Homestory - Seite 2 - Beth MacLean - E-Book

Homestory - Seite 2 E-Book

Beth MacLean

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Beschreibung

HOMESTORY – Die andere Seite der Geschichte Eigentlich läuft es wirklich gut für Jake. Der Superstar steckt mitten in einer weltweiten Werbekampagne, die ein enormes Interesse der Medien hervorruft. Obwohl seine Erfahrungen mit Pressevertretern nicht gerade die besten sind, und er deshalb sehr zurückgezogen lebt, nimmt Jake die Promotiontour auf sich. Bei einem der Interviews lernt er den Journalisten Tom kennen. Diese Begegnung wirft ihn gleich in zweifacher Hinsicht aus der Bahn. Zum einen hat er plötzlich Schmetterlinge im Bauch – und das ausgerechnet wegen jemandem aus dem gegnerischen Lager. Zum anderen hat er sich offenbar in dem netten Typen getäuscht, denn Tom erpresst ihn mit verfänglichen Fotos, um exklusiv an eine Homestory zu gelangen. Aber Jake ist schon zu lange im Geschäft, als dass er klein beigeben würde. Er lockt Tom nach Schottland und schlägt mit gleichen Mitteln zurück, ohne zu ahnen, wie sehr dieses riskante Machtspiel sein Leben verändern wird …

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Beth MacLean

Homestory – Seite 2

Impressum

© dead soft verlag, Mettingen 2021

http://www.deadsoft.de

© the author

Cover: Irene Repp

http://www.daylinart.webnode.com

Bildrechte:

© Daniel_Kay – shutterstock.com

© kiuikson – shutterstock.com

1. Auflage

ISBN 978-3-96089-448-3

ISBN 978-3-96089-449-0 (epub)

Inhalt:

HOMESTORY – Seite 2

Die andere Seite der Geschichte

Eigentlich läuft es wirklich gut für Jake. Der schottische Superstar steckt mitten in einer weltweiten Werbekampagne, die ein enormes Interesse der Medien hervorruft. Obwohl seine Erfahrungen mit Pressevertretern nicht gerade die besten sind, und er deshalb sehr zurückgezogen lebt, nimmt Jake die Promotiontour auf sich.

Bei einem der Interviews lernt er den Journalisten Tom kennen. Diese Begegnung wirft ihn gleich in zweifacher Hinsicht aus der Bahn. Zum einen hat er plötzlich Schmetterlinge im Bauch – und das ausgerechnet wegen jemandem aus dem gegnerischen Lager. Zum anderen hat er sich offenbar in dem netten Typen getäuscht, denn Tom erpresst ihn mit verfänglichen Fotos, um exklusiv an eine Homestory zu gelangen.

Aber Jake ist schon zu lange im Geschäft, als dass er klein beigeben würde. Er lockt Tom nach Schottland und schlägt mit gleichen Mitteln zurück, ohne zu ahnen, wie sehr dieses riskante Machtspiel sein Leben verändern wird …

Kapitel 1

Stimmen sickerten in sein Bewusstsein und vertrieben den Traum. Wirre Bilder lösten sich auf wie ein Tropfen Tinte in einem Wasserstrudel. Die Schwere des Schlafs schien seinen Körper zu lähmen und Jake blieb reglos in der Dunkelheit liegen, während er an all die Dinge dachte, die es heute zu erledigen galt. Ohne Zweifel würde es wieder anstrengend werden. Schließlich steckten er und sein Team mitten in der Passt-perfekt-Kampagne.

Seiner Kampagne, in die er viel Zeit und Kraft investiert und die er von Grund auf entwickelt hatte, wovon allerdings die wenigsten etwas wussten. Offiziell war er nur das Gesicht dieser Werbeaktion, durch die in Kooperation mit einer Kiltmanufaktur eine Sonderkollektion Jeans vermarktet wurde – und zwar äußerst erfolgreich, wenn man sich die Zahlen ansah. Der kommerzielle Aspekt war für Jake jedoch Nebensache. Was wirklich zählte, war die Botschaft, die hinter den Fotos und Plakaten stand. Liebe ist vielfältig – und immer wundervoll.

Ein großes Projekt, in das er unglaublich viel Herzblut steckte und für dessen Erfolg er kämpfte. Dies bedeutete allerdings Termine über Termine, stundenlange Gespräche mit Vertretern der Presse, unzählige Fragen, von denen sich ein Großteil bereits nach der ersten Stunde ermüdend oft wiederholte, posieren für Fotos, die dann in Magazinen erschienen oder online gestellt wurden. Seine Assistentin Janine hielt ihn diesbezüglich immer auf dem Laufenden – und ignorierte dabei geflissentlich, dass er nicht daran interessiert war. Wahrscheinlich würde sie ihn selbst dann auf den neuesten Stand bringen, wenn er sich während ihres Vortrags demonstrativ die Ohren zuhalten und dazu noch laut singen würde. Daran, sich auf Plakaten oder Bildschirmen zu sehen, hatte er sich trotz der immensen Publicity, zu der ihm Schauspielerei und Modelbusiness seit Jahren verhalfen, immer noch nicht gewöhnt und zeitweise bereitete ihm der Hype um seine Person sogar Unbehagen.

Gedankenverloren rieb Jake über seine Wangen. Er hatte das Gefühl, dass er sich durch das permanente Lächeln bereits einen chronischen Muskelkater zugezogen hatte.

Allerdings wollte Jake auch nicht undankbar sein. Sein Beruf ermöglichte ihm einen mehr als angenehmen Lebensstil und bei Dingen, die ihm am Herzen lagen, wie etwa dem Naturschutz, half es enorm, seine Popularität in die Waagschale zu werfen und ihnen bedeutend mehr Gewicht zu verleihen.

Vor der Schlafzimmertür schwoll das Stimmengewirr an. Ohne einzelne Worte verstehen zu können, lauschte Jake den Geräuschen. Ein Bild drängte sich ihm auf. So ähnlich musste sich eine Königin in ihrer Kammer im Bienenstock fühlen – ideal umsorgt und doch nur für einen Zweck in diesem abgeschotteten System gefangen, nämlich ungefragt ihre Pflicht zu erfüllen.

Offenbar machte ein Teil seines Teams sich daran, die Zahnräder, die perfekt ineinandergriffen, auch an diesem Tag in Bewegung zu setzen. Wenn sie denn überhaupt jemals stillstanden. Wie immer ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Stunden, die er für sich allein hatte, gezählt waren. Das war der Preis, den er für Effizienz und reibungslose Abläufe zahlen musste. Die für ihn gebuchten Suiten wurden quasi in eine Art Schaltzentrale umfunktioniert, in der sich alle versammelten und ihren Job erledigten. Nur sein Schlafzimmer und das Bad waren ihm vorbehalten – zumindest nachts. Sobald er morgens die Tür öffnete, gab es keine Privatsphäre mehr.

