Highway to Empowerment - Bianka Nilges - E-Book

Highway to Empowerment E-Book

Bianka Nilges

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Beschreibung

Als Fahrlehrerin und damit Frau in einem typischen Männerberuf und erfolgreiche Unternehmerin ruft Bianka Nilges vor allem jüngeren Frauen zu: Bewegt euch, kommt ins Handeln! Wir haben gerade in Deutschland die Neigung, Dinge unnötig kompliziert zu machen und so lange zu zögern, bis Stillstand herrscht. Dabei können Frauen heute alles schaffen, was sie wollen, wenn sie mit Herzblut dabei sind. Es gilt, jenseits aller Geschlechterklischees und Schubladen das zu finden, was einen glücklich macht - in einem Umfeld, das zu einem passt.
Anhand ihrer eigenen Geschichte sowie mit vielen treffenden Alltagsbeobachtungen zeigt die Autorin, wie sich Hindernisse überwinden lassen und Female Empowerment praktisch möglich wird. Dabei blendet sie nicht aus, was sich gesellschaftlich noch ändern darf und wo wir uns aktuell in Deutschland möglicherweise in eine ungute Richtung bewegen. Ein Buch, das Mut macht, einzusteigen und loszufahren!
Das Buch ist eine Mischung aus Karrierebuch, Gender-Buch und Buch zum Thema Persönlichkeitsentwicklung. Seinen besonderen Reiz bezieht es durch pointierte Storys aus der Welt der Fahrschule und des Fahrens - durch die Brille einer Frau, die schon so ziemlich alles gesehen hat, was einem auf und am Rande unserer Straßen begegnen kann.

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Seitenzahl: 291

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

Print ISBN: 978-3-527-51207-2ePub ISBN: 978-3-527-84995-6

Umschlaggestaltung: Heike BauerCoverbild: Danomyte: Comic book drawing of an intense Race Car Driver / stock.adobe.com

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titelblatt

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1 Ampel auf Grün Wie das Elternhaus prägt

Am besten Kinder einfach machen lassen, was sie möchten

Mädchen wie Jungen und Jungen wie Mädchen – warum nicht?

Wo das Elternhaus nicht helfen kann, findet sich trotzdem ein Weg

Es ist nie zu spät, selbst über sein Leben zu entscheiden

2 Auf Autopilot Vertraue deinem Bauchgefühl

Weibliche Intuition? Auch Frauen hören oft nicht auf ihr Gefühl!

Die große Versuchung, es anderen recht machen zu wollen

Entscheidungen aus dem Bauch heraus nicht zerreden lassen

Es darf auch ein traumhafter Beruf statt des Traumberufs werden

3 Einsteigen und losfahren Sei selbstbewusst und mutig

Frauen dürfen sich ihrer Stärken ruhig bewusster sein

Weiblich, selbstbewusst, Porsche-911-Fahrerin …

Der Saboteur sitzt zwischen den eigenen Ohren

Es braucht keine extreme Erfahrung, um mutiger zu werden

4 Bella macchina Es braucht Leidenschaft und Herz

Den Augenblick genießen und von Herzen Unternehmerin sein

Ausprobieren und experimentieren, bis das Richtige gefunden ist

Mit Leidenschaft eine Dienstleistung erbringen – können wir das?

Es liegt an uns selbst, die augenblickliche Situation zu ändern

5 Den Stau umfahren Lösungen statt Stillstand

Arbeite an der Lösung, auch wenn dir noch eine Kleinigkeit fehlt

Unternehmerinnen sollten die agile Routenplanung beherrschen

Ausprobieren, dranbleiben und in kleinen Schritten verbessern

6 Spielstraße Sei du selbst und such dir das passende Umfeld

Wir haben immer die Chance, ein passendes Umfeld zu finden

Konsequent sein, wenn das Umfeld nicht (mehr) zu einem passt

Offenheit und Mut auf dem Weg der Selbsterkenntnis

Nie war es leichter, das passende berufliche Umfeld zu finden

7 Auf der Überholspur Führung übernehmen

Die richtige Balance zwischen Empathie und Durchsetzungskraft

Führen heißt, eine positive Haltung zu haben und vorzuleben

Wenn alle rumeiern, ist es Zeit, dass du vorangehst und handelst

8 Gas geben Mach!

Wo die Bahn endlich frei ist, darf auch Gas gegeben werden …

Eine Macherin ist nicht einfach nur ein weiblicher Macher

Sei selbstbewusst, aber nicht selbstherrlich

9 Hybrid unterwegs Job und Familie

Scheitere an zu hohen Ansprüchen – oder befreie dich von ihnen

Gemeinsam ein Arrangement finden, das für alle passt

Kinder sind kein Störfaktor, sondern das Glück auf Erden

10 Schilderwald Bitte nicht so kompliziert!

Wenn sich Regeln und Vorschriften vermehren wie Unkraut

Wo nicht alles reguliert ist, zählt geschickte Kommunikation

Das Leben ist nicht kompliziert, wir verkomplizieren es nur

11 Vom Käfer zum Tesla Generationen im Wandel

Die verlorene Generation? Oder die aufgeweckte und weltoffene?

