren so zusammengeflossen, daß man es nicht mehr zu sondern und bis zur ursprünglichen Quelle zu verfolgen vermag. Zwar hat nur wirkliches Eigentum gerade der Bewohner Preußens Aufnahme erhalten, aber bei vielem ist es wahrscheinlich, bei anderem sogar gewiß, daß es nicht auf dessen Grenzen, selbst nicht auf die Deutschlands beschränkt ist. – So mag das Gelieferte denn ein Beitrag zu einer allgemeinen Darstellung des Volksglaubens bei den Völkern des Abendlandes sein. Erst durch Erweiterung und Vergleichung wird es seine wahre Bedeutung erhalten. Schriftliche Quellen boten hier wenig; das meiste wurde unmittelbar dem Munde des Volkes entnommen; sein Teil unserer Sammlung wird aber auch so sehr wie dieser der Vervollständigung bedürfen.
So wie wir uns dem Inhalt nach unbedingt an unsere Quelle halten zu müssen und von dem Unsrigen, da es kein Werk der bloßen Unterhaltung galt, auch nicht das Mindeste beifügen zu dürfen glaubten, so sind wir auch rücksichtlich der Form von unseren Gewährsmännern möglichst wenig abgewichen; wo es ohne Anstoß geschehen konnte, sind selbst die Worte, wenn auch abgekürzt, beibehalten. Bei Übertragungen aus fremder Zunge und bei den früher noch nicht mitgeteilten Sagen, bemühten wir uns in möglichster Einfachheit und Schmucklosigkeit das Überlieferte wiederzugeben.
Sagen.
Der Name Preußen.
Die alten Preußen.
Herkunft der Cymbrier nach Uimigerien.
Wie Uimigerien ein Königreich ward.
Von der Zwietracht der Cymbrer und Urbewohner.
Der Streit mit den Masoviern um den Zins.
Wie Widewuto das Land teilte.
König Widewutos Ende.
Nadros Tod.
Die Töchter Hoggos.
Der Tod Pomesos.
Ermia.
Chelmo.
Der König Waidewuttus.
Die heilige Eiche zu Romove.
Die Eiche zu Wehlau.
Der elfjährige Krieg mit den Masoviern.
Wie die Brutener um ihren Namen kämpften.
Die Galinder.
Das Geisterheer.
Das fischreiche Schloß bei Ragnit.
Lohn der Gastfreundschaft.
Sonne und Mond.
Die Anbetung des Hammers.
Strafe der Lieblosigkeit.
Die Erfindung des Bratens.
Wie die Preußen zuerst Christen geworden.
Der heilige Adalbert in Preußen.
Der heilige Bonifazius.
Heiligenbeil.
Thorn.
Macko der Pomesanier.
Das Teufelsopfer.
Verherrlichung des deutschen Ordens.
Die Jungfrau Maria auf der Wahlstatt.
Die Bekehrung der Poggesaner.
Die Unterwerfung der Samländer.
Die Bekehrung der Samländer.
Der Sturm auf Rehden.
Der leichte Sieg.
Die Teufelsplage.
Sagen von Schwentipol.
Die mutige Culmerin.
Die Hilfe der heiligen Barbara.
Das segnende Kruzifix.
Der St. Marienritter.
Die Lichter auf der Wahlstatt.
Hannos von Sangerhausen Rettung.
Das Stahlhemd.
Volrad Mirabilis.
Die Hilfe vom Himmel.
Die Hilfe der heiligen Jungfrau.
Hercus Monte und Hirschhals.
Das Nonnenkloster zu Thorn.
Der Riese Miligedo.
Der Streit um den Fischkessel.
Der Läufer ohne Kopf.
Der starke Ritter.
Die zwei Grafen von Mark und von Jülich.
Die Auferstehung in Schöneck.
Der weissagende Rabe.
Meinhard zu Querfurt.
Der Bischof von Fischhausen.
Das Totenglöcklein.
Die Belagerung von Fischhausen.
Der Feuertod der beiden Brüder.
Das gerettete Marienbild.
Albert von Meißen.
Michael Rimpitz.
Die Freunde.
Vertreibung der Juden aus Preußen.
Anmahnung zur Buße.