Er fröstelte. Seufzend bedeckte Jake seinen nackten Oberkörper und wickelte sich in die Decke ein, während er auf die Seite rollte. Die Wärme hüllte ihn wohlig ein. Voller Sehnsucht wünschte er sich an einen anderen Ort. Nichts erschien ihm in diesem Augenblick kostbarer, als endlich wieder Zeit für sich zu haben, um Ruhe zu finden und ungestört seinen Gedanken nachhängen zu können. Das war für Jake momentan das höchste Gut und er spürte in aller Deutlichkeit, wie erschöpft er inzwischen war. Nicht körperlich. Nicht vom Sportprogramm, das sein Trainer Will aus unzähligen Varianten immer wieder neu für ihn zusammenstellte, um seine Muskelmasse zu optimieren. Sondern erschöpft von der Erwartungshaltung und den Anforderungen, die permanent an ihn gestellt wurden und die ihn zu einem Befreiungsschlag getrieben hatten. Diese Kampagne war sein Projekt, seine Idee – und er hatte sie auf Biegen und Brechen durchgesetzt. Auch wenn sie ihn inzwischen nah an seine Grenzen brachte, Jake bereute es nicht. Die Botschaft, die sie enthielt, war ihm zu wichtig und der Erfolg gab ihm recht.

Seufzend streckte er einen Arm unter der Decke hervor, ignorierte die Gänsehaut und ließ seine Hand über das gestärkte Leinen gleiten. Der Stoff spannte sich glatt und kühl über die leere Seite. Das Bett war viel zu groß für ihn allein.

Jake tastete in die Dunkelheit, in die Einsamkeit, ins Nichts. Kälte legte sich um sein Herz. Auch mit allem Geld der Welt konnte man keine Liebe kaufen, kein perfektes Gegenstück, das das eigene Leben vollkommen machte. Ein paar Mal war er das Risiko Partnerschaft eingegangen. So empfand er es. Ja, ein Risiko. Das war es für ihn immer – und es hatte ihn vorsichtig werden lassen. Nie konnte er mit Gewissheit sagen, was letztendlich das Interesse des Mannes oder der Frau geweckt hatte. Er selbst oder das, was er in der Öffentlichkeit darstellte. Es war ein Trugschluss, zu glauben, dass gerade er mit Leichtigkeit sein Glück finden konnte. Ungezwungen auf jemanden zuzugehen, einen Menschen außerhalb dieser Glitzerwelt kennenzulernen, jemanden, der ihn nicht kannte oder der sich nichts aus seinem Namen machte, erschien ihm wie ein unüberwindbares Hindernis. In dieser Welt aus Glanz und Glamour gab es hinter dem Rampenlicht mindestens genauso viel Schatten.

Energisches Klopfen riss ihn aus seinen Gedanken und er unterdrückte ein Stöhnen.

»Jake? Nicht wieder einschlafen! Hörst du? Ich kann nicht alle fünf Minuten hier aufkreuzen. Das war das letzte Mal!« Hatte sie ihn heute schon einmal geweckt? Er konnte sich nicht erinnern. Unnachgiebig hakte seine Assistentin nach. »Bist du wach? Es ist höchste Zeit! Ja-hake!«, drang es dumpf durch die Tür. Er sah sie in Gedanken vor sich, wie sie in ein Kostüm gekleidet, das Haar streng gesteckt, mit hochgezogenen Augenbrauen an der Barriere lauschte, die sie von ihrem Schützling trennte. Keine Chance auf Gnade oder die Möglichkeit zu entkommen. Mit einem lustlosen ›Ja‹ erreichte er zumindest für den Moment, dass sie davonstöckelte und sich ein anderes Opfer suchte.

Janine war ehrgeizig, ein Kontrollfreak, der viele Dinge nur schwer aus der Hand geben und delegieren konnte. Sie nahm ihren Job verdammt ernst und arbeitete oft bis zur totalen Erschöpfung. Einmal hatte er sie sogar schlafend an ihrem Schreibtisch vorgefunden. Es war klar, dass sie die Chance, die sich ihr durch die Anstellung bei Jake geboten hatte, unbedingt nutzen wollte und dafür alles in ihrem Leben zurückstellte. In diesem Business erkämpften sich nur die Besten einen Platz an der Sonne – und blieben dort. Jake bereute nicht, Janine an Bord geholt und ihr die Chance gegeben zu haben, sich zu beweisen. Sie war jung, aber verdammt gut in dem, was sie tat. Den Laden am Laufen zu halten, war eine Aufgabe, die sie bravourös meisterte. Ihre Arbeit konnte sich sehen lassen. Janine besaß ein unglaubliches Organisationstalent, hatte unbezahlbar gute Kontakte. Jeder Tagesablauf war minutiös getaktet und solange sich alle an ihre Anweisungen hielten, war alles gut. Irgendwie schaffte sie es immer, kleine und große Katastrophen abzuwenden oder, wenn sie doch eintraten, die Auswirkungen auf ein Minimum zu begrenzen. Wenn Jake es verlangte, würde es ihr vermutlich sogar gelingen, das London Eye als Eisskulptur nachbauen zu lassen – in Originalgröße.

Bis zum Ende der Kampagne brauchte er ihre tatkräftige Unterstützung auf jeden Fall noch. Danach allerdings, und das hatte Jake sich geschworen, würde er ein ernstes Wörtchen mit ihr reden und sie in einen Zwangsurlaub schicken.

Beinahe verzweifelt klammerte Jake sich an die letzte Minute, die ihm noch blieb, die er sich noch gönnte, und zwang sich dann doch zum Aufstehen. Er drückte sein Gesicht stöhnend in das Kissen. Den Oberkörper immer noch unverändert in der Horizontalen, schob Jake seine Beine an den Rand der Matratze und ließ sie schließlich aus dem Bett hängen. Immerhin. Ein Anfang war gemacht und er kämpfte weiter gegen die Versuchung an, sich einzuschließen und mit Watte in den Ohren weiterzuschlafen oder die Hintertür des Hotels zu nutzen und klammheimlich zu türmen.

Widerwillig stemmte er sich schließlich in eine sitzende Position, tastete nach dem Dimmer und erhellte den Raum mit einer Drehbewegung. Jake hatte das Bettzeug nicht zurückgeschlagen. Nun schien es ein Eigenleben zu entwickeln und sich um seine Taille zu schlingen. Beim Aufstehen verdrehte sich seine Jogginghose, weil die Decke Widerstand leistete, sich an ihm festzuhalten schien, als wollte sie ihn daran hindern, in den Tag zu starten, und sie unbeachtet zurückzulassen.