Niemals lassen sich alle Menschen über einen Kamm scheren

Alle dürfen sich geschlechtlich definieren, wie sie es möchten

12 Ausgebremst Deutschland ist anstrengend geworden

Wenn eine tadellose Leistung nicht mehr selbstverständlich ist

Leere Supermarktregale waren noch nicht genug Weckruf

Manchmal sind es nur Kleinigkeiten, die einem Mut machen

13 Schleudergefahr Empowerte Frauen, verunsicherte Männer

Wenn es eigentlich eloquenten Männern die Sprache verschlägt

Männer wissen nicht mehr, wie sie es Frauen recht machen sollen

Eine neue Welt, in der alle viel mehr Spaß haben können

14 Pink Truck Weiblichkeit erlaubt

Männer in pinkfarbenen Socken und Frauen im Oversize-Hemd

Wenn das Dekolleté zur Hauptnachricht des Tages wird …

Weiblichkeit zeigen in jeder Form – und in jedem Alter

15 Reißverschluss Mehr Unity statt Diversity

Wollen wir Frauen wirklich Frauenautos fahren?

Endlich ein entspanntes Miteinander der Geschlechter

Vom Female Empowerment zum Human Empowerment

Danke

Die Autorin

End User License Agreement

Orientierungspunkte

Cover

Titelblatt

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Fangen Sie an zu lesen

Danke

Die Autorin

End User License Agreement

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Vorwort

Wie schön, dass dieses Buch zu dir gefunden hat! Vielleicht macht dich neugierig, was eine Frau zu sagen hat, die sich in einem typischen Männerberuf durchsetzen konnte und auch als Unternehmerin erfolgreich ist. Möglicherweise bist du aber auch noch etwas skeptisch. Was heißt hier »Frauen auf die Überholspur«, wie du auf dem Cover gelesen hast? Geht das denn so einfach? Leben wir plötzlich in einem Paradies der Gleichberechtigung? Gibt es nichts, wofür wir Frauen heute noch kämpfen müssten? Bist du kurz eingeschlafen und in einem Paralleluniversum aufgewacht, in dem es keine Benachteiligung mehr gibt? Nein, so ist es natürlich nicht. Wir sind vom Idealzustand voller Gleichstellung der Geschlechter noch ein ganzes Stück entfernt. Ich hätte hier auch gleich zu Anfang mit den üblichen Statistiken um die Ecke kommen können, die das belegen. Doch das wäre nicht das Buch geworden, das ich schreiben wollte.

In diesem Buch möchte ich dich einladen, einmal die Perspektive zu wechseln – weg von der Benachteiligung, hin zu den Chancen. Frauen haben heute im Vergleich zu früher alle Möglichkeiten, ein Leben nach ihren Vorstellungen zu leben und ganz sie selbst zu sein. Machen wir uns das überhaupt ausreichend bewusst? Wir haben gerade in Deutschland die Neigung, die Dinge kompliziert zu machen und übertrieben um das Negative zu kreisen. Gleichzeitig sind feministische Debatten oft so verkopft und langweilig, dass wir nur noch wenig damit anfangen können. Debatten bringen uns auch nicht weiter. Frauen können heute (fast) alles schaffen, wovon sie träumen, wenn sie ins Handeln kommen und dranbleiben. Um das Machen geht es mir besonders in diesem Buch. Aber auch darum, was einen im Leben innerlich erfüllt und zufrieden sein lässt. Das sind, wie du noch lesen wirst, ziemlich oft nicht die Dinge, die andere einem nahelegen. Dennoch wirst du zu einem Role Model für andere, wenn du nach deinen Vorstellungen lebst – und kannst damit auch gesellschaftlich einen Unterschied machen.

Dies ist kein typischer Karriereratgeber für Frauen und auch keines dieser Bücher mit der Eins-zwei-drei-Glücksformel. Ich möchte dich mit meinen Erfahrungen als Frau in einem von Männern dominierten beruflichen Umfeld inspirieren, deinen ganz eigenen Weg zu finden und zu gehen. Dein Navi im Leben bist du! Ich selbst lasse mir nur ungern von anderen reinreden. Aber ich liebe es, wenn Menschen bereitwillig ihre Erlebnisse mit mir teilen. Sie nehmen mich quasi ein Stück mit auf ihren Lebensweg, und auf diese Weise lerne ich viel mehr kennen, als ich mir selbst in einem einzigen Leben anschauen könnte.

Darf ich dich auch ein Stück mitnehmen? Dann steig ein!

Bianka

PS: In diesem Buch schreibe ich manchmal einfach »Fahrlehrer« oder »Autofahrer«, obwohl ich jedes Mal weiß, dass es auch »Fahrlehrerinnen« beziehungsweise »Autofahrerinnen« gibt. Warum ich finde, dass es kein Weltuntergang ist, wenn wir nicht alles immer und überall »gendern«, erfährst du, wenn du dieses Buch einschließlich des letzten Kapitels liest.