Heinrich von Kunzen.
Kraft des Gelübdes.
Williger von Korneburg.
Das schwarze Roß.
Das Grab des Bruders Guntram.
Der Biß des Teufels.
Der Tod Siegfrieds von Feuchtwangen.
Der Polenwürger.
Das Gelübde zur Jungfrau.
Der himmlische Schutz.
Der Hund des Barto.
Der Streit um die Jungfrau.
Die Rettung der jungfräulichen Ehre.
Der ruhelose Leichnam.
Des Teufels Gehorsam.
Der wunderbare Pfeil.
Hans von Sagan.
Herr Wolfgang Sauer.
Die Nebelschlacht.
Des Hochmeisters Ehrentisch.
Der reiche Bauer aus Niclauswalde.
Die hochmütigen Bauern zu Lichtenau.
Der Bote aus der andern Welt.
Die Tannenberger Schlacht.
Die Christburg.
Der Remter zu Marienburg.
Heinrich Reuß von Plauen.
Der entdeckte Kirchendieb.
Ladung vor Gottes Gericht.
Die Sonntagsgespenster.
Das Thornsche Fastnachtspiel.
Der Dammbruch bei Sommerau.
Der Graf von Nassau.
Der Bischof Dietrich von Cuba.
Hans von Tieffen.
Strafe der Habgier.
Die Überrumpelung von Elbing.
Die bewährte Unschuld.
Die Belagerung von Holland.
Das Teufelsbündnis.
Die heilige Sutta.
Heiligenlinde.
Die Eiche des heiligen Jodocus.
Das Bild der heiligen Barbara.
Heinrich Knotte, der Teufelsbanner.
Das fromme Gespenst.
Die heilige Dorothea.
Das Bernsteinrecht.
Strafe der Gotteslästerung.
Die Luftreise.
Der heilige Andreas.
Strafe der Teufelsbeschwörer.
Die Schnabelschuhe.
Der gute Engel.
Die erhängten Gäste.
Valtin Supplit.
Die entheiligte Christnacht.
Das Nachtmahl in Thorn.
Strafe des Kirchenraubes.
Der Ritt auf dem Teufel.
Das Schmerlenfließ.
Stasy die Weidlerin.
Der Irrlehrer Osiander.
Das Erdbeben in Thorn.
Die Lösung aus der Haft.
Der blutschwitzende Topf.
Der Bauer aus Plibischken.
Der Schatz bei Elbing.
Der verschüttete Milchtopf.
Die gestörten Schatzgräber.
Des Teufels Buhlin.
Der ungeratene Sohn.
Der Versucher.
Das Gelage des Teufels.
Der Kirchendieb.
Die Schmodittenschen Mägdlein.
Strafe des Fluchens.
Die Mönchgespenster.
Die fromme Magd zu Königsberg.
Rettung der Stadt Thorn.
Der Thornsche Poltergeist.
Das Blutwunder zu Rudau.
Der alte Dessauer in Litauen.
Die Braut des Fingerlings.
Der Spuk im Schloß zu Schlodien.
Das Licht in der Kirche zu Jaeskendorf.
Der Schloßvoigt bei Tilsit.
Der Opferstein vom Rombinus.
Die weiße Frau auf der Baierburg.
Der Leichenbesuch.
Die Stadt Gumbinnen.
Der Name Stalluppönen.
Der Kamsvikus.
Die Einäugigen zu Narpischken.
Die Kirche zu Engelstein.
Der Glomssack zu Memel.
Die singende Meeresjungfrau.
Das Teufelswerder.
Die Rählsche Säule.
Die Messer im Dom zu Königsberg.
Die wunderbare Münze.
Die wandernde Traube zu Königsberg.
Das Kreuztor zu Königsberg.
Der heilige Brunnen zu Königsberg.
Die sonderbare Leiter am Dom zu Königsberg.
Das Bild der Eva zu Königsberg.
Der Rinau.
Die Schätze des Rinau.
Das Dorf Germau.
Die Neue Sorge.
Die Vierbrüder Säule.
Das Archiv zu Tapiau.
Die wandernden Steine bei Retteinen.
Die Gründung von Gerdauen und Wartenburg.
Der Bartel.
