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Die große Liebesgeschichte von Clara und Alexander neu erzählt aus Sicht des verführerischen Kronprinzen.
Prinz Alexander liegt die Welt zu Füßen. Er ist jung, gutaussehend und der zukünftige König Englands. Und wenn der royale Bad Boy etwas will, dann nimmt er es sich – und zwar immer.
Als er bei einer Abschlussfeier an der Oxford University auf die schüchterne Clara Bishop trifft, fasziniert ihn die kluge Studentin vom ersten Augenblick an. Er kann einfach nicht anders, als sie zu küssen. Und dieser eine Kuss verändert alles: Clara geht ihm nicht mehr aus dem Kopf und zieht ihn wie magisch an. Sie ist ganz anders, als all die Frauen, die er bisher kannte. Sie scheint die erste zu sein, die in ihm nicht den Thronfolger Englands sieht, sondern den verletzlichen Mann, der er tief im Inneren ist ...
Die gesamte »Royals«-Saga von Geneva Lee
Clara und Alexander:
Band 1 – Royal Passion
Band 2 – Royal Desire
Band 3 – Royal Love
Belle und Smith:
Band 4 – Royal Dream
Band 5 – Royal Kiss
Band 6 – Royal Forever
Clara und Alexander – Die große Liebesgeschichte geht weiter:
Band 7 – Royal Destiny
Band 8 – Royal Games
Band 9 – Royal Lies
Band 10 – Royal Secrets
Belle und Smith – Ihre Liebe wird auf den Prüfstand gestellt:
Band 11 – Royal Danger
Band 12 – Royal Flames
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Seitenzahl: 426
Buch
Prinz Alexander liegt die Welt zu Füßen. Er ist jung, gutaussehend und der zukünftige König Englands. Und wenn der royale Bad Boy etwas will, dann nimmt er es sich – und zwar immer. Als er bei einer Abschlussfeier an der Oxford University auf die schüchterne Clara Bishop trifft, fasziniert ihn die kluge Amerikanerin vom ersten Augenblick an. Er kann einfach nicht anders, als sie zu küssen. Und dieser eine Kuss verändert alles: Clara geht ihm nicht mehr aus dem Kopf und zieht ihn wie magisch an. Sie ist ganz anders als all die Frauen, die er bisher kannte. Sie scheint die erste zu sein, die in ihm nicht den Thronfolger Englands sieht, sondern den verletzlichen Mann, der er tief im Inneren ist …
Autorin
Geneva Lee ist eine hoffnungslose Romantikerin und liebt Geschichten mit starken, gefährlichen Helden. Mit der »Royal«-Saga, der Liebesgeschichte zwischen dem englischen Kronprinzen Alexander und der bürgerlichen Clara, traf sie mitten ins Herz der Leser*innen und eroberte die internationalen Bestsellerlisten im Sturm. Geneva Lee lebt zusammen mit ihrer Familie im Mittleren Westen der USA.
Die gesamte »Royal«-Saga von Geneva Lee
Clara und Alexander (Band 1–3):Royal Passion · Royal Desire · Royal Love
Belle und Smith (Band 4–6):Royal Dream · Royal Kiss · Royal Forever
Clara und Alexander – Die große Liebesgeschichte geht weiter (Band 7–10):Royal Destiny · Royal Games · Royal Lies · Royal Secrets
Belle und Smith – Ihre Liebe wird auf den Prüfstand gestellt (Band 11 & 12):Royal Danger · Royal Flames
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GENEVA LEE
Roman
Band 13
Deutsch von Charlotte Seydel
Die Originalausgabe erschien 2021 unter dem Titel »X: Command Me Through Alexander’s Eyes« bei Ivy Estate, New York.Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.
Copyright der Originalausgabe © 2021 by Geneva Lee
Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2023 by Blanvalet, einem Unternehmen der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München
Redaktion: Susann Rehlein
Umschlaggestaltung und -motiv: © Johannes Wiebel | punchdesign, unter Verwendung von Motiven von LANTERIA/Shutterstock.com und stock.adobe.com (vitaly tiagunov, Evgeniy Gostuhin)
JS · Herstellung: sam/er
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
ISBN: 978-3-641-29129-7V001
www.blanvalet.de
In Gedenken an Norman Lee, der meine Kindheit mit Kunst und Kreativität, mit Geschichten von fernen Orten und mit Büchern bereichert hat. Du hast mir nicht nur meinen Namen gegeben, du hast mir die Welt geschenkt.
Über diesen Roman:
Ein einziger Kuss verändert alles …
Das hätte nie passieren dürfen. Als Clara Bishop in mein Leben stolperte, beging ich einen Fehler. Einen, der mich für immer verändern und sie alles kosten würde.
Ich habe sie geküsst.
Ich habe nicht damit gerechnet, dass es irgendwelche Folgen haben würde, aber die Amerikanerin geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich will sie in meinem Bett haben. Die Presse will sie bei lebendigem Leib verschlingen.
Und meine Familie? Die wird sie zerstören.
Wenn ich es nicht zuerst tue …
Erleben Sie den Beginn der legendären royalen Lovestory aus Alexanders Sicht, und verlieben Sie sich noch einmal aufs Neue …
Der Club ist Absolventen von Oxford und Cambridge vorbehalten, also dürfte ich eigentlich nicht hier sein. Meine Ausbildung war brutal und militärisch. Trotzdem finde ich mich auf einer weiteren oberflächlichen Party wieder und tue so, als hätte ich mit diesen Leuten noch etwas gemein. Es ist immer wieder erstaunlich, wie sich einem Türen öffnen, wenn man über Geld oder Titel verfügt. Ich verfüge über beides.
Titel habe ich gleich mehrere.
Allein mein Name öffnet jede Tür in diesem Land.
Ich scheiße auf das alles, und hier, inmitten der vielen Speichellecker, die sich damit brüsten, meine Freunde zu sein, möchte ich nur weg.
»Versteckst du dich?«, fragt Jonathan und tritt neben mir auf die Terrasse. Er holt eine Schachtel Nelkenzigaretten heraus und bietet mir eine an.
Ich schüttele den Kopf. »Nein.«
»Die Party findet da drin statt. Ich weiß, du bist ein bisschen eingerostet und hast das alles nicht mehr so richtig drauf.« Er klappt ein Feuerzeug auf und zündet sich eine an.
Jonathan Thompsons Anwesenheit ist so unangenehm wie der Geruch, der jetzt zu mir herüberweht. Ich mache ihn darauf aufmerksam, dass ich kein verwöhntes Söhnchen von der Uni bin, das unbedingt Kontakte knüpfen will. »Warum machst du eigentlich jetzt erst deinen Abschluss?«, frage ich. »Du bist zu alt.«
Vor dem Unfall war Jonathan der Freund meiner Schwester gewesen. Er ist jünger als ich, aber alt genug, dass die Studienzeit bereits hinter ihm liegen sollte.
»Nach dem Unfall habe ich zwei Jahre Pause gemacht«, sagt er leichthin und nimmt einen Zug von seiner Zigarette.
»Wie schön, dass du dir das erlauben konntest, anderen war das nicht vergönnt«, erwidere ich. Ohne nachzudenken, greife ich nach seinen Zigaretten und nehme mir eine aus der Schachtel. Ich muss etwas Zerstörerisches tun, das nichts mit Jonathans Gesicht zu tun hat.
Es widerstrebt mir zutiefst, wie locker er mit dem Unfall umgeht, der meine Schwester aus dem Leben gerissen hat. Aber er war in jener Nacht nicht mit im Wagen gewesen, er war im Club geblieben. Er ist nur einer von vielen, die um sie trauern. Er ist nicht für das verantwortlich, was ihr passiert ist.
Im Gegensatz zu mir.
»Ich denke jeden Tag an sie«, sagt Jonathan.
