Hilfskreuzer "Fuchs" kommt durch - Peter Brendt - E-Book

Hilfskreuzer "Fuchs" kommt durch E-Book

Peter Brendt

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Beschreibung

Anfang 1942: Der Zweite Weltkrieg tobt nicht nur an Land, sondern auch auf den Weltmeeren in nie dagewesenem Ausmaß. Die USA sind jüngst in den Krieg eingetreten und drohen das Gleichgewicht der Kriegsparteien zu verschieben. In dieser Lage bricht Kapitän zur See Johannes Pöhl als Kommandant des Hilfskreuzers "Fuchs" in den Persischen Golf auf, um dort alliierte Schiffe zu versenken. Als Handelsschiff getarnt, macht er rasch fette Beute. Dabei gleicht jeder Beutezug einem Ritt auf der Rasierklinge, denn der "Fuchs" operiert fernab der Heimat und ist vollkommen auf sich gestellt. Die Führung in Berlin verlangt Opferbereitschaft bis zum Letzten, doch an Pöhl nagen zunehmend Zweifel über die militärische Sinnhaftigkeit seiner Mission. Der Kapitän wünscht sich nichts mehr, als seine Männer heil zurück zu ihren Familien zu bringen … Und dann nimmt sein Schiff bei einer Aktion schließlich Gefangene an Bord; unter ihnen: Juden. Pöhl ahnt, was ihnen blüht, wenn er sie ausliefert. Er steht vor der schwierigsten Entscheidung seines Lebens … „Hilfskreuzer Fuchs kommt durch“ ist ein spannungsgeladener und erschütternder Roman, der den Krieg zur See auf realistische Weise nachzeichnet. Lesen Sie, wie der "Fuchs" durch die Raster der alliierten Aufklärer schlüpft, wie die Gefangenen an Bord Unruhe in die Besatzung bringen und wie der Handelsstörer schließlich sogar auf ein japanisches U-Boot trifft … Sichern Sie sich mit "Hilfskreuzer Fuchs kommt durch" Hochspannung der Superlative und profitieren Sie vom enormen Fachwissen des Autors. Peter Brendt ist selbst ein erfahrener Seefahrer – sein Wissen und seine einzigartige Seemannssprache machen "Hilfskreuzer Fuchs kommt durch" zu einem ganz besonderen Erlebnis.

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Peter Brendt

 

 

 

 

Hilfskreuzer "Fuchs" kommt durch

 

Weltkriegs-Thriller über die Feindfahrten eines deutschen Handelsstörers im Seekrieg

 

 

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André Skora über Band 1 der Weltenkrieg Saga.

 

 

 

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Jill & Moni von EK-2 Publishing

 

 

1

 

Das Jahr 1941 war vorbei, der Januar 1942 hatte begonnen und für die Briten erschien die Gefahr der deutschen Hilfskreuzer vorerst gebannt. Sie war dennoch immer noch allgegenwärtig in der Erinnerung. Der Erste, der heimkehrte, war die Thor, die im April Cherbourg erreichte. Das relativ kleine Schiff hatte in 329 Seetagen zwölf Schiffe versenkt, drei davon britische Hilfskreuzer. Das größte dieser Schiffe hatte ziemlich genau die sechsfache Größe des deutschen Hilfskreuzers gehabt.

Dann, im Mai letzten Jahres, hatte die HMS Cornwall den Hilfskreuzer Pinguin gestellt und in einem für das deutsche Schiff aussichtslosen Gefecht versenkt, nachdem Kapitän Krüder den Tanker British Emperor auf der Golf-Mozambique Route versenkt hatte. Doch zuvor hatte die Pinguin nicht nur Handelsschiffe versenkt, sondern auch verschiedene Minenunternehmungen ausgeführt, gekaperte Schiffe als Hilfskriegsschiffe eingesetzt und in einem wagemutigen Raid die norwegische Walfangflotte gekapert: zwei große Fabrikschiffe und etliche Walfangboote, von denen eines ebenfalls als Hilfsminenleger eingesetzt wurde. Nun lag Krüders Pinguin auf dem Grund, aber die Tommies würden lange brauchen, um sich von der allgemeinen Panik zu erholen, die der Hilfskreuzer auf den Routen bis hinunter nach Australien ausgelöst hatte.

Im August war der Hilfskreuzer Orion nach 510 Seetagen mit zehn Versenkungen auf dem Konto plus zwei mehr, die man sich mit der Thor teilte, heimgekehrt. Die Briten erfuhren von der Heimkehr erst Anfang September durch Spionageberichte … Einer weniger draußen, den man jagen musste, aber zum britischen Ärger auch einer, den man nicht erwischt hatte.

Dann – gerade hatten die Briten angefangen sich wieder etwas zu entspannen – hatte am 19. November der Hilfskreuzer Kormoran sich selbst versenkt, nachdem er den australischen leichten Kreuzer Sydney vernichtet hatte. Die Gefechtsschäden hatten es der Kormoran unmöglich gemacht, in die Heimat zurückzukehren. Immer noch wurden ständig neue Nachrichten über die britischen Sender verbreitet, immer noch war es etwas unklar, was geschehen war, da HMAS Sydney nicht mehr in der Lage gewesen war, einen Hilferuf zu senden. In Australien machten hässliche Gerüchte die Runde, sogar von Meuterei war die Rede – aber was wirklich geschehen war, dass ein für den Frieden gebautes Schiff wie ein Hilfskreuzer ein für den Krieg geschaffenes Pendant versenken konnte, das erschien so undenkbar, dass niemand ernsthaft darüber nachdachte. Erst als die Überlebenden des deutschen Raiders vom Truppentransporter Aquitania am frühen Morgen des 23. November in ihren Booten gefunden wurden, erfuhren die Briten und Australier, was mit ihrem Kreuzer geschehen war. Der Rollmoran, wie Kormaran wenig liebevoll wegen seines ungemütlichen Seeverhaltens von seiner Besatzung genannt worden war, lag auf dem Grund der See, aber zuvor hatte der Hilfskreuzer Marinegeschichte geschrieben.

Ende November war auch der Hilfskreuzer Komet nach 516 Tagen in See wieder in Hamburg eingelaufen, nachdem der kleinste aller deutschen Hilfskreuzer sieben Handelsschiffe versenkte hatte, von denen jedes einzelne erheblich größer als der Komet war und mehrere Minenunternehmungen durchgeführt hatte. Nebenbei hatte das Schiff noch die Welt umrundet. Die Nachricht, dass auch dieser Hilfskreuzer nicht mehr auf der Jagd war, erreichte England nur eine Woche später.

Doch in der Zwischenzeit waren die Briten einmal mehr erfolgreich gewesen und hatten im Indischen Ozean den Hilfskreuzer Atlantis gestellt. HMS Devonshire, der erfolgreiche schwere Kreuzer, hielt sich nicht lange damit auf, Überlebende des versenkten deutschen Schiffes zu retten, da der britische Kommandant vor der Anwesenheit deutscher U-Boote in der Nähe des Raiders gewarnt worden war. Eine weise Entscheidung, wie sich später zeigen sollte, denn die Überlebenden in ihren Booten wurden tatsächlich einen Tag später von U-126 in Schlepp genommen und zum U-Boot-Versorger Python geschleppt, der später seinerseits von HMS Dorsetshire am 1. Dezember versenkt wurde – und wieder hielten die Briten sich nicht damit auf, Überlebende zu retten. Wieder gingen die Überlebenden der Atlantis, jetzt zusammen mit denen der Python, in die Boote und wurden nicht von den Briten gefischt. Nun, Anfang Januar 1942, hatten mehrere deutsche und italienische U-Boote die Besatzungen aufgenommen und waren laut den letzten Funknachrichten auf dem Weg nach Frankreich. Schiff 16 war nicht mehr, aber bevor die Briten Bernhard Rogges Atlantis gestellt hatten, hatte der Hilfskreuzer zweiundzwanzig Schiffe mit mehr als hundertvierzigtausend Tonnen aufgebracht – beinahe zwanzigmal seine eigene Größe.

Drei Hilfskreuzer und ein Versorger, den die Briten offensichtlich falsch ebenfalls als Hilfskreuzer identifiziert hatten, waren nun versenkt. Die Bilanz konnte sich für die Tommies sehen lassen. Auch wenn der Verlust der HMAS Sydney schmerzhaft war, die Versenkung der Kormoran und ihrer Kameraden Atlantis und Pinguin hatten die Schifffahrtsrouten fern Europas wieder sicherer gemacht und was England brauchte, um den Krieg fortzusetzen kam nun einmal von der anderen Seite der Welt. Öl aus dem persischen Golf, Nahrungsmittel aus den asiatischen Kolonien, Rohgummi aus Burma. Die reine Anzahl der Schiffe, die von den Hilfskreuzern versenkt worden waren, war nicht einmal die wirkliche Gefahr für die englischen Kriegsanstrengungen. Natürlich waren die Verluste schmerzhaft gewesen für eine Insel, die vom Nachschub über See abhing, aber sie waren weit davon entfernt, tödliche Maßstäbe zu erreichen. Die wirkliche Gefahr war, dass die Briten und ihre Verbündeten nun auch in Gewässern fern von England gezwungen waren, nach einem Gegner zu jagen, der überall sein konnte und, bis sie den gefunden hatten, Schiffe umleiten, längere Routen fahren und auf einigen Routen sogar Konvoisysteme einführen mussten. Schiffe, die in Häfen auf den nächsten Geleitzug warteten, transportierten nichts. Die Pinguin hatte 28 Schiffe versenkt, vier weitere waren Minen zum Opfer gefallen und 13, inklusive etlicher kleiner Walfangboote waren als Prisen nach Bordeaux gesandt worden. Der Pinguin zum Beispiel hatte die Briten alles zusammen etwas über 150.000 Tonnen an Schiffsraum durch direkte Angriffe gekostet – nur gleichzeitig hatte Pinguin sie gezwungen, hunderte von Schiffen umzuleiten oder in Häfen zurückzuhalten, und dadurch noch einmal leicht das Zehnfache gekostet. Chaos, Panik und der Zwang, weite Seegebiete zu sichern … das war der wahre strategische Effekt des Hilfskreuzerkrieges.

