Holly. Die verschwundene Chefredakteurin - Anna Friedrich - E-Book

Holly. Die verschwundene Chefredakteurin E-Book

Anna Friedrich

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Beschreibung

Holly: Jede Frau hat ein Geheimnis.

Holly ist die glamouröseste Frauenzeitschrift auf dem Markt. Holly sagt, was Mode ist, und bestimmt die Trends. Die Jobs in der Reaktion sind hart umkämpft und heiß begehrt – Machtspiele und Intrigen sind an der Tagesordnung. Dementsprechend nervös ist die junge Simone Pfeffer vor ihrem Treffen mit der Chefredakteurin Annika Stassen. Die Grande Dame der Medienwelt gilt als ausgesprochen kühl, und wie befürchtet ist sie nicht gerade begeistert von Simones ungewöhnlicher neuer Rolle in der Redaktion. Doch dann passiert etwas Unbegreifliches: Annika Stassen verschwindet spurlos und bleibt unauffindbar. Was steckt dahinter? Ein Skandal? Ein Verbrechen? Plötzlich ist Deutschlands größtes Frauenmagazin führungslos. Und das Chaos bricht aus …

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Seitenzahl: 165

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Buch

Holly ist die glamouröseste Frauenzeitschrift auf dem Markt. Holly sagt, was Mode ist, und bestimmt die Trends. Die Jobs in der Reaktion sind hart umkämpft und heiß begehrt – Machtspiele und Intrigen sind an der Tagesordnung. Dementsprechend nervös ist die junge Simone Pfeffer vor ihrem Treffen mit der Chefredakteurin Annika Stassen. Die Grande Dame der Medienwelt gilt als ausgesprochen kühl, und wie befürchtet, ist sie nicht gerade begeistert von Simones ungewöhnlicher neuer Rolle in der Redaktion. Doch dann passiert etwas Unbegreifliches: Annika Stassen verschwindet spurlos und bleibt unauffindbar. Was steckt dahinter? Ein Skandal? Ein Verbrechen? Plötzlich ist Deutschlands größtes Frauenmagazin führungslos. Und das Chaos bricht aus …

Autorin

Anna Friedrich ist ein Pseudonym. Gäbe es sie wirklich, würde sie in Hamburg leben.

ANNA FRIEDRICH

HOLLY

Die verschwundene Chefredakteurin

Band 1

Neuveröffentlichung Juni 2016

Copyright © 2015 by Anna Friedrich

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2015

by Wilhelm Goldmann Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Covergestaltung: UNO Werbeagentur, München

Covermotiv: © FinePic®, München

MR · Herstellung: JB

ISBN: 978-3-641-20521-8V001

www.goldmann-verlag.de

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Die Hauptpersonen

In der Reihenfolge des Auftretens

Simone Pfeffer

Weiß gerade nicht, was sie von ihrem Leben halten soll. Schwört sich, dass mit dem Dreißigsten alles anders wird. Fängt mit einer Tasche und viel Mut einen Job in der Holly-Redaktion an. Ausgerechnet jetzt.

Annika Stassen

Ist die Chefredakteurin, um die sich alles dreht – erst recht, als sie plötzlich nicht mehr da ist.

Elisabeth Salditt

Die Besitzerin des Verlages: laut, reich, großherzig, rot, gelb, blau, schnell, gemein, umwerfend, kalt, empfindsam, hinterlistig und fair.

Georg »Schorsch« Bender

Schreibt die besten Texte, hat eine feste Freundin, zwei Hasen und ein hinreißendes Muttermal auf dem Augenlid. Gefährlicher Mann.

Sibel Yolan

Recherchiert Kontakte ins Jenseits – und hat schnellen, geilen Sex. Glänzende Journalistin. Frau von einem anderen Stern.

Steve Frommen

Der Verbündete aller Frauen. Pilates-Trainer mit Geheimrezepten und Geheimnissen.

Larissa Werner

Herrscht in dem Reich, in dem jeder Berliner Prominente einen Platz haben möchte. Schwebt auf Stilettos (Louboutin oder Jimmy Choo), kann fünf Sprachen – und schickt einflussreiche Männer und Frauen nach Sibirien.