Ich mustere ihn und sehe, was andere nicht sehen: Die Arroganz und der Charme sind eine Maske. Gut möglich, dass er tatsächlich an Sarah denkt und am Boden zerstört ist wegen dem, was passiert ist. Es interessiert mich nicht.
Er interessiert mich nicht. Er ist es nicht wert.
»Sehen wir uns später noch im Brimstone?«, fragt er.
Ich nicke. Ein warmes Plätzchen für meinen Schwanz zu finden, ist ein netter Zeitvertreib, und ich bin in diesem Club zu einer festen Größe geworden. Der Lärm, die dicht gedrängten Körper – es ist so nah an der Hölle, wie das in London eben möglich ist, und genau da gehöre ich hin.
»Lade ja nicht Pepper ein«, sage ich. Die Blondine folgt mir wie ein Schatten, seit ich zurück nach Hause gekommen bin, und ist genauso schwer loszuwerden.
»Keine Sorge.« Er zuckt mit den Schultern, als wüsste er, dass sie eh da sein wird, und gibt mir Feuer. Ich hatte vergessen, dass ich mir eine Zigarette genommen hatte. »Ich gehe besser zurück«, sagt er.
Ich drehe mich um, sehe ihm hinterher und frage mich, ob das den Rest meines Lebens so weitergehen wird. Von einer Bar in die nächste, von einem Club in den nächsten, und überall warten Fotografen und Schleimer auf mich – ich habe es nicht anders verdient. Man mag mich damals aus London fortgeschickt haben, aber entkommen bin ich nie wirklich.
Vor sieben Jahren beging ich einen Fehler, die letzten sechs Jahre habe ich dafür bezahlt, und jetzt tun alle so, als müssten wir endlich mal zu unserem früheren Leben zurückkehren.
Ich muss mich irgendwie ablenken.
Und obwohl mein Vater sich nicht für mich interessiert, geschweige denn dafür, wo ich nachts hingehe, weiß ich doch, dass es einen Ort gibt, an dem er mich nicht wissen will.
Und das ist zufällig der einzige Club, der mich überhaupt interessiert.
Man wird mir dort Zutritt gewähren. Aber als man mich dort das letzte Mal hinausgeschleppt hat, klebte Blut an meinen Händen, und mit diesem Kapitel habe ich abgeschlossen.
Ich weiß nicht, wie lange ich es schaffe, die Dunkelheit zu ignorieren, die nach mir ruft. Es müsste schon ein Wunder geschehen, um mich auf Dauer von dort fernzuhalten.
Als ich gerade wieder hineingegangen bin, stürzt eine Frau in den Saal und sieht sich hektisch um, als wäre sie auf der Flucht. Als ihr niemand folgt, lässt sie sich gegen die Wand sinken und zupft unbehaglich an ihrem schwarzen Kleid herum. Es ist etwas zu eng, genau wie es bei einer Frau wie dieser sein sollte. Der Stoff spannt sich über ihren Brüsten, und sofort möchte ich sie befreien und in meinen Mund nehmen.
Fast höre ich die Frau schon stöhnen.
Als sie mich schließlich bemerkt, erschrickt sie. Ihre Hand fliegt zu diesen perfekten Brüsten, und sie keucht – das wundervollste kleine Geräusch der Welt. Dabei habe ich sie nicht einmal berührt. Noch nicht. Ich möchte, dass sie das noch mal macht, möchte herausfinden, welche anderen Laute ich ihr entlocken kann.
Die Stille zwischen uns dehnt sich aus, während sie mich durchdringend ansieht, zweifellos um herauszufinden, wen sie da entdeckt hat. Dann zieht sie die Augenbrauen zusammen.
»Ich glaube, Rauchen ist hier verboten«, sagt sie überheblich und tut so, als hätte sie die Situation unter Kontrolle. Sie scheint der Typ zu sein, der gern auf Nummer sicher geht. Ihr Körper, der sich immer wieder verräterisch zu mir herüberneigt, scheint das anders zu sehen. Ich widerstehe dem Drang, sie mit dem Finger zu mir heranzuwinken.
Ich muss nicht ausprobieren, ob sie kommen würde. Ich weiß es.
»Ich bitte vielmals um Entschuldigung.« Ich versuche, mir ein Grinsen zu verkneifen, und scheitere. Es gibt so viele Dinge, die hier nicht erwünscht sind, und ich erwäge, sie alle mit ihr zu tun. »Willst du mich wegen ungebührlichen Benehmens melden?«
Sie tritt näher und blinzelt dann verwirrt, als wüsste sie nicht, wie das passieren konnte. »Ich will bloß nicht, dass du Ärger kriegst.«
»Nein, das wollen wir definitiv nicht.« Unartige Gedanken durchströmen mich und zaubern ein Grinsen auf mein Gesicht. Ich will sie in Schwierigkeiten bringen.
Sie errötet, als wüsste sie, was ich denke – oder vielleicht denkt sie dasselbe. Nur dass dieses Mädchen nicht weiß, was es denken soll. Das merke ich daran, wie sie mich immer wieder ansieht. Sie möchte, dass ich mit ihr ins Bett gehe. So viel ist mir bereits klar. Aber ich bin nicht an gewöhnlichem Sex interessiert. Ich will sie in Besitz nehmen. Ich will Dinge mit ihr anstellen, die ihre weiche weiße Haut erröten lassen.
Sie beißt sich auf die Unterlippe, und ich erahne, wie ihr Gesicht aussieht, wenn sie meinen Schwanz reitet. Ich ziehe eine Augenbraue hoch – einladend und fragend zugleich.
Weiß sie, worum ihr Körper da gerade bittet?
»Rauchen ist übrigens gesundheitsschädlich«, sagt sie schnell.
Ich bin zu ihr durchgedrungen. Das ist gut. Das macht die Sache noch interessanter.
»Da bist du nicht die Erste, die mir das sagt, Süße.« Ohne hinzuschauen, schnippe ich die Zigarette in den Mülleimer. Ich möchte ihr sagen, dass ich nicht rauche, ich möchte sie fast so sehr beruhigen, wie ich sie berühren möchte. Eigentlich gibt es keinen Grund, warum mir wichtig sein sollte, was sie von mir denkt. Warum ist es mir dann wichtig?
»Sind wir uns schon mal irgendwo begegnet?«
Mit der Frage habe ich zuallerletzt gerechnet, und dann wird mir klar, warum sie mir aufgefallen ist. Diese Frau hat es nicht auf mich abgesehen. Sie ist nicht hier, um sich einen Prinzen zu angeln, denn sie hat keine Ahnung, wer ich bin.
»Das hätte ich sicher nicht vergessen. Ich gehe eher davon aus, dass mein Ruf mir vorausgeeilt ist«, sage ich und verlasse mich auf meinen Charme, doch es berührt mich, wie echt dieser Moment ist. Sie fühlt sich zu mir hingezogen. Aus welchem Grund auch immer, mit meiner Familie und meinem Titel hat es jedenfalls nichts zu tun.
Und das ist bei niemandem sonst so. Selbst ich sehe hauptsächlich meinen Titel, wenn ich morgens in den Spiegel blicke.
»Aha, ein Frauenheld also?«, fragt sie und wirkt weder überrascht noch interessiert.
»So etwas in der Art«, erwidere ich und frage mich, was sie von mir will. »Wie kommt eine Amerikanerin in diesen versnobten, öden Schuppen?«
Ihr Lächeln wirkt gezwungen, offenbar habe ich einen Nerv getroffen. »Ich bin zwar in den Staaten aufgewachsen, aber trotzdem britische Staatsbürgerin. Meine Mom ist Amerikanerin und hat meinen Dad beim Studium in Berkeley kennengelernt.«
Weiß sie deshalb nicht, wer du bist?