Das versteinerte Mädchen.
Der Glommensche Kesselteich.
Die 12 Ritter und die 12 Nonnen zu Kreuzburg.
Der Schloßberg bei Kreuzburg.
Die Schätze des Kreuzburger Schlosses.
Der unfruchtbare Eichwald.
Die Ausländer aus Zinten.
Die bluttriefende Hostie.
Die Gründung der neuen Kirche zu Glottau.
Die Stadt Wormditt.
Die Krügerfrau zu Eichmedien.
Die Männlein zu Allenstein.
Der große Krebs zu Mühlhausen.
Der Wurf mit dem Teufel.
Die Kapelle auf dem Tannenberger Wahlplatz.
Die Kirche zum Leichnam Jesu in Elbing.
Die Teufelssteine.
Der Kartenstein.
Die Blutseen.
Der Seeteich bei Elbing.
Ursprung der Stadt Danzig.
Erbauung der Stadt Danzig.
Der Marienbrunnen zu Danzig.
Das Kruzifix in der Marienkirche zu Danzig.
Adam und Eva zu Danzig.
Der Brotstein zu Danzig.
Der Brotstein zu Oliva.
Der Grundstein der St. Marienburg.
Das Gnadenbild zu Marienburg.
Die versteinerten Liebenden.
Der Teufelsstein.
Der unterirdische Gang im Schloß zu Marienwerder.
Der Totenberg bei Marienwerder.
Der Irrgarten bei Riesenburg.
Die Pfarrkirche zu Culm.
Das vermauerte Tor.
Das flüchtende Marienbild.
Der Schwedenstein.
Der heilbringende Quell.
Das englische Packhaus zu Culm.
Die Wanderung des Marienbildes.
Ursprung der Stadt Thorn.
Die feindlichen Brüder.
Die schwarze Jungfrau.
Die umgehenden Feldmesser.
Ursprung des Namens Conitz.
Die eingesperrte Pest.
Die Hilfe.
Der Bauer aus Konarzyn.
Der Schwedenbrunnen.
Der Schloßsee bei Kensau.
Das Gespenst in der Tuchelschen Heide.
Die Görzdorfer Glocke.
Das Glockenbruch.
Die lederne Brücke.
Das Marienbild zu Jacobsdorf.
Die Glocken zu Jacobsdorf.
Das Gespenst auf dem Ostrowittschen See.
Die versteinerten Tänzer.
Das Schmochbaal.
Die Schlangenberge.
Ursprung der Stadt Baldenburg.
Die goldene Wiege.
Der See Sbonkowo.
Der See bei Luczmin.
Die Gründung des Klosters Polnisch Krone. .
Der Lossee.
Der Pfaffensee.
Die Entstehung des Namens Pelplin.
Das Grab des Riesenweibes.
Die Bekehrung der Oxhöfter.
Die Starost von Seekath.
Der wilde Jäger auf dem Bullerberge.
Die Jungfrauen im Brahefluß.
Der Bau der evangelischen Kirche zu Schöneck.
Ursprung der Stadt Berend.
Das Berendsche Wappen.
Der König im Lauenburger Berge.
Der Schloßberg bei Bütow.
Die Jungfernmühle.
Der Hexensee.
Das versteinerte Ehepaar.
Die versunkenen Jäger.
Die versunkene Orgel.
Anhang.
Meinungen und Gebräuche.
Litauische Hochzeitsgebräuche.
Das Speckopfer.
Die Barstucken.
Die Schlangen.
Die Wachholderbäume.
Die Entdeckung eines Diebes.
Der Seelentisch.
Das Bockheiligen.
Das Viehaustreiben.
Der Hexenglaube.
Das Beschwören.
Die Nachtwandler.
Die Blutsauger.
Die bedeutungsvollen Tage.
Vorbedeutungen und Anzeichen.
Sympathetische Mittel und Kuren.
Die Totenurnen.
Vermischtes.