Durch die Versenkung und die Heimkehr der deutschen Hilfskreuzer hatte sich die Situation für England entscheidend verbessert und nun, nach dem Angriff Japans auf Pearl Harbor waren auch die Amerikaner im Krieg. Neue Verbündete, die geballte Wirtschaftsmacht der USA, das würde sich auszahlen, selbst wenn die Amerikaner in Pearl eine Flotte verloren hatten und derzeit etwas knapp an großen Schiffen waren. Nur so wenig die Admirale es auch hören wollten: Die verlorene Flotte war gar nicht so wichtig. Weil nicht große Schiffe Kriege gewannen. Frachter taten es, indem sie alles, was eine Armee zum Kämpfen brauchte dorthin brachten, wo gekämpft wurde. Ein durchschnittlicher Tanker transportierte genug Öl, um eine Panzerdivision für Wochen operativ zu halten. Ohne den alten rostigen Tanker würden selbst die besten Panzer nur einfach irgendwo herumstehen und rosten, ohne den Frachter konnten die Helden mit Papierbällchen nacheinander werfen. Deswegen waren die Schifffahrtsrouten rund um die Welt so lebenswichtig für die belagerte Insel, deswegen war Amerika so wichtig – nicht wegen ein paar alten Schlachtschiffen. Deswegen war es so essenziell für die Alliierten, dass sie, wie sie glaubten, diese Routen von der Plage der deutschen Raider gesäubert hatten. Wie sie glaubten … nur glaubten sie einmal mehr falsch!

 

»Lass das mal nicht den Gumprich hören!«

Bootsmannsmaat Helder lachte amüsiert.

»Der vermisst immer noch seine alte Thor, möchte ich wetten. Sind Sie ihm jemals begegnet?«

»Einmal, bei der Planungsstelle, lang ist's her!«

Oberleutnant (S) Brügge zuckte mit den Schultern.

»Ich war ja bei der Christlichen. Bin erst bei Kriegsausbruch zum Barras gezogen worden.«

Der Offizier verzog das Gesicht. »Schnellbleiche für Hilfskreuzerleute!«

»Bevor er die Thor übernahm?«

»Lange bevor! Er gehörte zum Stab und organisierte die ganze Veranstaltung. Streng geheim, natürlich!«

»Dürfen Sie dann überhaupt darüber reden, Herr Oberleutnant?«

»Wirklich? Helder, schauen Sie sich mal um, wo sind wir?« Der Bootsmannsmaat sah demonstrativ in alle Richtungen.

»Riiichtiiig!«

Ein paar der Männer auf der Brücke grienten, wurden aber schnell wieder ernst. Es war der übliche Rees nach Backbord wie auf der Brücke aller Schiffe. Seefahrt war die meiste Zeit ein ziemlich langweiliges Geschäft – selbst im Krieg, selbst auf einem Hilfskreuzer fern der Heimat. Nur wenn es mal nicht langweilig war, dann war auch immer gleich die Hölle los.

»Also, schön, die Tommies glauben, sie sind die deutschen Hilfskreuzer losgeworden. Aber Michel in Japan und Komet und Stier in der Heimat machen bereits klar zum Auslaufen und wer weiß, welche anderen Schiffe derzeit im Umbau sind.«

»Nur wenn wir hier draußen wissen, was vorgeht, dann müssen das die Tommies doch auch wissen.«

»Sollte man glauben, nur wenn sie es wüssten, dann hätte ja schon ein Tommy-U-Boot auf uns gelauert als wir ausgelaufen sind.«

»Die hatten keine Ahnung! Oder wir hatten einfach Glück …«

»Helder, Sie alte Unke! Wir haben das sauber geplant und sauber durchgezogen! Bis hierher jedenfalls, nun lassen Sie uns jetzt nur keinen Mist bauen!«

Ein Schatten flog über das Gesicht der Männer. Jeder wusste, was der Oberleutnant dachte. Bisher hatten sie Glück gehabt, aber das Glück würde nicht ewig anhalten. Irgendwann würde ein Kreuzer an der Kimm stehen. Es war einfach unvermeidlich. Theoretisch war natürlich geplant, irgendwann wieder in die Heimat durchzubrechen, oder sollte das nicht möglich sein, nach Japan, das ja jetzt auch im Krieg war. Theoretisch … aber in Wirklichkeit waren Hilfskreuzereinsätze so etwas wie ein Einwegkommando. Sie liefen aus, verursachten so viel Schaden wie möglich und wurden irgendwann erwischt, ganz einfach, weil die Schiffe, die ihre Opfer waren, selten verschwanden, ohne irgendwann vermisst zu werden. Wenn der Tag kam, hieß es kämpfen bis zum Untergang und selbst im besten Falle konnten die Hilfskreuzermänner nur darauf hoffen, vom Feind gefischt zu werden und in Kriegsgefangenschaft zu gehen. Im besten Fall … Pinguin hatte einen Treffer ins Achterdeck erhalten wo die Minen für die nächste geplante Minenunternehmung lagerten. Das Schiff war in Minuten gesunken und nach britischen Berichten waren ganze 60 Mann der Besatzung und 24 Gefangene gerettet worden – von 400 Deutschen und mehr als 200 Gefangenen an Bord.

Die Männer auf der Brücke wussten das alles und mehr. Selbst wenn die britischen Nachrichten übertrieben, wie sie das ja meistens taten, Krüder und seinen Pinguin hatte es auf die hässliche Tour erwischt. Die Männer waren besorgt. Aber man kann nicht immer besorgt sein. Nicht wenn man Monate in See liegt und die meiste Zeit gar nichts passiert. Nur manchmal, unvermittelt, in Zeiten wie diesen, brach die unvermeidliche Wahrheit einmal mehr durch. Nur war sogar die unvermeidliche Wahrheit so etwas wie ein veränderlicher Faktor im Leben der Hilfskreuzerbesatzungen. Vielleicht … nur vielleicht … waren sie ja die, die damit durchkamen. Vielleicht … nur vielleicht … und bis dahin konnten sie alle nur ihr Bestes tun.

 

Fregattenkapitän Johannes Pöhl streckte die Beine gemütlich aus und produzierte eine Qualmwolke. Er hatte, wenigstens auf dem Papier, genügend Gründe, zufrieden zu sein. Sein Schiff war in gutem Zustand, der Ölbestand war ausreichend und sie waren mit allem anderen versorgt, was sie brauchten, um hier draußen zu überleben. Er war mit der Besatzung zufrieden und die Stimmung an Bord war gut. Es könnte allerdings besser mit den Versenkungen aussehen. Schiff 43, der Hilfskreuzer Fuchs, hatte Bremerhaven, wo der Handelsstörkreuzer ausgerüstet worden war, bereits im August verlassen. Es war ein Risiko gewesen, die Nächte im Sommer waren schließlich scheußlich kurz, aber Pöhl hatte ohnehin keinen Ausbruch durch die Dänemarkstraße geplant. Sein Schiff war keine zweite Bismarck und wie der Versuch für das Schlachtschiff geendet hatte, wusste man ja auch. Stattdessen hatte er sein Schiff schrittweise durch den englischen Kanal gebracht. Immer nur ein paar Stunden Fahrt, um dann wieder so nahe der Küste zu ankern wie möglich. Zweimal hatten sie britische Flieger gesichtet, einmal ein ganzes Rudel britischer MTBs, aber es gab ja immer so viel Verkehr auf beiden Seiten des Kanals, dass ein jeder zu beschäftigt war, um dem Frachter allzu viel Aufmerksamkeit zu schenken. Nach ein paar letzten Reparaturen in Royan, hatten sie sich bei Nacht und Nebel auf den Weg in den Atlantik gemacht.

Sein erstes Operationsgebiet war, gemäß dem ursprünglichen Operationsplan der Südatlantik gewesen, aber Pläne in der Marine dienen grundsätzlich nur dem Zweck, sie zu ändern. Nachdem sie bereits im September den 7000-Tonnen Frachter Port Gibraltar auf der Südamerika-Liberia Route erwischt hatten, liefen ihnen vor der afrikanischen Küste gleich zwei Tanker ins Netz. Pöhl hatte danach näher der südamerikanischen Küsten operieren wollen, aber die Seekriegsleitung in der Heimat hatte den Fuchs um das Kap der Guten Hoffnung und Kap Agulhas herum in den Pazifischen Ozean beordert. Eine Reise von Wochen in der sie die Südspitze Afrikas hatten weiträumig umfahren müssen weil die Tommies Bomber zur Aufklärung von Port Elizabeth aus einsetzten und die Kisten hunderte von Meilen weit aufklären konnten. Erst Mitte November hatten sie ihr neues Operationsgebiet erreicht. Nur alles, was sie dort bisher vorgefunden hatten, war ein kleiner Tanker von knapp 1000 Tonnen gewesen, der friedlich vor der Küste Mozambiques entlangkroch. Das kleine alte Schiff, die African Oiler, war nicht einmal in der Lage gewesen zu funken. Das Funkgerät hatte wahrscheinlich schon seit zehn Jahren nicht mehr richtig funktioniert. Etliche Männer der Besatzung waren der Meinung, der alte Zossen wäre wahrscheinlich irgendwann auch von alleine untergegangen, wenn man ihm nur etwas mehr Zeit gegeben hätte, und wahrscheinlich hatten sie Recht.