»Und noch dazu ein California Girl. Wie jemand den Strand gegen das verregnete London eintauschen kann, ist mir ein Rätsel.«
»Ich mag Nebel.« Ihre Stimme ist sanft, bei ihrem Klang neige ich instinktiv den Kopf, damit mir kein Wort entgeht.
Ich möchte sie fragen, ob sie auch die Dunkelheit mag. Aber ich kenne die Antwort bereits. Diese Frau ist pures Licht, sie passt nicht in meine Welt.
Sie streckt ihre Hand aus, und ich starre sie einen Moment lang an. »Ich bin übrigens Clara.«
»Freut mich, dich kennenzulernen, Clara.« Ich nehme ihre Hand und führe sie an meine Lippen, ich will sie schmecken – nur einmal. Aber in dem Moment, in dem mein Mund ihre Haut berührt, spüre ich es. Es ist wie ein elektrischer Schlag, der in meine Lenden fährt und von dort nach oben in mein Herz.
Aber das befriedigt mich nicht. Mein Blick bleibt an ihren Lippen hängen, und ich frage mich, ob die mich wohl befriedigen würden, als eine mir bekannte, aber keineswegs angenehme Blondine um die Ecke biegt.
Clara zieht ihre Hand zurück, und ohne nachzudenken, ergreife ich ihren Arm und ziehe sie an mich. Es gefällt mir, wie ihr Körper sich an meinen schmiegt, als ich mein Gesicht zu ihrem neige. Ich muss sie küssen. Mein ganzes Sein drängt darauf, dass diese Frau in meine Arme kommt, und ich fasse besitzergreifend um ihre Taille. Sie zögert einen Moment, ehe sie nachgibt und willig die Lippen öffnet. Ich schiebe die Zunge zwischen ihre Zähne, und sie gibt allen Widerstand auf. Es ist kein Tanz, kein Spiel – das hier ist echt.
Ihre Beine geben nach, und ich fange sie auf und halte sie an meinen Körper.
Dort gehört sie hin. Genauso wie meine Hand auf ihren Rücken gehört. Das Gefühl, das sie fast in die Knie gezwungen hat, glaubte ich schon lange verloren. Es ist eine seltsame Mischung aus Hoffnung und Sehnsucht, fast so etwas wie Zuversicht.
Als ich sie freigebe, wankt sie, und ich fange sie erneut auf.
Das Gefühl pulsiert weiterhin in mir. Es kribbelt auf meiner Haut und fließt heiß durch meine Adern. Ich möchte sie wieder küssen. Am liebsten würde ich mich mit ihr davonstehlen.
Ich will es so sehr, dass ich es gerade deshalb nicht tue.
Sie sucht meinen Blick, und in ihren Augen lese ich eine Frage, die ich nicht beantworten kann. »Wieso?«
»Meine Motive sind nicht gerade edelmütig«, sage ich, nehme meine Hand von ihrem Rücken und möchte sie am liebsten sofort wieder berühren. »Diese Frau war ein schrecklicher Fehler.«
»Du hast mich geküsst, um nicht mit deiner Ex-Freundin reden zu müssen?«
»Als Ex-Freundin würde ich sie nicht bezeichnen, trotzdem bitte ich vielmals um Entschuldigung.« Bleib höflich, befehle ich mir. Peppers Auftauchen war ein Vorwand, um zu tun, was ich ohnehin tun wollte.
Ich habe gern die Kontrolle. Das erwarte ich genauso von mir wie von anderen, doch gerade ist sie mir vollkommen entglitten.
Sie mustert mich aus ihren großen Augen, die einen hellen Grauton haben – die Farbe von schwerem Morgennebel. Ich glaube, ich könnte mich in ihren Augen verlieren und glücklich sein. Ich mache schon einen Schritt auf sie zu, überlege es mir dann anders und gehe wieder in Richtung der Terrasse.
»Glückwunsch zum Abschluss.«
»Hast du auch gerade deinen Abschluss gemacht?«, fragt sie leise.
Sie hat wirklich keine Ahnung, wer ich bin, und ich kann mir ein Lachen nicht verkneifen. Diese rätselhafte, anziehende Frau will wissen, wer ich bin. »Ich habe einen etwas anderen Berufsweg eingeschlagen. Was wird das hier? Wer bin ich? Willst du mir zwanzig Fragen stellen?«
»Verrätst du mir, wer du bist?«, fragt Clara.
Ich zwinkere und spiele die Rolle, die mir zugedacht wurde. »Tja, Süße, das musst du wohl selbst herausfinden.«
»Du hast also einen anderen beruflichen Weg eingeschlagen, ja? Aber du bist hier«, sie macht eine ausladende Geste, »in einem feudalen Club. Also bist du entweder ein gut angezogener Kellner oder jemand, der Geld hat?« Ihre Augen verengen sich. Ich habe sie verärgert, und ich habe Lust, das gleich noch mal zu tun. Ich will sehen, wie sie darauf reagiert.
»Das war keine Frage, die sich mit Ja oder Nein beantworten lässt.«
»Wenn du nicht spielen willst …« Sie dreht sich zu der Party um, die sie verlassen hat, und ich will nicht, dass sie zu diesen Leuten zurückgeht.
»Ich will nur nach den Regeln spielen. Es sei denn, es ist dir lieber, wenn ich die Fragen stelle«, schlage ich vor.
Sie schluckt, und ich stelle mir vor, wie sensibel ihr Körper sein muss. Wenn sie so schon auf ein Gespräch reagiert …
Fuck.
»Na gut. Hat deine Familie Geld?«, fragt sie.
»Könnte man so sagen, ja.« Sie spielt.
»Ja oder nein.«
»Ja«, sage ich, beuge mich vor und nehme eine Locke von ihrem Haar. Es ist so weich wie ihre Lippen, und das lässt meinen Schwanz daran denken, wie zart andere Stellen von ihr sein müssen. »Bin ich wieder dran?«
»Ich habe noch nicht alle zwanzig Fragen durch«, flüstert sie.
»Dann verpulvere sie nicht alle auf einmal.« Ich streiche ihr die Haarsträhne hinters Ohr. »Man sollte immer ein Ass in der Hinterhand behalten.«
»Du weißt bereits, wer ich bin.«
»Aber es gibt noch eine Menge Dinge, die ich gern über dich erfahren würde.« Ich widerstehe dem Drang, flüchtig ihren Hals zu küssen. Stattdessen streichen meine Worte über ihre Haut, und ich sehe, wie sie zittert. »Und ich kann es kaum erwarten, dein Ja zu hören.«
»Und wenn die Antwort Nein lautet?«
»Das wird sie nicht, glaub mir.« Ich kann mir nicht verkneifen, noch einmal von ihr zu kosten, und hauche einen Kuss auf ihren Kiefer.
Sie schiebt ihr Kleid zurecht, aber das verdeckt weder die festen Nippel, die sich durch den Stoff abzeichnen, noch die Röte auf ihren Wangen.
»Letzte Frage«, sage ich. »Dann werden wir sehen, wie gut du im Raten bist.«
Sie zögert eine gefühlte Ewigkeit lang, und ich frage mich, ob sie es herausfinden wird.
»Wer bist du?«, fragt sie.
Ich schüttle den Kopf und sage lautlos Ja oder Nein, aber mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Irgendwie war das genau die richtige Frage. Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Antwort darauf kenne.
»Ich sollte zurückgehen«, sagt sie.
Ich lasse meinen Blick über ihren Leib gleiten und frage mich kurz, ob ich der Mann sein könnte, den sie in mir sieht. »Ich hoffe, ich sehe dich irgendwann wieder, Clara.«
Ich warte nicht, bis sie geht, sondern drehe mich zur Terrasse und frage mich, was zum Teufel gerade passiert ist. Am liebsten würde ich sie fragen. Ich will wissen, was sie empfunden hat. Doch als ich mich wieder umdrehe, ist sie verschwunden. Ihr Duft, Vanille und Rose, hängt in der Luft, genauso wenig greifbar wie ihre letzte Frage, aber es ist ihr Kuss, der bleibt.