1Ampel auf Grün Wie das Elternhaus prägt

»Ich will aber den Schraubenzieher«, quengelte ich bei meinem Papa. Wir waren auf der Kirmes vor dem Wedaustadion in Duisburg – mein Vater, meine Mutter, meine dreieinhalb Jahre ältere Schwester und ich. An einer Schießbude hatte mein Papa gerade das Luftgewehr angelegt, um mir, seiner jüngeren Tochter, ein Bärchen zu schießen. Das waren damals noch nicht solche Pandabären in XXL aus China, wie sie die Jugendlichen heute auf ihren Schultern von den Kirmesplätzen tragen. Sondern knuddelige Teddybären in der passenden Größe, damit ein Kind sie beim Einschlafen in den Arm nehmen konnte. Eines dieser Bärchen wäre genau das Richtige für die kleine Bianka mit den engelsblonden Haaren, den blauen Augen und dem unschuldig strahlenden Gesichtchen gewesen. Das dachte zumindest mein Papa. Ich wollte aber lieber einen Schraubenzieher! Die konnte man an der Bude nämlich auch schießen und das hatte ich längst gesehen. Ich nölte richtig rum deswegen. Obwohl ich zu der Zeit noch sehr klein war, erinnere ich mich lebhaft an diese Szene.

Und was machte mein Vater? Ohne zu diskutieren, schoss er mir den Schraubenzieher. Er überreichte ihn mir stolz, und ich weiß noch ganz genau, wie toll sich dieses Werkzeug in meinen kleinen Händen anfühlte. Es war nicht etwa Trotz gewesen, lieber den Schraubenzieher als das Bärchen haben zu wollen. Nein, ich wollte wirklich genau so ein Schrauber-Ding haben. In der darauffolgenden Nacht schraubte ich damit mein Kinderbettchen komplett auseinander. Und mit komplett meine ich komplett! Meine Eltern fanden mich am nächsten Morgen mit Schnuller im Mund – es dauerte komischerweise sehr lange, bis man mir den Nuckel abgewöhnen konnte – und Schraubenzieher in der Hand neben den Einzelteilen meines Bettchens. Die Schrauben tauchten übrigens nie mehr auf. Ich habe bis heute keine Ahnung, was ich mit ihnen gemacht oder wo ich sie versteckt habe.

Am besten Kinder einfach machen lassen, was sie möchten

Ich kann mir gut vorstellen, dass es Eltern gibt, die ihrem Kind den Schraubenzieher erst mal wieder weggenommen hätten – nachdem sie sich von ihrem Schrecken über das zerlegte Bett erholt und ihrem Ärger Luft gemacht hätten. Meine Eltern blieben in solchen Situationen jedoch immer gelassen. Sie waren darauf bedacht, mich nicht zu entmutigen, damit ich weiter unbeschwert Dinge ausprobieren würde. Besonders mein Vater erlaubte mir als Kind immer, die Erfahrungen zu machen, die ich machen wollte. Dabei durfte ich auch mal nah ans Limit gehen. Meine Mutter war da etwas ängstlicher und sah mehr die Gefahren, wenn ich zum Beispiel mal wieder an einem Brückengeländer außen entlangging. Trotzdem war sie genauso wohlwollend. Streit über die Erziehung erlebte ich bei meinen Eltern nie. Es war jedoch mein Vater, der mir mehr erlaubte und mir stärkeren Rückhalt gab. Heute bin ich mir bewusst, wie ich dadurch innere Stärke entwickeln und an psychischer Stabilität gewinnen konnte. Klar wurden mir als Kind auch Grenzen aufgezeigt. Daran kommt in der Erziehung keiner vorbei und das ist auch richtig so. Doch die Maxime meiner Eltern lautete: »Kinder sollen so sein dürfen, wie sie wollen.« Das prägte mich und stellte für mein späteres Leben die Ampel auf Grün.

Dabei war mein Elternhaus nur zum Teil typisch für die Achtziger im Ruhrgebiet. Ja, wir waren eine klassische Arbeiterfamilie aus Duisburg. Wenn du hier spontan kein Bild hast, dann denk einfach an all die alten Ruhrpott-Klischees, die dir so einfallen: gigantische rostbraune Hochöfen, rauchende Schlote, rußschwarze Häuserfassaden und tuckernde Binnenschiffe. Kennst du die kultigen Tatort-Folgen mit Götz George als Kommissar Schimanski? Wie Duisburg in diesen Krimis aus den Achtzigern gezeigt wird, so ungefähr sah es auch bei uns in der Umgebung aus. Trotzdem war mein Vater nicht der wortkarge »Malocher« – um es auf Ruhrdeutsch auszudrücken –, der nach der Schicht erst mal in der Trinkhalle ein paar Biere zischte, bevor er zu Hause seine »Olle« fragte, wann es Abendessen gibt. Er war ein ehemaliger Hippie, der die Bundeswehr verweigert hatte, was zu seiner Jugendzeit noch sehr polarisierte. Erst später, in den Achtzigern, wurde es normal, »Zivi« statt Rekrut zu sein. Meine Eltern gingen sehr liebevoll sowohl miteinander und auch mit anderen Menschen um. Sie waren beide fortschrittlich und sozial eingestellt, stets sensibel dafür, was in der Familie und in ihrem Umfeld geschah.