Vier Schiffe, das war bisher alles – und eines davon war ein kleiner Kolcher gewesen, der eigentlich kaum zählte. Nach einem Rendezvous mit dem Versorger Ostmark im Dezember dreihundert Meilen östlich von Madagaskar, bei dem sie die Gefangenen abgegeben hatten, war der Fuchs wieder so bereit wie er es unter diesen Bedingungen nur sein konnte. Alles was ihnen jetzt fehlte, waren die feindlichen Handelsschiffe und irgendwo mussten die ja auch unterwegs sein. Das musste sich wohl auch die SKL gedacht haben.

 

»Arabisches Meer?«

Pöhl nickte.

»Der Funker hat mir den Spruch gerade erst gebracht. Sie wissen also so viel wie ich selbst, Herr Schmied!«

Günther Schmied, der IO des Hilfskreuzers, nickte und betrachtete den Funkspruch deutlich angewidert. »Wer sich das ausgedacht hat, will offensichtlich nicht, dass wir wieder heimkommen!« Er griff das Papier und las laut: »… nach Möglichkeit in den Golf eindringen für offensive Minenunternehmung … Tankerroute …«

Er warf den Zettel wieder auf den Tisch.

»Dort wimmelt es doch nur so von Kriegsschiffen.«

Der Kommandant verzog das Gesicht nachdenklich.

»Sollte man meinen.«

»Sie glauben es nicht?«

»Wir haben es in den britischen Nachrichten gehört: Force Z ist mit wehenden Flaggen untergegangen! Die Japaner haben die Tommies kalt erwischt. Zwei Schlachtschiffe und die Seeherrschaft im Golf von Thailand und der Andamanensee verloren. Alles innerhalb von ein paar Stunden.«

»Den letzten Nachrichten nach arbeiten sich die Japaner nach Süden durch Malaysia vor.« Schmied dachte nach. »Sie glauben, die Tommies können die Japaner nicht zum Stehen bringen?«

»Wir haben noch nichts von der Seekriegsleitung darüber gehört, aber die britischen Nachrichtenstationen haben bereits kurz nach Weihnachten gemeldet, Hongkong ist gefallen.«

»Also läuft es dort nicht gut für die Tommies!«

Schmied sah seinen Kommandanten fragend an.

»Nur spielt sich das tausende von Meilen entfernt ab. Zwischen unserem geplanten Einsatzgebiet und Malaysia liegt noch ganz Indien, die Lakkadiven, die Bucht von Bengalen und die Andamanensee.«

»Richtig, andererseits, wo kamen die Großkampfschiffe her, die die Tommies verloren haben? Prince of Wales war im Spätsommer noch in Jamaika gemeldet. Wir wissen nicht, wo die Repulse zuvor war. Churchill muss die Befehle gegeben haben, als klar wurde, wohin die Japaner zielen. Nach Pearl Harbor war ja klar, dass sie irgendwohin mussten und die beiden Hauptpreise nach den Philippinen sind nun einmal Hongkong und Singapur.«

»Und Hongkong haben sie ja schon eingesackt, den größten Teil Burmas dazu, und jetzt sind sie bereits dabei, sich durch Malaysia zu arbeiten. Wenn die Tommies sie also nicht zum Stehen bringen … dann ist Singapur auch bald in japanischer Hand.«

Schmied versuchte sich die taktischen Auswirkungen der Vorgänge so weit entfernt vorzustellen. »Die Engländer werden also alles losschicken, um Singapur zu halten? Deswegen ist der Golf jetzt für einen Angriff offen? Sie sind so verzweifelt, dass sie sogar Schiffe aus der Karibik um Afrika herumgeschickt haben, um Singapur zu helfen?«

»Darauf scheint unsere Seekriegsleitung jedenfalls zu hoffen.«

Pöhl sah sich in der Kommandantenkammer um.

»Nur glaube ich, die haben das nicht bis zum Ende durchgedacht. Wir sind kleiner als die meisten der anderen Hilfskreuzer, mal abgesehen von Stier, die gleich groß ist und der Komet. Wir tragen weniger Minen und haben nicht ganz so viel Seeausdauer. Selbst wenn wir also in der Zeit, die wir im Einsatzgebiet verbringen können, eine Chance finden, können wir kaum genauso viel Schaden anrichten.«

Der Erste sah Fregattenkapitän Pöhl mit unverhohlenem Misstrauen an.

»Ich glaube, Sie haben eine ganz genaue Idee was Sie tun wollen und wenn ich nicht draufkomme, dann kommen die Engländer auch nicht drauf. Sie testen die Idee!«

Pöhl grinste lausbubenhaft.

»Noch etwas Kaffee? Oder noch ein Stück Kuchen, Herr Kaleun?«

»Also wirklich …«

»Also schön, ich komme nicht drauf … und den Kuchen nehm’ ich doch gerne! Erzählen Sie mir jetzt, was in Ihrem Kopf herumgeht, Herr Kapitän?«

Pöhl nahm sich einen Augenblick, seinem Ersten ein Stück auf den Teller zu laden und natürlich, sich selbst auch neu zu versorgen, dann nickte er. »Sehen Sie, ich vermute, die Engländer schicken nicht nur alles nach Singapur, um die Stellung zu halten, die schicken auch alles weg von dort, was sie nicht brauchen. Frachter, Tanker, vielleicht nicht Passagierschiffe, aber vielleicht auch die.«

»Brauchen die Tommies die nicht für eine Evakuierung, sollte für sie alles schiefgehen?«

»Die haben nicht gerade ein freundliches Kliff von Dover jenseits der Singapore Strait. Die Japaner schwärmen ja wahrscheinlich jetzt schon über die Inseln aus. Der nächste sichere Ort, sollte Singapur fallen, ist Australien. Nur hinkommen muss man erstmal nach Australien, nicht wahr?«

»Über 2000 Seemeilen durch eine von den Japanern beherrschte Java- und Bandasee. Die meisten werden es nicht schaffen.«

»Dieses Mal können die kein Dünkirchen aus dem Hut zaubern.«

Der Kapitän nickte.

»Aber nun stellen Sie sich für einen Augenblick vor, Sie wären ein hervorragender Seemann, kennen Ihr Schiff in- und auswendig, haben alle Karten, kennen die Gewässer und sind ein exzellenter Nautiker …«

»Oh, danke für die Blumen!«

Schmied grinste wie ein Maikäfer. Wäre er nicht ein ausgezeichneter Seemann und Nautiker gewesen, wäre er kaum als Erster auf einen Hilfskreuzer kommandiert worden.

»Oh nein, ich meine, ein hervorragender englischer Seemann …«

»Denken Sie für einen Augenblick wie ein Engländer.«

Schmied runzelte die Stirn. »Also ich sitze auf einem Flüchtlingsdampfer, aber das Schiff ist so weit in Ordnung, nur eben gestopft voll? Ich muss ja mindestens Öl für 2000 Meilen haben, sonst kann ich mir Australien gleich abschminken, richtig?«

»Wahrscheinlich mehr. Die Engländer würden ohnehin versuchen, durch die Sundastrasse zu gehen, um aus der Reichweite der japanischen Flugzeuge zu kommen. Also rechnen die mit mehr Sprit, wenn sie den haben.«

»Ganz ehrlich?«

»Ich bitte darum, Herr Schmieder!«

Der Erste nickte. »Ich würde der Royal Navy sagen 'ja’, dann zusehen, dass ich eine Stunde vor Sonnenuntergang aus dem Hafen rauskomme. Wenn ich aus der Singapurstraße raus bin, ist es bereits zu dunkel für Aufklärer. Je nachdem was ich aus meinem Zossen rausholen kann, brauche ich irgendwo zwischen fünfzehn und dreißig Stunden nach Norden durch die Malakkastraße und die ersten sieben Stunden bis die Sonne wieder aufgeht haben die Japaner bereits verloren. Wenn ich ein gutes schnelles Schiff habe, bin ich frühestens am nächsten Nachmittag aus der Reichweite ihrer Aufklärer, ansonsten müsste ich es etwas länger ausschwitzen, bis zum nächsten Sonnenuntergang, aber am nächsten Morgen bin ich so oder so zu weit entfernt und die japanischen Schiffe werden ja größtenteils im Süden in der Javasee nach denen suchen, die den Befehlen gehorcht haben, nicht wahr? Öl sparen kann ich später immer noch. Drei, spätestens vier Tage später könnte ich in Ceylon oder sogar Bombay sein.«

»Klingt gut!«

Pöhl nahm einen Schluck von seinem Kaffee. »Aber was dann?«

»Mit den Flüchtlingen? Oder mit mir und meinem hypothetischen Schiff?«

»Beides?«

»Wenn es Zivilisten sind, werden sie versuchen, so viele wie möglich nach England weiterzuschicken. Weiß ja keiner, ob die Japaner nicht auch noch was für Indien planen.«

»Richtig, Herr Schmied. Wenn es evakuierte Truppen sind, ebenfalls. Die müssen ja neu ausgerüstet werden und die Engländer sind sich ja auch nicht sicher, ob wir nicht doch noch versuchen, über den Kanal zu kommen. Also, wieder aufs Schiff, in den nächsten der Kap Geleitzüge und ab nach England. Was die Engländer also an Kriegsschiffen übrig haben müssen sie zum Schutz dieser Geleite einsetzen. Das lässt alles nicht mehr viel für den Golf übrig.«

 

»Die Sache hat gleich zwei Haken, Herr Kap’tän!«

»Die wären?«

»Wir sind kein Tanker, wir können uns nicht einmal als Tanker verkleiden. Der Verkehr dort ist hauptsächlich Tankerverkehr. Und die Frachter, die dort unterwegs sind, sind ja alle in Konvois zusammengefasst, Versorgung für die britischen Truppen im Iran, nicht wahr? Wenn Ihnen also nichts einfällt, wie wir mit so einem Geleitzug mitlaufen können … und das, ohne kontrolliert zu werden … dann ist der Ballon geplatzt!«

»Was, wenn mir etwas eingefallen ist?«

»Sie haben das Schiff ja nicht umsonst Fuchs getauft, nicht wahr? Name verpflichtet!«

»Warten wir es ab. Am Ende müssen wir wahrscheinlich sowieso improvisieren.«

Der Kommandant zuckte mit den Schultern.