Man hat viele Sagen und Meinungen darüber, woher der Name Preußen entstanden sei. Eine davon ist folgende: Der Name stammt her von dem lateinischen Worte Borussia. Dieses Wort aber ist auf folgende Weise entstanden: die Preußen wohnen unterhalb den Russen; unterhalb oder unten heißt im Polnischen pod und im Altpreußischen po, und daraus hat man nun gemacht Porussi oder Borussi, das heißt: die unterhalb den Russen Wohnenden. (Vergl. Nr. 18. unten.)1
Im Land zwischen der Weichsel und Memel haben in uralten Zeiten viele Völker gewohnt, die allerlei Namen hatten; sie hatten aber keine Städte, keine Dörfer, keine Häuser. Sie waren wild und barbarisch; sie brauchten nur Kleider, die sie aus Schilf machten; ihre Fürsten nannten sie Masos. Diesen gaben sie als Steuer ihre schönsten Kinder. Ihre Zeit brachten sie zu mit Schlafen. Mit den Weibern waren sie ganz ohne Scham, sie vertauschten sie, wie es ihnen gefiel; sie hatten viele Weiber, aber sie zeugten wenige Kinder.2
Nachdem die Goten von Narses aus Italien verjagt waren, zogen sie zuerst nach Westfalen und wohnten in einem Ort, der noch jetzt von ihnen den Namen Göttingen führt; aber sie wurden auch von dort vertrieben und nach Cymbria oder Dänemark gewiesen. Es herrschte zu der Zeit in diesem Lande ein Fürst Theudott genannt. Diesem graute vor den Goten; und als sie zu ihm Botschaft geschickt hatten, ihn um einen Ort Landes zu bitten, in welchem sie gegen Entrichtung eines Tributes wohnen könnten, antwortete er ihnen, daß in seinem Reich eine Insel wäre, Klein-Cymbria genannt, welche ein aus Scandia verjagtes Volk inne hätte, das ihm zum Trotz darin säße und ihn nicht als Herrn anerkennen wolle; wenn die Goten ihm einen Tribut geben und die Scandianer vertreiben wollten, so möchten sie das Land einnehmen. Die Scandianer aber hatten vorher in Albion gesessen, und waren um ihrer Untreu willen vom Könige Drusius nach Norwegen in die Verbannung geschickt, was damals Scandia hieß, von dem sie den Namen erhielten. Von dort waren sie nach Cymbria gezogen, und hatten zuletzt auf der Insel Klein-Cymbria ihren Wohnsitz genommen.
Die Goten gingen auf den ihnen von Theudott gemachten Vorschlag ein,
und ihr Fürst Wißbo schickte zu den Scandianern nach Klein-Cymbrien und ließ ihnen sagen, daß ihm Theudott das Land, darin sie wohnten, verliehen hätte, weil sie ihn nicht als ihren Herrn erkennen wollten, und die Goten es um einen Tribut angenommen hätten; sie möchten sich also entscheiden, ob sie das Land gutwillig räumen, oder ob sie darin ferner wohnen wollten und das von Zinsen, oder endlich ob sie um selbiges kämpfen wollten. Das Volk in Klein-Cymbria hatte zwei Herren, die es für Könige hielt, genannt Bruteno und Widewuto; diese hielten mit ihren Edelingen einen Rat, was zu tun; sie, die geborene Herren wären, möchten sich nicht entschließen untertan zu werden; auf einen Kampf könnten sie sich nicht einlassen, da es ihnen unmöglich war, den mächtigen Goten Widerstand zu leisten; so beschlossen sie das Land zu räumen, und sie machten einen Vertrag darüber mit den Goten, welche beschworen, daß sie die Scandianer in den neuen Sitzen ungekränkt lassen würden. Die Insel Klein- Cymbria ward nachgehends von den Goten, die sie einnahmen, Gotland genannt; und dieselbigen bauten dort ein Schloß, das sie nach ihrem Fürsten Wyesboa nannten, und heißt noch heutigen Tages Wisby.