Wenn du mich heute fragst, was Kinder und vor allem Mädchen von ihren Eltern brauchen, dann sage ich: genau das, was meine Eltern mir vorgelebt haben. Die Kinder einfach mal machen lassen. Ihnen viel Freiheit gewähren, ihnen vertrauen. Ihnen aber auch Grenzen setzen. Dabei eine klare Haltung vertreten, an der man sich als Kind und später als Jugendliche orientieren kann. In solch einem Elternhaus können Mädchen und junge Frauen durch Ausprobieren entdecken, was sie im Leben wollen. Sie lernen gleichzeitig, dass man sich immer an einem bestimmten Punkt für etwas entscheiden und dann für seine Entscheidungen auch eintreten muss.

Heute treffe ich in meiner Fahrschule 17-Jährige, bei denen ich sofort merke, wie anders sie großgezogen wurden. Das fängt oft schon damit an, dass sie nicht selbst auf uns zukommen, sondern ihre Eltern sie zur Fahrausbildung anmelden. Wenn ich eine Jugendliche dann direkt frage »Wozu möchtest du den Führerschein haben?«, bekomme ich Antworten wie »Weiß nicht« oder »Meine Eltern sagen, ich brauche den«. Ich überlege manchmal, ob dies die Auswirkungen einer Erziehung durch »Helikopter-« und »Rasenmäher-Eltern« sind. Wenn Eltern immer wie mit dem Heli über den Kindern kreisen, als eine Art private Security mit der Mission, sämtliche Gefahren und Herausforderungen zu erkennen und sofort auszuschalten, oder gar wie mit einem Rasenmäher noch den zartesten Grashalm wegmähen, der dem Kind im Weg stehen könnte – vielleicht kommt dann am Ende heraus, dass Kinder gar nicht mehr wissen, was sie wollen oder können?

Das Ergebnis dieser Erziehung erlebe ich dann auch oft in der ersten Fahrstunde. Es ist ja okay, sich nicht auf den Fahrersitz zu werfen, die Fäuste geballt in die Höhe zu strecken und zu schreien: »Yeah, endlich Autofahren!« Auch meine eigene Tochter hat ein distanziertes Verhältnis zu Autos und zum Fahren, sodass die Fahrausbildung für sie eher Pflichtprogramm war. Aber was ich heute bei Fahrschülerinnen teilweise an Ängstlichkeit und Selbstzweifeln erlebe, lässt für mich auf Helikopter-Eltern schließen. Eine junge Frau wagte es kaum, den Blinkerhebel zu bewegen, aus Angst, er könnte abbrechen. Und eine andere fragte sich, ob sie es je schaffen würde, dieses Riesenungetüm von Auto – einen kompakten VW T-Roc – um eine enge Kurve zu wuchten. Diese jungen Frauen musste ich erst einmal aufbauen, damit sie sich überhaupt zutrauten, Fahren zu lernen. Wenn du selbst Kinder hast oder noch welche haben möchtest: Welche Vorbereitung aufs Leben wünschst du dir für sie? Ich kann dir nur raten: Lass deine Kinder so früh wie möglich das machen, was sie wollen, und sich mit dem beschäftigen, was ihnen gefällt. Dann trauen sie sich später im Leben auch etwas zu.

Mädchen wie Jungen und Jungen wie Mädchen – warum nicht?

Bei mir war der Schraubenzieher übrigens erst der Anfang. Meine Eltern zogen aber auch später immer mit, wenn ich lieber Spielzeug für Jungs wollte. Ich muss so sechs oder sieben Jahre alt gewesen sein, da wünschte ich mir nichts sehnlicher als eine Carrera-Bahn. Im Kinderzimmer Autorennen zu fahren, stellte ich mir als das Allergrößte vor. Ich konnte es auch kaum abwarten, gegen die Jungs in meinem Alter zu gewinnen. Mit den Mädchen spielte ich sowieso seltener, da mich deren Barbie-Häuser wirklich nicht interessierten. An Weihnachten, kurz vor der Bescherung, kam mein Onkel mit einem großen Paket durch die Tür und zwinkerte mir vielsagend zu. Da war für mich klar: Es ist so weit! Endlich bekomme ich die Carrera-Bahn! Ich hätte platzen können vor Vorfreude. Umso größer war meine Enttäuschung, als ich kurze Zeit später das Geschenk auspackte: In dem großen Paket war eine fast ebenso große Puppe. Die war sehr hochwertig und teuer. Aber was sollte ich denn damit? Ich heulte und mein Onkel verstand die Welt nicht mehr. »Tja«, klärte mein Papa meinen Onkel auf, »Puppen sind nicht so Biankas Ding.« Nach Weihnachten ging mein Onkel dann direkt ins Spielwarengeschäft und tauschte die Puppe gegen eine Carrera-Bahn ein. Ich war überglücklich und meine Weihnachtsferien waren gerettet.