Jake befreite sich mürrisch und schlang die Arme um seinen Körper. Auch ohne einen Blick auf die Zeitanzeige seines Handys zu werfen, wusste er, dass es noch früh war – sehr früh. Zumindest für Menschen wie ihn, die bis spät in die Nacht hinein arbeiteten. Stunde um Stunde war verstrichen, ehe sein Körper endgültig gestreikt und ihn die Müdigkeit weit nach Mitternacht mit einem Schlag übermannt hatte. Um das Defizit, das sich in der letzten Zeit angesammelt hatte, wenigstens annähernd auszugleichen, würde er vermutlich einen ganzen Tag durchschlafen müssen, schätzte Jake.

Gähnend schlurfte er Richtung Bad, schnappte sich unterwegs aus einem Koffer, dessen Inhalt er mangels Motivation nur zur Hälfte ins Ankleidezimmer geräumt hatte, Shorts und Jeans aus seiner Kollektion und tapste in den mit Marmor ausgestatteten Raum.

Wenigstens lag die Temperatur hier drin dank der Fußbodenheizung in seinem Wohlfühlbereich und Jake lockerte Nacken und Schultern, während sein Blick am Spiegel hängen blieb. Am Tag zuvor hatte er ein intensives Training absolviert, was ihm zumindest für heute das Argument lieferte, einen Tag auszusetzen und es ruhiger angehen zu lassen. Natürlich bläute sein Trainer Will ihm des Öfteren ein, dass man sich nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen durfte, aber Jake war zufrieden mit dem, was er sah. Zumindest was den Part vom Hals abwärts betraf. Alle Muskeln waren tadellos definiert und seine Haut, auf der sich nicht ein einziges Härchen zeigte, hatte sogar jetzt im Winter eine ebenmäßige Bräune.

Er blieb am Waschbecken stehen, stützte sich mit den Händen ab und starrte sein Abbild an, während er mit den Zehen auf den beheizten Platten auf und ab wippte.

»Tja, Kisha, da wirst du heute wohl tiefer in deine Schminkkiste greifen müssen«, murmelte er und zog eine Schnute.

Dunkle Augen, über denen die Brauen sich zusammenzogen, blickten ihm skeptisch entgegen. Sein Haar, dessen Schwarz mit seinen einunddreißig Jahren glücklicherweise noch nicht mit Silberfäden durchzogen war, stand in alle Richtungen und die Schatten unter den Augen waren nicht zu übersehen. Nur die vollen Lippen blieben stets unverändert, egal wie erschöpft er sich fühlte. Jake blähte die Wangen und prustete dann geräuschvoll seinen Atem aus. Er gab sich einen Ruck, stieß sich vom Waschbecken ab und verriegelte vorsichtshalber die Badezimmertür, damit er nicht Gefahr lief, einer übereifrigen Assistentin oder Visagistin seinen blanken Hintern zu präsentieren.

Zögernd blieb er stehen. Neben Bidet, Toilette und Ruhebereich blitzten in der Ecke verführerisch die Armaturen des Jacuzzi. Den Gedanken, mit einem belebenden Sprudelbad in den Tag zu starten, verwarf er jedoch sofort wieder. Dafür war keine Zeit. Es musste ihm gelingen, die Müdigkeit, die ihm in den Knochen saß, zu vertreiben – und zwar ohne, dass er Janines straffen Zeitplan durcheinanderbrachte. Seufzend wandte er sich der überdimensionalen Glasabtrennung zu. Ein Schnelldurchgang unter der Regenwalddusche musste also ausreichen.

Nachdem er sich ein Handtuch bereitgelegt hatte, streifte Jake sich den Gummibund seiner Jogginghose über den Hintern und ließ sie zu Boden gleiten. Mit zwei Schritten stieg er aus dem Stoffberg, der sich um seine Knöchel aufgetürmt hatte, und betrat die Dusche.

Das Wasser perlte warm über seine Haut und Jake hielt das Gesicht so lange in den Strahl, bis sein Körper nach Luft verlangte. Er shampoonierte sein Haar, nahm den frischen Duft wahr, der die Dusche erfüllte, und drückte auch noch den Rest aus dem Fläschchen, um seinen Körper einzuschäumen. Routiniert verteilte Jake die fluffige Masse und rieb dabei auch über seine Brustwarze. Sofort wurde sie hart und kribbelte. Ein Schauer jagte über seinen Körper, als er die Berührungen intensivierte und seinen Gedanken freien Lauf ließ. Jakes Atem beschleunigte sich. Dafür war in diesem Moment eigentlich keine Zeit – ein letztes Aufbäumen seines Willens. Er ließ sein Kinn auf die Brust sinken und sah zu, wie der Schaum in dicken Flocken von seinem besten Stück tropfte. Jakes Körper schien ein eigenes Bestreben zu entwickeln und sich nicht um die Vernunft zu scheren – und er gab nach. Während das Pulsieren sich verstärkte, rieb er spielerisch sein Glied, das unter den Berührungen anschwoll und sich aufrichtete. Jake schloss die Augen, stützte sich mit einer Hand an der Wand ab und verstärkte den Druck und die Reibung. Seinen Herzschlag konnte er zwischenzeitlich bis in den Hals spüren.

Schauspieler zu sein, hatte einen großen Vorteil. Er konnte sich dank seiner Vorstellungskraft im Grunde jederzeit in verschiedene Situation hineinversetzen. Innerhalb dieser imaginären Welt war er jetzt nicht allein, sondern teilte sich die Dusche mit einem gesichtslosen Fremden, der hungrig seinen Körper erkundete und Hand an ihn legte. Jake führte Regie, lenkte diese Bilder, die vor seinem inneren Auge wie ein Film abliefen, und er genoss es.

Er spürte und rieb die Härte, ließ seine Hand dann tiefer zwischen die Beine gleiten und knetete seine Hoden. Er war nicht sicher, wie viel durch die zwei Türen bis zu den anderen dringen konnte, also riss er sich zusammen, damit sie ihn nicht stöhnen hörten. Lediglich ein Keuchen gestand Jake sich zu. Alles, was er sonst gern von sich gegeben hätte, würde wohl den angemessenen Rahmen sprengen. Er ermahnte sich jetzt lieber zu etwas mehr Zurückhaltung, als später das ein oder andere verschämte Grinsen zu bemerken. Sollte sein Team doch, wenn nötig, selbst für intime Unterhaltung sorgen.

Jake senkte den Blick. Wasser rann von seiner Nase und seinem Kinn. Jakes Männlichkeit ragte in die Höhe und er schloss seine Hand um den prallen Schaft, fühlte die Wärme und das Zucken. Wie durch einen Nebel nahm er das Pochen an seiner Schlafzimmertür wahr.

