Hochzeit mit dem Boss - Cara Colter - E-Book

Hochzeit mit dem Boss E-Book

Cara Colter

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Beschreibung

DU HAST MEIN HERZ GESTOHLEN! Joshua Cole lässt Danielles Herz höher schlagen: sein strahlendes Lächeln, der muskulöse Körper, sein umwerfender Charme … Aber ein Milliardär und ein Kindermädchen? Als er sie bei einem Bootsausflug zärtlich küsst, scheint sie am Ziel ihrer Träume. Doch für wie lange? LASS DIESES GLÜCK FÜR IMMER SEIN Ein Traum in Weiß: Bewundernd streicht Molly über das Brautkleid, das gespendet wurde - dann schlüpft sie kurzentschlossen hinein. Doch der Traum wird zum Albtraum. Denn der Reißverschluss klemmt - und Sekunden später steht sie ihrem neuen Boss Houston Whitford gegenüber … WENN DIE LEIDENSCHAFT WIEDER ERWACHT Zeig ihm bloß nicht, wie sehr er dich aus der Fassung bringt, denkt Liz, als sie ihrem reichen Exmann wieder gegenübersteht! Alles fällt ihr wieder ein: ihre Liebe und die gemeinsame Vergangenheit, die ein dunkles Geheimnis birgt … VERRAT MIR DEIN GEHEIMNIS! Hier stimmt etwas nicht! Ellie zieht als Kindermädchen zu Mac Carmichael. Alles an dem reichen Hotelier ist perfekt: seine blauen Augen, sein Körper, seine Stimme … Doch Ellie erahnt ein Geheimnis hinter dem attraktiven Äußeren, das sie mit den Waffen einer Frau lüften will.

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Seitenzahl: 718

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Cara Colter, Susan Meier

Hochzeit mit dem Boss

IMPRESSUM

Du hast mein Herz gestohlen! erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2009 by Cara Colter Originaltitel: „Hired: Nanny Bride“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA EXTRABand 314 - 2010 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Elke Schuller-Wannagat

Umschlagsmotive: gradyreese / iStock

Veröffentlicht im ePub Format in 09/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733727406

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

Als Joshua das befremdliche Geräusch hörte, erstarrte er. In seinem Nacken prickelte es, und ein eiskalter Schauer lief ihm über den Rücken. Das passierte ihm so selten, dass er einige Momente brauchte, um die Anzeichen richtig einzuordnen.

Angst.

Er, Joshua Cole, hatte Angst!

„Unternehmen statt unterlassen“ lautete sein Lebensmotto, und er war stolz darauf, allen Problemen die Stirn zu bieten. Sein eindrucksvoller Erfolg bestätigte die Wirksamkeit dieser Strategie, und sein luxuriöses Büro unterstrich, wie weit er es als Geschäftsmann gebracht hatte.

Die riesigen Fenster boten einen atemberaubenden Blick auf das Panorama Vancouvers mit den Wolkenkratzern der City im Vordergrund und der prachtvollen Kulisse der schneebedeckten Rocky Mountains im Hintergrund.

Der Schreibtisch war eine Antiquität, den Boden schmückte ein handgeknüpfter Perserteppich. An zwei Wänden hingen kostbare Gemälde, an der dritten zeigten gerahmte Titelblätter der wichtigsten Finanzmagazine ihn, Joshua Cole, als charismatischen, attraktiven und selbstbewussten jungen Unternehmer.

Allerdings schien sein Selbstbewusstsein wie verflogen, als er den Knopf der Gegensprechanlage drückte, um mit seiner Vorzimmerdame zu sprechen. „Amber, sagen Sie mir bitte, dass ich mich verhört habe!“

In dem Moment war das Geräusch erneut zu hören, und diesmal dröhnte es unverkennbar aus dem Lautsprecher der Anlage. Im Vorzimmer weinte ein Baby!

Dabei war „weinen“ noch eine harmlose Untertreibung. Es schrie wie am Spieß! „Sie sagt, Sie würden sie erwarten“, rief Amber, um den Lärm zu übertönen. Natürlich erwartete er Gäste … aber doch nicht heute! Und schon gar nicht in seinem Büro. Hier waren Babys und Kleinkinder so fehl am Platz wie ein Nilpferd bei einer Teeparty der Königin Victoria.

Immerhin hatte er seinen Großkonzern genau dafür gegründet. Alle seine kostspieligen wie exklusiven Ferienclubs waren ausschließlich für Erwachsene gedacht. Kinder hatten ausnahmslos keinen Zutritt! Weder im Dschungelcamp am Amazonas noch in der Savanne Afrikas und auch nicht in dem kleinen Hotel in der Toskana, mit dem alles begonnen hatte. Kürzlich war sein neuestes Projekt eröffnet worden: ein Fünf-Sterne-Ressort auf mehreren künstlichen Inseln vor der Küste von Hawaii für Liebhaber des Wassersports.

Ja, seine Clubs waren für Menschen, die Luxus liebten und Kinder hassten.

Nein, nicht hassen, verbesserte Joshua sich schnell. Zu seinen besten Kunden zählten liebvolle, aber erschöpfte Eltern, die dringend Urlaub von ihrem Nachwuchs brauchten.

Sogar seine Schwester Melanie – hingebungsvolle Mutter einer kleinen Tochter und eines wenige Monate alten Sohns – hatte sofort zugesagt, als er ihr und ihrem Mann Ryan einen einwöchigen Kurzurlaub in dem neuen Hotel auf Hawaii angeboten hatte.

Natürlich hatte sie sich Sorgen wegen der Kleinen gemacht, obwohl diese von einer zuverlässigen Kinderfrau betreut wurden. Joshua hatte seiner Schwester versprochen, sich darum zu kümmern, dass auch ihre Kinder einen schönen Urlaub haben würden.

Aber wieso waren sie heute schon hier? Er warf einen Blick in seinen Terminplaner. Darin stand eindeutig der nächste Morgen als Ankunftstag, zehn Uhr vormittags am Flughafen. Joshua hatte vorgehabt, die Kinder und deren Nanny dort abzuholen, sie in eine Limousine zu setzen und in die Berge nach Whistler verfrachten zu lassen, wo es ein kinderfreundliches Hotel gab.

Anschließend hatte er sich weiter seinem neuesten Projekt widmen wollen, mit dem er schon seit Tagen beschäftigt war. Es ging um ein Feriencamp in den Rocky Mountains, das seit der Gründung in den Dreißigerjahren in Familienbesitz der Bakers war und nun verkauft werde musste. Allerdings hatten die Besitzer, das Ehepaar Baker, bisher gezögert, mit ihm zu verhandeln. Offenbar behagte ihnen weder sein Ruf als Playboy noch der Ruf seiner Ferienressorts als luxuriöse Fluchtorte aus dem Alltag für gut betuchte Menschen. Erwachsene Menschen, und nur die, nicht zu vergessen!

Seine Strategie zur Übernahme von Moose Lake Lodge, wie das Camp hieß, hatte er sich bereits zurechtgelegt. Er würde die Bakers persönlich aufsuchen und mit einer Charmeoffensive für sich gewinnen. Darin war er gut.

Ja, so hatte er sich die kommenden Tage vorgestellt, und nun war sein Neffe draußen im Vorzimmer und schrie sich die Seele aus dem Leib!

Ich hätte daran denken sollen, dass meine Pläne nie so ganz funktionieren, wenn Melanie ihre Finger im Spiel hat, dachte Joshua mürrisch.

Mit Kindern konnte er so wenig anfangen, dass ihn sein Selbstvertrauen augenblicklich verließ, sobald er mit Menschen zu tun hatte, die jünger waren als fünf Jahre.

„Was ist da draußen eigentlich los?“, erkundigte er sich nun bemüht ruhig. „Hier ist ein Frau mit einem Baby und einem … kleinen Mädchen“, antwortete Amber. „Das weiß ich! Ich wollte wissen, warum das Baby so einen höllischen Lärm macht.“

„Sie wissen, wer die sind?“ Amber klang beinah enttäuscht, dass sich die Eindringlinge offenbar doch nicht von der Straße in ihr Vorzimmer verirrt hatten.

„Ja, das tue ich. Aber sie sollten gar nicht hier sein, sondern noch in Toronto …“, begann Joshua zu erklären. „Nein, Miss, das geht nicht!“, hörte er Amber entrüstet rufen. „Sie können da nicht einfach hineinspazie…“

In dem Moment ging die Tür auf, und trotz des Lärms, den das Baby immer noch veranstaltete, empfand Joshua schlagartig ein Gefühl von Ruhe und Zufriedenheit.

An der Tür stand eine Frau, die trotz des verheulten Babys im Arm und der Vierjährigen an ihrem Rockzipfel eine unglaubliche Gelassenheit ausstrahlte. Unerschütterlich wie ein Fels in der Brandung stand sie vor ihm, als könnten ihr solche Naturgewalten wie schreiende Babys nichts anhaben.

Joshua war erstaunt, als seine Nichte Susie ihn nun feindselig anfunkelte. Genau wie Katzen suchten Kinder ja gerne ausgerechnet die Nähe von Leuten, bei denen sie Ablehnung spürten. Bei seinem letzten Besuch in Toronto hatte sie ihn noch auf Schritt und Tritt verfolgt und ihn mit ihrer Zuneigung überhäuft, ganz so, als wäre sie von seiner inneren Ablehnung wie magisch angezogen gewesen.

Damals war das Baby noch nicht geboren. Wie hieß der Junge doch gleich? John? Jason? Nein, Jake!

Und ein Kindermädchen hatte da auch noch nicht zu Melanies Haushalt gehört.