»Noch ist nichts beschlossen, wir müssen sehen, was wir vorfinden.«

»Nur können wir so oder so nicht das ganze Seegebiet wild machen. Was also, wenn uns ein Schiff über den Weg läuft? Versenken oder nicht?«

Der Fregattenkapitän tippte auf den Funkspruch.

»Die Befehle sagen nichts darüber aus. Es liegt also in meinem Ermessen. Wir entscheiden das von Fall zu Fall, denke ich? Ist ja nicht so, dass wir bisher allzu viele Schiffe zu Gesicht bekommen haben.«

2

Im Achterschiff, gleich unter dem Hauptdeck und über den Decks mit den derzeit leeren Gefangenenquartieren, gab es eine Flucht von Räumen, die deutlich sichtbar mit einem großen Schild gekennzeichnet waren, das jedem mitteilte, dass sich hier der Urlauberbereich befand. Aber natürlich konnte man auf einem Hilfskreuzer nicht einfach in den Urlaub gehen. Man konnte ja das Schiff nicht verlassen. Also gab es die Urlauberräume. Jeder konnte von Zeit zu Zeit für ein paar Tage hier in Urlaub gehen, mit Genehmigung der Vorgesetzten natürlich und wurde aus dem normalen Tagesdienstplan herausgenommen. Die Männer konnten ausschlafen, lesen, sogar Bier in begrenzten Mengen war erlaubt. Es war kein richtiger Urlaub, natürlich nicht, und wenn das Schiff gefechtsbereit gemacht wurde, mussten auch diese Männer wieder auf ihre Stationen, aber bis dahin … es war kein richtiger Urlaub, aber so nahe daran, wie man es auf einem Hilfskreuzer nur sein konnte.

 

»Vier Schiffe! Vier!«

Der Obergefreite Gerricke schüttelte den Kopf.

»Weiß der Teufel, wo die Tommies rumkarriolen!«

Klaus Benjamin, ebenfalls Obergefreiter, blickte von seinem Buch auf.

»Nicht hier!«

»Das weiß ich auch!«

Gerricke blinzelte ärgerlich.

Karl-Heinz Gärtner, ein stämmiger Maschinenmaat runzelte die Stirn. »Ich hab noch zwei Tage Urlaub. Da brauch’ ich keine Tommies.«

»Trotzdem, das wird so langsam lächerlich. Wir schippern hier draußen rum und kriegen nichts auf’s Konto! Da können wir ja auch gleich wieder heimfahren!«

»Na, das sagst aber du dem Alten!«

Willi Müllemann, ein weiterer Urlauber mischte sich in die Unterhaltung ein. »Trotzdem, schon komisch. Es sollte hier eigentlich von Schiffen geradeso wimmeln. Vor allem jetzt, wo die Tommies nicht einfach durchs Mittelmeer fahren können. Irgendwo müssen die doch ihren Kram nach England bekommen.«

Klaus Benjamin legt sorgfältig ein Lesezeichen in sein Buch und klappte es zu. »Die können nicht, weil sie dieses Seegebiet nicht schützen können und hier die bösen deutschen Hilfskreuzer rumeiern.«

»Paah, die haben doch keinen Schimmer, dass wir jetzt hier sind.«

Benjamin zuckte mit den Schultern und sah Gericke unbeeindruckt an. »Die wissen wahrscheinlich noch nicht einmal, dass wir existieren. Von den vier Schiffen hat ja eines gar nicht und eines eine völlig falsche Position gefunkt und keines hat eine Beschreibung durchgegeben. Aber im letzten Jahr sind bereits Komet, Atlantis, Thor und Pinguin durch dieses Seegebiet gekommen und alle haben Schiffe versenkt. Die Tommies brauchen gar nicht zu wissen, dass der Fuchs hier rumschwabbert. Die wissen gut genug, dass jeder deutsche Hilfskreuzer hier gelegentlich vorbeikommt und dass sie hier ein paar hundert Meilen Küste haben, die sie nicht kontrollieren können. Also haben die ihre Schiffe in Geleitzügen zusammengefasst und halten die weiter draußen auf See.«

»Also kriegen wir keine Beute unters Deck geschoben?«

»Bist so scharf darauf, dich mit den Tommies rumzuschießen, Gerricke?«

»Naah, nicht wirklich, aber wenn uns die englischen Kreuzer am Kanthaken kriegen, dann möcht ich doch wenigstens sagen können, es hat sich gelohnt!«

Der Obergefreite Benjamin lächelte friedfertig. »Das kann ich verstehen, aber was du verstehen musst, es hat sich schon gelohnt.«

»Wegen vier Schiffen? Und der Letzte wäre wahrscheinlich sowieso irgendwann von allein auseinandergefallen.«

Benjamin, Steuermann seines Zeichens, schüttelte den Kopf. »Nein, nicht wegen denen, obwohl die auch zusammen schon mehr wert sind als unser ganzer Fuchs. Aber wegen uns müssen die Tommies ihre Schiffe umleiten, Umwege fahren, Schiffe in Häfen auf Geleitzüge warten lassen und dann die schnelleren Schiffe langsamer fahren lassen, damit die Geleite zusammenbleiben. Das kostet eine ungeheure Masse an Schiffen. Keiner kommt mehr so schnell er kann auf dem kürzesten Weg ans Ziel. Also machen die Schiffe weniger Reisen und transportieren weniger.«

»Macht das überhaupt so viel aus?«

»Mehr als wir versenken könnten. Den Gegenwert von hunderten von Schiffen!«

Gerricke zog ein verdutztes Gesicht. »Darüber habe ich nie nachgedacht!«

»Neee, ist auch nicht unsere Aufgabe. Dafür hat die Kriegsmarine ja Offiziere erfunden! Die werden dafür bezahlt.«

»Dann ist das ja eigentlich höchst-elegant, nicht wahr?«

Müllemann nuckelte zufrieden an seinem Bier, bevor er weitersprach.

»Wir versenken ab und zu ein Schiff, die Tommies haben den Ärger und Hein Seemann ist zufrieden, weil nicht dauernd auf ihn geschossen wird.«

»Na ja, ab und zu müssen wir auch mal was finden und versenken.«

Gerricke verzog das Gesicht. »Einfach nur, weil es sonst so fürchterlich langweilig ist.«

Er sah Benjamins Gesicht.

»Nein, ist schon in Ordnung, wenn wir den Krieg gewinnen können indem wir nichts versenken.«

Die Männer lachten etwas unsicher. Manchmal war die Logik des Krieges einfach zu weit von jedem normalen Denken entfernt, um wirklich zu wissen, was man davon halten sollte.

Gärtner streckte sich etwas in seinem Decksstuhl und blickte nach oben zum geöffneten Oberlicht. Freundlich und warm schien die Sonne in ihr Urlauberdeck. Noch zwei Tage.

»Ich hoffe nur, der Alte kommt nicht auf die Idee, umtarnen zu lassen.«

Umtarnen – das ganze Schiff neu streichen, eventuell Attrappen bauen, kurz den ganzen Hilfskreuzer als ein anderes Schiff erscheinen lassen – war ein Allemannmanöver. Selbst die Maschinenfreiwache würde in Blaumann mit Farbeimern an Deck herumlaufen müssen, ein für Maschinisten eher ehrenrühriger Zustand, wobei man sich in Kreisen der Seeleute nicht sicher war, ob es die Farbeimer oder einfach nur die Tatsache war, dass sie ihre ölgeschwängerten höhlenartigen Maschinenräume verlassen und sich den Unbilden der Natur aussetzen mussten, die die Maschinisten so unglücklich machte.

Müllemann runzelte die Stirn. »Irgendwann müssen wir und je eher desto besser, wenn ihr mich fragt. Wir fahren schon zu lange in diesem Anstrich rum.«

»Hat uns ja keiner gesehen und die Tarnung passt zum Seegebiet.«

Der Obergefreite Benjamin schüttelte den Kopf. »Ist ja nicht so, dass wir so einfach was Besseres finden. Als Exil-Holländer passen wir ins Gebiet und solange wir immer entweder ungefähr nord- oder südwärts grob entlang der Küste fahren, können wir ja tatsächlich ein einfacher holländischer Frachter sein, falls uns jemand sieht.«

»Nur so interessehalber, aber was passiert, wenn wir auf Ostkurs erwischt werden?«

»Dann muss dem Alten eine gute Geschichte einfallen, die er den Tommies auftischen kann. Das wir uns von einem verdächtigen Schiff absetzen oder so etwas. Aber wir haben ja einfach keinen Grund, nach Osten zu steuern.«

»Der Kurs muss zur Verkleidung passen. Hmm … woher weißt du solche Sachen, Benjamin?«

»Ich bin ja in der Navigation und der NO erklärt uns solche Sachen.«

Benjamin lächelte erneut. »Aber frag’ mich nicht wie man eine Zylinderdichtung wechselt.«

Gärtner grinste breit. »Mich auch nicht für die nächsten zwei Tage.«

Er sah auf die Uhr an der Wand.

»Beinahe Mittag! Wenn’s jetzt auch noch Kartoffeln gäbe!«

Schweigen fiel über die Versammlung. Die letzten der Erdäpfel waren schon vor Wochen auf den Messetischen gelandet. Nicht, dass Kartoffeln in den Träumen der Männer die holde Weiblichkeit vom ersten Platz verdrängt hätten, aber mittlerweile, nach ein paar Wochen Makkaroni und Reis kamen sie nahe.