Und ich will mehr.
Schlammverschmiert und blutig schleppe ich mich voran. In der Ferne rauchen die Überreste eines Helikopters. Ich muss meine Freunde erreichen, der Gedanke treibt mich vorwärts. Doch dann sehe ich sie im Schlamm liegen. Als ich mich zu ihr durchkämpfe, werde ich von grellem Licht geblendet.
Scheinwerfer.
Ich stehe auf einer Straße in London. Als ich einen brennenden Schmerz an meiner Seite spüre, schaue ich nach unten und stelle fest, dass eine Rippe herausragt und mein Fleisch in Fetzen hängt. Mein Blick fällt wieder auf sie, auf ihren verdrehten Körper auf dem Asphalt, und mir kommt die Galle hoch. Doch als ich zu ihr hinke, niederknie, ihren Körper in meine Arme nehme und versuche, einen Puls zu finden, fühle ich nichts. Jemand schreit, aber ich kann sie nur anstarren. Das ist nicht meine Schwester. Es ist jemand anderes.
Sie ist es.
Eine Hand packt mich an der Schulter, und ich schnelle hoch, hole Schwung, um mich zu wehren. Nur knapp verfehlt meine Faust ein Gesicht, das besorgt auf mich herabblickt, und streift eine Brille.
»Alex, beruhige dich.« Edward springt zurück, bevor ich zu einem weiteren Schlag ausholen kann.
Ich blinzele und nehme verschwommen Damast-Tapeten an den Wänden wahr, die die Bilder von Schlachtfeldern und blutigem Asphalt ersetzen. Ich lasse mich in den Sessel zurücksinken, streiche mir mit der Hand durchs Haar und schaue auf die Uhr. Sechs Uhr morgens. Na, toll.
»Alles okay?«, fragt Edward vorsichtig. Seit ich wieder in London bin, bewegt er sich in meiner Nähe wie auf rohen Eiern. Ich kann es ihm nicht verdenken. Wir sind praktisch Fremde. Als ich wegging, war er noch ein Kind. Jetzt ist er erwachsen und hat seine eigenen Probleme.
»Alles okay«, belle ich, meine Kehle ist trocken.
»Du hast …«, er zögert, als ob er abwäge, was er sagen soll.
»Geschrien«, vervollständige ich den Satz für ihn. In meinen ersten Monaten in Afghanistan wurde ich wegen meiner Albträume von meinen Kameraden gehänselt. Danach hatten sie selbst genug Schreckliches gesehen, sodass ich nicht mehr der Einzige war, der in der Nacht schrie. Keiner verspottete mich mehr. Andererseits redete auch niemand mehr überhaupt darüber. »Alles gut. Hab nur schlecht geträumt.«
»Schläfst du immer noch hier draußen?« Mein Bruder nimmt mir gegenüber Platz. Er ist noch im gestreiften Seidenpyjama, sein Haar ist vom Schlaf zerzaust, aber er wirkt nicht müde.
»Das Bett ist zu bequem.« Ein Bett ist für jemanden, der weich und herzlich ist. Jemanden wie sie: die Frau, die ich geküsst habe. Clara. Ich denke an ihre Lippen. Dann kehrt der Traum zurück, und ich erinnere mich, dass sie es war, die darin auf der Straße lag.
Aber warum?
»Zu bequem?« Edward reißt mich aus meinen Gedanken. Er hebt eine Augenbraue, aber er drängt mich nicht, darüber zu reden. Er denkt sich seinen Teil und ahnt, dass es mit dem zu tun hat, was ich erlebt habe. Es ist Tradition im Königshaus, niemanden zu bedrängen. Wenn etwas ungesagt bleiben kann – wenn eine unangenehme Wahrheit verdrängt werden kann –, tut man das wohlweislich. Hinter diesen Mauern bleibt eine Menge ungesagt, und ich bin nicht der Einzige, der schweigt.
»Warum bist du überhaupt hier?«, frage ich ihn.
»Du hast geschrien«, erinnert er mich. Sein Schlafzimmer befindet sich am Ende des Korridors.
»Nicht hier.« Ich deute auf das Wohnzimmer, das zu meinem inoffiziellen Schlafzimmer geworden ist. »Warum bist du in Buckingham?«
»Der gute alte Dad wollte, dass ich eine Weile hierbleibe, bevor ich mich woanders niederlasse.« Er klingt, als sei das eine schwere Bürde. »Als ich in St. Andrews fertig war, bestand er darauf, dass ich direkt nach Hause komme und in meine Aufgaben eingewiesen werde.«
»Die da wären?«, frage ich. Mir geht mein Vater derzeit strikt aus dem Weg. In den wenigen Monaten, die ich zu Hause bin, haben wir kaum mehr als fünfmal miteinander gesprochen. Über meine Pflichten hat er nichts gesagt, nur dass ich immer mal wieder zu irgendwelchen Terminen erscheinen muss. Er fragt mich nicht nach den Träumen oder warum ich nachts in einem Sessel schlafe. Und das ist mir ganz recht, denn ich hasse diesen Mann, und ich hasse es, sein Erbe zu sein.
»Mich benehmen. Lächeln.« Edward zwingt ein Lächeln auf sein Gesicht, als wollte er mir eine Kostprobe geben.
»Dich verstellen«, füge ich für ihn hinzu.
»Mich verstellen?«, wiederholt er und gibt den Ahnungslosen, eine Rolle, die er gut einstudiert hat.
Offensichtlich will er mir nicht sagen, was los ist. Während seines letzten Semesters hat er ein paar Wochenenden zu Hause verbracht, und wir sind mit ein paar Freunden aufs Land gefahren. Ich habe genug Zeit mit meinem kleinen Bruder verbracht, um sein Geheimnis zu kennen.
»Ich weiß es«, sage ich bedeutungsvoll.
»Ich bin mir nicht sicher …«, hebt er an.
»Hör zu, ich verstehe das. Wenn du es mir nicht sagen willst. Du … du kennst mich ja kaum, aber ich sehe dich mit ihm.« Edward soll nicht denken, er müsse vor mir verbergen, wer er ist, so wie bei unserem Vater.
»Wovon redest du?« Er spielt immer noch den Dummen.
»David.« Von mir aus kann er unangenehme Themen meiden, wie es in der Familie üblich ist, aber ich kann das nicht. Wenn wir es zulassen, werden uns die Geheimnisse lebendig begraben.
»Das weiß niemand«, sagt er leise. Er lässt sich in seinen Sessel sinken, senkt den Kopf.
»Ich nehme an, David schon.«
»Er ist sich dessen durchaus bewusst«, entgegnet Edward trocken.
»Und verheimlicht er auch, dass er vom anderen Ufer ist?«
Edwards Augen funkeln, und ich merke, dass ich einen Fehler gemacht habe. »Sorry. Darf man das nicht sagen?«
»Vermutlich schon. Ich denke nicht über die Bezeichnung für uns nach«, gibt er zu, »und ja, ich glaube, er tut es, aber halbherzig.«
»Was zum Teufel soll das bedeuten?«
»Ich denke, er würde offen damit umgehen, wenn …«
»Wenn du es tun würdest.« Einen Royal zu lieben, ist ein zweischneidiges Schwert. Als Kind hatte ich einen flüchtigen Eindruck davon bekommen. Meine Mutter, die Frau, die ich kannte und liebte, verwandelte sich in eine andere, wenn eine Kamera auftauchte. Sie verstummte, nahm seinen Arm und wurde zu einer anderen Frau – seiner Frau. Seiner Königin.
Aber sie war nie gleichberechtigt.
Es ist noch nicht vorbei. Edward weiß das. Und ich weiß es auch.
Warum zum Teufel sollte er jemanden in dieses Leben hineinziehen – wenn auch nur heimlich?
