Highway to Hell - Manuel Trummer - E-Book

Highway to Hell E-Book

Manuel Trummer

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Beschreibung

Schwarze Messen, Satanismus, Teufelskult - das Satanische hat im Rock 'n' Roll seit jeher einen festen Platz. Jedenfalls warnen konservative Kräfte bereits seit den 1950er Jahren vor dem teuflischen Einfluss der Rockmusik auf Jugend, Kultur und Gesellschaft. Seit den 1970er Jahren kultivierte der Heavy Metal ganz bewusst sein Image als "Teufelsmusik" und zieht bis heute vielfältige kreative Impulse aus dem Satanischen. Der Teufel selbst begegnet in Musik, Texten und Artworks als schillerndes, vielschichtig besetztes Symbol. Ob als schauerliche Horrorfigur, als provokanter Trickster oder als Idol in parareligiösen okkulten Systemen - er prägt die Ästhetik und Ideologie des Metal wie kaum eine andere Gestalt. Stets bleibt er dabei zugeich Spiegelbild sich verändernder soziokultureller Werte und Normen.

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Metalbook, Vol. 3

Herausgegeben von Charalampos Efthymiou, Peter Kritzinger und Peter Pichler

Eine Übersicht aller lieferbaren und im Buchhandel angekündigten Bände der Reihe finden Sie unter:

https://shop.kohlhammer.de/metalbook

Der Autor

Prof. Dr. Manuel Trummer ist Vergleichender Kulturwissenschaftler an der Universität Regensburg. Nachdem Manowars Kings of Metal 1988 sein Leben verändert hatte, wurde er 2009 mit dem Thema „Sympathy for the Devil“ promoviert. Neben seiner laufenden Forschung zum immateriellen Kulturerbe und ländlichen Transformationsprozessen ist er u. a. Mitherausgeber der Reihe „Kulturen populärer Unterhaltung und Vergnügung“, Redakteur des Metalmagazins Deaf Forever und Gitarrist der Epic Metal-Band Atlantean Kodex.

Manuel Trummer

Highway to Hell

Das Satanische im Heavy Metal

Verlag W. Kohlhammer

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Umschlagabbildung: © Adobe Stock.

1. Auflage 2024

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-042074-8

E-Book-Formate:

pdf: ISBN 978-3-17-042075-5

epub: ISBN 978-3-17-042076-2

Inhalt

1

„The Devil’s Music“: Als Intro

2

„Louder than Hell“: Metal als Tabubruch für das Gehör

3

„Please God, Help Me!“: Teufelsfurcht

4

„Lucifer Rising“: Spiritualität und Ästhetik

5

„Ohne die Musik wären wir nur Kasperltheater“: Das Satanische als Show

6

„In League with Satan“: Teufelspakte und Blasphemie

7

„Livin’ Easy, Lovin’ Free“: Outlaws und Hexen

8

„South of Heaven“: Schockierende Sozialkritik

9

„I am God“: Individualismus und Sozialdarwinismus

10

„We are the Apocalypse“: Atmosphäre, Pubertät und Verbrechen

11

„Aryan Black Metal“: Von Satan zu Hitler

12

„Genies, Sorcerers and Mesopotamian Nights“: Die Globalisierung des Teuflischen

13

„Satan is Real“: Der Teufel als Gradmesser gesellschaftlicher Entwicklungen

Vierzig satanische Referenzwerke

Anmerkungen

2„Louder than Hell“: Metal als Tabubruch für das Gehör

Black is the night, metal we fight Power amps set to explode.Energy screams, magic and dreamsSatan records the first note.

Venom, „Black Metal“, 1982

Eine schauerliche Nacht. Prasselnder Regen, Blitze zucken über den Himmel, der Donner grollt unheilvoll, durchdrungen von einer hellen Friedhofsglocke. Acht helle Schläge, bevor die Gitarre einsetzt. Tief, langsam und bis zum Anschlag verzerrt, dröhnt eine ominöse Akkordfolge. Sie packt das Publikum und zieht es auditiv mitten in die unheimliche Szenerie. Denn die zäh aufeinander folgenden Akkorde klingen dissonant, sie erinnern an das warnende Martinshorn eines heranrasenden Krankenwagens – nur um ein Vielfaches langsamer und weit bedrohlicher. Die sich langsam aufbauende Dissonanz alarmiert das Publikum, ein Unheil kündigt sich an, etwas Böses bricht herein, unaufhaltsam wie das sich auftürmende Gitarrenriff.