Kapitänleutnant (Ing) (S) Breitkopf blinzelte überrascht. »Was machen Sie denn hier unten?«

»Ich suche nach Ihnen!«

Oberleutnant Bredow, seines Zeichens der Artillerieoffizier des Hilfskreuzers, griente etwas unbehaglich. »Haben Sie einen Augenblick Zeit?«

»Na klar, Herr Oberleutnant, ist ja nicht viel los hier. Was haben Sie auf dem Herzen?«

»Kommen Sie mit nach oben, ich erkläre es dort.«

Breitkopf runzelte die Stirn, dann nickte er langsam, wandte sich um und rief zu seinem Stellvertreter: »Heinrich, Sie übernehmen für einen Augenblick?«

Oberleutnant Volkerts, der zweite Ingenieur, zeigte ihm einen hochgereckten Daumen und wandte sich wieder dem Wellenlager zu. Für einen Augenblick starrte Breitkopf auf die schimmernde Schraubenwelle. Er hörte es ebenfalls, über das Donnern des großen sieben-Zylinder-Diesels. Ein leises unterschwelliges Singen. Noch war es nichts greifbares, noch gab es keine echten Anzeichen eines Problems … noch nicht! Mit einem Achselzucken wandte er sich wieder dem AO zu. »Also, gehen wir hoch!«

Die beiden Offiziere stiegen den Niedergang empor und erreichten über den Mittelgang das Hauptdeck. Kapitänleutnant Breitkopf lehnte sich gegen das Deckshaus und kramte in seinem Blaumann nach einem Päckchen Zigaretten, während er Bredow einen prüfenden Blick zuwarf. »Also, was ist so dringend?«

Bredow, zuckte unsicher mit den Schultern. »Der FO hat’s gerade aus dem Äther gefischt. Die Tommies behaupten, sie haben letzte Nacht einen schweren Angriff auf Hamburg geflogen. Natürlich behaupten sie, es wäre ein voller Erfolg gewesen.«

»Hamburg, eh? Aber keine Nachrichten über zivile Verluste?«

Der AO verzog das Gesicht. »Nichts. Die Tommies sagen sie haben den Hafen angegriffen.«

»Danke, dass Sie es mir gesagt haben.«, Otto Breitkopf seufzte. »Unser Haus ist ja draußen in Fuhlsbüttel, da ist die Familie weit weg von allen Zielen …«, er zögerte. »… und sollte etwas passieren, glauben Sie, die Heimat teilt es uns mit?«

Die beiden Männer sahen einander an.

»Wir sollten in ein paar Wochen wieder ein Versorgungsschiff treffen, vielleicht gibt es dann Post.«

Oberleutnant Bredow griff eine Zigarette aus dem Päckchen, dass der Leitende ihm hinhielt. »Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass die SKL Nachrichten an uns zurückhält falls …«

Er ließ den Rest offen.

»Keine Nachrichten sind also gute Nachrichten!«

»Ich wollte es Ihnen selbst sagen bevor Sie es über den üblichen Bordtelegraphen hören.«

»Danke, Herr Bredow!«

Der LI zündete sich eine an. »Was ist mit den anderen Männern die Familien in Hamburg haben.«

»Der VO und Oberleutnant Bergensen sprechen mit ihnen.«

»Gut!«

Bredow beobachtete den Ingenieur. Sie waren jetzt seit August in See, viereinhalb Monate, und in dieser Zeit hatten sie einmal Post erhalten. Natürlich bemühten sich die Stäbe in der Heimat, alle Nachrichten über Längstwellenfunk weiterzugeben, nicht nur an die Hilfskreuzer, sondern auch an die U-Boote, die ja mittlerweile ebenfalls über beinahe alle Weltmeere verstreut waren, aber es war eben unmöglich, alle Familiennachrichten immer gleich zu senden. Der Fuchs hatte eine Besatzung von 325 Mann. Etwa ein Drittel davon hatten Familie in der Heimat, von der sie seit dem Ausbruch in den Atlantik nichts mehr gehört hatten. Während sie hier draußen herumfuhren, flogen die Tommies beinahe jede Woche Nachtangriffe auf die deutschen Städte und egal, was die Engländer auch behaupteten, diese Angriffe richteten sich oft gegen die Wohngebiete. Luftangriffe gegen zivile Ziele hatten bereits 1940 mit dem 80 Bomber-Angriff gegen Berlin begonnen und natürlich hatte die Luftwaffe ihrerseits daraufhin London angegriffen. Seither waren Terrorangriffe gegen die Zivilbevölkerungen in Deutschland und England die neue Normalität des Krieges geworden. Zivilisten waren nicht mehr sicher … und sie schwammen hier draußen herum und wussten nicht, ob es ihren Familien gut ging.

Breitkopf nahm einen Zug und nickte. »Dann warten wir also mal wieder auf ein Wort aus der Heimat!«, er seufzte.

»Und in der Zwischenzeit sehen wir zu, dass wir den Dampfer am Laufen halten.«

Der Oberleutnant nahm die Änderung des Gesprächsthemas dankbar auf.

»Kummer mit der Maschine?«

»Noch nicht, Theo!«

Breitkopf sah den AO ausdruckslos an. Die beiden Männer hatten viel Zeit damit verbracht, die Artillerie des Schiffes mit Bordmitteln aufzurüsten. Sie kannten einander gut genug.

»Irgendwo singt ein Wellenlager und das kann nicht gut sein. Wir haben noch nicht raus, welches, aber wenn …«

»Der Alte wird nicht glücklich sein, wenn wir stoppen müssen.«

Otto Breitkopf erschien wieder etwas sicherer, nun wo sich das Gespräch wieder um technische Fakten drehte.

»Die Marine hat unser Schiff ja nicht als Hilfskreuzer ausgewählt, weil es wirklich geeignet ist. Nur weil es monatelang in See rumgammeln kann, ohne regelmäßig einen Versorger zu brauchen. Wir haben nur eine Welle und eine Schraube. Für einen Frachter in Friedenszeiten reicht das ja auch aus. Nur wenn jetzt irgendwas mit unserer einzigen Welle passiert, dann sind wir ziemlich angeschmiert.«

»Sie sind im Frieden bereits auf ihr gefahren, nicht wahr?«

»Auf der Cairo, der Ankara, und ja, bei Kriegsausbruch auch auf der Alexandria, als wir in die Heimat durchbrachen.«

Theodor Bredow nickte. »Muss eine heiße Zeit gewesen sein.«

»Sie haben keine Ahnung!« Der Leitende zwang sich zu einem Grinsen. »Einer meiner Heizer saß auf dem vorderen Wellenlager und kippte von Hand Öl drauf, während die Tommy-Kreuzer versuchten, die deutschen Frachter zu erwischen, die versuchten in die Heimat zurückzukommen. Drei Tage und drei Nächte hat unser Funker die Briten im Äther gehört und er schwor, die waren gerade einmal hinter dem Horizont. Ob’s stimmt? Ich habe keine Ahnung, aber wir haben es geschafft.«

»Die alte Alex hat’s einmal geschafft, sie kann es wieder schaffen, nicht wahr?«

Der Ingenieur warf die halb gerauchte Kippe über Bord und sah sich um. »Nur heißt sie jetzt Fuchs. Wir haben sechs alte Kanonen und einen Haufen anderer Spielzeuge und eine Kriegsflagge, deshalb zählen wir jetzt als Kriegsschiff.«

Bredow nickte. »Wir müssen eben schlauer sein als die Tommies und auf unser Glück vertrauen.«

Aber er wusste, dass Breitkopf Recht hatte. Ihre Geschütze waren alte Fünfzehn-Zentimeter-Kanonen, die bereits im letzten Weltkrieg ihren Dienst auf dem Schlachtkreuzer Moltke geleistet hatten, bis sie gegen modernere Geschütze ausgetauscht worden waren … und das war bereits 1917 gewesen! Eine zentrale Geschützrichtung und -abfeuerung gab es nicht, alle Werte wurden vom Artillerieleitstand an die Geschütze durchtelefoniert und jeder Geschützführer feuerte von Hand ab, wenn der Befehl über das Telefon kam. Ihre Artillerie war ausreichend, um unbewaffnete Frachter zu versenken, vielleicht um sich mit einem bewaffneten Tommy-Frachter einzulassen, aber gegen ein echtes Kriegsschiff war sie etwa so nützlich wie ein Briefbeschwerer. Und was den Rest ihrer Ausrüstung betraf … sechs Flakgeschütze, die nur im Nahbereich gegen Flugzeuge wirksam waren, und sollten sie es mit einem Flugzeug zu tun bekommen, dann war es wahrscheinlich eine Walrus von einem Kreuzer und die würde den Teufel tun und in den Nahbereich kommen. Dazu ein leichtes Schnellboot, liebevoll Füchslein genannt, das nur bei leichtem Seegang eingesetzt werden konnte und theoretisch Minen legen, aber nur vier davon tragen konnte und zwei Seeflugzeuge vom Typ Arado 196, die sie als Aufklärer einsetzen konnten und die vielleicht, wenn das Wetter und die Sicht gut waren, Antennen von Frachtern reißen konnten, um zu verhindern, dass diese funkten. Vielleicht … andere Hilfskreuzer hatten ja gelegentlich Glück damit gehabt. Wenn es etwas an Bord gab, das ihnen möglicherweise eine Chance gab, sollten sie in ein echtes Kriegsschiff laufen, dann waren es die Torpedorohre, eines an jeder Seite, versteckt unter Wasser. Sollte ein Kreuzer sich ungeschickt genug anstellen, in die Reichweite zu kommen und lange genug mit gleichem Kurs und gleicher Geschwindigkeit wie der Fuchs dahin zu dampfen, konnten sie ihm einen Aal verpassen, aber wie wahrscheinlich war das?