Christa von Hutten

Wird in der Not gerufen, um zu helfen. Kehrt zurück an den Ort ihrer Niederlage und übernimmt die Macht.

UND ALS SPECIAL GUEST:

Die Kamera

Sieht immer mehr als alle anderen. Kennt die Vergangenheit, linst in die Zukunft.

»Die Refrains des Lebens geben Halt. Immer wieder aufs Neue. Wieder ein Montag, ein Mittwoch, das Ende der Nacht. Wir wissen, was uns entschlüpft ist, doch können wir nicht aufhören, auf das alte Lied zu horchen, auf seine vertraute Melodie, die wir im Klingeln des Weckers zu hören glauben, im Plätschern der morgendlichen Dusche, im Geräusch des Milchaufschäumers im Coffeeshop, im goldenen Flüstern der Sonnenstrahlen … Ein an die Zukunft gerichteter Wunsch ist in Wahrheit immer ein rückwärts gewandter: Komm zurück, komm zurück zu mir!«

Annika Stassen

Prolog

Sie: »Hast du schon mal daran gedacht, was passiert, wenn es rauskommt? Wenn irgendjemand doch etwas spitzkriegt und alle von uns erfahren?«

Er: »Manchmal stell ich mir vor, dass ein Bild von uns im großen Konferenzraum an die Wand gebeamt wird. Zum Beispiel dieses hier jetzt gerade. Der Rock hängt dir um die Hüften, ich hab noch eine Socke an, und diese Hotelbett­wäsche ist unfassbar hässlich … Wunderbare Vorstellung, wie sich alle das Maul zerreißen würden …«

Sie: »Du nimmst mich nicht ernst.«

Er: »Ich muss dich jeden Tag ernst nehmen.«

Sie: »Noch nicht.«

Er: »Aber bald.«

Sie: »Wenn die wüssten.«

Er: »Was wir tun, ist nicht verboten, die Welt würde sich weiterdrehen.«

Sie: »Deine vielleicht. Meine würde einstürzen. Ich frage mich oft, warum ich das riskiere.«

Er: »Hinterher fragst du dich das.«

Sie: »Ich frage es mich auch vorher. Wenn du es genau wissen willst, denke ich jedes Mal vorher daran, unsere Treffen abzusagen. So oft hab ich’s schon formuliert … Schluss aus, Ende. Und du? Fragst du dich nie, was das alles soll?«

Er: »Es gibt einen Song, da heißt es: I got a sore heart. All I need is a little glue.«

Sie: »Und? Was willst du mir damit sagen?«

Er: »Nichts.«

Sie: »Nichts?«

Er: »Deine Haut riecht gut.«

Sie: »Und was noch?«

Er: »Sie fasst sich gut an.«

Sie: »Und was noch?«

Er: »Du willst es nicht beenden.«

Sie: »Dann erzähl mir, welche Bilder wir im Konferenzraum an die Wand projizieren könnten. Denk dir was aus, aber denk ganz neu, ganz radikal, das kannst du doch so gut. Sagen jedenfalls alle.«

Montag, 2. Februar

1

Ihr neues Leben beginnt mit einer überraschend steilen Treppe. In engen Windungen schraubt sie sich vier Stockwerke nach oben bis unters Dach. Fahrstuhl: nein.

Simone Pfeffer hat die riesige blaue Adidas-Tasche umhängen, die irgendwie immer zu schwer ist, schon wenn nichts drin ist, aber jetzt, vollgepackt mit Klamotten, Schuhen, Rechner und dem Stapel Magazinen wiegt sie so viel wie ein Schiffscontainer. Schon im Zug war das Ding die Pest, rein ins Gepäcknetz, raus aus dem Gepäcknetz, dann die drei Ebenen im Berliner Hauptbahnhof, die S-Bahn, der Fußweg hierher.