Seufzend trieb Jake unter Zeitdruck seine Erregung schneller als beabsichtigt voran, indem er fest über die empfindsame Penisspitze rieb. So lange, bis ihn schließlich einige kräftige Stöße zum Höhepunkt brachten.

Zitternd lehnte er an der Wand und ließ das warme Wasser noch minutenlang über seinen Körper fließen, während er wieder weich wurde.

Jake rubbelte über sein Haar, hängte das Handtuch über einen Halter und putzte sich die Zähne. Im Nu war er in Shorts und Jeans geschlüpft. Beim Verlassen des Badezimmers zog sich eine Gänsehaut über die Arme und die Brust, auf der noch ein paar Tropfen glitzerten. Jake strich sich die nassen Strähnen aus der Stirn und angelte nach einem frischen Shirt, das er sich über die Schulter warf.

Kapitel 2

Barfuß schlenderte er zur Schlafzimmertür, zögerte jedoch, diese letzte Barriere zu entfernen. Eine Hand am Knauf lauschte Jake den vertrauten Stimmen und dem geschäftigen Treiben, das mit dem Öffnen der Schiebetür wie eine riesige Welle in sein Schlafzimmer schwappen würde. Wann, zum Teufel, waren sie alle aufgestanden, fragte er sich nicht zum ersten Mal während ihrer langjährigen Zusammenarbeit.

»Na, dann woll’n wir mal«, murmelte Jake, teilte mit Schwung die beiden Flügel und trat nach draußen – in eine andere Welt. Sofort richtete sich die Aufmerksamkeit aller Umstehenden auf ihn. Wie durch ein unsichtbares Signal schien eine andere Phase im Tagesplan eingeläutet worden zu sein. Mit einem Lächeln auf den Lippen warf er einen Blick in die Runde und murmelte ein ›Morgen‹. Einen Augenblick später löste sich die Starre und es kam wieder Bewegung in sein Team – in zwei Mitglieder im Besonderen. Jake blieb stehen und wartete amüsiert ab, wer heute gewinnen würde.

»Jake, wir müssen noch einige Termine und Änderungen durchgehen!« Wie erwartet war Janine perfekt gestylt. Ihr blondes Haar und ihr Kostüm saßen tadellos. Sie bahnte sich ihren Weg und fixierte ihn mit einem strengen Blick. Offensichtlich lief sie bereits auf Hochtouren, weswegen er es ihr nachsah, dass sie ohne ein ›Hallo‹ oder ›Guten Morgen‹ in die Unterhaltung startete. Noch ehe seine Assistentin ihn erreichte und er sie mit einem Lächeln und einem Kuss auf die Wange begrüßen konnte, schob sich von der anderen Seite ihre Konkurrenz an ihn heran.

»Honey, wir haben heute wie immer viel vor und ich …« Kisha, ihres Zeichens gekürte Make-up-Artistin, hakte sich bei Jake unter und versuchte, ihn mit sanftem Druck in eines der angrenzenden Zimmer zu lotsen. Sie kannten sich seit Jahren und waren ein eingeschworenes Team, was das Arbeiten für beide Seiten angenehm machte. Kisha ging, wie auch alle anderen aus seiner Ersatzfamilie, locker und ungezwungen mit ihm um und er konnte sich auf ihre Diskretion verlassen. Schon mehr als einmal hatte sie ihn während eines Shootings nackt gesehen, und nicht nur gesehen, sondern auch Hand an ihn gelegt, für das Body-Make-up.

Kisha besaß quasi das Monopol auf seinen Körper – zumindest, wenn es um Kosmetik ging. Sie war Mitte fünfzig und pfiff selbstbewusst auf den Schlankheitswahn in Hollywood. Kisha hatte eine Rubensfigur, die sie mit auffällig bunten Kleidern umhüllte, und beheimatete tief in ihrem Innern die Seele einer italienischen ›Mama‹, einer Matriarchin. Sie war oft Beraterin in allen Lebenslagen. Wenn man es wagte, konnte man bei ihr seinen Kummer loswerden, wurde getröstet und erhielt Rat – ehrlich und direkt.

»Ah, ah!« Mit erhobenem Zeigefinger unterband Janine die Entführung und blieb dicht vor Kisha stehen. Sie sah streng auf die ältere Frau hinab, was der Autorität der gebürtigen Afrikanerin keinen Abbruch tat. »Tut mir leid, aber das hat Vorrang!« Janine drückte ihren Zeigefinger derart heftig gegen das Clipboard in ihrer Hand, dass der Bereich um den Knöchel sich weiß verfärbte. Trotz modernster Technik, die Jake seiner Assistentin zur Verfügung stellte, arbeitete sie seltsamerweise sehr gern damit. Ihr Lächeln wirkte angesichts der Tonlage fehl am Platz. Es war eher ein kämpferisches Zähne-Zeigen.

»Mir tut es nicht leid«, entgegnete Kisha unbeeindruckt. »Ich muss mich jetzt um ihn kümmern. Du entschuldigst uns?« Ohne eine Antwort auf die Frage abzuwarten, machte Kisha kehrt und zog ihre Beute mit sich. Dabei schmunzelte sie derart zuckersüß, dass Jake sich über einen kollektiven Kariesbefall nicht gewundert hätte. Weit kamen sie allerdings nicht.

Angestrengt kämpfte Jake ein Lachen nieder, während er die nächste Runde des Schlagabtauschs beobachtete und sich wohlwissend heraushielt. Er verschränkte die Arme und trat einen Schritt zurück.

»Ich musste einige Abläufe ändern und …« Janine gab sich noch lange nicht geschlagen.

»Honey!«, wurde sie pikiert unterbrochen. »Deine Termine und geänderten Abläufe nutzen dir rein gar nichts, wenn du keinen Jake hast, den du gestylt zu einem Interview schicken oder vor eine Kamera schubsen kannst.« Kisha baute sich vor der Blondine auf und wog siegessicher ihren Kopf hin und her. Jake konnte sich nicht erinnern, die beiden jemals ohne Sticheleien erlebt zu haben. Dabei war die Arbeit der einen keinesfalls mehr wert als die der anderen. Es funktionierte nur zusammen – und das wussten sie.

Seine Müdigkeit verflüchtigte sich, während er sich umsah. Die Energie seines Teams übertrug sich auf ihn. Sie alle waren hier, um etwas zu schaffen, etwas zu erschaffen – zusammen mit Jake. Langsam, aber sicher ließ er sich von der Geschäftigkeit und der elektrisierenden Euphorie anstecken.