Bruteno aber und sein Bruder Widewuto setzten sich auf Flöße und fuhren durch Cronus (die Ostsee) und Hailibo (das frische Haff) und kamen in das Land Ulmigeria, wo sie ein ganz unerfahrenes Volk fanden. Hier schlugen sie ihre Zelte auf, bauten nach ihrer Weise Schlösser und Dörfer, und warfen sich teils mit Güte, teils mit Gewalt, teils mit Hinterlist zu Herren des Landes auf, In selbigem fanden sie Honig, von dem sie ein Getränk bereiteten, während sie von Anbeginn Molken getrunken hatten. Die Ureinwohner von Uimigeria wurden auch von den Cymbrern zu ihrer Lebensweise geführt, so daß mit der Zeit beide Teile dem Trunk heftig ergeben waren und zugleich gewaltige Kriegsmänner wurden.3
Die Uimigerier waren dem Fürsten von der Masau vor der Ankunft der Cymbrer tributpflichtig gewesen, letztere aber wollten keinem denn einem selbstgewählten Herrn dienen. Und deshalb versammelten sich zu einer Zeit alle Kriegsmänner und beschlossen einen König zu küren. Die Wahl aber fiel auf Bruteno. Dieser sprach jedoch, er könne solche nicht annehmen, da er sich zum Dienste der Götter verpflichtet habe, und brachte seinen Bruder Widewuto in Vorschlag, der ein sehr beherzter Mann sei und das Volk brüderlich regieren werde. So wählten sie letzteren und krönten ihn zum König. Widewuto aber mit allem Volke einigten sich darauf, Bruteno zum Oberherren zu haben, und nannten ihn Kriwe Kriwaito, das ist: unser Herr nächst Gott, und versprachen ohne seinen Willen nichts zu tun, sondern ihn zu hören wie Gott selbst; das Land aber nannten sie Brutenia und beschlossen niemandem zu dienen und zu opfern als ihren Göttern. Darauf baute Bruteno bei einer sechs Ellen dicken Eiche für die Götter Pakollo, Potrimpo und Pikollo, für den Kriwe Kriwaito und die Waidelotten oder Priester eine besondere Wohnung, die er Rikaito nannte. Widewuto aber baute zwischen Crono und Hailibo ein Schloß und nannte es Noytto, später Neitenburg auf der Nerung, von welchem aus er das Land regierte.4
Als der König Widewuto den Met zu bereiten erfunden, ergaben sich die Cymbrer bald der Trunkliebe. Da überhoben sie sich ihrer Magd und hielten die alten Bewohner mit hartem Zwang zur Dienstbarkeit an. Darüber wurden diese zuletzt unwillig, machten einen Aufstand und verbrannten etliche hundert der Cymbrer, samt ihren Häusern, Weib und Kind, denn sie meinten, dies wäre nicht erschlagen, was durch die von Bruteno aufgerichteten Sagungen der Götter untersagt war. Um dieser Dinge willen hielten Widewuto und Bruteno zu Rikaito vor den Göttern einen Rat. Da wurde bestimmt, daß niemand den andern verachten, und auch keiner einem andern zur Arbeit verpflichtet sein sollte; bedürften die Edelinge fremder Hilfe, so sollten sie solche erbitten und zur Entgeltung dafür Met darreichen; zu Edelingen wurden aber die gemacht, welche am schnellsten zu Pferde waren; dieselben übten sich auf Fechten und Reiten, wie bei andern Völkern Sitte ist, und während sie früher einfältig gewesen waren, wurden sie nun tückisch und verschlagen.5
Als die Cymbrer sich Uimigeriens bemächtigt, da beschlossen sie, dem Fürsten der Masau, Andislaus oder Anthonos genannt, den bisher mit den schönsten Kindern entrichteten Tribut nicht länger zu gewähren. Da nun dieser mehrmals vergeblich solchen in Güte gefordert, so ließ er ansagen, wie er selbst kommen werde, ihn zu holen. Dies nahmen Bruteno und Widewuto an und warteten sein an der Grenze. Anthonos war unerschrocken und erlangte mächtige Hilfe von Roxolanien, jetzt Rußland, mit welcher er die Brutener schlug und viele Jünglinge gefangen hinweg führte. Nachdem solche