Eigentlich hätte meinem Onkel vorher schon auffallen können, dass ich gerne mit Autos spielte, Fußball liebte und an Karneval als Cowboy oder Zorro ging, statt wie meine ältere Schwester als Haremsdame. Auch war es kein Geheimnis, dass meine Freunde fast nur Jungs waren. Ich war lieber mit ihnen statt mit Mädchen befreundet, denn die Jungs hatten die »richtigen« Spielsachen. Wer das aber, wie mein Onkel an besagtem Weihnachtsfest, einmal verstanden hatte, für den war es auch okay. Nie bekam ich in der Familie, der Nachbarschaft oder der Schule zu hören, ich sei anders oder komisch oder meine Interessen seien zu jungenhaft für ein Mädchen. Und das, obwohl ich als Kind wie ein blondes Püppchen aussah. Mein Vater freute sich sogar, mit mir typische »Jungs-Sachen« unternehmen zu können. Und die Jungs in meinem Alter liebten es sowieso, mit einem Mädchen spielen zu können, ohne so tun zu müssen, als interessiere sie deren blöder Mädchenkram.

Ich kenne heute eine Mutter, deren Sohn im Grundschulalter ist, sich die Haare lang wachsen lässt und zu Hause gerne Röcke anzieht. Es fällt ihr sehr schwer, darüber zu sprechen, geschweige denn, es zu akzeptieren. Ich sage ihr immer: »Lass ihn doch! Er will das jetzt ausprobieren und schadet niemandem damit. Ob das nur eine Phase ist oder mehr dahintersteckt, darauf hast du sowieso keinen Einfluss. Er sollte anziehen und sich stylen dürfen, wie es ihm gefällt, und nicht das Gefühl bekommen, etwas falsch zu machen.« Für meine Eltern war es nie ein Problem, dass ich als Kind immer nur Jeans tragen und von Kleidern und Röcken nichts wissen wollte. Heute kleide ich mich sehr gerne feminin, trage die Haare lang und lackiere mir auch die Fingernägel. Ich steige sogar im Kostüm mit klassischer Bluse ins Fahrschulauto, wenn mir danach ist. Das zeigt: Was wir als Kinder wollen, müssen wir nicht automatisch für den Rest unseres Lebens wollen. Aber wenn uns in der Kindheit etwas verboten wurde, was wir gerne gemacht hätten, kann es sein, dass wir deswegen später im Leben immer ein Nachholbedürfnis haben. Dieses Bedürfnis hindert uns dann unter Umständen daran, uns weiterzuentwickeln und die Vergangenheit loszulassen.

Meine Eltern stülpten mir nie ihre eigenen Vorstellungen über. Ich hatte auch niemals das Gefühl, ihre geplatzten Lebensträume für sie leben zu müssen. Oder dass sie neidisch auf die größeren Freiheiten und Möglichkeiten der jüngeren Generation gewesen wären. Ich war zum Beispiel als Kind und Jugendliche sehr sportlich. Neben Fußball waren Feldhockey, Surfen und Snowboarden meine Leidenschaften. Meine Eltern übten keine dieser Sportarten aus, unterstützten mich aber trotzdem immer voll und ganz darin.

Aus meiner heutigen Sicht ist diese gemeinsame Grundhaltung meiner Eltern – ihre Kinder nicht als Verlängerung ihrer selbst zu sehen, sondern als eigenständige Menschen anzuerkennen und in allem zu fördern – die Basis dafür, dass sie miteinander sehr glücklich waren und es auch nach wie vor sind. Meine Mutter bekam meine ältere Schwester schon mit 16 Jahren, seitdem sind mein Vater und sie unzertrennlich. Sie leben bis heute eine harmonische Beziehung ohne Streit und machen alles gemeinsam. Auch wenn das jetzt vielleicht altmodisch klingt: In einer liebevollen, stabilen Partnerschaft, in der die beiden Partner sich gegenseitig unterstützen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Kinder ebenso liebevoll unterstützt werden und es den Eltern das Wichtigste ist, dass ihre Kinder glücklich sind.

Natürlich ist es nicht so, dass es heute nur noch Helikopter-Eltern gäbe. Es gibt alle möglichen Ausprägungen von Elternschaft. Auch die Familien, in denen die Eltern alles laufen lassen, ihre Kinder nicht richtig versorgen und von der Handynutzung bis zur Schlafenszeit keinerlei Grenzen setzen. Am Ende ist es egal, auf welche Weise ein Elternhaus schlecht ist. Es läuft immer wieder darauf hinaus, dass liebevolle Unterstützung und Ermutigung, zusammen mit den richtigen Leitplanken, gut auf das spätere Leben vorbereitet. Und alles andere weniger gut. Ich brauche bestimmt nicht zu erklären, wie ein liebevoller Umgang mit dem Partner und den eigenen Kindern aussieht, denn das wissen wir alle vom Herzen her. Aber es ist eine Entscheidung und kostet manchmal auch Willenskraft, diesen Umgang jeden Tag zu leben.