Aus dem Augenwinkel beobachtete er, wie Charly derweil die Technik checkte und kommentarlos einige Headsets verteilte – für manchen in der weitläufigen Suite unverzichtbar, wenn man sich nicht die Hacken ablaufen und einander ständig verpassen wollte. Auch Janine erhielt eins. Damit war es ihr möglich, Jake für den Rest des Tages wie ein Satellit zu umkreisen, ihn nicht aus den Augen zu lassen und die anderen trotzdem schlicht per Durchsage durch die Gegend zu scheuchen. Mehr Technik für Janine bedeutete weniger Freiheit für ihn und das Team. Während Charly sie verkabelte, konnte Jake sich nicht verkneifen, mit panischem Gesichtsausdruck ›Hilfe!‹ in ein imaginäres Handfunkgerät zu flüstern, als ihre Blicke sich trafen. Der Techniker bekam rote Wangen, da er offensichtlich ein Lachen unterdrücken musste. So schnell wie möglich machte er sich wieder aus dem Staub, um nicht zwischen die Fronten zu geraten.

»… also, lass mich meine Arbeit machen und diesen Diamanten zum Funkeln bringen. Die Termine könnt ihr nebenbei durchgehen.«

Auch wenn über ihn gesprochen wurde, als wäre er ein nettes Accessoire, erwartete Jake amüsiert den Konter seiner Assistentin. Für ihn stand die Gewinnerin fest. Kishas Argument war handfest und in Gedanken hörte er bereits die Ringglocke, die das Ende des Schlagabtauschs einläutete. Unauffällig flogen seine Blicke zwischen den Rivalinnen hin und her, bis Janine auf ihre Uhr sah und einknickte. Vermutlich nicht, weil sie Kisha kleinlaut das Feld überlassen wollte, sondern weil ihr offenbar die Zeit im Nacken saß. Der verkniffene Zug um ihren Mund wurde weicher und sie stöhnte auf.

»Also, dann los!« Janine fuchtelte mit dem Arm in der Luft und scheuchte die beiden auf. Zufrieden zwinkerte Kisha zu Jake hoch, der sich zwischen die Frauen schob, seine Arme um ihre Schultern legte und die beiden an seinen nackten Oberkörper zog. Jede erhielt einen freundschaftlichen Kuss auf die Stirn.

»Ach, Mädels, was würde ich nur ohne euch tun!«, säuselte er dramatisch und lachte, als Janine ihm in gespielter Empörung in die Rippen kniff.

Kisha dirigierte ihn eifrig auf den Stuhl vor dem mobilen Schminktisch, mit dem sie jedes beliebige Hotelzimmer in einen Beautysalon verwandeln konnte, schnappte sich routiniert ihre Frisierutensilien und nahm hinter ihm Aufstellung, während Janine einen Hocker heranzog. Sie beeilte sich, so viele Informationen wie möglich herunterzubeten, bevor Kisha den Fön einschaltete und damit die Unterhaltung deutlich erschwerte. Jake hörte trotz geschlossener Augen aufmerksam zu, nickte oder brummte eine Zustimmung.

Dann riss ihr Redefluss plötzlich ab. »Okay, ich bin gleich da.« Janine klang gereizt, legte ihre Hand dennoch sanft auf Jakes Arm und wartete, bis er sie ansah. »Hör zu, ihr macht hier einfach weiter wie geplant. Ich muss für ein paar Minuten weg und etwas klären.« Während sie sprach, tippte sie mit einem Finger an das Headset, über das ihr offenbar ein Zwischenfall mitgeteilt worden war, und verschwand.

Jake schenkte der Unterbrechung keine weitere Beachtung, sondern versank in der Wohlfühlmassage, mit der Kisha das Stylingmousse in seinem Haar verteilte und einarbeitete. Weil sie wusste, dass er genau das liebte und dabei fast wie ein Kater schnurrte, nahm sie sich dafür immer mehr Zeit als nötig und verwöhnte ihn.

»Nicht einschlafen«, murmelte Kisha dicht an seinem Ohr und holte ihn in die Wirklichkeit zurück. Mit einem Augenzwinkern legte sie Bürste und Fön zurecht, während Jake ihr im Spiegel träge mit den Blicken folgte und dabei versonnen lächelte. Er hätte nichts dagegen gehabt, wenn sie die Massage auf Schultern und Rücken ausgedehnt hätte. Jake rieb seine Augen und gähnte, als er plötzlich zwei Handbreit nach unten sackte und ordentlich zusammengestaucht wurde. Erschrocken krallte er sich an den Armlehnen fest. Er hatte nicht gesehen, dass Kisha den Hebel für die Höhenverstellung betätigt hatte. Natürlich war es für sie so viel angenehmer zu arbeiten, auch wenn Jake nun beinahe unterhalb Kniehöhe saß.

»Okay, jetzt bin ich auf jeden Fall wach.« Das Blut rauschte nach diesem Adrenalinstoß immer noch in seinen Ohren. Trotzdem brachte er ein Lächeln zustande.

Kisha gab einen zischenden Laut von sich und zog eine Grimasse. »Sorry, tut mir leid, Honey.« Als Jake abwinkte, schaltete sie den Fön ein und machte sich an ihre Arbeit.

Die Wärme des Luftstroms verursachte bei Jake eine Gänsehaut, während Kisha gekonnt das feuchtkalte Haar bearbeitete und trocknete.

»So!« Mit einem Ruck zog sie den Stecker aus der Dose, wickelte das Kabel in lockeren Schlingen um den Fön und legte ihn beiseite. Kisha musterte ihn eindringlich.

»Heute würde ich auf jeden Fall zu Concealer raten«, wurde Jake dezent auf die Augenringe hingewiesen.

»Mmh« fügte er sich dem Profitipp, sein Spiegelbild vor Augen. So lief das immer. Kisha ›riet‹ zu etwas, obwohl es für sie bereits beschlossene Sache war und Widerspruch sich äußerst ungünstig auf den Beratenen auswirken konnte.

Zielsicher zog sie eines der Fläschchen aus der Palette. Zwei Drehbewegungen später war sie gerade im Begriff, mit der Schaumstoffspitze über Jakes Haut zu tupfen, als hinter ihnen Janines Stimme ertönte.

»Ihr müsst einen Zahn zulegen, sonst artet das Ganze heute wirklich in Stress aus.« Eine Untertreibung schlechthin. Stress war Bestandteil jedes einzelnen Tages. Ob es an ihrem Befehlston lag oder daran, dass sie wie aus dem Nichts aufgetaucht war, konnte Jake nicht beurteilen. Jedenfalls fiel das Stäbchen mitsamt der Abdeckflüssigkeit auf seinen Oberschenkel und hinterließ eine schmierige Spur. Entsetzt starrte Kisha auf das Malheur.

»Macht nichts. Ich ziehe mich gleich um.« Ehe sie explodieren konnte, griff Jake beruhigend nach ihrer Hand und versuchte dadurch, die Heftigkeit ihres Ausbruchs zu dämpfen. Vermutlich war dieses Missgeschick, das zu allem Überfluss direkt vor Janines Augen geschehen war, Kishas Meinung nach unverzeihlich.