aber bei ihm die Kriegskunst erlernt hatten, entflohen sie wieder in ihre Heimat und teilten das Erlernte ihren Brüdern mit. Da entbot Bruteno den ganzen Adel des Landes nach Rikaito. Als sie nun alle versammelt waren, kam ein mächtiges Gewitter mit Donner und Blitzen, in welchem sie meinten, daß Gott Perkunos vom Himmel niedersteige. Dies nahm sich Bruteno zum Wahrzeichen, und sagte: wie die Götter befohlen hätten, sie alle sollten auf Anthonos und sein Volk ziehen; die Götter würden sie geleiten. Dann gab man allen, die versammelt waren, genug des Metes zu trinken. Darauf brachen sie in das Land des Feindes und erwürgten Anthonos samt Zweyboch, den Fürsten von Roxolanien, erschlugen viel Volk in der Massau, und kehrten mit reicher Beute heim. Des Anthonos Sohn, Czanwig, erkannte wohl, daß er den Brutenern im Streit nicht gewachsen sei, und kam deshalb zu Bruteno und Widewuto, opferte den Göttern derselben und schwor, daß er solche für seine gnädigsten Götter halten wolle, bat auch um Volk, daß er zur Bezeugung seiner Andacht den Göttern ein großes Opfer täte. Als ihm dies vergönnt war, ließ er auf einem freien Feld ein weißes Pferd zu Tode rennen und danach verbrennen. Von da kam es, daß niemand im Lande ein weißes Pferd reiten mochte, sondern man mußte sie für die Götter halten. So ward Friede zwischen dem Volk der Marovier und Brutener; jedoch ist eins dem andern nicht gut bis auf diesen Tag.6
Als Widewuto 116 und Bruteno 132 Jahr alt war, da wollten sie die Ihren versorgen, damit jeder wohl wisse, was auf ihn treffe, und kein Hader über die Teilung entstehe. So versammelten sie alles Volk zu Rikaito und verkündeten, was geschehen solle.
Zum ersten nahm der Kriwe Kriwaito einen Bock und tötete ihn vor der heiligen Eiche um ihrer aller Sünde willen; das Fleisch brieten sie mit den Blättern der Eiche, verzehrten es und tranken dazu Met. Am andern Morgen früh legten sich Widewuto und Bruteno vor der Eiche nieder und riefen zuvörderst jenen ältesten Sohn herbei, welcher Lytpho oder Litthuo hieß, und sprachen zu ihm: IGelobest du unsern gnädigen Göttern Andacht und ihrem Kriwaito Gehorsam und daran zu setzen Leib und Gut, so jemand sie verringern wollte in ihrer Ehre?I worauf Litthuo sprach: IIch gelobe es bei der Strafe meines Gottes Perkuno, der mich töten soll durch sein Feuer, so ich meinen Eid nicht halte.I Da sprach Bruteno: „So lege deine Hand auf das Haupt deines Vaters und danach rühre die heilige Eiche an.“ Und das tat er. Danach sprach Widewuto: „Du sollst Herr sein im Lande von Boijo (Bug) und Nyemo (Riemen), den fließenden Wassern bis an Thamso an den Wald.“ Und er nahm es mit der Zeit ein, und baute sich eine Feste, die nannte er nach seinem Sohne Gartho (Grodno); das Land aber erhielt von ihm selbst den Namen Litauen. Gartho gewann auch mit der Zeit ein mächtig Land und hielt sich ganz königlich, hatte auch viele Bajoren zu Söhnen.
Danach teilte Widewuto dem Samo, seinem zweiten Sohn, das Land von Crono und Hailibo bis auf Skara das Wasser, und er nahm es mit der Zeit ein, und es ward nach ihm Samland genannt. Er baute sich auf einem mächtigen Sandberg, der zum Teil geschüttet ward, die Feste Gailgarwo (Galtgarben). Dieser Samo hatte mit den Seinen eine besondere Lebensweise; denn sie waren andächtiger als die übrigen Brutener und wählten auch einen besonderen Eichwald zu ihrer Andacht aus, in welchem sie einen Haufen Schlangen zu Ehren ihrer Götter unterhielten. Samo hinterließ weniger Kinder als seine Brüder, denn sein Weib Pregolla ertrank in dem Fluß Skara, davon dieser den Namen (Pregel) erhielt.