»Liebst du ihn?«, frage ich und überlege, wie weit er es hat kommen lassen.
»Ja«, murmelt er.
»Shit.«
»Ich schätze, deinen Segen habe ich.« Er klingt matt, aber ein wenig hoffnungsvoll.
»Liebe macht die Dinge kompliziert.« Besonders für uns.
»Ich denke, schwul zu sein ist schon kompliziert genug«, erwidert Edward. »Da macht die Liebe auch keinen großen Unterschied mehr.«
»Weiß er es? Vater?«
Edward lacht freudlos. »Natürlich. Warum, denkst du, lebe ich wohl derzeit unter seinem Dach? Ich frage mich, wo er mich hinschicken wird, damit ich wieder ›in Ordnung‹ komme.«
»Hab keine Angst vor ihm.«
»Hab ich nicht. Ich bin nur … nicht jeder kann einfach so weggehen.«
Ich beiße die Zähne zusammen und verkneife mir eine wütende Erwiderung. Er weiß nicht, warum ich weggeschickt wurde. Er hat keine Ahnung, wie real diese Gefahr ist, und wenn ich es ihm sage, wird er nie den Mut haben, sich selbst gegenüber ehrlich zu sein. Stattdessen halte ich mich an die Fakten. »Krieg ist kein Urlaub.«
»Tut mir leid. Das war schrecklich von mir, das hätte ich nicht sagen sollen.«
Ich winke ab. »Ich glaube, die letzten sieben Jahre waren für uns beide nicht so prickelnd. Wobei du immerhin die Uni abgeschlossen hast. Du bist viel toller als ich«, erinnere ich ihn.
»Komm schon. Du bist ein Kriegsheld«, sagt er. »Die Party heute Abend ist für uns beide.«
Ist sie nicht, aber ich korrigiere ihn nicht. Ich werde wie ein prämierter Hengst auf seiner Abschlussfeier vorgeführt, nicht als Ehrengast. Mein Vater will mich nur als Deckhengst einsetzen, sobald ich eine passende Frau – die zweifelsohne er für mich aussuchen wird – gefunden und geheiratet habe. Der Anstand muss gewahrt bleiben. Dann wird er mich überleben und den Thron an mein Kind übergeben.
Stur genug ist er, und er ist zu dumm, um zu merken, dass ich die Krone gar nicht haben will. Ich werde nicht heiraten. Ich werde die Blutlinie nicht weiterführen.
»Du hast eine andere Art der Ausbildung genossen«, sagt Edward freundlich und missversteht mein Schweigen.
»Ja, ich habe wohl einen Abschluss in Leid und Blut. Ich habe gelernt, wie ein Schlachtfeld funktioniert. Furcht treibt uns an. Sie lässt Männer nach Macht streben und bringt Menschen dazu, schreckliche Dinge zu tun. Sie beherrscht uns alle.«
»Das hat man uns in St. Andrews nicht beigebracht.«
»Keine Sorge, ich werde es heute Abend in meinem Toast nicht erwähnen«, verspreche ich ihm.
»Ich weiß nicht«, sagt er nachdenklich. »Ich hätte nichts dagegen, sein Gesicht zu sehen, wenn du das sagst.«
Ich kann mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. »Na gut. Dann mache ich das. Betrachte es als Abschlussgeschenk.«
»Wessen Abschlussfeier ist das?« Mein Vater stürmt in den Frühstücksraum, lässt einen Stapel Zeitschriften fallen und stößt dabei fast die Teekanne um.
»Edwards, dachte ich.« Ich mache mir nicht die Mühe, auf den Titel des Klatschblatts zu schauen, mit dem er wedelt. Schließlich will er, dass ich das tue, was mir Grund genug ist, es nicht zu tun.
»Wir sind hier nicht in einem eurer Disco-Clubs«, brüllt er.
»Disco-Club? Du drückst dich etwas kryptisch aus.«
Seine Augen verengen sich, und es ist, als würde ich in meine eigenen sehen. Die blauen Augen sind das Einzige, was wir gemeinsam haben. Obwohl meine leuchtender geworden sind und seine wässrig, welch eine Ironie, habe ich doch den Mann noch nie weinen sehen.
»Ich habe über deine nächtlichen Eskapaden hinweggesehen. Jeder versteht, dass du Nachholbedarf hast. Da ist nichts dabei«, sagt er in scharfem Ton. »Aber jetzt reden wir vom verdammten Oxford und Cambridge Club. Wer ist diese Frau?«
Nun wandert mein Blick doch zu der Zeitung, und unser Geplänkel interessiert mich nicht mehr. Es sind zwei Bilder. Das erste zeigt sie, wie sie aus einer Wohnung kommt und nicht im Entferntesten ahnt, dass sie fotografiert wird. Sie trägt Shorts und Turnschuhe und ist schöner, als ich sie in Erinnerung habe – schöner als in meinen Träumen, in denen sie herumgeistert. Die andere Aufnahme lässt meine Eier schmerzen. Jemand hat ein Foto von unserem Kuss gemacht. Ich kann mir gut denken, wer das war, und werde dafür sorgen, dass Pepper dafür bezahlt. Fürs Erste verliere ich mich in der Erinnerung, die in diesem Klatschblatt durch den Schmutz gezogen wird. Wie sich ihr Körper an meinen presste. Wie sich ihre Lippen trotz ihrer Überraschung so willig öffneten. Sie gab sich dem Kuss so natürlich hin, dass ich sie fast hochgehoben und wie eine Trophäe davongetragen hätte.
Warum habe ich das nicht getan?
»Wer ist sie?«, grollt er.
»Clara Bishop.« Ich habe versucht, nicht an diesen Namen zu denken. Dass ich weiß, wie sie heißt, macht es schwieriger, mich von ihr fernzuhalten. Ich habe überlegt, ob ich sie aufsuchen soll, aber irgendetwas an ihr ist gefährlich. Das spüre ich.
»Ich weiß, wie sie heißt«, bellt er, reißt mich aus meinen Gedanken und lenkt meine Aufmerksamkeit auf unsere Auseinandersetzung zurück. »Jeder weiß, wie sie heißt. Ich will wissen, was sie für dich ist!«
»Wie bitte?« Ich verstehe seine Frage nicht. Denn mein Vater, der weder scharfsinnig noch einfühlsam ist, kann meine Gedanken nicht lesen. Er weiß nicht, dass ich mich frage, warum sogar dieses unscharfe Bild so eine Wirkung auf mich hat.
»Ist es ihre Abschlussfeier? Ist sie deine Geliebte? Wie habt ihr euch kennengelernt?« Er bombardiert mich mit derart vielen Fragen, dass ich das Gefühl habe, auf einer Pressekonferenz zu sein.
»Sie ist eine Frau, die ich kennengelernt habe.« Ich versuche, lässig zu klingen, auch wenn ich mich kein bisschen so fühle. Clara ist nicht nur irgendeine Frau, die ich kennengelernt habe. Sie ist ein Mysterium. Sie ist der Star in meinen Albträumen und geistert durch meine Tagträume. Dabei kenne ich sie überhaupt nicht, und das sage ich ihm auch.
»Du kannst nicht in exklusiven Clubs herumlaufen und irgendwelche Frauen küssen, insbesondere keine Amerikanerinnen. Die Presse nimmt an, dass du in sie verliebt bist.«
»Verliebt?«, wiederhole ich. »Da müssen sie aber noch eine Menge über mich lernen. Es war Jonathans Abschlussfeier – du hast mich gezwungen, hinzugehen.«
Das überhört er. »Was denkst du, was du damit für eine Botschaft sendest? Die Leute spekulieren, ob das mit euch etwas Ernstes ist.«
»Ist es nicht«, erwidere ich kategorisch. Ich hatte mich gezwungen, sie in Ruhe zu lassen und keinen Kontakt zu ihr aufzunehmen. Das ist schwieriger, wenn mein Vater sie in die Sache hineinzieht.