»Die ganze Bewaffnung ist nur der Anfang!«

Breitkopf zuckte mit den Schultern und sah Bredow an.

»Wenn der Motor oder unsere Schraube zum Teufel geht, liegen wir bewegungslos auf der See und der nächste Hafen, wo man nicht gleich auf uns schießt, ist ein paar tausend Meilen entfernt. Mal davon abgesehen, dass alles andere was wir brauchen, um zu navigieren in einem ungepanzerten Rumpf untergebracht ist.«

Der AO nickte. »Dann gehen wir besser vorsichtig damit um.«

Bredow wusste das alles. Ein jeder an Bord wusste es. Die Alexandria war als Schwesterschiff der Cairo 1938 für die Atlas-Levante-Line in Fahrt gegangen. Ein Frachter mit Kabinen für zwölf Passagiere, wie sie damals zu hunderten die Weltmeere befuhren, nur, dass sie etwas größere Bunker als ihre Schwester bekam und tatsächlich auf die Südamerikarouten verchartert wurde, obwohl sie mit knappen 4800 Bruttoregistertonnen etwas kleiner war als viele andere Frachter auf diesen Routen. Sie war, in der kurzen Zeit, die ihr bis zum Kriegsausbruch blieb, ein erfolgreiches und glückhaftes Schiff gewesen, ein zuverlässiger Frachter und beliebt bei ihren Passagieren. Ein relativ komfortables und gemütliches Schiff mit einem guten Kosten-zu-Profit-Verhältnis, das von Hafen zu Hafen schipperte und bei jedem Ein- und Auslaufen auf Schlepperhilfe zurückgreifen konnte und sollte mal etwas versagen einfach um Hilfe rufen konnte, die auf den vielbefahrenen Schifffahrtsrouten selten weit entfernt war. Nichts konnte weiter von dem entfernt sein, was sie jetzt tat. Bredow war Seemann genug, um sich zu wundern, was die alte Alex von der ganzen Sache hielt. Sie war nicht hierfür gebaut, da biss die Maus keinen Faden ab. Aber sollte die Alex, nun der Fuchs, etwas über diesen Krieg und ihre Rolle darin denken, dann behielt sie ihre Meinung für sich. Ruhig zog sie ihren Kurs, getarnt als der Exil-Holländer Nieuvendam. Ein einsamer Frachter, wie so viele auf allen Meeren der Welt, nur trug sie in ihrem Rumpf Männer, Munition, getarnte Geschütze und eine Unzahl von Hoffnungen …

3

Seestiefel polterten auf dem Niedergang und Augenblicke später erschienen die ersten Männer der Morgenwache auf der Brücke. Oberleutnant Brügge tippte an die Mütze und wandte sich an Kapitänleutnant Schmied. »Bereit zur Ablösung?«

Der Erste erwiderte den Gruß ähnlich salopp: »Kurs ist null-drei-null, neun Knoten! Keine besonderen Vorkommnisse!«

»Sehr gut! Irgendetwas, das ich im Auge behalten muss?«

»Skeef Reef ist noch sechzig Meilen entfernt und liegt gut an Backbord von unserem Kurs. Der britische Wetterbericht sagt, es soll am Morgen etwas auffrischen!«

»Solange es sich nicht zu einem Sturm entwickelt? Wir können etwas Wind gebrauchen und sei es auch nur um die Wärme aus den unteren Decks zu kriegen.«

Der Oberleutnant lächelte schmal. Er war vor dem Krieg in der Handelsschifffahrt gefahren. Was er nicht über Stürme wusste brauchte man nicht zu wissen.

Schmied nickte. »Sehr schön, hoffen wir also auf ein mildes Lüftchen, im Gegensatz zu gar keinem Lüftchen! Lassen Sie ablösen, Herr Brügge!«

Der Oberleutnant gab seinem Unteroffizier ein Zeichen und die Posten an Maschinentelegraphen und Ruder sowie die Ausgucke auf dem Signaldeck wurden von seiner Wache abgelöst. Zufrieden wandte er sich wieder an den Ersten.

»Der Smut hat Bohnensuppe als Mittelwächter aufgetischt. Ich glaube, da ist noch was übrig!«

»Bohnensuppe?« Schmied runzelte die Stirn.

»Na, dann wissen wir ja, warum Sie die unteren Decks durchlüften wollen.«

»Kann nicht schlimmer sein als … Was ist das überhaupt für ein Geruch?«

»Schornsteinrauch?«

Obwohl im Rang unter Schmied, fuhr Brügge auf Frachtern zur See, seit er fünfzehn war. Er kannte die Schiffe, er kannte diese Gewässer.

Plötzlich misstrauisch spähte er durch die Brückenfenster nach draußen, aber die See lag dunkel und scheinbar endlos vor dem Fuchs.

»Seit wann riechen wir wie ein Kohlenbrenner?«

»Kohlenbrenner?«

»Riechen Sie es nicht, dieses beißende Aroma?«

»Ein echter Kenner?«

»Pah!«

Brügge grinste, aber es war ein etwas abwesendes Grinsen. »Die Kriegsmarine hat ja immer schon Ölbrenner gefahren, aber viele der älteren Frachter sind noch immer Kohlenbrenner. Nicht wie unser Fuchs. Wenn Sie mal einen halben Tag hinter so einem Burschen hergedackelt sind, bei gutem Wetter, nur leichtem Wind und von vorne … da schmeckt sogar der Kaffee seltsam!«

Schmied straffte sich unbehaglich. »Sie sagen, das ist nicht unser Schornsteinqualm, sondern vor uns läuft ein Schiff?«

»Ist noch zu dunkel, um es zu sehen, Herr Kaleun! Sonnenaufgang ist in einer dreiviertel Stunde, dann wissen wir mehr.«

»Wie sicher sind Sie?«

»Keine Ahnung!«

Brügge dachte nach. »Wenn da jemand mitläuft und sauberes Öl brennt, dann kriegen wir nichts mit, bis die Sonne aufgeht, aber wie wahrscheinlich ist das schon.«

Der Erste dachte nach. Noch hatte der Kommandant nichts von den neuen Befehlen verlauten lassen, Brügge wusste also noch nicht, dass sie möglicherweise Feindschiffe würden laufen lassen müssen.

»Ich rufe den Kommandanten an.«

Schmied plierte auf den Kompass. »Ändern Sie den Kurs für den Augenblick ein Dez nach Steuerbord!«

Der Oberleutnant starrte ihn verdutzt an. »Kann sein, dass wir den Burschen dann verlieren!«

»Kann sein, aber wenn die Sonne aufgeht, dann können wir immer noch unser Flugzeug starten.«

Der IO ging zur hinteren Wand, drehte ein paar Mal an der Kurbel und nahm den Hörer ab.

»Kommandant?« Er musste einen Augenblick warten, dann sprach er weiter. »IO hier. Oberleutnant Brügge glaubt, er hat ein Schiff erschnüffelt … ja, erschnüffelt … Kohlenbrenner …«

Der Erste lauschte einen Augenblick, dann nickte er. »Ein Dez nach Steuerbord, schon befohlen … Mache ich!«

Als er den Hörer wieder einhängte und sich umwandte sah er alle Augen auf sich gerichtet. Er zuckte mit den Schultern. »Abgelöste Wache: Ab mit Euch, seht zu, dass Ihr noch was vom Mittelwächter kriegt und wenn Ihr runtergeht, sagt dem Smut Beschied, dass wir mehr Kaffee auf der Brücke brauchen!«

»Was hat er gesagt?«

»Wir drehen etwas ab, ein Dez nach Steuerbord. Er kommt hoch und wir haben bald besser einen Kaffee zur Hand!«

»Also schön, warten wir es ab.«

Doch trotz der scheinbar entspannten Worte konnte Schmied die Neugier seines Offizierskameraden spüren. Aber der Alte nahm sich Zeit. Es dauerte mehr als zehn Minuten, bis er auf der Brücke erschien, vollständig angekleidet und mit einem Buch unter dem Arm. Ungeduldig winkte er den Gruß seiner Offiziere ab.

»Kohlenbrenner sagen Sie, Herr Oberleutnant?«

»Er riecht wie einer! Nicht mehr so stark, seit wir den Kurs gewechselt haben!«

»Und wir sind wenigstens seit vier Stunden hinter ihm hergedackelt, immer mit neun Knoten?« Pöhl runzelte die Stirn. »Der kann nicht viel langsamer sein als wir, sonst hätten wir ihn eingeholt.«

»Richtig … ich verstehe nicht…«

Der Alte legte das Buch auf den Kartentisch und schlug es auf. »Sehen Sie selbst!«

Die beiden Offiziere beugten sich über das aufgeschlagene Buch und studierten den Eintrag.

»Houlder Brothers? Sie glauben, es ist ein Kühlschiff?«

»Die meisten Kohlenbrenner sind alt, die machen keine acht oder neun Knoten, nicht mal wenn ihnen ein Hilfskreuzer auf den Fersen ist. Also mal abgesehen von ein paar älteren Linern und die sind dann gleich viel schneller. «

»Also, wenn es ein Kühlschiff ist, wollen sie ihn annehmen?«

»Ich habe wohl kaum eine Wahl. Das ist Edelwild, noch mehr als ein Tanker.«

Pöhl sah sich suchend um. »Haben wir noch Kaffee?«

»Frischer ist schon in der Mache, Herr Kap’tän!«

»Hoffentlich etwas schneller.«

»Bevor wir uns festlegen, müssen wir sichergehen, dass er es wert ist.«

Oberleutnant Brügge hatte der Unterhaltung seiner Vorgesetzten gelauscht, nun räusperte er sich.