Dann erscheint etwas … oder jemand? Aus der Disharmonie tritt schattenhaft eine Gestalt hervor: „What is this that stands before me? / Figure in black which points at me“, stellt der entsetzte Erzähler mit einer schneidenden, nasalen Stimme fest, die von der angenehmen Vokalästhetik des Pop ebenso weit entfernt ist wie der Höllenlärm der Gitarren von klassischen Idealen der Harmonielehre. Der Eindruck wird nun klarer: Der Widersacher selbst war es, der sich in dieser schrillen Dissonanz angekündigt hatte:

Big black shape with eyes of fire Telling people their desire Satan’s sitting there, he’s smiling Watches those flames get higher and higher

Das Entsetzen ist groß: „Oh, no, no, please, God, help me!“, schreit der Erzähler panisch – und beginnt zu laufen.

Es wäre verfehlt, ein Buch über das Teuflische im Heavy Metal nicht mit Black Sabbath zu beginnen. Der Einfluss der 1968 in Birmingham von Gitarrist Tony Iommi, Bassist Geezer Butler, Drummer Bill Ward und dem berüchtigten Sänger Ozzy Osbourne gegründeten Band auf den Sound des Heavy Metal, aber auch auf seine literarischen Themen und seine Ästhetik ist monumental. Das am Freitag, dem 13. Februar 1970, erschienene gleichnamige Debütalbum beginnt mit der eingangs geschilderten Höllenvision und wird vielfach als Stunde Null des Genres betrachtet.

Der Urknall in Form des Eröffnungstracks „Black Sabbath“ ist aufgrund seiner Verbindung von satanischen Schauerszenarien mit einer dissonanten, ins Extrem gesteigerten Klangästhetik stilprägend. So basiert das mehr als sechsminütige Stück auf der härtesten Dissonanz, die die europäisch geprägte Harmonielehre zu bieten hat – dem Tritonus, einer übermäßigen Quarte über drei Ganztöne. Während er heute mit seinem schrillen Klang das Herannahen eines Rettungswagens ankündigt, galt er geistlichen Traktateschreibern des Mittelalters als Intervall des Teufels. Der lateinische Merkvers mi contra fa est diabolus in musica („h gegen f ist der Teufel in der Musik“) brachte es auf den Punkt. Der diabolus in musica meint etwas zu Vermeidendes, ein Verbot. Gleich mit ihrem bahnbrechenden ersten Song verstoßen Black Sabbath gegen dieses Verbot und nutzen die geächtete (Dis-)Harmonie, um ihre schauerliche Begegnung mit Satan klanglich eindrücklich zu erzählen. Der Verstoß gegen etablierte Konventionen, um dem Bösen einen Klang zu geben, gerät zum Stilmittel, das bis in die Gegenwart für das gesamte Genre Heavy Metal prägend wird.

Black Sabbath stellten sich damit, wohl eher instinktiv als reflektiert, in eine lange Traditionslinie musikalischer Grenzüberschreitungen. Denn die Verbindung des Teufels zur Musik ist keineswegs nur ein Phänomen der Gegenwart. So schlug sich bereits die mittelalterliche Metaphysik mit ihrer Lehre von den zwei Reichen Gottes und Satans in der Musik der Zeit nieder. Der himmlischen Liturgie der Engel stand dabei die garstige Klangwelt des Teufels unvereinbar gegenüber. Geistliche Traktate verbanden mit ihr immer wieder das klanglich Verzerrte, Disharmonische und Chaotische. Diese Höllenmusik – oder Protometal? – äußerte sich in der zeitgenössischen Vorstellungswelt in Klagen, Heulen, Gebrüll, Gebell, unerträglicher Lautstärke oder Hohngelächter: klangliche Requisiten, die später oft den berühmten und breit rezipierten Höllenschilderungen aus Dantes Inferno entliehen waren und die bereits die gutturalen Growls des Death Metal und die eisige Dissonanz des Black Metal vorwegnahmen.

Doch auch die Stille bildete ein klangliches Element in der frühen Harmonielehre des Teufels. Im tiefsten Kreis von Dantes Inferno, der Eishölle der Verräter, zählt zur Strafe der Sünder die Stummheit, was die Verdammten sogar daran hindert, zu wehklagen. An diesem tiefsten Punkt der Hölle ist die weiteste Entfernung vom himmlischen Lobgesang erreicht. Während die gefallenen Heere der Teufel einst selbst an diesem Lobgesang teilnahmen, sind sie nach ihrem Sturz verstummt oder können nur noch schreien, krächzen, kreischen – wie die Black Metal-Sänger der 1990er Jahre oder Ozzy Osbourne bei seiner Begegnung mit Luzifer. Eben diese Expressivität über „Schreie und andere Geräusche physischer und emotionale Anstrengung“ sei charakteristisch für Heavy Metal, so der amerikanische Metalforscher Robert Walser.4 Das Böse hat keine schönen Melodien.