»Die Presse belagert ihre Wohnung. Ich hoffe, du hast offen mit ihr gesprochen und dass sie keine geltungssüchtige …« Er bricht ab und starrt mich an, als ich mein Frühstück stehen lasse und mich in Richtung der Räume begebe, die ich hauptsächlich als Kleiderschrank benutze. »Wohin gehst du?«
»Ich lasse nicht zu, dass man sie belästigt. Die haben kein Recht, in ihre Privatsphäre einzudringen.«
»Und was hast du vor?«, fragt er. »Willst du denen das etwa sagen? Du warst zu lange weg. Ich habe keine Zeit, dir jetzt deine Rolle zu erklären, aber erlaube, dass ich deinem Gedächtnis kurz auf die Sprünge helfe. Der Presse ist die Wahrheit egal. Die interessiert nur, womit sich die Auflage steigern lässt. Wenn du die Aufmerksamkeit auf die Frau lenkst, machst du es nur noch schlimmer.«
»Ich sollte mich bei ihr entschuldigen«, hebe ich an.
»Papperlapapp. Deinen Schwanz in der Hose lassen hättest du sollen. In ein paar Stunden beginnt die Geburtstagsfeier. Du gehst nirgendwohin«, informiert er mich. »Und du siehst sie nicht wieder, damit das klar ist. Sie ist in jeder Hinsicht eine unpassende Partie.«
»Nicht das schon wieder«, murmle ich.
»Es ist nicht egal, mit wem du gesehen wirst. Eine Amerikanerin, wirklich? Du triffst sie nicht wieder«, sagt er mit der Haltung von jemandem, der es nicht gewohnt ist, dass man ihm widerspricht.
Weshalb ich es automatisch tue.
»Nein.« Ich gehe an ihm vorbei in Richtung meines Zimmers, in dem mein Smoking auf mich wartet. »Vielleicht verliebe ich mich ja gerade in sie.«
Das wird nicht passieren, aber wenn ich seinen Gesichtsausdruck sehe, könnte ich es mir fast noch mal überlegen.
Bei Gartenpartys vermisse ich den Krieg, dort trug man keine lächerlichen Hüte oder teilte beim Small Talk Spitzen gegen sein Gegenüber aus. In Edwards Freundeskreis geht es weniger höflich zu als in einer Militärkantine, und die Umgangsformen hier sind deutlich unangenehmer.
Doch mein Bruder spielt seine Rolle gekonnt: Er gibt sich charmant und lässig, flirtet mit einer Rothaarigen und ignoriert geflissentlich seinen Freund, der allein an einem Tisch sitzt.
Wenn das meine Zukunft ist – Teepartys und Lügen – wünschte ich, ich wäre nie zurückgekommen. Zumindest wäre alles einfacher, wenn ich nie weg gewesen wäre. Dann stünde ich diesem Leben jetzt nicht angewidert gegenüber, ich wäre daran gewöhnt, es wäre normal. Aber nach allem, was ich erlebt habe, passe ich nicht mehr hierher.
Ich will nicht hierherpassen.
Gerade will ich mich dezent zurückziehen, als Pepper Lockwood mich in die Finger kriegt. Klugerweise hat sie ihre Mutter mitgebracht. So kann ich ihr keine Vorwürfe wegen ihrer Aktion gegen Clara machen. Soweit ich das beurteilen kann, ist es mit ihrer Intelligenz dennoch nicht weit her, denn es war richtig, richtig dumm von ihr, mich zu verärgern. Ich weiß, dass sie das Foto von uns gemacht und es verkauft hat. Was ich nicht verstehe, ist, warum.
In ihren blaugeblümten Kleidern fügen die Lockwoods sich gut in die Szenerie ein. Es ist amüsant, Pepper so zu sehen – sie ist dezent geschminkt und gibt sich zurückhaltend. In den Clubs macht sie auf verführerische Sirene und wartet, dass jemand ihren Reizen erliegt, was mir übrigens nie passieren könnte. Doch hier hat sie andere Ziele. So wie es aussieht, sind beide Lockwood-Frauen auf der Jagd nach Ehemännern.
»Alexander«, Mrs. Lockwoods Stimme klingt zuckersüß, als sie meinen Arm fasst. »Ich kann nicht glauben, wie sehr du dich verändert hast. Du bist jetzt ein Mann.«
Was für ein Glück, dass sie da ist, um mir das zu sagen.
»Aber Sie sind nicht einen Tag gealtert«, erwidere ich, und das ist keine Floskel. Dank der modernen plastischen Chirurgie ist es wahr. »Ihr könntet als Schwestern durchgehen.«
Pepper scheint diese Bemerkung weniger schmeichelhaft zu finden, was umso erfreulicher ist, weil es stimmt.
»Immer noch ein Schwerenöter.« Mrs. Lockwood zeigt ihre strahlend weißen Zähne. »Es sei denn, an den Gerüchten ist was dran …«
»An den meisten Gerüchten über mich ist was dran.« Es ist einfacher, wenn ich so bin, wie sie mich haben wollen. An etwas anderem ist niemand interessiert.
»Aber du triffst dich doch wohl nicht mit einer Amerikanerin!« Sie schlägt sich eine Hand auf die Brust, als ob ihr diese Vorstellung tatsächlich Schmerzen bereiten würde.
Ich wünschte, ich könnte diese Amerikanerin jetzt treffen, aber da Pepper mich in diesen Schlamassel gebracht hat, bin ich lieber vorsichtig in ihrer Gegenwart. Was immer ich sage, könnte leicht morgen als Schlagzeile erscheinen.
»Nein«, schnaube ich. »Natürlich nicht. Da hat mir jemand einen Streich gespielt.«
»Nun, das ist aber ein schlechter Scherz und kein bisschen lustig«, sagt sie ernst.
Ich richte meinen Blick auf Pepper. »Nein, ganz und gar nicht.«
»Du musst eben aufpassen, wen du küsst«, sagt Pepper unschuldig.
»Ich glaube, ich muss mich eher vor meinen Freunden in Acht nehmen«, sage ich. Ich zwinge mich zu einem Lächeln für Mrs. Lockwood und deute mit dem Kopf nach rechts. »Bitte entschuldigen Sie mich. Ich muss zu meinem Bruder.«
Ich möchte einen Moment allein sein, aber das ist mir nicht vergönnt. Irgendein Pressesekretär oder Attaché zerrt mich in Richtung des Zeltes, in dem mein Vater und mein Bruder warten. Edward lächelt angespannt. Als ich einen Blick zum Tisch hinüberwerfe, sehe ich, dass David nicht lächelt.
Mein Vater macht sich nicht die Mühe, so zu tun, als sei er froh, dass wir hier sind. Das hält ihn aber nicht davon ab, eine Champagnerflöte zu erheben.
»Danke, dass Sie heute gekommen sind, um meine Söhne zu feiern. Kein Vater könnte stolzer sein.« Seine Stimme dröhnt über die Menge, die in andächtiges Schweigen verfällt.
Mir entgeht nicht, was er mit seiner Aussage eigentlich meint – nämlich das genaue Gegenteil. Nach der Art und Weise zu urteilen, wie Edward das Gesicht verzieht, ist es ihm ebenfalls aufgefallen, aber wir überspielen es beide.
»Edward hat die langjährige Beziehung zu meiner Universität fortgesetzt und sein Studium ein Jahr früher abgeschlossen«, fährt Vater fort.
»Streber«, flüstere ich Edward zu.
»Schwachkopf«, gibt er leise zurück.