Übrigens ist es auch bei meinen Eltern nicht so, dass sie es immer leicht gehabt hätten. Als meine Mutter mit 16 meine Schwester bekam, war mein Vater 20 und auf Montage in Südafrika. Alle glaubten, er käme nie mehr zurück! Die Mutter meines Vaters hatte ihre Kinder sogar ganz allein aufziehen müssen. Sie war von ihrem Mann verlassen worden und lebte mit den Kindern zeitweise in der Umkleide eines Sportvereins. Die prekäre Situation damals prägte meinen Vater sicherlich, und vielleicht war er deshalb später so sozial eingestellt und half, wo er konnte. Aber auch wenn manches schwierig war, beeinflusste mich die zupackende Art einer Arbeiterfamilie positiv. Ich spüre keinen Neid gegenüber Menschen, die privilegierter aufgewachsen sind. Bei uns musste man etwas leisten, um etwas zu bekommen. Mit dieser Haltung ging ich auch später immer erfolgreich durchs Leben.

Es gibt nur eines, das ich meinem Elternhaus vorwerfe – und das meine ich jetzt mit einem kleinen, gelben Zwinker-Smiley: Meine Eltern hätten mich vor dem warnen müssen, was mich später draußen in der Welt erwarten würde. Dass einem nämlich auch Neider oder einfach fiese Typen über den Weg laufen, wenn man als Frau weiß, was man will, und das auch umsetzt. Oder dass es tatsächlich Männer gibt, die Frauen das Gefühl vermitteln, in einem bestimmten Beruf fehl am Platz zu sein. Solche Erfahrungen machte ich erst während und nach meiner Ausbildung.

Wo das Elternhaus nicht helfen kann, findet sich trotzdem ein Weg

Als Kind interessierte ich mich für alles, was Menschen und Güter mit reichlich Power von A nach B bewegt: Autos, Motorräder, Lastwagen, Schiffe, Flugzeuge. Die Schiffe auf dem Rhein zu beobachten oder am Düsseldorfer Flughafen Planespotting zu betreiben, konnte mich auch bei Regenwetter immer nach draußen locken. Nach dem Abi war mein Berufswunsch dann klar: Pilotin! Zur Faszination für die Technik und der Vorstellung, im Cockpit zu sitzen und diese Technik zu beherrschen, kam die Aussicht, ständig unterwegs zu sein und ferne Länder kennenzulernen. Ich konnte mir nichts Schöneres vorstellen. Je mehr ich mich aber mit dem Thema Pilotenausbildung beschäftigte, desto klarer wurde, dass es beim Wunsch bleiben würde. An der körperlichen und mentalen Fitness wäre ich sicher nicht gescheitert. Doch die Ausbildung war für meine Eltern und mich schlicht nicht zu finanzieren.

In Deutschland gab es damals für meinen Traumjob nur die Pilotenschule der Lufthansa in Bremen. Dort kostete die Ausbildung einen sechsstelligen Betrag. Das war noch in D-Mark, klar, aber nach heutiger Kaufkraft wäre es auch ein sechsstelliger Eurobetrag. Dazu wären Reisekosten für den Ausbildungsteil in Arizona und noch diverse andere Extras gekommen. Eine Garantie für eine anschließende Anstellung bei der Lufthansa gab es trotzdem nicht. Auch unterstützte die Lufthansa ihre angehenden Piloten damals noch nicht mit so großzügigen Krediten und Finanzierungsmodellen wie heute. Ich hätte für meine Ausbildung vollständig in Vorleistung gehen und selbst alle Risiken tragen müssen.

Wäre ich ein Mann gewesen, dann hätte ich alternativ eine Pilotenausbildung bei der Bundeswehr gemacht und mich im Gegenzug verpflichtet, Zeit- oder Berufssoldat zu werden. Mein absoluter Lieblingsfilm war sowieso Top Gun mit Tom Cruise, deshalb konnte ich mir auch gut vorstellen, statt eines Airbus der Lufthansa einen Tornado der Luftwaffe zu fliegen. Aber ich war nun mal eine Frau, und die Bundeswehr nahm erst einige Jahre später Frauen in alle militärischen Laufbahnen auf. Als dafür 2001 von der Politik der Weg frei gemacht wurde, gab es mir noch mal einen kleinen Stich ins Herz: Jetzt hättest du Pilotin werden können! Aber zu dem Zeitpunkt war ich längst begeisterte Fahrlehrerin und wünschte mir eigentlich auch schon keinen anderen Beruf mehr.

Bei der Pilotenausbildung kamen meine Eltern, die mich bis dahin immer rückhaltlos unterstützt und alles für mich möglich gemacht hatten, zum ersten Mal an ihre Grenzen. Sie mussten nein sagen, weil sie es sich nicht leisten konnten, mir diese Ausbildung zu finanzieren. Und das akzeptierte ich! Meine Eltern hatten genug für mich getan. Obwohl ich immer gerne zu Hause gelebt hatte, wollte ich eigentlich auch so schnell wie möglich selbstständig und nicht mehr von ihnen abhängig sein. Deshalb zog ich mit 18 zu Hause aus, um mein eigenes Ding zu machen und mein eigenes Geld zu verdienen. Wenn ich heute manchmal sehe, wie Eltern ihre Kinder auch nach der zweiten abgebrochenen Ausbildung oder dem dritten Studienabbruch weiter unterstützen, dann finde ich das einerseits rührend, frage mich aber auch, ob das die jungen Menschen wirklich glücklich sein lässt. Genau wie erst Eltern ihren Kindern Grenzen aufzeigen müssen, sollten die Kinder, wenn sie älter werden, auch erkennen, wo die Grenze dessen ist, was sie von ihren Eltern an Unterstützung verlangen können. Das gilt für mich ausdrücklich auch für junge Frauen. Denn wir können heute genauso früh selbstständig sein und unser eigenes Geld verdienen wie Männer. Von dieser Möglichkeit sollten wir, wenn’s geht, Gebrauch machen!