Nachdenklich betrachtete Joshua die Nanny. Einer Frau wie ihr begegnete er nur selten. Er umgab sich seit Langem ausschließlich mit makellosen weibliche Wesen, schlank und durchtrainiert, mit strahlend weißen Zähnen, stilvollem Make-up, perfekten Haaren und Outfits …

Die Frau vor ihm hingegen sah genau so aus, wie er sich eine Nanny immer vorgestellt hatte: kein Make-up, vernünftige flache Schuhe, ein schlichter schwarzer Rock unter einem arg zerknitterten Mantel, dazu dunkle Strümpfe. Es fehlte nur noch ein Regenschirm, und sie hätte wie eine moderne Ausgabe von Mary Poppins gewirkt.

Solche Frauen bedachte Joshua üblicherweise mit keinem zweiten Blick – Frauen, die ihr Aussehen und ihre Figur vernachlässigten, weil sie sich ganz der Aufgabe widmeten, kleine Kinder zu betreuen.

Diese Nanny war allerdings noch ziemlich jung, vielleicht Mitte zwanzig, schätzte Joshua. Doch obwohl ihre äußere Erscheinung nicht besonders viel hermachte, verriet ihre aufrechte Körperhaltung ein beachtliches Maß an Selbstbewusstsein. Wahrscheinlich war es besser, sie nicht gleich auf den ersten Blick als uninteressant abzutun, kam es ihm in den Sinn.

Um den Hals trug sie an einer dünnen Kette ein Medaillon, das so gar nicht zu ihrem sonstigen Erscheinungsbild passen wollte. Wahrscheinlich zog es genau deshalb Joshuas Blick auf sich. Ihm fiel auf, wie weich ihre zarte Haut an ihrem Hals auf ihn wirkte …

Das Haar war offensichtlich von Natur aus schwarz und lockig. Sie hatte es mit einer Spange im Nacken zusammengefasst, aber einige Strähnen waren herausgerutscht und kringelten sich um ihr Gesicht. Eigentlich hätte es ihre unordentliche Erscheinung noch unterstreichen müssen. Doch stattdessen schienen die Locken eher auf eine ungezwungene, vielleicht sogar leidenschaftliche Seite ihrer Persönlichkeit hinzuweisen, die unter ihrem langweiligen Äußeren möglicherweise versteckt war.

Als er dann in ihre Augen sah, schien sich sein Eindruck zu bestätigen. An dieser Nanny war mehr dran, als sich auf den ersten Blick offenbarte. Ihre Augen waren türkisblau und von dichten schwarzen Wimpern umrahmt, funkelten aber genauso feindselig wie die seiner Nichte Susie.

Obwohl Joshua die junge Frau nicht unbedingt als überwältigende Schönheit bezeichnen konnte, war er dennoch von ihrem Gesicht fasziniert. Ihre Natürlichkeit wirkte verblüffend anziehend auf ihn. Und irgendwie schien sie hier in diesem sorgfältig gestalteten Raum beinahe fehl am Platz. Sie war zu real für seine Welt. Seine Welt war die der luxuriösen Rückzugsgebiete vor dem Alltag, der Fluchtmöglichkeiten vor der Wirklichkeit. Die Errichtung dieser „Reservate“ hatte sich für ihn bezahlt gemacht, denn immerhin war er durch sie Milliardär geworden, aber plötzlich schien es ihm, als würde ihm in dieser von ihm erschaffenen Welt etwas fehlen. Etwas Entscheidendes.

Schnell schob er diese für ihn untypischen Gedanken beiseite und konzentrierte sich wieder auf das Wesentliche. Joshua brauchte sich nur umzusehen und wusste, dass er ein Mann war, der alles besaß, was er sich wünschen konnte – inklusive der bewundernden Aufmerksamkeit schöner und kultivierter Frauen.

„Onkel Joshua hasst uns“, holte Susie ihn plötzlich aus seinen Gedanken.

Er hatte gerade sein charmantestes Lächeln ausprobieren wollen, um den leicht geringschätzigen Ausdruck in den Augen der Nanny zu vertreiben, überlegte es sich dann aber doch noch einmal anders.

„Susie, das zu sagen war sehr unhöflich“, tadelte die Nanny das kleine Mädchen.

Die Stimme der Frau war dunkel, leicht rau … beinahe sexy. So als verberge sich unter dem unscheinbaren Äußeren tatsächlich ein verlockendes sinnliches Wesen.

„Natürlich hasse ich euch nicht!“, stellte Joshua gereizt fest.

Es gefiel ihm gar nicht, sich gegenüber diesem kleinen Biest rechtfertigen zu müssen, das ihn voriges Jahr noch mit seiner unermüdlichen Zuneigung überhäuft hatte.

„Ihr macht mir Angst, das ist ein Unterschied“, fügte er mit einem gequälten Lächeln hinzu. Doch auch seine strahlendsten Bemühungen verfehlten hier ihre übliche Wirkung.

Um die Lippen der Nanny zuckte es leicht, während sie kurz ihr Medaillon berührte, aber sein Lächeln erwiderte sie nicht.

„Doch, du hasst uns“, beharrte Susie. „Sonst hättest du Mom und Dad nicht weggeschickt. Warum brauchen sie Urlaub von uns?“

Plötzlich schniefte die Kleine und presste sich schluchzend an ihre Nanny, das Gesicht in deren Mantelfalten versteckt. Jason, nein … Jake, fühlte sich davon anscheinend herausgefordert, seine Schwester zu übertönen.

„Warum wohl?“, fragte Joshua sarkastisch. Schon nach nur zwei Minuten in Gesellschaft der Kinder fühlte er sich erholungsbedürftig!

„Sie ist müde von der Reise“, erklärte die Nanny und legte der Kleinen sanft die Hand auf den Kopf. „Susie, Liebes, sei bitte still.“

Joshua war von der fürsorglichen Geste der Nanny wie gefangen. Ihre dunkle, warme Stimme beruhigte das Kind augenblicklich.

„Sie fühlt sich im Stich gelassen“, meinte die junge Frau. „Dass uns niemand vom Flughafen abgeholt hat, dürfte dieses Gefühl noch verstärkt haben.“

„Es scheint ein Missverständnis über die Reisedaten gegeben zu haben“, erklärte Joshua und hoffte, sie würde das akzeptieren und nicht länger so missbilligend die Stirn in Falten legen. „Warum haben Sie mich nicht angerufen? Ich hätte Ihnen sofort einen Wagen geschickt.“

„Ich habe angerufen. Anscheinend werden aber nur sehr wichtige Leute zu Ihnen durchgestellt, Mr. Cole.“

Die Sicherheitsvorkehrungen, mit denen er lediglich seine kostbare Zeit und seine Privatsphäre zu schützen versuchte, deutete die Nanny scheinbar als ein übertriebenes Selbstwertgefühl.

„Es tut mir furchtbar leid“, versuchte Joshua die Nanny zu beschwichtigen, doch ihr verbissener Gesichtsausdruck blieb unverändert.

„Sind die Frauen da nackig?“ Susie hatte den Kopf gehoben und zeigte auf die blaue Glasschale auf dem Couchtisch.

Joshua stöhnte innerlich. Diese Schale des französischen Jugendstilkünstlers Lalique hatte ihn vierzigtausend Dollar gekostet! Und es war keineswegs das einzige Kunstwerk in seinem Büro, von dem er nicht wollte, dass Kinder sich dafür interessierten.

Wenn er das allerdings der Nanny sagte, würde sie ihn bestimmt für einen Kinderhasser halten, und ihre Meinung von ihm war schon schlecht genug.

„Susie, das reicht“, sagte die junge Frau streng. „Aber die Frauen haben wirklich nichts an, Miss Pringy“, murmelte Susie unbelehrbar.

Die Nanny hieß also Miss Pringy! Ein Name, der unwillkürlich das Bild einer altjüngferlichen, biederen Bibliothekarin heraufbeschwor und auch zu einer Kinderfrau eigentlich hätte passen müssen.

Nur tat er es in diesem Fall überhaupt nicht.

„In den Kreisen deines Onkels wird eine solche Schale als passendes Dekorationsstück angesehen“, meinte Miss Pringy missbilligend.

„Und welche Kreise sind das Ihrer Meinung nach?“ Joshua zog die Brauen hoch.

„Die der Reichen und Schönen. Ich habe im Flugzeug einen Artikel über Sie im ‚People‘ Magazin gelesen. Demnach sind Sie ein Promi.“

Ihr Ton jedoch machte deutlich, was sie damit wirklich meinte: Sie hielt ihn für einen genusssüchtigen und oberflächlichen Playboy! Schon bevor ihm der Fehler unterlaufen war, sie und die Kinder nicht am Flughafen abzuholen, hatte sie bereits ein vorgefertigtes Bild von ihm gehabt! Doch mit diesem Vorurteil tat sie ihm unrecht.

Aber wie sollte Joshua sie davon überzeugen, dass sie sich in ihm täuschte? Sie schien gegen seinen Charme völlig immun zu sein.

„Ich bin Geschäftsmann, kein Promi“, widersprach er schroff. Tatsächlich gefiel ihm seine neue Rolle als Liebling der Klatschspalten ganz und gar nicht, aber je mehr er sich der Beachtung durch die Medien widersetzte, desto gnadenloser verfolgten sie ihn. Dieser Artikel im „People“ war von ihm nicht genehmigt gewesen … und zudem äußert peinlich.

„Junggeselle mit dem meisten Sexappeal“ war ein lächerliches Etikett, auf das er gut verzichten konnte. Es ärgerte ihn, dass es dem Magazin gelungen war, so viele private Fotos von ihm zu schießen, obwohl er doch eigentlich mittlerweile sehr geübt darin war, seine Privatsphäre zu schützen. Trotzdem hatten sie Bilder veröffentlicht, auf denen er mit nacktem Oberkörper in einem Liegestuhl entspannte. Ein äußerst seltenes Ereignis in seinem Leben!