»Das klingt, als wollten Sie ihn fahren lassen, wenn er kein Kühlschiff ist.«

Der Alte verzog das Gesicht. »Vielleicht … wahrscheinlich …«

Er zögerte, aber andererseits, auf einem Hilfskreuzer konnte ja niemand einfach das Schiff verlassen und irgendeinem dahergelaufenen Spion etwas Wichtiges erzählen.

»Wir haben neue Befehle von der SKL, wir sollen nach Norden gehen, Arabische See und der Ausgang des Golfs. Noch ist nichts spruchreif, aber wenn er es nicht wert ist, möchte ich mir meine Optionen nicht verspielen.«

»Neue Befehle?«

»Ja, ich habe der Besatzung noch nichts mitgeteilt, weil ich versuche, sie rückgängig gemacht zu bekommen.«

Der Fregattenkapitän blinzelte. »Der Verkehr dort ist doch längst in Geleitzügen organisiert. Da kriegen wir doch wieder nichts zu fassen. Mal ganz unter uns, ich würde lieber Pinguins altes Jagdgebiet unsicher machen. Bombay, das wäre doch mal was! Oder Madras! Aber jetzt haben wir diesen Burschen hier, also müssen wir uns zuerst mit ihm befassen.«

Pöhl grinste plötzlich. »Mal abgesehen von allem anderen könnte er die wertvollste Fracht von allen an Bord haben!«

»Houlder Brothers … Kühlschiff … der wird wohl kaum Goldbarren transportieren.«

Schmied sah seinen Kommandanten verdutzt an. »Dosenfutter, Gefrierfleisch, Eier …?«

»Kar-tof-feln!«

Kaum hatte Pöhl das geheiligte Wort lang gedehnt ausgesprochen, brach andächtiges Schweigen auf der Brücke des Hilfskreuzers aus. Aber dann schüttelte Schmied den Kopf.

»Das wäre schon ein unverschämtes Glück! Als die Scheer die Duquesa erwischt hat, haben die nur Millionen von Eiern in den Kühlräumen gefunden.«

Ein paar der Männer glucksten verdächtig. Die Duquesa, oder wie sie in den deutschen Unterlagen später genannt wurde, das Versorgungsschiff Herzogin, war eine der vielen Geschichten, die der Krieg der Handelsstörer bereits geschrieben hatte. Der schwere Kreuzer Admiral Scheer hatte das Kühlschiff im Dezember 1940 im Südatlantik erwischt, aber in den Bunkern war nicht genügend Kohle um die Prise in die Heimat zu schicken, also wurde das Schiff zu einem Treffpunkt geschickt und im Laufe der folgenden Wochen versorgten sich mehrere Hilfskreuzer und Versorgungsschiffe aus der Herzogin mit Rinderhälften, Ochsenschwänzen, gefrorenen Schafen und Unmengen von Eiern bis alles Brennbare an Bord verbrannt war um wenigstens die Kühlanlage am Laufen zu halten und das Kühlschiff versenkt werden musste. Was blieb, waren Eier ohne Ende an Bord der Hilfskreuzer. Hunderttausende von Eiern … und Rezepte die manches Mal gleich Dutzende der ansonsten rationierten Hühnerprodukte verbrauchten. Eier, Eier, noch mehr Eier, bis wirklich keiner mehr ein Ei sehen konnte. Es war Legende! Und sie hatten ja selbst noch genügend von den Dingern an Bord! Aber Kartoffeln … das wäre natürlich eine ganz andere Geschichte! Der Alte zuckte mit den Schultern.

»Der läuft auf Nordkurs an Afrikas Küste entlang, wo der wohl hinwill?«

»Indien? Ceylon? Vielleicht nach Singapur?«

»Oder vielleicht in den Golf.«

»Die Tommies haben derzeit Armeen in Persien, Indien, Singapur und Malaysia stehen. Was glauben Sie womit die all diese Soldaten füttern? Die Duquesa war auf dem Weg nach England, die hat transportiert, was die Engländer auf ihrer Insel brauchen. Aber dieser Bursche, wenn wir Glück haben, kommt er aus England oder Südafrika.«

»Und wenn er das tut, dann hat er Verpflegung für britische Truppen an Bord. Fleisch, Dosenfutter aller Art und Kartoffeln.«

Brügge zog ein sehnsüchtiges Gesicht. »Wir könnten Glück haben! Und selbst wenn nicht, ein Kühlfrachter ist so oder so Edelwild!«

»Das ist der richtige Geist!«

Der Alte wandte sich um als einer der Smuts mit mehreren Metallkannen auf die Brücke kam. »Und da ist auch der Kaffee!«

Er griff eine Mug und schenkte sich ein. »IO … lassen Sie die Besatzung wecken, stiller Alarm. Wir haben noch genug Zeit, dass jeder ein schnelles Frühstück greifen kann, dann lassen Sie die Männer auf Gefechtsstationen gehen.« Er schaufelte sich großzügig Zucker in den Kaffee.

»Herr Brügge, Sie kommen hier klar? Dann sehe ich zu, dass ich auch noch was greifen kann. Zwanzig Minuten bis Sonnenaufgang, aber bis wir aufschließen können, schätze ich mindestens eine Stunde mehr!«

Es gab in diesen Breiten keine lange Dämmerung. Als der erste rote Schimmer im Osten erschien verbreitete er sich auch gleich über die ganze See vor ihnen. Die Ausgucke auf dem Signaldeck und die Offiziere auf der Brücke hoben ihre Gläser, aber es war der getarnte Entfernungsmesser auf dem Brückendach, der das andere Schiff zuerst ausmachte.

»Dampfer, ein Dez an Backbord voraus, Entfernung hundert-hundert!«

Hundert Hektometer oder zehn Kilometer. Für die Nicht-Artilleristen verwandelte sich die Zahl automatisch in etwas mehr als fünf Seemeilen. Zu weit für ihre alten Geschütze, aber dann war die Richtung ja sowieso völlig falsch. Die Hauptartillerie, falls ihre alten Fünfzehner den Namen überhaupt verdienten, war an beiden Seiten des Schiffes installiert und das andere Schiff befand sich beinahe genau vor ihnen.

»Was halten Sie von dem Burschen?«

Kapitän Pöhl sah Oberleutnant Brügge fragend an. Der ehemalige Handelsschiffer nahm sich Zeit.

»Achteinhalbtausend Tonnen, vielleicht etwas mehr, ein Schornstein, vier Ladebäume. Die Brücke ist relativ flach und er hat weder ein großes Poopdeck noch eine ausgedehnte Vorpiek.«

»Also?«

»Britisch, wahrscheinlich ein Kühlfrachter und obwohl er den Namen und die Reedereifarben am Schornstein überstrichen hat, ich denke, Sie haben Recht. Das ist ein Houlder Brother.«

Schmied, der Erste, studierte das andere Schiff ebenfalls durch sein Glas.

»Er hat zwei Geschütze, eines vorne, eines achtern.«

»Sehen wie die üblichen Zehner aus.«

Der Kommandant runzelte die Stirn. »Oberleutnant Brügge, halten Sie noch ein Dez weiter ab nach Steuerbord und dann drehen Sie auf. Sagen wir zwölf Knoten?«

»Jawoll, Herr Kap’tän!«

»Und Sie, Herr Schmied, machen, dass Sie in ihre Schiffssicherung kommen!«

»Aye!«

Der Erste tippte kurz an die Mütze und polterte den Niedergang hinunter.

Brügge gab die Befehle an den Rudergänger und den Posten Maschinentelegraph und sah dem Ersten nach, der den Niedergang hinunterpolterte.

»Er hasst es, dort unten zu sitzen!«

»Würden Sie es nicht?«

Der Alte zuckte mit den Schultern. »Hier oben ist das Risiko größer von einer Granate erwischt zu werden, aber wenigstens sehen wir, was vorgeht!«

»Also, was ist Ihr Plan, wenn ich fragen darf, Herr Kap’tän?«

»Sie dürfen, aber die Details hängen von ihm ab.«

Pöhl deutete nach vorne zum anderen Schiff. »Wir spielen den friedlichen Holländer der für die Tommies fährt und sich an die Regeln hält. Beim Insichtkommen eines anderen Schiffes halten wir etwas ab und erwarten, dass er das auch tut. Wenn er stattdessen auf uns zuhält, funken wir um Hilfe!«

»Wir tun was?«

»Wir funken um Hilfe!«

Der Kommandant nickte, aber in seinen Augen funkelte der Schalk.

»Sie wissen schon, RRRR, um die großen Brüder von der Royal Navy herbeizupfeifen!«

»Mit Verlaub, Herr Kap’tän, das sind doch die letzten, die wir hier gebrauchen können!«

»Die kommen ja auch nicht. Die sind doch im Indik und vielleicht noch nahe des Golfs unterwegs und hinter uns, vor der Südspitze Afrikas, aber nicht hier. Die Tommies haben ja gar nicht so viele Kreuzer wie sie brauchen würden, um überall gleichzeitig zu sein.«

Der Alte schmunzelte. »Aber der Bursche dort, der wird die Meldung auffangen und sie wird ihn überzeugen, dass wir kein böser deutscher Hilfskreuzer sind. Aber er wird sich dann auch an die Regeln erinnern und selbst anfangen zu funken.«

»Sie wollen ihn lassen?«

»Ja, wenn er mir den Gefallen tut. Wir übernehmen sein Schiff, setzen uns ab und alles was die Tommies wissen ist, dass ein Raider ihn versenkt hat. Wir machen uns vom Acker und natürlich sucht dann keiner mehr nach ihm. Warum auch, die glauben, das Schiff ist versenkt und der deutsche Hilfskreuzer schon hunderte von Meilen weg. Das gibt uns Zeit, umzuladen was wir von dem Zossen gebrauchen können und, falls er genug Kohle hat, ihn als Prise in die Heimat zu schicken!«

»Die Tommies geben ihren Schiffen doch gerade genug Öl oder in diesem Fall Kohle mit, um ihren Bestimmungsort zu erreichen. Um genau das zu verhindern.«

»Wie gesagt, es kommt auf ihn an. Wenn sein Ziel der persische Golf ist, können wir ihn als Prise vergessen, aber wenn er bis nach Ceylon oder gar Singapur will, dann reicht das für unsere Zwecke.«

»Ziel dreht!«

Als die Meldung vom E-Messer kam, hoben die beiden Offiziere wieder die Gläser. Zufrieden nickte der Alte. »Wunderschön! Er dreht etwas nach Backbord!«

»Hält sich an die Spielregeln!«

Brügge musterte das andere Schiff. »Beinahe dreißig Grad!«

»Ja, noch nicht optimal, aber immerhin, es reicht gerade so!«

Der Kommandant zuckte mit den Schultern. »Ist ohnehin noch zu weit!«

Wieder hob Brügge das Glas. Durch die Kursänderung lagen die beiden Schiffe auf verschiedenen Kursen, Dreißig Grad Kursunterschied waren gerade genug, um ihre drei Geschütze auf der Backbordseite einsetzen zu können, aber das achtere Geschütz müsste bereits mit maximalem Winkel nach vorne feuern.