»Was ist los?«, wandte er sich gelassen an Janine, die mit bebenden Nasenflügeln neben ihm stand.

»Zumindest nichts, womit ich nicht fertig werden würde.« Sie straffte ihre Schultern und zog gleich darauf nachdenklich ihre Stirn in Falten. »Ach, übrigens … sagt dir der Name Sharon Prescott etwas? Du hast noch geschlafen, als ich mit ihr telefonierte. Sie meinte, ich solle sie bevorzugt behandeln, da einer ihrer Mitarbeiter wohl ein ganz besonderes Interview vorbereitet hat.« Ein wenig leiser fuhr sie fort, schien ganz in Gedanken zu sein und mit sich selbst zu reden. »Sie hat doch glatt die Frechheit besessen … sieht ihr ähnlich, dass sie den ganzen Ablauf durcheinanderbringt, ohne mit der Wimper zu zucken. Die bildet sich vielleicht was ein.« Sie presste ihre Lippen aufeinander und starrte einen Moment ins Leere, ehe sie hart auflachte. »Tja, ich hätte damit rechnen müssen.«

Janine verstummte und da Jake sich keinen Reim auf ihre Worte machen konnte, wartete er ab. Nach einem tiefen Atemzug wirkte sie bereits erheblich gelassener. »Aber ich denke, es ist ganz gut, dass sie sich gemeldet hat. Es klang ziemlich interessant«, murmelte sie, kaute auf ihrer Lippe und dachte nach. »Zum Glück steht die Technik schon, denn ich habe beschlossen, diesen besonderen Termin, wie sie es nannte, einzuschieben. Wir werden mit dem ersten Interview bereits in einer halben Stunde beginnen. Kriegt ihr das hin?« Es war weniger eine Frage als eine Aufforderung. Skeptisch sah sie die beiden an. Ihre Augenbrauen wanderten hoch und schoben dabei ihre Stirn in Falten. Von einer Sekunde zur nächsten wechselte sie ihre Strategie und flehte. »Kommt schon, Leute! Wir müssen das hinbekommen!«

»Wird knapp … das ist dir schon klar, oder?«, meldete Kisha sich verstimmt zu Wort.

»Warum hast du mich nicht früher geweckt?«, mischte Jake sich ein.

Janine bekam große Augen. »Oh, glaub mir, das habe ich … mehrmals!«, antwortete sie pikiert.

Hastig tupfte Kisha getönte Tagescreme mit einem Schwämmchen auf sein Gesicht. »So, das hätten wir. Jetzt müssen wir uns noch um dein Outfit für das Interview kümmern.« Geschäftig räumte sie die Utensilien weg, die sie benutzt hatte.

Jake zuckte mit den Schultern und sah zu Janine hoch. »Hey, wenn es dich nervt, dass sie sich so aufspielt, dann erteil ihr doch einfach eine Absage. Warum sollte sie eine Sonderbehandlung bekommen?« Er wischte mit den Papiertüchern, die Kisha ihm gegeben hatte, über die Jeans, erreichte jedoch nur, dass der Fleck größer wurde.

»Warum?« Janines Stimme schnappte eine Oktave nach oben. »Lass mich überlegen! Vielleicht weil sie eine der einflussreichsten Redakteurinnen Londons ist und es nicht von Vorteil wäre, sie vor den Kopf zu stoßen? Gerade jetzt während der Kampagne – und auch sonst nicht. Was sie über dich schreibt, liest halb England. Sie hat mich neugierig gemacht. Außerdem … schulde ich ihr einen Gefallen«, gab Janine kleinlaut zu und kaute auf ihrer Unterlippe.

Ihre Worte und die Art, wie sie sie gesagt hatte, ließen Jake aufhorchen. »Du schuldest ihr einen Gefallen?«

Natürlich wusste er, wie dieses Spiel gespielt wurde, und es war ihm oft zuwider. Sein ausgeprägter Gerechtigkeitssinn und seine Geradlinigkeit waren zwei der Gründe, warum er ein zurückgezogenes Leben führte.

»Jetzt bin ich neugierig. Wieso tanzt du nach ihrer Pfeife?«, fragte Jake provokant.

Janines Lippen wurden zu schmalen Linien, ehe sie sich verteidigte. »Ich würde sagen, es läuft eher unter dem Motto ›Eine Hand wäscht die andere‹«, entgegnete sie säuerlich.

Jake zuckte mit einer Augenbraue. »Also?«

»Manchmal meldet sie sich und überlässt mir die Entscheidung, welches Foto von dir im Boulevardteil abgedruckt wird. Das ist gut, dann gibt es keine Überraschungen und ich kann das Optimum rausholen.«

Er seufzte genervt. »Janine, die sind da eh schon von ihr abgesegnet und in der engeren Auswahl. Das ist keine große Sache. Sie bricht sich keinen Zacken aus der Krone, wenn sie dich eins aussuchen lässt.«

»Außerdem bringt sie regelmäßig Berichte über dich, ohne dass ich sie hofiere – und zwar positive! Da müssen sich andere wesentlich mehr anstrengen, um im Gespräch zu bleiben.«

»Natürlich macht sie das … sie hat ja etwas davon. « Jake verzog seinen Mund zu einem schiefen Grinsen.

Ihr Ton wurde eisiger. »Möchtest du mir vorschreiben, wie ich meine Arbeit zu machen habe? Bisher war es für dich in Ordnung, wie ich die Dinge geregelt habe und wie es gelaufen ist.«

Jake schluckte die Antwort hinunter und stöhnte. Er wollte Janine nicht noch mehr provozieren.

Was für ein Theater! »Ich hasse Journalisten«, murmelte Jake und fühlte die Worte mit jeder Faser seines Herzens.

Beschwichtigend legte sie ihm die Hand auf den Arm. »Nein, das tust du nicht. Auch ihnen verdankst du es, dass deine Kollektion so erfolgreich ist. Und es ist ja nichts Schlimmes geschehen. Wir müssen nur diesen läppischen Interviewtermin hinter uns bringen, okay? Mehr hat sie nicht verlangt. Danach dürfte Sharon Ruhe geben. Das ist doch nun wirklich nicht der Rede wert.«

Zweifel nagten an Jake, aber Janine zuliebe hielt er den Mund und erhob sich. Was würde es schon nützen, wenn er jetzt den Aufstand probte und sich weiter über die gängigen Methoden in dieser Branche ausließ?

Kisha hatte sich derweil wieder auf seine Frisur konzentriert, schien jedoch noch nicht ganz zufrieden zu sein. Sie musste sich strecken, um das Haar zurechtzupfen zu können.