Wer ihn nicht kannte, musste anhand der Fotos annehmen, dass Joshua jünger als dreißig war und seine Zeit hauptsächlich halb nackt am Strand verbrachte, wo Sonne und Salzwasser goldbraune Strähnchen in sein dunkles Haar zauberten.

Äußerst unangenehm war ihm ebenso die beinahe schwärmerische Begeisterung für seinen „athletischen“ Körper gewesen – den man mit dem eines griechischen Gottes verglichen hatte – und die Entzückung über seine meergrünen Augen.

Bei so viel Schmeichelei konnte einem richtig schlecht werden.

Ein Gutes hatten solche Artikel allerdings auch: Sie bedeuteten kostenlose Reklame für seine Firma „Sun and Fun“. Außerdem hielt das Etikett „Playboy“ Frauen von ihm fern, die von einer ernsthaften Beziehung und Familie träumten. Seine ständig wechselnden Begleiterinnen waren glücklich, eine Zeit lang im Mittelpunkt des Interesses zu stehen und teure Geschenke zu erhalten. Gefühlsduselige Versprechungen spielten hier keine Rolle, das Einzige, was er in seine Beziehungen investierte, war Geld.

Doch manchmal, wenn er am wenigsten damit rechnete, überfiel ihn ein seltsames Gefühl von Einsamkeit. Gab es überhaupt jemanden, der wusste, wer er wirklich war?, fragte er sich in solchen Situationen. Doch das war nichts, was nicht durch ein Telefongespräch mit seiner Schwester meist sofort wieder behoben war.

Trotzdem wunderte es Joshua, warum ihn seine oberflächliche Erscheinung ausgerechnet jetzt beschäftigte. Vielleicht wollte er von der Nanny nicht vorschnell beurteilt werden, sondern einen guten Eindruck auf sie machen, da sie doch quasi zu Melanies Familie gehörte? Ob sie ihn wohl ebenfalls für den Junggesellen mit dem meisten Sexappeal hielt? Wenn dem so war, schien sie von diesem Stempel noch unbeeindruckter zu sein als er selbst.

Fand sie ihn womöglich gar nicht attraktiv?

Und zu Joshuas eigener Verwunderung erkannte er, dass ihm ihre Meinung nicht egal war!

Aber Miss Pringy hatte sicher auch keine Ahnung, was das Wort „sexy“ überhaupt bedeutete! Sie würde einen attraktiven Mann nicht einmal erkennen, wenn der sie umarmte und küsste …

Dummerweise sah er ihr bei dem Gedanken auf die Lippen.

Miss Pringy presste sie streng aufeinander, doch selbst das schreckte Joshua nicht ab. Er empfand es eher als eine Herausforderung. Außerdem wäre es zu schade … denn ihre Lippen waren voll und schön geschwungen – wie geschaffen zum Küssen.

Wieder legte sie die Hand auf das Medaillon, als wäre es ein Amulett, das sie gegen ihn und seinen „bösen Blick“ schützte. „Ich bin Danielle Springer, aber alle nennen mich Dannie“, stellte sie sich endlich förmlich vor.

Erneut bemerkte Joshua ihre dunkle Stimme, die er unter anderen Umständen bestimmt anziehend gefunden hätte. Mindestens so sexy wie ihre Lippen, die sie erneut missbilligend zusammenpresste.

„Man hatte mir gesagt, Sie würden uns am Flughafen abholen, Mr. Cole.“

Scheinbar konnte Miss Pringy nicht genug von dem Thema bekommen. Joshua seufzte und erklärte geduldig: „Offensichtlich liegt ein Missverständnis wegen des Datums vor. Das ist bei meiner Schwester nicht ungewöhnlich.“

„Es ist nicht einfach, Kinder für eine Reise fertig zu machen“, verteidigte Miss Springer ihre Arbeitgeberin. Unter anderen Umständen hätte er ihren Einsatz für seine Schwester sehr bewundernswert gefunden. „Aber dafür sind Sie doch da, oder nicht?“, fragte Joshua sachte. Sie hob den Kopf, ihre Augen blitzten. „Irgendwie überrascht es mich nicht, dass Sie glauben, man müsse nichts weiter tun, als die Koffer zu packen und rechtzeitig am Flughafen zu erscheinen.“

Offensichtlich hatte sie Mumm und Verstand, was ihm gefiel, und er ließ es sich nicht nehmen, sie noch ein bisschen weiter herauszufordern.

„Muss man wirklich mehr tun?“

„Zur Erziehung von Kindern gehört viel mehr, als sich nur um ihre körperlichen Bedürfnisse zu kümmern“, erwiderte sie scharf. „Ihre Schwester weiß das.“

„Ja, ja, Melanie ist eine wahre Heilige“, meinte Joshua nüchtern.

„Was wollen Sie damit sagen?“

„Meine liebe Schwester hält mir dauernd Vorträge darüber, dass ich auf der emotionalen Ebene nicht ernsthaft genug bin“, erklärte er freundlich. „Aber auch wenn ich von Natur aus sorgenfrei bin, dachte ich wirklich, Sie und die Kinder würden erst morgen hier ankommen, Miss Springer. Es tut mir ehrlich leid, dass ich nicht am Flughafen war. Vor allem, weil ich Susie damit gekränkt habe.“

Die Kleine warf ihm einen vernichtenden Blick zu, steckte sich den Daumen in den Mund und begann, daran zu nuckeln. Miss Springer nahm Jason, nein … Jake auf den anderen Arm und zog Susie sanft den Daumen aus dem Mund.

Plötzlich wurde Joshua bewusst, dass die Nanny trotz ihrer scheinbaren Gelassenheit von der Reise müde war und ein ziemlich schweres Kind im Arm halten musste.

Bevor er ihr vorschlagen konnte, sich zu setzen, kam sie auf ihn zu. Rasch stand er auf und überlegte fieberhaft, wie er das Schlimmste verhindern konnte, aber da war es bereits zu spät!

Schon stand sie vor ihm und hielt ihm das Baby entgegen.

„Können Sie ihn mal kurz halten?“, forderte sie ihn auf. „Ich glaube, er braucht eine frische Windel, und die ist in meiner Tasche.“

Joshua stand wie gelähmt da, und bevor er wusste, wie ihm geschah, hielt er ein sich windendes, weiches, weinendes Miniwesen von acht Monaten im Arm.

Wärme durchflutete ihn, als der Kleine sich instinktiv an ihn schmiegte, und er schloss kurz die Augen.

Eine Erinnerung überfiel ihn, die er seit Langem verdrängt hatte – erfolgreich, wie er glaubte. Aber das war ein Irrtum. Sie war so erschreckend lebhaft, dass sich ihm die Kehle zuschnürte. Der Verlust damals …

„Keine Sorge, es ist nicht das, was Sie denken“, riss Miss Springers Stimme ihn aus seinen düsteren Gedanken. „Jake ist nur nass, nicht … Sie wissen schon.“

Joshua öffnet die Augen und bemerkte einen großen warmen Fleck, der sich auf seinem maßgeschneiderten Seidenhemd ausbreitete. Trotzdem war er froh, dass Miss Springer glaubte, seine sonderbare Reaktion wäre nur auf das Missgeschick zurückzuführen.

Baby Jake war anscheinend derartig erstaunt, sich in den Armen seines Onkels zu befinden, dass er zu weinen aufhörte und ihn mit großen blauen Augen musterte.

Die herrliche Stille dauerte allerdings nur kurz, dann verzog der Kleine plötzlich angestrengt das Gesicht, wurde rot und gab einen seltsamen, ächzenden Laut von sich.

„Um Himmels willen, was ist los mit ihm?“, rief Joshua entsetzt.

„Ich fürchte, er hat gerade … Sie wissen schon“, erklärte Miss Springer.

Der aufdringliche Geruch, der dann von dem Baby aufstieg, bestätigte ihre Vermutung.

„Amber!“, rief Joshua panisch. „Wählen Sie sofort den Notruf!“

Um Miss Springers verlockende Lippen zuckte es, ihre überwältigenden Augen funkelten belustigt. Sie schien mit sich zu kämpfen – und verlor. Schließlich war ihr herzliches Lachen zu hören.

Und plötzlich war es um Joshua geschehen, als er ihr tief in die Augen sah. Er hatte nicht länger das Gefühl, sein Büro – das letzte Heiligtum des ungebundenen Mannes – wäre von einem Feind belagert, der „heimisches Glück“ verkörperte. Es war ihm egal, dass sich um ihn herum das Chaos auszubreiten begann. Am liebsten hätte er ebenfalls gelacht, wenn sich ihm nicht wegen des übel riechenden Babys beinah der Magen umgedreht hätte.

„Vergessen Sie den Notruf, Amber“, sagte er zu seiner Sekretärin, die mittlerweile an der offenen Tür erschienen war.

„Und was soll ich stattdessen tun?“, erkundigte sie sich.

„Die Kinder haben noch nicht gegessen“, erklärte Miss Springer, als hätte sie hier das Kommando. „Könnten Sie uns etwas besorgen?“

Wie kann jemand unter diesen Umständen an Essen denken?, fragte Joshua sich sprachlos. Und dann auch noch Amber damit beauftragen, die aussah, als würde sie sich ausschließlich von Mineralwasser und Stangensellerie ernähren?

Aßen Babys Selleriestangen?

Joshua war von sich selbst überrascht. Es schien fast so, als hätte sich seine Welt innerhalb weniger Momente völlig verändert. Hätte ihm jemand an diesem Morgen vorhergesagt, er würde sich zu Mittag fragen, ob Babys rohes Gemüse aßen, hätte Joshua ihn für verrückt erklärt.

Dabei wusste er besser als manch anderer, dass sogar wenige Sekunden alles für immer ändern konnten. Und ein Baby, in ein blaues Tuch gewickelt, das mit seiner winzigen, perfekten Hand …

Stopp!, befahl Joshua sich streng.