Mein Vater runzelt die Stirn, fährt aber zügig fort. »Und Alexander hat seinem Land und der Welt im Kampf gegen den Terrorismus gedient. Zwei sehr unterschiedliche Ausbildungen sind das, die meine Söhne da absolvieren, aber gleichwohl beide wichtig. Ich bin mir sicher, meine Söhne verstehen, wie wichtig die Rolle ist, die sie jetzt in der Welt spielen. Ich darf Sie darum bitten, mit mir das Glas auf sie zu erheben.«
Mein Glas ist so schwer wie das Joch, das er mit seiner heuchlerischen Rede auf meine Schultern gelegt hat. Ich trinke nicht. Stattdessen warte ich, bis ich dran bin.
»Ich habe Edward vorhin gewarnt, dass ich heute ein paar Worte sagen würde«, beginne ich, als sich die Menge erneut beruhigt. »Er ist zu Recht besorgt, denn zwar habe ich die letzten sieben Jahre seines Lebens verpasst, aber ich könnte einige peinliche Momente von früher zur Sprache bringen. Daran denke ich jedoch nicht, wenn ich meinen Bruder ansehe. In erster Linie bin ich überrascht – überrascht, einen Mann zu sehen, wo ich einen Jungen zurückließ. Einen Absolventen, wo ich einen Studenten zurückließ. Das Einzige, was sich nicht geändert hat, ist, dass er immer noch mein Bruder ist, und das ist auch gut so, denn das ist das Wichtigste. Ohne die Familie sind wir nichts. Bitte erheben Sie das Glas auf meinen Bruder, der in jeder Hinsicht besser ist als ich – mit einer Ausnahme: Ich habe die besseren Augen.«
Edwards Lächeln erhellt sein Gesicht. Er schiebt seine Brille nach oben, als wollte er die letzte Aussage unterstreichen. Anstatt etwas zu trinken, dreht er sich um und umarmt mich. Es ist ein seltsames Gefühl. In unserer Familie umarmen wir uns normalerweise nicht. Aber ich merke, dass ich es nicht so unangenehm finde, wie ich dachte.
»Danke«, flüstert er.
»Ich konnte doch Vater nicht das letzte Wort überlassen«, flüstere ich zurück und ernte dafür ein Lachen.
Um uns versammelt sich eine Gruppe von Menschen, die uns alles Gute wünschen wollen. Als es mir endlich gelingt, mich davonzuschleichen, gerate ich in die Fänge meines Vaters.
»Ich möchte dir jemanden vorstellen. Ihre Tochter …«
»Nicht jetzt«, unterbreche ich ihn. »Für heute ist es genug, mehr ertrage ich nicht.«
»Nach dieser Rede dachte ich, es gäbe Hoffnung. Du hast die Situation gut gemeistert, aber offensichtlich hast du nichts dazugelernt«, sagt er verächtlich.
»Ich dachte, ich hätte gelernt, mich aufzuopfern«, sage ich. »Sieben Jahre meines Lebens zu opfern, war noch nicht genug? Dann schick mich doch einfach zurück.«
»Du begreifst es einfach nicht«, zischt er. »Du bist nicht zur Armee gegangen, um dich für König und Vaterland aufzuopfern.«
»Und warum dann?«, schieße ich zurück.
»Zur Strafe«, sagt er kalt.
Ich frage ihn nicht, wofür. Die Liste ist zu lang. Ich drehe mich um und gehe, ich habe keine Lust, mir weitere Vorwürfe anzuhören oder einer weiteren albernen Mutter zu schmeicheln. Als ich die Hecke erreiche, löse ich meine Fliege und knöpfe den Kragen auf. Aber ich bekomme immer noch keine Luft.
Ich muss hier weg – weg von diesen verlogenen Menschen, die bereitwillig die ihnen zugewiesenen Rollen spielen. Ich brauche jemanden, der echt ist – und schon wandern meine Gedanken wieder zu ihr. Clara ist echt. Ich habe sie gefühlt. Ich will mich jedoch von ihr fernhalten, und sei es nur, weil ich sie nicht in den Kampf zwischen meinem Vater und mir hineinziehen will. Denn wenn er herausfindet, dass ich sie getroffen habe, wird er keine Ruhe geben.
Aber ich gehöre niemandem. Keinem Land. Noch nicht. Noch bin ich nur mir selbst verpflichtet, und irgendwo in London habe ich Clara Bishop zurückgelassen, damit sie sich in ihrer Wohnung vor der Pressemeute versteckt, während ich auf einer Gartenparty Champagner schlürfe.
Ich kann mir einiges vorstellen, um das wiedergutzumachen, und sie wird jede Minute davon genießen.
»Verdammt.« Es ist, als ob ich keine andere Wahl hätte. Ich ziehe mein Handy heraus, rufe Norris an und erteile ihm einen Befehl. »Finde sie.«
»Bist du sicher?« Er fragt nicht, wen ich meine. Das muss er nicht. Er hat die Zeitungen gelesen und mit diesem Anruf gerechnet.
»Ja«, sage ich, ausnahmsweise ganz und gar aufrichtig. »Finde sie. Ich muss sie sehen.«
Noch nie war ich mir einer Sache so sicher.
Plötzlich dringt die Musik des Clubs herein, und ich weiß, dass die Tür zu meinem Separee geöffnet wurde und sie endlich da ist. Wann hatte ich Norris losgeschickt, um sie abzuholen? Vor einer Stunde? Vor einem ganzen Leben? Ich weiß nur, dass es mir vorkommt, als sei eine Ewigkeit vergangen, und jetzt ist sie da. Ich wende mich von den orgiastisch Tanzenden unter mir ab und sehe Clara hinter mir stehen. Ein Lächeln schleicht sich auf mein Gesicht, als ich ihre Jeans und ihr T-Shirt betrachte. Ich habe sie überrumpelt. Sie ist keine Frau, die sich für Bars und Clubs interessiert. Sie war zu Hause, aber was hat sie dort gemacht? Das möchte ich sie fragen. Ich will alles über sie wissen. Alles, was ich jetzt weiß, ist, dass sie genauso hübsch aussieht wie in dem engen schwarzen Kleid. Sie hat sich nicht umgezogen, um mich zu beeindrucken, und aus irgendeinem Grund wird mir bei diesem Gedanken warm ums Herz. Bevor ich verarbeiten kann, was das bedeutet, verengen sich ihre Augen, und sie reckt das Kinn vor. Sie hat mein Grinsen missverstanden und nimmt an, dass ich mich über ihr Aussehen lustig mache.
Was sie nicht weiß, ist, dass mich ihr Ärger nur noch heißer auf sie macht.
Wie eine Königin stolziert sie auf mich zu, stolpert dann jedoch über die Teppichkante. Ich strecke die Arme aus, um sie aufzufangen, aber sie fängt sich, bevor ich dazu komme.
»Alles in Ordnung«, sagt sie und tritt zur Seite, als ob es so einfach wäre, mich loszuwerden. »Soll ich jetzt einen Hofknicks machen oder so was?«
»Bitte nicht.« Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. Sie sieht so trotzig aus, dass meine Handfläche bei der Vorstellung juckt, sie übers Knie zu legen. Ich hoffe fast, dass ich sie nicht zähmen kann. Fast.
»Ich möchte Sie keinesfalls beleidigen, Eure Königliche Hoheit.« Sie fügt den Titel wie einen Dolchstoß an, aber er trifft mich nicht.
Ich möchte, dass dieser Moment anhält. Das hier ist das Vorspiel. Ich weiß, dass sie die Spannung, die sich zwischen uns aufbaut, ebenfalls spürt. Es gibt nur ein Ventil dafür. Ich werde sie in Besitz nehmen, und ich werde es genießen. »Darf ich dir etwas zu trinken bringen?«
»Gern.« Sie stutzt, als wäre sie von ihrer eigenen Antwort überrascht.
»Was ist deine Droge, Clara?«, frage ich sie langsam. Ich möchte ihr sagen, dass sie mir gehört. Dass das Einzige, was ich in diesem Raum schmecken möchte, sie ist. Ich will sie auf meinen Lippen und auf meiner Zunge schmecken. Kein Gift ist süßer als eine schöne Frau.