Als er nickte, schenkte Janine ihm erleichtert ein Lächeln. »Gut! Dann hätten wir das geklärt. Also los, wirf dich in Schale.« Wieder ganz die Alte, klatschte sie in die Hände und wirbelte herum.

Natürlich war Jake durchaus in der Lage, seine Klamotten selbst auszusuchen, aber vor offiziellen Terminen ließ Kisha es sich nicht nehmen, das Haarstyling, die Art des Make-ups und die Kleiderordnung perfekt aufeinander abzustimmen. Dafür war Jake ja auch dankbar. Heute allerdings vergeudeten sie durch ihren Perfektionismus wertvolle Zeit. Die Minuten rannen dahin wie Sand in einem Stundenglas.

Skeptisch hielt sie mit jeder Hand eine Jeans nach oben und beurteilte sie nach Maßstäben, die sich einem Beobachter nicht automatisch erschlossen, während Jake abwartete und nur mit Boxershorts bekleidet danebenstand. Einen Stapel Hosen hatte sie bereits aussortiert und auf dem Bett verteilt.

»Kisha«, begann Jake im moderatesten Tonfall, den er zustande brachte. »Die Schnitte unterscheiden sich nicht nennenswert. Hauptsache, es ist eine MacKay. Ich sollte schon längst drüben im Salon sein und Fragen beantworten. Du erinnerst dich? Das … besondere… Interview?«, drängte Jake unterschwellig.

»Probier mal die an.« Mit ernster Miene hatte sie sich endlich für ein Modell entschieden. Er griff nach den Jeans, schlüpfte in die Hosenbeine und zog den Stoff mit einem Ruck über seinen Hintern. Sie passte perfekt. Treffender konnte man den Slogan seiner Kampagne wirklich nicht veranschaulichen. Der Stoff hatte einen geringen Stretchanteil, schmiegte sich also angenehm an den Körper und ließ gleichzeitig genug Bewegungsfreiheit. Ein auffälliges Kennzeichen war das verwendete Garn. In sattem Rot zogen sich die Nähte durch den Denim und verliehen der Hose das unverwechselbare Aussehen.

»Okay, die ist es!« Geräuschvoll schlug er sich selbst auf den Hintern und packte kräftig zu, als wollte er den Sitz nochmals überprüfen.

Kisha sah ihm zu. »Und? Willst du wieder barfuß gehen?« Ihr Blick war an seinen nackten Füßen hängen geblieben.

»Mmh. Du weißt doch, möglichst wenig soll von den Jeans ablenken.« Jake grinste sie an, presste aber die Lippen zusammen, als sein Magen sich plötzlich lautstark bemerkbar machte. Für das Frühstück würde nach Janines neuester Terminplanung keine Zeit mehr bleiben. Zielsicher umrundete er das Bett, zog die unterste Schublade eines Schränkchens auf und kramte darin herum. »Ähm, ich hatte hier doch einen Schokoriegel.« Verwirrt drehte er sich zu Kisha um.

»Sieh mich nicht so an … ich hab ihn nicht!« Abwehrend hob sie beide Hände und wedelte mit seinem weißen Shirt, als wäre es eine Parlamentärflagge. »Vielleicht hat Will dein Zimmer gefilzt, um zu verhindern, dass du in einem schwachen Moment seinen Ernährungsplan zunichtemachst.«

»Mist! Ich hab Hunger.« Dann musste er eben zu Plan B greifen. Jake setzte einen Dackelblick auf, kam aber nicht dazu, Kisha zur Mittäterschaft zu überreden.

»Oh, nein! Tu das nicht, Honey!«, wehrte sie sofort ab. »Ich sag Will einfach, dass er dir nach dem ersten Interview etwas bringen soll.« Kisha sah auf die Uhr. »Ein Wunder, dass Janine noch nicht aufgetaucht ist, um dich anzutreiben. Na los! Es wird höchste Zeit.«

Jake tat entrüstet und baute sich vor ihr auf, erntete jedoch nur ein müdes Lächeln.

»Hallo? Wer, bitte, trödelt denn herum?« Er nahm ihr das Shirt ab. Es hatte zwar Überlegungen in diese Richtung gegeben, aber die Interviews ohne Schuhe und mit nacktem Oberkörper zu absolvieren, war ihm dann doch too much.

»Lass mich schnell noch ein, zwei Sachen holen, damit ich dich drüben fertig schminken kann. Dann geht’s los.« Jake blieb vor dem Schlafzimmer stehen, um auf sie zu warten, und schob die Schlüsselkarte zur Suite in seine Hosentasche. Er kannte Kisha. Diese ein, zwei Sachen entpuppten sich meist als ein ganzer Koffer voller Puder, Concealer, Cremes und Make-up.

»Jan?« Er kürzte den Namen seiner Assistentin und die Frage nach ihrem Aufenthaltsort auf drei Buchstaben ab und blickte fragend zu Charly, der sich beneidenswerterweise seinem Frühstück widmen durfte.

Der Techniker würgte einen Bissen seines pink getoppten Donuts hinunter, ehe er sich ein paar Streusel von den Lippen leckte, und schien genau zu wissen, was Jake damit hatte sagen wollen. »Hat vorhin irgendwas von Kensington Room und Journalisten gesagt.«

Kapitel 3

»Bestimmt steht wieder ein grandioses Buffet bereit. Mann! Vielleicht habe ich Glück und es ist noch niemand da. Dann kann ich wenigstens dort noch …« Jake schüttelte das Shirt aus und erstarrte. Eine Naht hatte sich gelöst. Der Faden kringelte sich um ein zentimeterlanges Loch, wodurch das Kleidungsstück denkbar ungeeignet für öffentlichkeitswirksame Kontakte mit Pressevertretern war. Jake biss sich auf die Zunge und unterdrückte ein Fluchen. Noch mehr Zeitdruck konnte er jetzt beim besten Willen nicht brauchen.

»Hol dir ruhig ein paar Leckereien – wenn du dich das traust. Du weißt doch, dass Will früher oder später alles mitbekommt«, foppte Kisha, während sie einen Blick über ihre Schulter warf. Sie hatte nichts von dem Dilemma mitbekommen.

»Warte!«, hielt Jake sie auf. Die beiden hatten einen der Salons erreicht, in dem die Interviews stattfinden sollten. »Ich bin sofort wieder da!« Ohne eine weitere Erklärung machte Jake kehrt und rannte zum Schlafzimmer zurück, um sich ein anderes Oberteil zu holen, und griff wahllos zu. Wenig später kehrte er zurück, bremste seinen Schwung ab und blieb atemlos vor Kisha stehen. »So, wir können.« Sofort bemerkte er ihren tadelnden Blick und bereute, dass er in der Hektik nicht auf die Farbe des Shirts geachtet und sich nicht an ihre Vorgabe gehalten hatte. Egal, das Grau passte auch zu den Jeans. Sie würde sich damit abfinden müssen, denn er hatte keine Lust, noch einmal zurückzulaufen.