Die Erinnerungen an den längst vergangenen Schmerz musste er verdrängen, auch wenn es ihm mit diesem anschmiegsamen Baby im Arm nicht leichtfiel.

Eine weitere Erkenntnis traf ihn schlagartig: Zum ersten Mal seit langer Zeit hatte das Leben ihn überrascht. Er hatte immer geglaubt, alles perfekt geplant und jede Einzelheit unter Kontrolle zu haben. Das Erscheinen einer Unbekannten mit zwei kleinen Kindern im Schlepptau hätte er sich jedoch in seinen schlimmsten Vorstellungen nicht ausgemalt.

Unauffällig blickte er zu Miss Pringy, wie er sie in Gedanken nach wie vor nannte, und stellte fest, dass sie sich bestimmt nicht von rohem Grünzeug ernährte, wie ihre üppigen Kurven verrieten. Tatsächlich konnte er sich gut vorstellen, wie sie sich mit gesundem Appetit über einen Teller Spaghetti hermachte, und ein erstaunlich sinnliches Bild entstand vor seinem inneren Auge.

„Dann wickle ich jetzt das Baby, während wir aufs Essen warten“, meinte die Nanny.

„Etwa hier drinnen?“, fragte Joshua entsetzt.

Sie zog skeptisch die Brauen hoch. „Es sei denn, es gibt im Gebäude irgendwo einen Wickelraum.“

Es war an der Zeit, das Ruder wieder in die Hand zu nehmen – insbesondere, wenn Joshua nicht wollte, dass diese Frau von ihm verlangte, die Lalique Schale von seinem teuren Tisch zu nehmen und diesen als Wickelkommode zu entfremden!

Er durfte sich nicht länger von den unerwarteten Besuchern – und seinen Erinnerungen – aus dem Konzept bringen lassen.

Er musste zeigen, wer hier Herr im Haus war.

„Gehen Sie in den Waschraum am Ende des Flurs“, forderte Joshua sie entschieden auf und bemühte sich dabei, die Haltung zu bewahren, während Jake hartnäckig versuchte, ihm einen Finger in die Nase zu schieben. „Der ist besser geeignet, Miss Pringy.“

„Ich heiße Springer“, erinnerte sie ihn. „Könnten Sie inzwischen etwas wegen der Schale unternehmen?“

„Das ist Kunst!“, protestierte er.

„Kann schon sein, aber es ist keine Kunst, die für Kinderaugen geeignet ist.“

Genau das war der Grund, weshalb Joshua nichts für Kinder übrig hatte. Alles musste sich nach ihnen richten, nicht nur die Umgebung, nein, das ganze Leben.

Er musste Miss Springer schleunigst klarmachen, dass er dazu nicht bereit war. Sie würden ohnehin bald wieder aus seinem Leben verschwinden. Er musste lediglich einen Wagen bestellen und die Reservierung in Whistler um einen Tag vorverlegen.

Als Miss Springer ihm aber endlich wieder das Baby abnahm, war er ihr so dankbar, dass er sie nicht direkt damit konfrontieren wollte, dass er hier der Boss war.

In der Zwischenzeit bewies er zumindest seinen guten Willen, indem er sein Jackett von der Lehne des Schreibtischsessels nahm und behutsam über die kostbare Schale drapierte.

Als die Nanny mit dem nun nach Seife duftenden und fröhlich glucksenden Jake auf dem Arm und der kleinen Susie an ihrer Seite zurückkam, fiel ihr seine Geste sofort auf.

„Danke für Ihr Entgegenkommen, Mr. Cole.“

„Nackig ist nicht nett“, informierte Susie ihn kopfschüttelnd.

„Na ja, das hängt davon ab …“, begann er, aber ein Blick aus den türkisblauen Augen der Nanny brachte ihn zum vorzeitigen Schweigen. „Wie auch immer, nach dem Essen kümmere ich mich sofort darum, dass Sie schon heute mit den Kindern nach Whistler können.“

„Whistler?“, wiederholte Miss Springer irritiert. „Davon hat Melanie mir nichts gesagt. Sie meinte, wir würden bei Ihnen bleiben, Mr. Cole.“

„Ich bleibe nicht bei ihm!“, verkündete Susie finster. „Er hasst uns.“ „Keine Sorge, Kleines“, erklärte Joshua, „ihr braucht nicht bei mir zu bleiben, weil ich euch nicht …“ „Wagen Sie es ja nicht, diesen Satz zu beenden!“, warnte Miss Springer ihn streng.

Er betrachtete sie nachdenklich, während er sich erfolglos zu erinnern versuchte, wann ihm das letzte Mal jemand gesagt hatte, was er tun solle.

Ihm fiel nur seine Lehrerin in der fünften Klasse ein. Sie hatte damals den gleichen Ton gehabt wie Miss Springer jetzt.

„Amber!“, rief Joshua.

Sie öffnete die Tür. „Das Essen ist unterwegs“, informierte sie ihn schroff und wirkte, als würde sie bei der nächsten unangemessenen Aufgabe einfach alles hinschmeißen. „Miss Springer und ich müssen etwas unter vier Augen bereden, Amber. Nehmen Sie so lange die Kinder.“ „Und wohin soll ich mit ihnen?“, erkundigte sie sich verstört.

„Das Vorzimmer reicht“, beruhigte er sie.

Joshua konnte sehen, wie sie krampfhaft schluckte, dann kam sie wortlos herein und nahm das Baby, das sie mit ausgestreckten Armen von sich hielt.

„Du gehst mit“, wandte sich Miss Springer an Susie. In ihrer Stimme lag so viel natürliche Autorität, dass das Kind gehorsam mit Amber hinaustrippelte, dann allerdings die Tür krachend zuwarf.

„Sie wollten doch nicht etwa vor den Kinder sagen, dass Sie sie nicht bei sich haben wollen?“, eröffnete Miss Springer das Gefecht.

Dass sie seine Gedanken so genau erraten konnte, irritierte Joshua ebenso wie ihr Blick, der ihm verriet, dass er in ihren Augen immer schneller an Ansehen verlor.

Zwar mochte er es nicht, neuerdings zu den Promis gezählt zu werden, allerdings lag ihm viel an Respekt und Bewunderung. Vor allem Frauen bewunderten ihn und zeigten es ihm auf vielerlei und angenehme Weise. Miss Pringy hingegen betrachtete ihn ablehnend und schüttelte den Kopf. Dabei tanzten ihre schwarzen Locken, und plötzlich stellte Joshua sich vor, sie wäre eine wilde, heißblütige Tänzerin, die sich lediglich als biedere Nanny verkleidet hatte.

„Hören Sie“, begann er beharrlich, „ich habe bereits Ihren Aufenthalt arrangiert. In einem herrlichen Hotel, das ganz auf die Bedürfnisse von Kindern eingerichtet ist. Es gibt Kurse in Töpfern und Backen, es gibt Filme, Lehrwanderungen und was weiß ich nicht alles. Ich muss nur anrufen und Bescheid sagen, dass Sie einen Tag früher kommen.“

„Nein“, sagte sie und schüttelte erneut ihre schwarzen Locken. „Melanie hat mir nichts davon gesagt, und sie ist schließlich meine Arbeitgeberin!“

Bis zu diesem Moment war Joshua nie bewusst gewesen, dass er sich von seiner Schwester noch immer im Stich gelassen fühlte. Sie hatte ihm bei der Gründung von „Sun and Fun“ geholfen und war genauso leidenschaftlich bei der Sache gewesen wie er – bis sie sich bis über beide Ohren in einen Kunden verliebt hatte.

Noch dazu hatte sie plötzlich entdeckt, dass sie unbedingt Kinder wollte.

Na gut, das war ihre Sache, und er nahm es ihr nicht übel, dass sie jetzt von ganzem Herzen ein Familienmensch war. Leider versuchte sie, ihn zu ihrer Sichtweise zu bekehren, und spielte immer wieder darauf an, wie leer ein Leben ohne Partner und Kinder doch sei.

Ständig schickte sie ihm E-Mails und Handyvideos, auf denen beispielsweise Susie mit ihrem Kätzchen schmuste oder Jake versuchte, sich Schokoladenkuchen in seinen völlig verschmierten Mund zu stopfen.

Melanies Ehemann Ryan, ein erfolgreicher Baumeister und ein echter Mann, stand meistens im Hintergrund, sichtlich stolz wie ein Schneekönig auf seine Sprösslinge.

Bisher hatte Joshua sich erfolgreich gewehrt, dieses Bild von dem perfekten Leben anzunehmen. War das nun etwa eine neue Strategie von Melanie, ihn zu bekehren, indem sie ihm ihre Kinder schickte? Glaubte sie etwa, er würde dann seine Lebensweise für oberflächlich und freudlos halten?

„Warum haben Sie die Kinder eingeladen, wenn Sie sie sofort wieder wegschicken?“, fragte Miss Springer schließlich. „Melanie dachte, Sie würden eine Woche mit ihnen verbringen. Und sie hat sich gefreut, dass die Kleinen Sie endlich etwas besser kennenlernen können.“

„Was ist daran erfreulich?“, konterte Joshua sarkastisch.

„Das frage ich mich allerdings auch“, erwiderte sie nüchtern und setzte sich ungefragt aufs Sofa. Joshua konnte plötzlich sehen, wie müde sie war, und es fiel ihm auch nicht schwer, sich vorzustellen, woran das lag. „Was für ein Durcheinander! Melanie sagt, man könne Ihnen die Kinder bedingungslos anvertrauen – und dann schaffen Sie es nicht einmal, uns am Flughafen abzuholen.“

„Melanie hat mir ein falsches Datum genannt“, verteidigte er sich erneut.

„Die Kinder sind für Melanie das Wichtigste auf der Welt. Sie kann sich doch nicht geirrt haben, wenn es um die beiden geht, oder?“ Joshua entging nicht der Zweifel in ihrer Stimme.