Die Tasche ist das Einzige, was vom schönen Carl geblieben ist, dem einzigen Schwarzen, mit dem sie je zusammen war, Carl, der Franzose. Manchmal hat sie den Verdacht, dass er bei der Trennung aus Rache Metallplatten in die Tasche eingenäht hat, damit sie bei der Erinnerung an ihn leidet. Oui, oui, Carl konnte nähen. Sah aus wie ein Rugbyspieler, war aber Kostümbildner. Behauptete er jedenfalls. Kostümbildner an einem Theater in Bordeaux. Zu einem Besuch dort ist es nie gekommen, den Großteil ihrer gemeinsamen Zeit hatte er sich in Simones Wohnung in Hamburg eingenistet. Kostümbildner haben wohl keine so strengen Arbeitszeiten … Lange her. Drei Jahre schon? Ja, drei Jahre.

Die Treppe endet auf einem kleinen Plateau vor einer ziemlich massiven einzelnen Wohnungstür, die anders aussieht als die Türen, an denen sie vorbeigegangen ist. Teurer. Simone lässt den Schiffscontainer auf den Boden plumpsen und kramt aus ihrer Handtasche den Schlüssel hervor, den ihr eine Sekretärin der Verlegerin gestern in Hamburg ausgehändigt hat. »Es ist klein dort, aber sehr nett«, hat diese Sekretärin gesagt – und schnell hinzugefügt: »Heißt es.« Sie darf diese Verlagswohnung sicher nicht kennen oder es sich jedenfalls nicht anmerken lassen, falls doch. Der Schlüssel sperrt mit einem tiefen metallischen Klacken auf, das nach Sicherheit klingt. Und jetzt sieht Simone, dass ihr Name schon am Namensschild angebracht ist. Schwarze Buchstaben auf Messing. Ganz netter Aufwand, denkt sie, dafür dass die Verlegerin nur von ein paar Wochen, höchstens drei Monaten geredet hat.

Das Apartment besteht aus einem größeren Raum mit offener Küche, Tisch und Sofa – und einem kleinen Raum mit großem Bett. Eine kurze Diele verbindet die beiden Räume, es gibt Schiebetüren, die jetzt offen stehen, ein kleines Badezimmer mit Dusche, keine Wanne. Der größere Raum hat breite Fenster zur Straße, man sieht den Eingang zu den Hackeschen Höfen, hört die Straßenbahn. Das Schlafzimmer hat eine kleine Terrasse nach hinten raus, man blickt über Dächer auf eine Kirche. Simone Pfeffer kennt sich ganz gut aus in Berlin, besonders hier in Mitte, aber wie diese Kirche heißt, keine Ahnung. Es ist ein überraschend schöner Tag, ein Geschenk am Anfang des Monats Februar. Nachmittag, die Sonne steht tief.

Simone holt aus der Adidas-Tasche die Magazine, aus ihrem dunkelblauen Parka eine Schachtel Lucky Strike und setzt sich auf die Holzliege, die auf der Terrasse steht. Drei Wochen lang hat sie keine einzige Zigarette geraucht, aber jetzt … ist einfach alles zu aufregend. Dafür ist sie viel gelaufen in letzter Zeit, fast jeden Morgen, und sie hat am Wochenende nichts getrunken. Das war nicht leicht, weil Lilly und Sven sie in Hamburg besucht haben. Simone zündet die Zigarette an, bläst den Rauch Richtung Geländer, auf dem eine Taube sitzt. Der Rauch stört sie nicht.

Die Magazine: die letzten zwölf Ausgaben der Zeitschrift Holly. Ein ganzes Jahr Holly liegt da vor ihr. Und gleich auf der ersten Seite nach dem Cover lächelt immer die Chefredakteurin. Nicht nur ein Gesicht wie bei anderen Zeitschriften. Man hat Annika Stassen immer szenisch fotografiert. Im Frühjahr auf dem Fahrrad, im Dezember in der Küche beim Backen von Weihnachtsplätzchen. Mal am Rednerpult bei einer politischen Konferenz, im Sommer mit einem Cocktail am Pool. Es sind gute Fotos, findet Simone, moderne Anschnitte, gutes Licht. Und Frau Stassen sieht gut aus, das Bild ist natürlich etwas bearbeitet, klar, sie ist Mitte vierzig, wirkt aber wie Anfang dreißig. Eine blonde Frau mit einem sympathischen Lächeln. Simone starrt seit Tagen auf diese Bilder. Ihre Freundin Lilly hatte mal mit Annika Stassen zu tun. »Alle sind begeistert von ihr«, hat sie gesagt. »Ich nicht so. Ich finde die Tante ganz schön schwierig. Der Job ist alles für die, sehr machtbewusst.« Lilly hat noch gesagt, sie würde sich an Simones Stelle nicht zu sehr zurechtmachen, lieber bisschen unscheinbar bleiben.