Der dritte Sohn Sudo bekam das Land zwischen Crono, Skara und Curtono (das kurische Haff), was er zu seiner Zeit einnahm und nach seinem Sohn eine Feste namens Perpeylko erbaute; das Land aber ward nach ihm Sudauen genannt. Das Volk, das darin wohnte, hielt sich von Anbeginn ehrbar, und sie deuchten sich alle Edelinge, weil sie allein mit Sudo einen mächtigen König des Venederlandes, jetzt Russisch Litauen, besiegt hatten. Die Sudauer aber sind bis auf den heutigen Tag ein lustiges Volk geblieben, das seine größte Freude im Trinken hat.
Nadrau, der vierte Sohn, huldigte auch, wie seine Brüder, und ihm ward das Land zwischen Skara, Boiko und Curtono zugeteilt, was von ihm Nadrauen genannt ward und in dem er eine Feste, genannt Staymto, erbaute.
Scalawo, dem fünften Sohn, ward gegeben das Land zwischen Pregolla, Curtono, Niemo und Rango dem Wasser. Er nannte selbiges Scalawonien (Schalaunen). Die Bewohner aber sind von Anbeginn ein unlustiges und ungetreues Volk gewesen und fanden ihre größte Seligkeit im Schlafen, so daß ihre Trägheit im ganzen Lande zum Sprichwort ward.
Natango, der sechste Sohn, huldigte wie seine Brüder, und ihm ward das Land zwischen Pregolla, Alla, Bassaro (Passarge) und Hailibo zugeeignet, und er nahm es mit der Zeit ein und wohnte auf Honeda (Balga) dem Schloß; das Land aber ward Natangen genannt. Natango hatte einen Sohn namens Lucygo, dem ward Noyto die Burg, und Crono, das Wasser zugeeignet; denn er war ein Mann, dem Fischerei lieb war. Dieser fand auch zuerst den Bernstein.
Barto, der siebente Sohn, erhielt das Gebiet die Alla aufwärts bis an Licko (Lyck) das Wasser, und bis an das Land seines Bruders Lytpho, nannte es Bartenland und baute darin eine Feste Barto (Bartenstein). Dieser hatte viele Kinder, deren jegliches ein König war und sich eine Feste baute. Denn sie waren sehr haderhaftig und hatten viel Feindschaft, sonderlich mit den Erben Natangos, um Lucygos willen, dem Widewuto etwas Besonderes zugeeignet hatte, da sie doch so nahe daran gewesen wären, wie Natangos Sohn.
Der achte Sohn, Galindo, bekam die Lande gelegen von Kaboso bis an die Grenzen der Masau; das Land hieß von ihm Galindien, und die Burg nannte er Galindo, ward auch nachgehends Galinderberg genannt. Das Volk wurde mit der Zeit mächtig und führte viel Kriege mit den Masuren.
Dem neunten Sohn Warmo verlieh der König die Lande an der Nava (Nariensee) und Bassora. Er baute sich eine Feste, die er Tolo nannte. Von ihm ward das Land zu lateinisch Warmia genannt, zu deutsch aber heißt es Ermeland von seiner Gattin Ermia.
Hoggo, dem zehnten Sohn, überwies der König das Land zwischen Weseke, Bassaro, Drusino (Drausen) dem Wasser. Er baute sich eine Feste Tolko (Tolkemit), nachher Schafsberg genannt. Das Land aber ward geheißen das Hoggerland (Hockerland) oder auch nach seiner Tochter Poggezana Poggesanien.
Dem elften Sohn des Königs, Pomeso, ward das Land zwischen Weseke, Mokra (Ossa) Noyta (Nojath) Istula (Weichsel) bis an die Grenzen der Massau zugeteilt, und es ward nach ihm Pomesanien genannt, hatte keine Burg, die ihm zur festen Wohnung diente, sondern wo es ihm am besten gefiel, da wohnte er unter einem Zelt. Er hatte sehr viele Kinder, die alle wie der Vater Riesen und Könige waren, und diese bauten sich die Festen zu Risno (Risenburg), Bolto, Weso und Nargoltons.
Der zwölfte Sohn Widewutos, Chelmo, erhielt das Gebiet zwischen Mokra, Istula und Driwantza (Drewentz). Er baute sich eine Feste und nannte sie nach seinem Namen Chelmo, jetzt Althaus Culm, und eine andere, die er nach seinem Sohne Potto hieß (Potterberg). Das Land aber heißt noch heute von ihm Culmerland.7