„Jedenfalls besteht kein Grund zur Sorge, weil ich mich sofort darum kümmern werde, dass Sie und die Kinder schon heute ins Hotel können“, versuchte er sie zu beruhigen.

Statt dankbar auszusehen, bekam sie wieder diesen unnachgiebigen Blick, der deutlich ihre Unzufriedenheit ausdrückte.

„Mr. Cole, Sie können die Kleinen nicht einfach in ein Hotel verfrachten! Das sind keine geeigneten Ferien für Kinder.“ „Und was stellen Sie sich unter geeigneten Ferien vor, Miss Springer?“, fragte Joshua kühl.

„Kinder möchten an einem Ort sein, an dem sie sich geborgen fühlen, umgeben von Menschen, die sie lieben“, erklärte Dannie leise. „Melanie dachte, genau das würden ihre Kinder hier bekommen, sonst hätte sie die Kleinen niemals hergeschickt.“

Und sie wäre selbst nicht weggefahren, erkannte Joshua. Er erinnerte sich wieder daran, wie erschöpft Melanie gewirkt hatte.

Hatte er ihr tatsächlich gesagt, er würde Zeit mit den Kindern verbringen? Das bestimmt nicht! Aber er hatte versprochen, sich um die Kleinen zu kümmern, ohne Einzelheiten zu nennen. Wenn seine Schwester daraus schloss, die Kinder dürften bei ihm bleiben, hatte sie sich geirrt. Dafür war er nicht verantwortlich!

Unvermittelt wurde Joshua bewusst, dass er zwar einer der erfolgreichsten Unternehmer der Welt war, sich aber insgeheim wie ein kleiner Junge nach der Anerkennung der älteren Schwester sehnte.

Er wollte das Vertrauen, das Melanie in ihn setzte, nicht enttäuschen. Tu einfach das Richtige!, flüsterte ihm eine innere Stimme zu. „Na gut“, sagte er schließlich ohne eine Spur von Begeisterung. „Dann bleiben die Kinder eben bei mir.“ Miss Springer sah ihn skeptisch an. Kein Wunder, scheinbar schien sie nicht an seine plötzliche Wandlung zu glauben.

Doch dann wurde Joshua klar, dass es etwas anderes war, was sie – und ihn ebenfalls – vermutlich erschreckt hatte: Wenn die Kinder bei ihm blieben, bedeutete das, dass Miss Pringy, die einschüchternde Nanny mit dem sinnlichen Mund und den geheimnisvollen Augen, ebenfalls bei ihm bleiben würde.

Und wäre das nicht schlimm genug, so würde die Anwesenheit des Babys ihn ständig an eine Welt erinnern, die seine hätte sein können. Eine Welt, die er vor Jahren freiwillig aufgegeben hatte.

Seinen Sohn.

Seither hatte er den Glauben an sich selbst verloren. Nie war er sich ganz sicher, ob er noch die Fähigkeit besaß, richtige Entscheidungen zu treffen. Nicht einmal seine Schwester wusste von der ungewollten Schwangerschaft seiner damaligen Freundin, als er noch aufs College ging.

Nun hoffte Joshua inständig, Miss Pringy würde seine Einladung nicht annehmen. Er wünschte, er könnte sie zurücknehmen, damit er sich nicht mit seiner Vergangenheit auseinandersetzen musste.

„Na ja, irgendwo müssen wir ja bleiben“, sagte sie dann, und ihre fehlende Begeisterung war kaum zu überhören. „Ich mute den Kindern heute auf keinen Fall noch mehr Herumreisen und Unsicherheiten zu.“

Und was ist mit mir?, hätte Joshua am liebsten gerufen. Seine bisher sichere und berechenbare Welt schien von einer Minute auf die andere aus den Fugen zu geraten und plötzlich voller Gefahren zu sein.

Und das behagte ihm ganz und gar nicht.

2. KAPITEL

Als Dannie sich ins Taxi setzte, schäumte sie vor Wut.

Wenn ich Melanie das nächste Mal sehe, drehe ich ihr den Hals um, schwor sie sich.

Dass ihr solche Gedanken kamen, machte ihr selbst noch einmal deutlich, wie aufgewühlt sie sich tatsächlich fühlte. Unter normalen Umständen war sie nämlich die Ruhe und Gelassenheit in Person.

Seelische Ausgeglichenheit war allerdings kein Schutzschild gegen einen Mann wie Joshua Cole. Er sah nicht nur unglaublich attraktiv aus mit diesem strahlenden Lächeln, den grünen Augen und dem markanten Gesicht – nicht zu vergessen dem muskulösen Körper, den der elegante Anzug durchaus erahnen ließ. Zudem besaß er einen so umwerfend erotischen Charme, dass vermutlich selbst eine Heilige von ihm aus dem inneren Gleichgewicht gebracht worden wäre.

Joshua war attraktiv, keine Frage, aber das wusste Dannie bereits, seit sie bei Melanie zwei Fotos von ihm gesehen hatte. Doch auch diese Bilder konnten sie nicht auf Joshua Cole in Fleisch und Blut vorbereiten. Eines der Fotos zeigte ihn als zwölfjährigen Jungen, wie er bei einem Ausflug an den Strand fröhlich in die Kamera grinste – diese Lebensfreude schien er mittlerweile verloren zu haben.

Das zweite Bild zeigte ihn im Footballdress seines Colleges, sehr selbstbewusst und beinah überheblich, doch damals schien ihm noch der Schalk im Nacken gesessen zu haben.

„Er hat das College nie abgeschlossen“, erzählte Melanie einmal ein bisschen wehmütig. Sie schien Joshua noch immer als kleinen Bruder zu betrachten, dem sie in jeder Lebenssituation zur Seite stehen wollte, der sich aber ihrer gut gemeinten Ratschläge gekonnt entzog.

Melanies gelegentlichen Bemerkungen über ihn ließen Dannie vermuten, er würde ein Hotel oder eine Reiseagentur managen. Sie hätte niemals daraus geschlossen, dass er der Besitzer eines modernen und gewinnbringenden Touristikunternehmens war.

Der Artikel über Joshua Cole im Magazin „People“ kam daher für Dannie sehr überraschend. Die Fotos brachten seine maskuline Ausstrahlung wesentlich besser zur Geltung als Melanies Schnappschüsse aus vergangenen Tagen. Der Mann sah, wie die Aufnahmen aus seiner Freizeit bewiesen, unglaublich sexy aus. Die Bezeichnung „Junggeselle mit dem meisten Sexappeal“ war also durchaus berechtigt.

Der Artikel beschrieb ihn als dynamisch, einflussreich und umwerfend charmant, und das nur privat. Geschäftlich bezeichneten sie ihn als einen brillanten Unternehmer, der hauptsächlich für seine Arbeit lebte und nur gelegentlich in Begleitung schöner, meist reicher oder berühmter Frauen gesehen wurde.

Dannie fühlte sich zu dem Zeitpunkt seltsam nervös bei dem Gedanken, diesen Mann kennenzulernen. Bestimmt war er arrogant, nur oberflächlich charmant, reiste als Playboy um die Welt und brach reihenweise Frauenherzen, ohne selber jemals intensive Emotionen zu investieren.

Schon bevor der großmächtige Joshua Cole sie am Flughafen sitzen gelassen hatte, befürchtete Dannie das Schlimmste. War es von Melanie wirklich klug gewesen, die Kinder zu ihm zu schicken?

Joshua sah zwar tatsächlich so gut aus, wie der Artikel behauptete, zudem verhielt er sich aber auch wie ein herzloses Ekel!

Aber warum habe ich dann das Angebot nicht angenommen, mit den Kindern nach Whistler zu fahren?, fragte sich Dannie irritiert. Nur, weil kleine Kinder ihrer Meinung nach in einem Hotel nicht gut aufgehoben waren, nicht einmal, wenn es sich als kinderfreundlich ausgab?

Nein, dahinter steckte mehr als das, und es lag auch nicht daran, dass die Kinder zu erschöpft für eine sofortige Weiterreise waren. Aber Dannie selbst war müde, und das konnte keine gute Ausgangssituation sein, um vernünftige Entscheidungen zu treffen.

Hinzu kam, dass Joshua Cole nicht ganz so auftrat, wie sie erwartet hatte. Ja, er schien arrogant und oberflächlich charmant zu sein, aber hinter dieser Fassade verbargen sich offensichtlich tiefere Empfindungen.

Denn als er das Baby im Arm gehalten hatte, war sein Ausdruck plötzlich wehmütig und beinah zärtlich geworden. Anscheinend gab es auch in seinem Leben Dinge, die nicht zufriedenstellend verlaufen waren.

Genug jetzt, ermahnte Dannie sich streng. Sie und die Kinder würden bei ihm übernachten, und morgen, gut erholt, würde sie weitersehen. Der ursprüngliche Plan war hinfällig. Eine ganze Woche mit Joshua Cole verbringen? Auf keinen Fall!

Aber unter keinen Umständen wollte sie Melanie und Ryan auf Hawaii anrufen und ihnen erzählen, in welcher Situation sie sich befand. Die beiden brauchten dringend etwas Zeit miteinander – ohne Kinder. Dannie wusste, dass beim geringsten Anzeichen von Problemen Melanie im nächsten Flugzeug nach Hause sitzen würde, und genau das wollte sie vermeiden!

Trotzdem, wäre es gut für die Kleinen, eine Woche mit ihrem Onkel zu verbringen? Er hatte überdeutlich klargemacht, wie wenig ihm Kinder zusagten. Tatsächlich verdiente er sein riesiges Vermögen damit, kinderfreie Ferienwelten für Erwachsene zu schaffen. Seine Einladung, dass die Kinder bei ihm bleiben konnten, basierte sicher nicht auf ernst gemeinter Fürsorglichkeit und machte ihn noch lange nicht zu einem Helden!