»Ich komme gerade von der Uni und bin nicht allzu wählerisch«, sagt sie leicht angespannt.
»An Billigwein gewöhnt?«, frage ich und schenke ihr ein Lächeln. »Leider ist man im Brimstone eher …«
»… auf edlen Stoff spezialisiert?«, sagt sie und lacht.
»Genau.«
»Dann nehme ich, was Sie mir geben.«
Ich atme tief ein und hoffe, dass sie das Gesagte auch meint. Seit Tagen habe ich mir genau vorgestellt, was ich ihr gern geben würde. Wie sie vor mir kniet, aus diesen großen Augen zu mir hochsieht, den Mund um meinen Schwanz geschlossen. Ich habe mich gefragt, welchen Rotton diese hübsche Haut unter meiner Hand annehmen wird. Ich habe ihr so viel zu geben, aber ich werde mit einem Drink beginnen.
Fasziniert von der Szenerie blickt Clara auf den Club hinunter. Das Brimstone mit seiner Höllenanmutung ist wirklich beeindruckend. Der Besitzer ist ein alter Freund, wenn man einen Mann wie ihn als Freund bezeichnen kann. Er scheint nichts dagegen zu haben, dass ich das Separee hier oben benutze. An einem anderen Abend hätte ich mir vielleicht unten eine Frau gesucht und sie nach oben eingeladen, aber keine hier kann Clara das Wasser reichen.
»Können die Leute uns sehen?«, fragt sie, als ich ihr einen Scotch reiche.
Ich schüttele den Kopf. »Es ist eine dieser Scheiben wie in den Verhörräumen der Polizei. Von außen sieht sie wie ein Spiegel aus.«
Sie nimmt einen großen Schluck, und meine Aufmerksamkeit gleitet zu ihren Lippen. Ich beobachte, wie sie schluckt. Ihr langer Hals ist elegant, und sie hat eine ungekünstelte Lockerheit an sich. Clara Bishop ist der Inbegriff eines braven Mädchens. Das weiß ich jetzt schon. Es macht mir Lust, mit ihr zu spielen. Ich möchte sie befreien und sehen, wie sie ist, wenn sie sich ganz hingibt.
»Sie sind öfter hier«, sagt sie.
»Mir wurde schon häufiger geraten, zur Hölle zu fahren«, sage ich knapp. »Und ich habe den Rat angenommen.«
»Aaaah«, macht sie, und ein nervöses Kichern entweicht ihr. »Brimstone, Schwefel, wie passend.«
»Mein natürlicher Lebensraum.«
»Das bezweifle ich.« Ihre Worte beruhigen mich, und sie streckt die Hände aus, als wollte sie mich berühren. Das Verlangen, das diese Bewegung ausdrückt, ist etwas anderes als die Energie, die zwischen uns knistert. Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. Es ist etwas, das ich noch nie zuvor gespürt habe, aber es strahlt von ihr aus wie das Sonnenlicht an einem warmen Tag.
»Ich muss mich bei dir entschuldigen«, sage ich, stelle mich neben sie und streife mit meiner Schulter die ihre. Sie reagiert, wie ich es mir erhofft habe. Sie öffnet die Lippen, und unter ihrem T-Shirt richten sich ihre Nippel auf und zeichnen sich unter dem dünnen Baumwollstoff ab. Ihr Körper ist von meinem ebenso angezogen wie meiner von ihrem.
»Das müssen Sie nicht«, sagt sie und fügt hinzu: »Eure Hoheit.«
Ich muss unwillkürlich über ihr stures Festhalten an der Etikette lachen. Sie muss nicht mehr so tun, als stünde ich über ihr. Obwohl ich zunehmend daran interessiert bin, sie unter mir zu haben. »Alexander und du, bitte. Norris hat mir erzählt, dass zwei Dutzend Reporter vor deiner Wohnung kampieren.«
»Alexander«, spricht sie zögernd meinen Namen aus wie eine neue Vokabel, die sie noch üben muss. »Ach, wenn sie erst mal gemerkt haben, wie langweilig ich in Wahrheit bin, werden sie sich schon verziehen.«
»Aber bis dahin machen sie dir das Leben zur Hölle.« Ich muss mich ermahnen, dass ich nicht gut für sie bin. Ich weiß nur zu gut, wie unerbittlich die Presse sein kann, wenn sie einer Story auf der Spur ist. Das werde ich ihr nicht antun. Aber ein paar Stunden hier in diesem Raum mit ihr muss ich einfach haben.
»Bist du deshalb in den Irak gegangen?« Sie macht große Augen, als wäre ihr die Frage so herausgerutscht.
Ich würde ihr gern sagen, dass es der Irak und Afghanistan waren und warum ich dort war. Ich möchte ihr von der Gewalt, dem Schmerz und dem Hass erzählen, den ich erlebt habe. Aber ich tue es nicht.
»Aha, wir sind also zurück bei unserem Spielchen?«, scherze ich stattdessen. »Ich fürchte, ich selbst habe dir geraten, dir ein paar Fragen aufzuheben.« Ihre Augen funkeln. Das gefällt mir. Es gefällt mir ein bisschen zu sehr. »Ja«, füge ich an. Das ist einfacher als die Wahrheit. »Ja, genau.«
»Tut mir leid, das geht mich natürlich nichts an. Es ist nur …«
»Nur was?«, hake ich nach.
»Ich wünschte, du wärst nicht dort im Krieg gewesen«, murmelt sie, und eine Kette, die mein Herz einschnürt, löst sich bei ihren Worten.
Ich kann sie nicht ansehen und weiß nicht, was ich sagen soll. Diese Frau, die mich nicht kennt – diese Frau, die ich nicht kenne –, weckt auch in mir den Wunsch, ich wäre nie im Krieg gewesen. Ihre Worte deuten an, dass ich ein ganzes Leben verloren habe. Eines, das ich hätte haben können, wenn ich nicht weggeschickt worden wäre. Ich wäre auf die Universität gegangen. Oxford vielleicht? Ich hätte sie in einer Vorlesung kennenlernen können. Ich hätte sie in ein richtiges Bett mitgenommen, sie besinnungslos gevögelt und dann vielleicht mit ihr gefrühstückt. Oder auch mehr.
Es ist das Leben, das ich nicht hatte. Das Leben, das ich nie haben werde.
»Ich komme schon klar, aber es ist nett, dass du dir darüber Gedanken machst«, sagt sie, als ich schweige. Sie dreht sich um und stellt ihr Glas ab, will gehen.
»Clara«, sage ich, bevor sie aus diesem Raum und aus meinem Leben verschwinden kann.
»Ja.« Sie schluckt, und da ist wieder dieses Funkeln in ihren Augen.
»So ungern ich es auch zugebe, aber diese Aasgeier haben mir diesmal einen Gefallen getan«, sage ich. »Ich habe versucht, bei der Party deinen Namen in Erfahrung zu bringen, aber keiner konnte mir weiterhelfen. Ich habe oft an dich gedacht.«
Sie starrt mich an, ihr Atem stockt, und ich kann mich gerade noch beherrschen, sie nicht augenblicklich an mich zu ziehen und zu küssen.
»Seit dem letzten Wochenende?« Sie ist überrascht, und ich verstehe nicht, warum. Spürt sie nicht, wie sehr ich sie will? Hat sie nicht auch gespürt, wie elektrisierend dieser Kuss war? Ich habe ihn noch lange nach dem Ende der Party gespürt, wie ein Leuchtfeuer, das mich zu ihr zurückrief.
»Ist das so schwer zu glauben?« Ich trete näher, bis ich die Wärme ihrer Haut spüre. Sie riecht nach Rosenblättern und Versprechen, die ich nicht halten kann.