»Besser, wir holen noch etwas auf bevor wir den Tanz beginnen!«

Der Kommandant beobachtete das andere Schiff, dann ließ er das Glas sinken und warf einen Blick auf das Vordeck. Der Fuchs sah jeden Zentimeter aus wie ein harmloses Frachtschiff. Genauso, wie er aussehen sollte. Wenn sie jetzt schon die Maske fallen ließen, dann würde das hier in eine stundenlange Jagd entarten. Er spürte die Ungeduld, wie jeder Mann an Bord, natürlich, denn er war genauso Mensch wie jeder an Bord. Nur blickten die Männer auf ihn und er konnte sich diesen Luxus nicht leisten. Er schätzte die Entfernung zwischen den beiden Schiffen und verzog das Gesicht.

»Das dauert mindestens noch zwei Stunden, bis wir auf eine komfortable Gefechtsentfernung aufgeschlossen haben und natürlich sind die Smuts jetzt alle bei der Schiffssicherung.«

Irgendwo im Hintergrund gluckste ein Mann verdächtig. Der Alte wollte ein paar Butterstullen. Ganz offensichtlich rechnete er nicht mit Ärger. Wenn der Alte nicht besorgt war, dann brauchte Hein Seemann sich auch keine Sorgen zu machen.

Oberleutnant Brügge zuckte mit den Schultern. »Natürlich dauert es auch noch zwei Stunden, bis die Tommies irgendwas mit ihrer Kanone auf dem Achterschiff versuchen können. Soll ich mal den IO anrufen? Der sollte ja wissen, wo unsere Smuts im Augenblick stecken. Vielleicht …«

»Das wäre ja nun gegen alle Dienstvorschriften!«

»Aber andererseits, wer würde schon den Kommandanten verpfeifen!«

»Üben Sie so einen schlechten Einfluss auf alle aus oder nur mich?«

Der Oberleutnant versuchte ein harmloses Gesicht zu machen, was völlig misslang.

»Ich war in der Christlichen, Herr Kap’tän! Da gab es so was wie Gefechtsstationen gar nicht.«

»Ja, die guten Vorkriegszeiten!«

»Also schön, fragen Sie mal beim IO nach, was er von der Idee hält!«

Der Oberleutnant salutierte stramm. »Jawoll, Herr Kap’tän! Aufklärung nach Butterbroten!«

Fregattenkapitän Pöhl wandte sich ab und hob sein Glas wieder, um nach dem britischen Schiff auszuspähen, aber im Geiste war er immer noch bei Brügge. Der Oberleutnant war manchmal ein Schlitzohr und der Kommandant war sich ziemlich sicher, dass Brügge niemals Karriere in der Kriegsmarine gemacht hätte, wenn nicht der Krieg ausgebrochen wäre. Andererseits war er ein guter Nautiker und wahrscheinlich einer der besten Seeleute an Bord und mit seinem unverwüstlichen Humor ganz einfach der richtige Mann am richtigen Ort. Brügges Jagd nach Butterbroten würde die Männer für eine Weile ablenken und die kleine Episode würde sich über Telefone und Sprachrohre in Windeseile durch das ganze Schiff verbreiten und überall ihre Wirkung tun. Zwei Stunden würde es dauern, bis sie auf Gefechtsentfernung heran waren. Sie konnten nicht mit der Fahrt zulegen, obwohl die Maschine das hergegeben hätte. Dann wäre der Bart sofort ab gewesen. Zwei Stunden also, in denen niemand etwas anderes tun konnte als warten, auf das feindliche Schiff zu starren und nachzudenken. Nachdenken war nicht gut. Der Fuchs hatte die schwerere Bewaffnung aber im Augenblick hatte nur der Tommy einen Schusswinkel und selbst wenn er nur eine Zehnzentimeter stehen hatte, so ein Ding konnte auch weh tun. Darüber sollte man nicht zu viel nachdenken, während man direkt darauf zulief.

»Sechzig-Hundert!«

Endlich! Aber als der Kommandant seine Befehle gab, klang seine Stimme so ruhig wie immer:

»Enttarnen! Signalmaat, rufen Sie ihn an und setzen Sie zusätzlich Signal K! Geschütz Nummer Eins klar für einen Warnschuss, falls er nicht pariert.«

Mit dumpfen Poltern öffneten sich die großen Klappen in der Bordwand und die Rohre der Geschütze schwangen aus, als wollten sie den Feind erschnüffeln. Gleichzeitig fuhr die holländische Nationale an der Gaffel herunter und wurde sofort durch eine andere ersetzt. Blutrot schimmerte die Reichskriegsflagge in der Vormittagssonne, unverkennbar für den Briten. Das andere Schiff stand etwa dreieinhalb Meilen an Backbord, zu nahe, um noch zu entkommen. Schon klapperte die Vartalampe in der Brückennock während die Signalflagge K im Mast auswehte.

»This is a German warship, stop immidiately, don’t use your wireless! – Dies ist ein deutsches Kriegsschiff, stoppen Sie sofort und funken Sie nicht!«

In hellen Lichtblitzen wiederholten die Morsezeichen die Bedeutung des Flaggensignals.

Für einen Augenblick geschah gar nichts, dann erschien eine dunklere Rauchwolke aus dem Schornstein und die Silhouette des anderen Schiffes schien sich zu verkürzen.

»Warnschuss!«

Beinahe sofort donnerte Geschütz Nummer Eins und eine Korditwolke wurde vom Fahrtwind davongeweht. Eine weiße Einschlagsäule stieg vor dem gejagten Schiff aus der See. Aber der Brite war offensichtlich noch nicht hinreichend beeindruckt. Der Bug des Frachters schwang zurück und Männer rannten über das Deck.

»Volle Fahrt! An den AO, Feuer frei!«

Das zweite und dritte Geschütz spien lange Flammenzungen aus und die Granaten heulten über die See. Einen Augenblick später erschienen zwei neue Wassersäulen vor dem Briten und etwas näher zum Fuchs hin. Keine schlechten Schüsse, aber auch noch keine Gabel und schon schwang das vordere der beiden englischen Geschütze aus.

Aus den Sprachrohren hörten sie den AO: »Laden, laden, laden!«

Seine Stimme klang völlig unbeteiligt. Für Oberleutnant Bredow war der Frachter kein Schiff mit einer lebenden und atmenden Besatzung, lediglich eine Position in seiner Schusstafel. Artillerieoffiziere mussten so sein, um effektiv zu arbeiten.

Für die Männer auf der Brücke schien es eine Ewigkeit zu dauern, bis die Geschütze nachgeladen waren, obwohl es in Wirklichkeit nur rund zwölf Sekunden waren. Dann donnerten alle drei Geschütze auf der Backbordseite. Die erste volle Salve, die der Fuchs feuerte und einen Augenblick später krachte auch das britische Geschütz.

Drei Wassersäulen stiegen aus der See, zwei vor dem britischen Schiff, eine dahinter.

»Eine Gabel!«

»Wunderschön!« Der Kommandant richtete sein Glas etwas voraus, wo die britische Granate ins Wasser schlug, vielleicht hundert Meter vor dem Bug des Fuchs. Verglichen mit den Einschlägen der Fünfzehner erschien die Einschlagsäule klein und seltsam fedrig, aber sie stand beinahe genau in der Kurslinie des Hilfskreuzers.

»Die schießen gar nicht schlecht!«

»Leider!«

Pöhl zuckte mit den Schultern. »Kann man nichts machen, wenn wir jetzt zacken, dann bringen wir nur unsere eigene Artillerie durcheinander.«

Er dachte kurz nach.

»Rufen Sie mal unsere Funker an. Die sollen feststellen, ob er funkt.«

Der Oberleutnant kam einen Augenblick später zurück.

»Er funkt RRRR! SS Alverton Grange, wir hatten Recht, Houlder Brothers. Die Funker sagen, er hat angefangen, uns zu beschreiben!«

»Funkt er auch, dass wir ihn beschießen?«

Wieder brüllten die Fünfzehner auf und unterbrachen die Unterhaltung. Dieses Mal schlugen zwei Granaten ins Wasser, die dritte schlug in die Bordwand der Alverton Grange und explodierte – sie explodierte seltsam gedämpft und dann flogen ein paar Trümmer und eine Wolke aus … irgendetwas … aus der aufgerissenen Stahlhaut.

»Was zur Hölle …?«

Brügge starrte durch sein Glas auf den Briten. »Was war das?«

Der Kommandant blinzelte. »Beruhigen Sie sich, Herr Oberleutnant!«