Und wie wäre es für mich, eine Woche in Gesellschaft eines solchen Mannes zu verbringen?, fragte sich Dannie verunsichert. Wie lange würde sie seinem Charme standhalten können?

Würde er es überhaupt erst probieren, sie mit seinem Charme zu verführen? Vermutlich nicht. Die Frauen, mit denen er sich sonst umgab, waren so ganz anders als Dannie. Diese Frauen wirkten elegant, durchgestylt und vor allem gertenschlank – all das, was sie selbst nicht darstellte!

Sie berührte das Medaillon an ihrem Hals, und der vertraute Schmerz durchzuckte sie. Brent hatte es ihr geschenkt, als er für ein Jahr nach Europa gegangen war. Damals behauptete er, es wäre das Symbol seines Versprechens, dass er zu ihr zurückkommen würde.

Doch Brent hielt sein Versprechen nicht ein. Vielleicht wäre es besser, das Medaillon endlich abzunehmen, da es nur noch das Symbol eines gebrochenen Versprechens war. Andererseits schützte es Dannie möglicherweise vor weiterem Kummer, da es sie ständig daran erinnerte, dass sie den Männern nicht vertrauen konnte!

Dannie fühlte sich einfach noch nicht bereit dazu, es abzulegen. So manche Nacht betrachtete sie Brents Bild in dem Medaillon und spürte erneut den Schmerz, jedoch nicht stark genug, um die Hoffnung zu unterdrücken, er würde irgendwann seinen Fehler einsehen und zu ihr zurückkehren.

Doch vielleicht war es auch ihr Fehler gewesen, überhaupt an die Liebe zu glauben! Dabei hatte sie bei ihren Eltern hautnah miterlebt, wie sich Leidenschaft in Hass verwandelte, der alles zerstörte, mit dem er in Berührung kam. Sie und ihre Geschwister hatten schrecklich gelitten, als die Familie schließlich an diesem Hass zerbrach.

Zum Glück habe ich jetzt die Maynards, dachte Dannie dankbar. Melanie war mehr eine Freundin als eine Arbeitgeberin, sie hatte „die Nanny“ sofort in die Familie aufgenommen. Dannie fühlte sich im Kreis dieser Menschen geborgen, nur deshalb schaffte sie es überhaupt, unter ihrem Liebeskummer nicht zusammenzubrechen.

Ja, sie liebte ihre Ersatzfamilie, und ihr Herz war dort in Sicherheit.

Nur seit Brents Anruf aus London, als er ihr sagte, er hätte eine Andere, wurde Dannie manchmal neidisch, wenn sie bemerkte, wie liebevoll Melanie und Ryan einander ansahen.

Das Fiasko mit Brent hatte dazu geführt, dass Dannie ihr Äußeres vernachlässigte. Keine Friseurbesuche mehr, kein Make-up, stattdessen haufenweise Schokolade als Trost, mit dem Resultat, dass sie knapp sieben Kilo mehr auf die Waage brachte.

Kein Mann würde ihr zurzeit einen zweiten Blick zuwerfen, schon gar nicht ein Mann wie Joshua Cole. Allerdings hatte er ihr vorhin auf die Lippen gesehen, als fände er sie verlockend.

Als wolle er sie gerne küssen …

Unsinn! Ein Playboy wie er musterte wahrscheinlich jede Frau auf diese Art. Trotzdem hatte sie kurz das Gefühl gehabt, er würde etwas in ihr sehen, was bisher keinem anderen Mann aufgefallen war.

Bilde dir bloß nichts ein, ermahnte sich Dannie streng.

„Soll es denn auch irgendwo hingehen, oder wollen Sie in dem Wagen einfach bloß eine Pause einlegen?“, erkundigte sich der Taxifahrer ungeduldig.

„Wenn Sie ein grässliches gelbes Auto sehen, folgen Sie ihm bitte“, wies Dannie ihn an.

In dem Moment kam Joshua mit seinem dottergelben Lamborghini angefahren. Der Taxifahrer pfiff anerkennend. „Und den Wagen finden Sie grässlich?“

„Er ist für Kinder völlig ungeeignet“, stellte sie nüchtern fest, als der Fahrer sich hinter dem aufsehenerregenden Sportwagen einreihte.

„Aber man kann Frauen damit beeindrucken“, erwiderte der Mann.

Richtig, dachte Dannie. Genau wie vermutet.

„Wenn er jetzt Gas gibt, kann ich aber nicht mithalten“, informierte der Fahrer sie. „Wenn er das macht, drehe ich ihm den Hals um! Er hat ein Baby im Wagen.“

Joshua hatte einen Babysitz besorgt und in seinem Wagen angebracht – eine durchaus nette Geste von ihm. Das änderte jedoch nichts daran, dass er Kinder nicht ausstehen konnte.

Dannie war ohnehin fertig mit den Männern. Sie würde als alte Jungfer enden, die sich um anderer Leute Kinder kümmerte, als wären es ihre eigenen. Aber das musste ja nicht das Schlechteste sein.

„Du darfst nicht sagen, dass du wem den Hals umdrehst“, erklärte Susie entschieden. Sie hielt den großen Teddybären im Arm, den Joshua ihr organisiert hatte, doch offensichtlich konnte auch der nichts an ihrer Meinung über ihren Onkel ändern. Für Dannie war es gut nachzuvollziehen, dass Joshua aus der Sicht von Susie der Bösewicht war, der ihr die Mutter wegnahm. Kein Teddybär der Welt könnte daran etwas ändern. Aber offenbar musste Joshua erst noch lernen, dass er Zuneigung nicht kaufen konnte.

Trotzdem musste Dannie zugeben, dass er sich sehr bemühte, alles richtig zu machen. Er hatte telefonisch den Auftrag gegeben, in seiner Wohnung ein Kinderbett in das Gästezimmer mit dem Whirlpool zu stellen. Dannie fragte sich, wie viele Gästezimmer es in seiner Wohnung eigentlich gab und warum sich der Whirlpool ausgerechnet in einem von ihnen befand …

Es dauerte nicht lang, bis sie vor einem großen Apartmenthaus anhielten. Obwohl Dannie erwartet hatte, dass Joshua nicht gerade bescheiden wohnte, war sie überwältigt. Das hohe Gebäude schien ganz aus Glas und weißem Marmor konstruiert zu sein, und der Platz davor wirkte wie ein aufwendig gestalteter Park: saftig grüner Rasen, exotische Blumenbeete, ein Brunnen aus schwarzem Onyx, in dem mehrere Fontänen munter sprudelten.

Während Dannie noch nach ihrem Portemonnaie suchte, kam Joshua schon mit Jake auf dem Arm zum Taxi und bezahlte den Fahrer. Dann nahm er das Baby auf den anderen Arm und öffnete ihr die Tür. Es überraschte Dannie, wie vertraut er bereits mit Jake umging. Allerdings schien es ihm egal zu sein, dass er seinen grässlichen gelben Wagen im absoluten Halteverbot abgestellt hatte. Aber natürlich glaubte ein Joshua Cole, dass Regeln nur für andere gemacht waren. Er war derjenige, der die Befehle gab, und alle anderen gehorchten.

Das soll er bei mir gar nicht erst probieren!, dachte Dannie im Stillen. Vor dem Debakel mit Brent hätte sie sich vielleicht herumkommandieren lassen, aber das war jetzt vorbei.

Ein Portier kam aus dem Haus und fuhr Joshuas Wagen weg. Wahrscheinlich gab es in dem Gebäude eine Tiefgarage. Ein zweiter Portier eilte zum Taxi und holte das Gepäck aus dem Kofferraum. Joshua begrüßte beide mit Namen, und seine Freundlichkeit ihnen gegenüber verblüffte Dannie.

Dann führte er sie und Susie in die Eingangshalle, die mindestens so luxuriös war wie die eines Tophotels. Dicke Teppiche bedeckten die Marmorfliesen, Ledersessel und – sofas waren zwanglos zwischen Grünpflanzen platziert, dezente Beleuchtung tauchte alles in ein sanftes Licht. Und trotzdem schien Dannie in diesem Augenblick, als wäre das Hinreißendste in diesem Raum dieser selbstbewusste Mann direkt neben ihr, der mit dem Baby im Arm entspannt zum Lift ging.

Die wenigsten Männer konnten ungezwungen mit Kindern umgehen. Brent behauptete stets, Kinder zu lieben, hatte sie aber zugleich herablassend und mit übertriebener Begeisterung behätschelt, was die Kleinen natürlich nicht ausstehen konnten.

Joshua hingegen, der niemals für sich beanspruchte, Kinder zu mögen, und der sich sichtlich unbehaglich in deren Gegenwart fühlte, trug das Baby auf seine Hüfte gestützt, als hätte er sein Leben lang nichts anderes getan.

Während Dannie ihn beobachtete, sah er so unverkennbar liebevoll auf den Kleinen hinunter, dass es ihr vor Rührung den Atem raubte. In diesem Augenblick wirkte er überhaupt nicht wie ein selbstsüchtiger Playboy und knallharter Geschäftsmann, sondern einfach … wie er selbst. Hatte sie möglicherweise zu schnell über ihn geurteilt? War sein oberflächliches Auftreten vielleicht bloß Fassade? War er womöglich doch mehr Familienmensch, als er sich selbst und anderen eingestehen wollte?

Halt, jetzt wird es gefährlich, warnte Dannie sich. Wieso glaubte sie, diese für sie wichtigen Qualitäten ausgerechnet in Joshua Cole zu sehen – einem Mann dazu, den sie eben erst kennengelernt hatte? Und das, obwohl sie gerade von einem anderen schwer enttäuscht worden war?