Dabei muss ich zugeben, dass auch ich mir einen Fehlversuch leistete. Als klar war, dass es mit der Flugkapitänin Bianka Nilges nichts werden würde, hatte mein Vater mir einen Ausbildungsplatz als Bürokauffrau bei den Stadtwerken Duisburg besorgt. Ich glaube nicht, dass er das als Alternative zum aufregenden Job der Pilotin ansah. Sondern er wollte mir wahrscheinlich etwas Gutes tun und dafür sorgen, dass ich eine solide Basis für mein berufliches Fortkommen erhielt. In den damals noch typischen deutschen Amtsstuben bei den Stadtwerken kamen einige morgens schon muffelig rein und verschwanden dann mit ihren Köpfen erst mal hinter der Bild-Zeitung. Bei anderen fragte ich mich, was sie eigentlich den ganzen Tag machten, außer den Gummibäumen beim Wachsen zuzusehen. Keine drei Monate hielt ich es dort aus. Von meiner Kündigung erzählte ich meinem Vater aber erst mal nichts. Da war ich kein leuchtendes Vorbild in Sachen Selbstbewusstsein.

Den Fahrlehrerberuf hatte ich lange Zeit nicht auf dem Schirm. Trotz der vielen Spielzeugautos in meiner Kindheit, trotz der Carrera-Bahn und obwohl ich mich im Grundschulalter immer bei einem Nachbarn, der Lkw-Fahrer war, auf den Fahrersitz seines Brummis setzte und da gar nicht mehr wegwollte. Worüber ich nun eher nachdachte, war ein Psychologiestudium, denn es interessierte mich brennend, wie Menschen ticken. Irgendwann kurz nach dem Abbruch meiner Ausbildung zur Bürokauffrau hatte ich dann einen neuen Freund, der aus gesundheitlichen Gründen sein Sportstudium aufgegeben hatte und Fahrlehrer geworden war. Er riet mir, ich solle doch auch eine Fahrlehrerausbildung machen, denn in dem Job könne man immer gut nebenbei was verdienen, auch wenn man studiere oder aus familiären Gründen mal nicht in Vollzeit arbeiten möchte. Ich hatte mich mit dem Gedanken nur kurz beschäftigt, da wusste ich: Das ist es! Autos, Motorräder, Lkw und Busse zu bewegen war für mich die beste Alternative zu einem Platz im Cockpit eines Fliegers. Und Menschen das Fahren beizubringen, hatte ja vielleicht sogar etwas mit Psychologie zu tun.

Es ist nie zu spät, selbst über sein Leben zu entscheiden

Mein Elternhaus ermöglichte mir also, genau das zu machen, was meinen Neigungen entspricht und mir Spaß macht. Auch wenn ich meinen absoluten Traumjob Pilotin nicht ergreifen konnte, betrachte ich das, was ich heute mache, doch als sehr nah dran. Außerdem war ich mit 21 Jahren Deutschlands jüngste Fahrlehrerin für Pkw und Motorrad, und darauf konnten auch meine Eltern mehr als nur ein bisschen stolz sein. Ich brauchte damals übrigens eine Ausnahmegenehmigung des Straßenverkehrsamts, denn das Mindestalter für den Fahrlehrerberuf war eigentlich 23 Jahre. Zu der Zeit musste ich mir auch zum ersten Mal in meinem Leben als Frau abfällige Sprüche anhören. Da tankte ich zum Beispiel das Fahrschulauto auf und ein Mann an der Zapfsäule nebenan fragte mich: »Wo ist denn dein Fahrlehrer?« Während meiner gesamten Kindheit und Jugend in Duisburg hatte ich nie erlebt, dass Mädchen oder Frauen abgesprochen wurde, sich für Autos zu interessieren oder beruflich mit Autos zu tun zu haben. Wie ich mit solchen Erfahrungen umging und welche Lehren ich daraus zog, erzähle ich noch in späteren Kapiteln. Mein Elternhaus war, wie gesagt, genial, bis auf die Tatsache, dass mich niemand vor schwierigen Situationen mit unentspannten Menschen warnte. Viel wichtiger war aber natürlich, mir zu ermöglichen, als Mädchen und später als Frau mit untypisch weiblichen Interessen innere Stärke zu entwickeln und auf meinen eigenen Weg zu vertrauen.