Mit der europäischen Romantik des 18. Jahrhundert kam in der Musik langsam, aber stetig eine Kultur der Singularität auf, die auch heute noch die Popkultur grundlegend prägt. Das Interesse am Einzigartigen, Originellen und Neuen gewann darin nun zunehmend an Bedeutung. Besonders in den kreativen Avantgarden der Zeit begannen Künstlerinnen und Künstler, die etablierten Regeln der Harmonielehre zu überschreiten, um Aufmerksamkeit im wachsenden Musikmarkt der Zeit zu generieren. Im Geniekult des Sturm und Drang, ebenfalls Ausdruck dieser Suche nach Originalität, gewinnen vormals zu vermeidende musikalische Extreme eine neue Beachtung. Goethe etwa berichtet, er habe bei einem Konzert des beliebten, aber berüchtigten Teufelsgeigers Niccolo Paganini in Weimar die Halluzination „einer Säule von Flammen und Rauch“ gehabt, glaubte geheimnisvolle Stimmen zu hören und fühlte einen in der Ferne vorbeiziehenden Meteor.5

Neben dem Tritonus zeichnete sich das Satanische in der Musik so bald durch rasante Tempi, chromatische Läufe oder dunkle Tonarten aus. Berühmt sind der Auftritt Samiels in Carl Maria Webers Der Freischütz (1821), Liszts zweiter Mephisto-Walzer (1878–1881) oder Gounods Faust-Oper (1859). Sie nehmen die musikalischen Grenzüberschreitungen vorweg, mit denen auch die großen Metalhymnen ab den 1970er Jahren das Satanische erzählen: von Black Sabbaths gleichnamigen Debüttrack über den Tritonus in Slayers apokalyptischem „Raining Blood“ oder der zwischen Dissonanz und Elegie mäandernden „Inno a Satana“ der norwegischen Black Metal-Pioniere Emperor bis hin zur beißenden Disharmonie in „Keeper of the Seven Keys“, einer Teufelserzählung der deutschen Melodic-Metaller Helloween: „On a mound at the shore of the last sea / He’s sitting, fixing your sight / With his high iron voice causing sickness / He’s playing you out with delight“.

Feuriges Chaos, eisiges Kreischen, Dissonanz: der Kern der satanischen Klangästhetik des Heavy Metal ist das Spiel mit musikalischen Grenzüberschreitungen. Vielleicht die wichtigste davon ist der Kult der Lautstärke. Hohe Dezibelzahlen sind nicht nur ein erneuter Verweis auf das Teuflische, um sie rankt sich auch eine der Kernerzählungen des Genres.

Journalisten standen den Grenzüberschreitungen von Bands wie Black Sabbath, Sir Lord Baltimore, Humble Pie, Led Zeppelin und Dutzenden anderen zunächst ratlos gegenüber. Klar war, dass hinter der Lautstärke, dem bleiernen Groove, der maßlosen Verzerrung, den hoffnungslos-dystopischen Texten ein Programm stand, das sich mit dem zeitgenössischen Vokabular der Rockkritik nicht mehr fassen ließ. Die musikalische Transgression fand ihren unmittelbaren Widerhall im sprachlichen Ringen um das entstehende Genre. Die amerikanische Soziologin Deena Weinstein – Ende der 1980er Jahre eine der ersten universitären Metal-Forscherinnen – verweist in ihrer Namensgeschichte des Genres auf ein Zusammenspiel unterschiedlicher Assoziationen, die um 1970 im Begriff „Heavy Metal“ zusammentrafen.6 Laut Weinstein war es der bekannte Kritiker Lester Bangs, der in einer Rezension des Albums Canned Wheat von The Guess Who im Rolling Stone-Magazin erstmals den Begriff verwendete: „Mit ihrer Hit-Single ‚Undun‘ im Rücken sind sie ziemlich erfrischend im Nachgang zu all den Schwermetall-Robotern [heavy metal robots] des vergangenen Jahres.“ Nahezu parallel dazu bedachte ein weiterer, für das Genre bedeutender Journalist, „Metal“ Mike Saunders, ebenfalls im Rolling Stone, ein Album der britischen Heavy-Rocker Humble Pie mit folgendem Verriss: „eine krachige, unmelodische, schwermetall-bleierne [heavy metal-leaden] Scheißrockband, bei der die lauten und lärmenden Teile über jeden Zweifel erhaben sind.“ Während in Saunders’ Urteil die Konnotation von Heavy Metal mit Lärm, Dissonanz, bleischwerem Groove und musikalischem Unvermögen bereits klar formuliert ist, bleibt Bangs’ Verwendung des Begriffs noch vage. Als Fan der Beat-Literatur scheint Bangs mit der Formulierung aus einer Reihe von Romanen William Burroughs vertraut gewesen zu sein. In dessen Science-Fiction-Novellen Nova Express (1961), Soft Machine (1964) und The Ticket That Exploded