Noch drei Stunden. Dann wird sie Annika Stassen kennenlernen. Sie drückt die Zigarette auf den Steinfliesen am Fußboden aus. Das charmante schwarze Kleid von MiuMiu, das sie neulich im Outlet ergattert hat? Oder schwarze Hose mit blauem Blazer? Oder weniger seriös, jünger? Simone gibt dem Wunsch nach einer zweiten Zigarette nicht nach und macht sich daran, ihre Tasche auszupacken. In der Diele sind Einbauschränke. Die Verlegerin wird sie im Wagen abholen, um acht Uhr. Dann kurz in die Redaktion, das Wichtigste mit Frau Stassen besprechen, dann zu dritt Abendessen im »Robespierre«. Eines ist klar: Frau Stassen wird nicht begeistert sein zu erfahren, dass Simone morgen in der Holly-Redaktion aufschlagen wird. Mit einem Auftrag, von dem die Chefredakteurin bis jetzt noch nichts weiß, einem Auftrag von der Verlegerin.

In der Küchenzeile gibt es eine Nespresso-Maschine. Simone macht sich einen Kaffee. Der Fußboden ist geräucherte Eiche, auf dem Tisch steht eine schwarze kugelförmige Vase mit einem gelben Zaubernussstrauß. »Einmal die Woche kommt tagsüber die Putzfrau, sie bezieht auch das Bett, bringt Handtücher und frische Blumen«, hat die Sekretärin gesagt. Nett ist das hier.

Simone macht ein paar Fotos von der Wohnung und eines von sich selber auf der Terrasse, aber ohne Zigarette, und postet die Bilder. Irgendwie sieht sie unbedarft aus, findet sie, wie sie so dasitzt und lächelt, mit ihren braunen, seit Neuestem kurz geschnittenen Haaren und den braunen Augen. Unbedarft, ungefährlich. Vielleicht gut so. »Cool« ist die häufigste Reaktion der Freunde. Sie schreibt ein paar Antworten.

Die Spyders haben nicht reagiert. Simone lächelt. Die Spyders reagieren nur, wenn es darauf ankommt. Und sie haben in der Angelegenheit schon viel geleistet. Alles Wichtige, das sie über Annika Stassen weiß, verdankt sie den Spyders. Ihren Spyders.

Sie beschließt, noch mal runter auf die Straße zu gehen und die Geschäfte zu scannen. Sie kann sowieso nichts mehr tun. Die Holly-Hefte kennt sie schon auswendig, es gibt nichts mehr, worauf sie sich vorbereiten könnte. Aber in Schuh- und Klamottenläden wird Simone Pfeffer an diesem Nachmittag nicht mehr aufschlagen. Denn als sie unten die Haustür hinter sich zufallen hört, wird ihr klar, dass sie den Schlüssel oben in der Wohnung vergessen hat.

Simone Pfeffer steht in der Rosenthaler Straße in Berlin auf dem Gehweg und sucht in ihrem iPhone nach einem Schlüsseldienst – wir sehen dieses Bild jetzt aus der Perspektive einer unsichtbaren Kamera. Sie befindet sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite, schwebt hoch über den Köpfen der Passanten, registriert alle Einzelheiten, zeichnet auf. Der Parka, den Simone Pfeffer trägt, ist von Comme des Garçons, sie hat ihn seit Jahren, das schwarze T-Shirt ist von Cos, vor vier Wochen gekauft. Jeans: Edwin. Stiefeletten: Moma.

Eine Straßenbahn nimmt an der Haltestelle ihre Fahrt auf und schiebt sich vor dieses Bild.