Meine ältere Schwester war übrigens immer ganz anders als ich. Mädchenhaft, introvertiert, sie machte sich nichts aus Sport, interessierte sich dafür umso mehr für Fashion und Beauty. Da war es auch kein Wunder, dass sie sich schon Kleider wünschte, als man mir meine Lieblingsjeans nur mit vorgehaltenem Revolver hätte wegnehmen können. Die Unterschiede zwischen meiner Schwester und mir sind gleichzeitig der beste Beweis, dass wir ein Elternhaus hatten, in dem jedes Kind wirklich so sein durfte, wie es sein wollte. Auch und gerade im Hinblick auf die in unserer Gesellschaft üblichen Geschlechternormen. Klar stieß ich meine Eltern öfter vor den Kopf oder überrumpelte sie. Aber sie ließen mich genauso machen, wie sie meiner Schwester den Raum gaben, sich gemäß ihren eigenen Interessen zu entwickeln. So wünsche ich mir alle Eltern – bis heute.

Jetzt kannst du sagen: So ein Elternhaus hattest du aber nicht. Deine Eltern haben dich gegängelt oder vernachlässigt oder dir sogar signalisiert, dass Mädchen sich einfügen und unterordnen sollten und ihre Lebensträume nicht so wichtig seien wie die der Jungs. Dann sage ich dir: Befreie dich von deinem Elternhaus! Ja, es hat dich geprägt, vielleicht sogar mehr, als dir lieb ist. Aber es ist nie zu spät, selbst über sein Leben zu entscheiden und sich das Umfeld zu suchen, das einen liebevoll unterstützt. Wenn das nicht die Eltern und die Herkunftsfamilie sind, dann können es immer noch dein Partner, deine Freunde oder auch deine Kolleginnen sein. Freue dich über das, was dich in deinem Elternhaus positiv geprägt hat, und sei dankbar dafür. Auch wenn du es erst mit 30, 40 oder sogar 50 herausfindest: In fast jedem Elternhaus gab es auch Positives. Man muss es nur sehen und anerkennen. Den Rest darfst du getrost abhaken. Du bestimmst selbst, wie du als erwachsene Frau durchs Leben gehst. Dein Elternhaus darf dich nirgendwo aufhalten. Genauso wenig sollte es eine Ausrede dafür sein, warum du bestimmte Dinge angeblich nicht kannst oder dir nicht zutraust. Wir Frauen haben heute im Prinzip alle Möglichkeiten, und auch du kannst alles schaffen, was deinen Neigungen entspricht und dich glücklich macht. Ganz egal, wie alt du bist und was deine Eltern dazu sagen oder gesagt hätten.

Ich hatte Glück mit meinem Elternhaus. Mein Vater war eine Ausnahmeerscheinung zu seiner Zeit und für mich ein großes Vorbild. Meine Mutter war immer für uns Kinder da und stemmte alles, auch während mein Papa zuerst oft auf Montage war und später häufig lange arbeiten musste. Meine Eltern gaben mir den Raum, stark zu werden und an mich selbst zu glauben. So traute ich es mir als »engelshafte« Blondine auch ohne Weiteres zu, mich in einem typischen Männerberuf durchzusetzen. Wenn das Elternhaus eine gute Grundlage legt, du an dich glaubst und ohne Selbstzweifel deinen Weg gehen kannst, dann ist alles gut. Besser kann dein Leben kaum beginnen. Ich habe allerdings heute keinen Zweifel: Auch mit einem anderen Elternhaus oder sogar als Waise hätte ich mich genauso durchgekämpft und meine Träume verwirklicht. Es hätte vielleicht etwas länger gedauert und den einen oder anderen Umweg gekostet, aber ich wäre ans Ziel gekommen. Denn der wichtigste Mensch in unserem Leben sind wir selbst. Und wir haben alle von Geburt an einen inneren Kompass, der uns Orientierung gibt.

2Auf Autopilot Vertraue deinem Bauchgefühl

Mit meiner Fahrschülerin Cara bin ich unterwegs auf der B 509 zwischen Kempen und Grefrath. Es ist eine Strecke, auf der immer wieder schwere Unfälle passieren. Vor uns fährt der Pritschenwagen einer Gartenbaufirma und scheint es überhaupt nicht eilig zu haben. In den Fahrerkabinen solcher Transporter wird ja auch gerne mal unterwegs noch ein Käffchen getrunken und ein belegtes Brötchen gegessen. Da ist der Mann im silbernen Skoda hinter uns ganz anders drauf: Er fährt viel zu dicht auf. Was will er Cara neben mir am Steuer damit signalisieren? Wahrscheinlich: »Jetzt überhol doch endlich!« Cara ist im Stress, das sehe ich. Ich sage zu ihr: »Du überholst, wenn alles frei ist und es sich für dich gut anfühlt. Sonst bleibst du hinter dem Transporter. Wenn sich der Fahrer hinter uns aufregt, ist uns das egal. Vertraue deinem Bauchgefühl.« Ich versuche, meine Stimme dabei so ruhig wie möglich klingen zu lassen. Cara entspannt sich etwas. Dann geht bei ihr plötzlich alles ganz schnell: konzentrierter Blick auf die Gegenfahrbahn, Blinker links, rechten Fuß aufs Bodenblech. Wir ziehen souverän am Gartenbau vorbei. Geschafft!