Genug fantasiert!, ermahnte sie sich erneut. In dem ganzen Jahr während Brents Abwesenheit hatte sie sich eine Welt der Illusionen aufgebaut, ein wackeliges Kartenhaus aus E-Mails und Briefen. Seine Worte darin ließen sie glauben, dass trotz der Trennung seine Liebe zu ihr wuchs, doch eher das Gegenteil war eingetreten.

Bei ihm jedenfalls. Dannie liebte ihn so jämmerlich, dass sie sich von ihren mageren Ersparnissen bereits ein Hochzeitskleid gekauft hatte. Als sie später bemerkte, dass es ihr nicht mehr passte, musste sie sich endlich eingestehen, dass auch der letzte Grundstein ihres Kartenhauses kläglich zusammengebrochen war.

Dannie haderte nicht mit ihrer Gewichtszunahme. Männer würden sie nun in Ruhe lassen. Vor allem Männer wie Joshua Cole.

Dieser schob gerade eine Karte in das elektronische Schloss des Lifts, dessen Türen sich daraufhin geräuschlos öffneten.

Dannie konnte es kaum glauben. Joshua hatte tatsächlich seinen eigenen, noch dazu gläsernen Lift! Wie sollte sie aufhören zu fantasieren, wenn diese Wirklichkeit ihre kühnsten Träume übertraf?

Sie betraten den Lift, der rasch nach oben fuhr. Sogar Susie war so begeistert, dass sie vorläufig die Wut auf ihren Onkel vergaß. Sie jauchzte vor Freude, als sie immer höher schwebten und sich ein atemberaubendes Panorama vor ihnen ausbreitete.

Allerdings konnte sich Dannie nur wenig auf die Aussicht konzentrieren. In der viel zu engen Liftkabine kam sie Joshua näher, als ihr lieb war. Wie gut er nach teurer Seife und dezentem Rasierwasser duftete! Plötzlich bewegte er sich seitwärts und streifte sie scheinbar unabsichtlich. Diese flüchtige Berührung genügte, und Dannie glaubte, ein aufregender Stromschlag würde sie durchzucken …

Hatte Brent jemals solche Empfindungen in ihr geweckt? Waren ihr allein von seinem Duft und einer leichten Berührung die Knie weich geworden?

Rasch wendete sich Dannie der atemberaubenden Aussicht zu – die jedoch nicht schuld an ihrem wilden Herzklopfen war.

Unter ihr erstreckte sich das tiefblaue Wasser der Bucht, weiße Segel leuchteten im Sonnenschein, Windsurfer tanzten über die mit Schaum gekrönten Wellen. Weiter draußen fuhr majestätisch ein Kreuzfahrtschiff vorbei.

Dann hielt der Lift und die Türen öffneten sich direkt im Apartment. Glastüren, die vom Boden bis zur Decke reichten, bildeten eine Wand des Wohnraums. Dahinter lag ein Dachgarten mit exotischen Blumen und eleganten Rattanmöbeln. Vorhänge aus transparenter weißer Seide wehten in einer leichten Brise, die nach Meer duftete.

Im Wohnraum standen weiße Ledersofas an einem offenen Kamin, der mit seiner Edelstahleinfassung und den kupferfarbenen Kacheln beinah wie ein modernes Kunstwerk wirkte. Überhaupt schien die ganze Wohnung aus Glas, Leder und Edelstahl zu bestehen – abgesehen von einigen Gegenständen aus Granit, wie den Arbeitsflächen in der Küche. Diese war nur durch einen Tresen vom Wohnraum getrennt, und die Geräte darin waren alle nur vom Feinsten. Es gab sogar einen beinah mannshohen Kühlschrank mit diversen „Klimazonen“.

„Sagen Sie bloß nicht, dass Sie selbst kochen“, meinte Dannie überwältigt.

„Na ja … zählt das Öffnen von Weinflaschen zum Kochen?“, fragte Joshua lachend.

Seine Antwort bewies Dannie wieder einmal, wie schon das Auto und der Whirlpool, dass er ein Genießer war, dem es nur um seine eigenen Vorteile ging.

Was habe ich hier verloren?, fragte sie sich bestürzt. Sie und die Kinder gehörten nicht in dieses Apartment!

„Es tut mir leid, aber ich glaube, dass wir hier nicht bleiben können. Ich hätte mich nicht aufdrängen dürfen. Wären Sie so nett, uns einen Flug zu buchen, damit ich die Kinder nach Hause bringen kann?“

Doch bei dem Gedanken, umgehend nach Toronto zurückzukehren, wäre Dannie am liebsten in Tränen ausgebrochen. Nicht, weil ihr dieses Apartment wie ein Traum vorkam und in ihr den Wunsch weckte, auch einmal den Luxus in vollen Zügen genießen zu dürfen. Nein, daran lag es wirklich nicht! Sie fühlte sich nur so schrecklich müde, und die Aussicht, mit den völlig erschöpften Kindern sofort wieder in ein Flugzeug zu steigen, war heute einfach zu viel. Vielleicht morgen.

„Und für heute Nacht wäre eine Pension bestimmt das Richtige“, sagte sie resigniert.

„Was stimmt denn nicht?“

Nichts stimmt!, wollte Dannie am liebsten rufen. Sogar ihr ganzes Leben kam ihr plötzlich verkorkst vor. Von Luxus – wie er sie gerade umgab – hatte sie nie geträumt. Für Menschen wie sie und Brent war das nicht von Bedeutung, für sie lag der Wert in anderen Dingen.

Doch warum fühlte sie sich dann plötzlich so niedergeschlagen bei der Einsicht, dass sie niemals eine so schöne Wohnung haben würde? Oder einen Mann wie Joshua Cole? Sie konnte ja nicht einmal jemanden wie Brent, rundlich, mit dicker Hornbrille und ungefährlich, dauerhaft an sich binden.

Und da stand nun Joshua Cole und sah sie an, als läge ihm wirklich etwas an ihr und ihrem Wohlbefinden. Doch Dannie war nicht naiv genug, um sich von diesem Blick täuschen zu lassen. Jetzt nicht mehr, Brent hatte sie das gelehrt.

„Es ist doch mehr als offensichtlich, dass ich mit den Kindern nicht hierbleiben kann“, erklärte Dannie bemüht sachlich. „Die können eine Wohnung wie diese innerhalb von Minuten ruinieren. Mir droht ein Nervenzusammenbruch, wenn ich versuchen soll, auf alle Ihre Besitztümer aufzupassen.“

„Es sind doch nur Gegenstände“, meinte er ruhig.

„Tatsächlich? Und an denen hier liegt Ihnen weniger als an der Schale in Ihrem Büro?“ Sie traf genau den richtigen ungläubigen Ton.

„Ich kann alles wegstellen, was zerbrechlich ist.“

„Fangen Sie mit den Weinflaschen an“, schlug sie vor. Das würde ihm vielleicht verdeutlichen, wie viel Arbeit ihm bevorstand.

„Kein Problem, der Kühlschrank lässt sich abschließen.“ Als er hinüberging, fügte er hinzu: „Am besten, ich lasse ein paar Spielsachen bringen, um die Kleinen bei Laune zu halten. Welche wären denn das Richtige?“

Joshua drehte den Schlüssel in der Kühlschranktür um, und als er dann zu ihr zurückkam, lächelte er sie strahlend an und drückte ihr den Schlüssel in die Hand. Bei der leichten Berührung schien Dannie erneut wie von einem Stromschlag durchzuckt zu werden. Konnte das denn nicht aufhören? Seine Hand fühlte sich viel zu warm und stark für ihre sachliche Realität an.

Sie hatte Joshua eine Möglichkeit angeboten, aus dieser Situation entfliehen zu können, doch die wollte er offenbar nicht nutzen. Scheinbar hielt er an einmal gefassten Entscheidungen fest.

Aber war das nun bewundernswert konsequent oder einfach nur männliche Sturheit?

„Welche Spielsachen?“, fragte er noch einmal und lächelte so vielsagend, als wüsste er genau, was sie bei seiner Berührung empfunden hatte.

Natürlich weiß er es, ermahnte Dannie sich. Dieses Spielchen trieb er sicher schon mit allen Frauen. Deswegen nannte man Männer wie ihn ja auch Playboys! Das Leben und die Liebe waren für sie nur ein Spiel.

„Ich will Prinzessin Tasonja!“, rief Susie plötzlich begeistert. „Das Campingset mit Zelt und Rucksack. Und … die Hochzeitskutsche! Aber du brauchst nichts für Jake zu kaufen! Der ist ja noch ein Baby.“

Joshua nahm das Handy aus der Tasche und versuchte, mit einer Hand zu wählen, während er den Kleinen noch immer im Arm hielt.

„Ich würde mir nicht die Mühe machen, die Puppe mitsamt Zubehör zu besorgen“, ermahnte Dannie ihn kühl, während Susie zum Sofa ging und ihr Gesicht in den Seidenkissen vergrub.

„Warum nicht?“, fragte Joshua irritiert.

Sollte sie ihm erklären, dass Susie sich nur wenige Minuten für die Puppe interessieren, aber von da an unaufhörlich weiter Forderungen stellen würde? Oder sollte sie ihn allein herausfinden lassen, dass man die Zuneigung von Kindern wirklich nicht kaufen konnte?

Oder die von Frauen …

„Vermutlich glauben Sie, Susie mit dem Spielzeug beschäftigen zu können, aber wenn Sie nicht mit ihr spielen, wird sie sehr bald das Interesse verlieren. Innerhalb von drei Minuten ungefähr“, fügte sie hinzu.

Joshua klappte sein Handy zu. „Und was soll ich tun, um sie bei Laune zu halten?“ „Sie sind wirklich zu bedauern, Mr. Cole“, platzte Dannie unüberlegt heraus.