2

Die Redaktion der Zeitschrift Holly ist nicht weit weg von der Verlagswohnung, in die Simone Pfeffer gerade eingezogen ist. Luftlinie nur einen Kilometer. Die Kamera fliegt dorthin – über den Hackeschen Markt und den Monbijoupark zur Spree, vorbei an der Museumsinsel, weiter bis zu der Stelle, wo die Friedrichstraße den Fluss überquert. Dort an der Ecke, ganz oben, im sechsten und siebten Stock eines schönen alten Hauses arbeiten 58 Menschen für das wichtigste und glamouröseste Frauenmagazin des Landes. Fast alle dieser Menschen sind Frauen.

Im Sommer gehört das Areal den Touristen. Sie fließen aus Bussen, kleben an Stühlen der Cafés, verstopfen die Gehwege, hängen an Brückengeländern, liegen auf den Wiesen. Jetzt, an diesem Montag, Anfang Februar, ist es angenehm ruhig, die Farben sind blass, die Gebäude entfalten ihre Wucht und beherrschen die Szenerie. Die Sonne taucht gerade im Häusermeer ab, hinter den Fenstern der Holly-Redaktion gehen vereinzelt Lichter an.

Die Kamera konzentriert sich auf die Räume an der Ecke des Hauses ganz oben. Dort befindet sich das Büro der Chefredakteurin. Es ist niemand in diesem Zimmer, das Licht ist dezent, wir sehen durch die Fensterfront eine Sitzecke mit zwei grauen Sofas, eine große Schreibtischplatte auf Stahlbeinen, bedeckt mit Zeitschriftenstapeln, Manuskriptausdrucken, Unterschriftenmappen. Der silberne Laptop ist zugeklappt. Eine Stehlampe brennt in der Ecke, über dem Tisch ein Strahler mit einem Fuß aus grünem Glas. An der Wand sehen wir ein Bild des mexikanischen Künstlers Francis Alÿs, die zarte Zeichnung eines gehenden Mädchens. Über der Lehne des Schreibtischstuhls hängt eine schwarze Strickjacke.

Die Kamera schwenkt weiter zu den Fenstern nebenan, aus denen leise Geräusche nach draußen dringen. Der große Konferenzraum der Redaktion, alle Lichtstreifen an der Decke sind an. Um einen riesigen ovalen Tisch sitzen etwa fünfzehn Personen, an der Stirnseite Chefredakteurin Annika Stassen. Vor ihr liegen ein dickes, in grünes Leder gebundenes Notizbuch, eine Lesebrille und ein silberner Kugelschreiber. An der Wand ihr gegenüber ist eine Leinwand von der Decke herabgelassen, auf die das berühmte Holly-Logo projiziert ist und die Überschrift: »50 Jahre Holly. Das Mädchen in der Frau. Die Frau im Mädchen.« Auf dem Tisch stehen Kaffeekannen, Tassen, Teller mit ein paar übrig gebliebenen Keksen. Wir sehen, dass Annika Stassen spricht, es herrscht eine konzentrierte Atmosphäre. Die Kamera fährt durch die Scheibe ins Innere des Raumes, wir hören die Geräusche, Tassengeklapper, Räuspern, Stühlerutschen – und Annika Stassens Stimme.

»… verstehen Sie mich nicht falsch«, sagt sie und richtet sich dabei an drei Personen zu ihrer Rechten, die ganz offensichtlich einer Werbeagentur angehören: zwei Männer in weißen Hemden und eine junge Frau in grauem Pulli. »… Ihre Präsentation war in Teilen durchaus überzeugend.« Annika Stassen lächelt und macht eine bedauernde Handbewegung. »Aber dieser Ansatz ist mir zu kompliziert: das Mädchen in der Frau, die Frau im Mädchen. Das ist verkopft, man braucht zu lange, um es zu verstehen. 50 Jahre Holly, dieses Jubiläum muss entspannter sein, lustiger …« Sie sucht nach Worten. »Direkter irgendwie. Lässiger.«

Die Tür öffnet sich leise, Chefsekretärin Thea Liebhardt schlüpft mit einem entschuldigenden Gesichtsausdruck in den Raum und legt Annika Stassen einen gelben Zettel auf den Tisch. »Die Verlegerin kommt früher« steht auf dem Zettel. »In 30 Minuten.«

ENDE DER LESEPROBE