„Wieso? Nur, weil ich mich mit Kindern nicht auskenne?“ Er warf ihr einen langen, nachdenklichen Blick zu. „Ich glaube, Miss Pringy, Sie arbeiten nicht nur für meine Schwester, sondern sitzen mit ihr zusammen und tauschen Ideen aus! Sie klingen manchmal derartig wie Melanie, dass es fast angsteinflößend ist. Es wundert mich, dass meine liebe Schwester Sie nicht verkuppeln will.“ Plötzlich zog er die Brauen hoch, als wäre ihm ein überraschender Gedanke gekommen. „Oder sind Sie etwa deswegen hier?“

„Wie bitte?“ Dannie wusste wirklich nicht, worauf er hinauswollte. „Seit einiger Zeit meint Melanie, mir fehle ein richtig nettes Mädchen. Hoffentlich will sie keine Ehe stiften!“ „Ich? Und Sie …?“ Ihr fiel wieder ein, wie mitleidig Melanie sie angesehen hatte, als sie von dem Debakel mit Brent hörte.

Als hätten es alle erwartet, nur sie selbst nicht, die naive Danielle Springer.

Joshua blickte sie finster an. „Haben Sie einen Freund?“

„Im Augenblick nicht“, erwiderte sie herablassend, ganz so, als wäre dies eine seltene Ausnahme. Dabei hatte sie nur eine ernst zu nehmende Beziehung gehabt – zu einem Mann, der tausende Kilometer entfernt war!

„Aber keine Angst, Mr. Cole“, fügte sie beruhigend hinzu. „Ihre Schwester kennt mich. Sie weiß, dass Sie überhaupt nicht mein Typ sind.“

Joshua sah tatsächlich so beleidigt aus, als hätte er angenommen, der Traummann jeder Frau zu sein. Wahrscheinlich war ihm die Beschreibung, er wäre der Junggeselle mit dem meisten Sexappeal, doch zu Kopf gestiegen.

„Und was ist Ihr Typ, Miss Pringy?“

„Ich mag belesene, ernsthafte Männer, die keinen großen Wert auf materielle Dinge legen.“ „Ach, Sie meinen Pastoren?“ „Nein, Dozenten“, erwiderte sie kühl. Brent war Dozent. Der typische Akademiker: Schlampig angezogen und immer ein bisschen geistesabwesend.

„Ein Professor ist für Sie der Inbegriff von Männlichkeit?“, hakte Joshua skeptisch nach. „Ja, sicher.“ „Liebe Miss Pringy, spielen Sie bloß nie Poker! Sie können

nicht lügen.“ „Zum Glück mag ich Poker nicht, und mein idealer Mann macht sich auch nichts daraus.“

Ihr idealer Mann machte sich leider auch nichts aus ihr! Jetzt, nach dem Ende ihrer Beziehung, erkannte sie, dass alles größtenteils nur in ihrer Fantasie stattgefunden hatte.

„Der Dozent“, meinte Joshua trocken. „Richtig. Wenn Sie sich jetzt um Susie kümmern und sie beschäftigen würden, Mr. Cole? Es ist Zeit, Jake zu baden.“

Natürlich stimmte das nicht, aber Dannie ertrug es nicht länger, sich weiter mit Joshua über ideale Männer zu unterhalten. Er als Playboy wusste bestimmt nicht, wann ein Baby gebadet wurde. Und mit Dozenten kannte er sich sicher auch nicht aus. Allerdings kannte er sich ein bisschen zu gut mit Frauen aus, und das war Grund genug für Dannie, jetzt lieber die Flucht zu ergreifen.

„Ich soll Susie beschäftigen?“, fragte er entgeistert. „Wie denn, wenn ich ihr keine Puppen kaufen darf?“

„Versuchen Sie es mit ‚Kreis und Kreuz‘.“

„Was soll das sein?“

Dannie lächelte über seine Unwissenheit. „Das Spiel heißt auch Tic Tac Toe und ist so einfach, dass Susie es ihnen erklären kann. Sie brauchen nur ein Blatt Papier und einen Bleistift.“

„Das wird meine Nichte ebenso amüsieren wie eine teure Puppe?“

„Mehr sogar.“

„Muss ich sie gewinnen lassen?“, flüsterte Joshua, bedacht darauf, dass das kleine Mädchen ihn nicht hören konnte.

„Wäre das ehrlich?“, fragte Dannie streng.

„Mir liegt nichts daran, ehrlich zu sein!“

„Ihr sprecht ein wahres Wort gelassen aus“, zitierte sie bissig, um sich für seine spöttische Bemerkung über Dozenten zu revanchieren.

„Mir geht es darum, dass sie nicht zu heulen anfängt“, gestand Joshua.

„Wichtig ist nur, dass Sie Zeit mit ihr verbringen, nicht wer gewinnt.“

Er seufzte. „Ich muss anscheinend noch viel lernen.“

„Sie haben ja so recht, Mr. Cole.“

Offenbar wollte Joshua das nicht auf sich sitzen lassen. „Sie müssen aber auch noch viel lernen“, konterte er und sah sie so eindringlich an, dass sie sich am liebsten abgewendet hätte.

„Zum Beispiel?“, fragte sie kühl.

„Ein Dozent ist nichts für Sie.“

„Woher wollen Sie das wissen?“

„Ich besitze Menschenkenntnis.“

„Sie? Sie wussten ja nicht einmal, ob sie Susie gewinnen lassen sollen oder nicht.“

„Mit Menschen meine ich Personen, die älter als fünf Jahre sind.“ Joshua machte eine kurze Pause und betrachtete sie eingehend. „Aber Sie, Dannie, über Sie weiß ich etwas. Und ich frage mich, ob Sie selbst es auch wissen.“

„Unsinn! Sie kennen mich erst seit ungefähr zwei Stunden“, protestierte sie, hätte aber zu gerne gewusst, wovon er sprach. Wann bekam man schon mal Tipps von dem Mann mit dem meisten Sexappeal?

Allerdings sagte er kein Wort, sondern bewies, wie unglaublich sexy er war. Er hob ihr Kinn mit dem Zeigefinger an und sah ihr tief in die Augen. Dann strich er ihr sanft mit dem Daumen über die Lippen.

Dannie hatte das Gefühl, unter seinem Finger zu schmelzen wie Schokolade in der Sonne, und stolperte einen Schritt zurück. Joshua nickte zufrieden, als bestätigte sie nur etwas, was er ohnehin schon längst über sie wusste.

Und nun erkannte auch sie, was er meinte. Er glaubte, sie sei so schwach wie alle anderen Frauen, denen er begegnete. Er bildete sich ein, dass auch sie ihn unwiderstehlich fand – obwohl sie behauptete, er sei nicht ihr Typ.

„Sie sind im Gästezimmer am Ende des Flurs untergebracht“, informierte Joshua sie so sachlich, als wäre nichts passiert. „Ich habe ein Gitterbett für Jake aufstellen lassen. Ist das okay für Sie?“

„Perfekt!“ Und das meinte Dannie ehrlich. Mit Jake in ihrer Nähe konnte sie sich sicher sein, dass sie nicht schwach wurde.

Obwohl es natürlich unwahrscheinlich war, dass Joshua nachts in ihr Zimmer schleichen würde. Da ging wohl bloß ihre Fantasie wieder mit ihr durch.

Während Dannie das Zimmer verließ, hörte sie, wie Joshua seiner Nichte eine Runde Tic Tac Toe vorschlug, was die Kleine widerstrebend akzeptierte.

Das Gästezimmer bot den gleichen atemberaubenden Ausblick wie das Wohnzimmer – ebenso stilsicher eingerichtet wie das ganze Apartment. Die vorherrschende Farbe war ein sattes Schokoladenbraun in allen möglichen Tönen, nur die Bettwäsche aus feinstem Leinen leuchtete cremeweiß. Die Koffer standen vor dem Bett, daneben das Bettchen für Jake, und durch eine offene Tür konnte man das Bad mit dem Whirlpool sehen.

„Wir müssen so schnell wie möglich weg von hier“, sagte Dannie zu Jake, während sie ihn auszog. „Hier ist man seines inneren Friedens nicht mehr sicher.“

Vor allem, wenn Dannie darüber nachdachte, ob Melanie sie tatsächlich mit ihrem Bruder verkuppeln wollte.

Melanie war so glücklich verheiratet, dass sie alle um sich herum ebenso zufrieden sehen wollte – trotzdem fand sie Brent nie wirklich sympathisch.

Vielleicht, weil sie ihn nie kennengelernt hat, überlegte Dannie.

Dass ihre Arbeitgeberin sie mit den Kindern nach Vancouver geschickt hatte, meinte sie sicher nur gut. Die Nanny sollte mal ein bisschen Abwechslung haben, um ihren Liebeskummer vergessen zu können.

Oder gab es da doch irgendwelche Hintergedanken?

Schnell verwarf Dannie diese Befürchtung wieder. Melanie hatte nie auch nur im Geringsten angedeutet, sie würde ihren Bruder und ihre Kinderfrau für ein passendes Paar halten!

Weil wir das ja auch wirklich nicht sind, gestand Dannie sich ein, was sie zugleich ein bisschen schmerzte.

Wie üblich schaffte das Baby es jedoch, ihre schlechte Laune zu vertreiben, als sie die Wanne mit etwa fünf Zentimeter Wasser gefüllt hatte und den Kleinen hineinsetzte.

Er jauchzte vergnügt und patschte mit den Händchen ins Wasser. Wer könnte da noch länger unsinnigen Gedanken nachhängen?

3. KAPITEL

„Backe, backe Kuchen …“, sang Dannie im Bad. Joshua hörte ihre Stimme und ihr Lachen, ebenso wie das des Babys.

Wer hätte vermutet, dass die ernsthafte Nanny so sorglos und fröhlich klingen könnte?, dachte Joshua, während er Susie gegenübersaß und mit ihr spielte.

„Tic Tac Toe“, rief Susie triumphierend und zog eine Linie durch ihre Reihe von Kreuzen.