Jake zupfte den Saum auseinander, schlüpfte in die Ärmel und ließ sich von ihr die Tür aufhalten. Mit wehendem Gewand eilte sie voraus, steuerte direkt auf den Flügel zu, der schwarz glänzend in der Mitte des Raumes stand und die Blicke der Besucher auf sich zog. Beim ersten Rundgang durch die Suite war es ihm zumindest so ergangen und Jake hatte sich gefragt, ob jemals ein Gast auf diesem Instrument spielte. Leider beherrschte er es nicht, hörte aber gern zu.

»Komm schon, beeil dich, Honey!«, wurde er aus seinen Gedanken gerissen. Kisha schnippte mit den Fingern und warf ihre beneidenswerte Haarpracht, einen armdicken Rastazopf, auf den Rücken.

Jake zog sich das Shirt über den Kopf und brachte die nächsten Schritte blind hinter sich.

»Himmel! Das fängt ja wieder gut an! Janine hätte mich wirklich vorwarnen können!«, zeterte Jake. »Wieso kommt sie erst so kurz vor knapp damit an, dass wir früher beginnen?« Er wusste, dass er Janine Unrecht tat. Sie konnte schließlich nichts dafür, dass diese Prescott sich nicht schon einen Tag eher gemeldet hatte. Das sah danach aus, als wüsste die Chefredakteurin, dass sie auch so kurzfristig noch eingeplant und ihrem Wunsch entsprochen würde. Er kannte sie nicht persönlich und durfte sich daher eigentlich kein Urteil erlauben, aber Sharon Prescott hatte bei Jake allein durch diese Aktion schon Minuspunkte auf ihrem Konto verbucht.

Jake konnte nur hoffen, dass nach diesem holprigen Start der Tag wieder geradliniger verlief.

Ein stechender Schmerz durchzuckte seinen Fuß, als ihn plötzlich eine Wand aus weicher Körpermasse abbremste und sein Zeh durch den Stoß gegen Kishas Schuhe nach hinten gebogen wurde. Jake biss die Zähne zusammen und stöhnte. Adrenalin flutete seinen Körper, trieb seinen Herzschlag in die Höhe. Humpelnd versuchte er, sein Gleichgewicht wieder zu erlangen, ohne den pochenden Zehen zu belasten. Zum Fluchen fehlte ihm der nötige Atem, was in diesem Augenblick sicher besser war.

Auf die Gefahr hin, die Naht dieses Shirt ebenfalls zu beschädigen, zerrte er am Stoff und blinzelte die Tränenflüssigkeit weg, während er nach Luft schnappte. Sein Brustkorb entspannte sich langsam und es dauerte einen Moment, bis die Punkte sich auflösten, die vor ihm zu schweben schienen.

Jake fragte sich, ob Kisha das Anrempeln überhaupt bemerkt hatte. Sie stand reglos vor ihm und starrte in den angrenzenden Salon. Dort hatte Charly neben dem Interviewbereich, der aus einem Tisch und zwei Sesseln bestand, bereits die Scheinwerfer in Betrieb genommen. Daneben stand ein Typ und starrte zu ihnen herüber. Jake war sicher, dass dieser Mann ihm aufgefallen wäre, wenn er ihn zuvor schon einmal gesehen hätte. Er suchte in den unzähligen Gesichtern, die er in der Vergangenheit abgespeichert hatte, nach einer Übereinstimmung. Nichts – er blieb ein Fremder. Einen Wimpernschlag später hatte Jake ihn abgecheckt und ihn anhand seiner äußeren Attribute beurteilt. Studien belegten glaubhaft, dass innerhalb von Millisekunden der erste Eindruck entstand, der gnadenlos über Sympathie oder Ablehnung entschied. Genauso wie in den Produktionsstraßen mancher Firmen in atemberaubender Geschwindigkeit Aufnahmen gemacht wurden, um dann bei Mangel der Ware durch einen elektrischen Befehl das entsprechende Objekt durchfallen und mit einem seelenlosen Schubs aussortieren zu lassen.

Er wusste, er selbst bildete da keine Ausnahme, war von den uralten Verhaltensmustern nicht ausgenommen. Der Typ bestand den Test. Er war etwa so groß wie Jake und vermutlich auch im selben Alter. Braunes Haar, das zwar modisch geschnitten, aber längst nicht so perfekt gestylt war wie Jakes. Allerdings musste man ihm zugutehalten, dass ihm sicher die Wind- und Wetterattacken bei der Anreise zum Hotel zugesetzt hatten und er sich nicht wie Jake vertrauensvoll in Kishas Hände hatte begeben können. Lässige Jeans betonten die langen Beine. Keine MacKay, aber das Interesse für die neue Marke konnte im Laufe des Interviews sicher noch geweckt werden. Stehen würde sie ihm auf jeden Fall, befand Jake. Der Blick des Journalisten wirkte offen mit einem Tick Unsicherheit, was keinen Widerspruch zum kantigen Gesicht und den breiten Schultern darstellte, sondern durchaus harmonierte. Alles in allem war er von der Gattung Kumpeltyp – mit einer Spur perfekter Schwiegersohn.

So angenehm er das Erscheinungsbild seines Gegenübers auch fand, so enttäuscht war er, das Buffet nicht für sich allein zu haben. Der herrliche Duft, den das Essen verströmte, stieg ihm in die Nase. Das Wasser lief ihm im Mund zusammen und Jake schluckte angestrengt. Tja, noch schnell etwas zu stibitzen, konnte er jetzt wohl vergessen. Dabei roch es so verführerisch, dass sein Magen erneut zu grummeln begann. Wenn Janine sich treu geblieben war, dann befand sich im anderen Raum ein fulminantes Buffet mit allem, was das Herz begehrte, das er aber leider nicht genießen durfte. Vor seinem inneren Auge tauchten Rühreier, Cerealien mit Knusperstückchen und Fettgebackenes auf. Speckstreifen vollendeten die Folter.

»Guten Morgen.« Der Fremde wirkte ein wenig steif, war aber offensichtlich in der Lage zu sprechen. So weit, so gut, schoss es Jake durch den Kopf. Das war vermutlich die Kategorie ›überforderter, ehrfürchtiger Ersttäter, der umsorgt werden musste‹. Er wusste gar nicht mehr, wann er begonnen hatte, Kategorien zu erstellten und Menschen, vorzugsweise Journalisten, diesen zuzuteilen. So gab es zum Beispiel noch die ›karrieregeilen Schleimer‹, ›die Anbetenden‹ oder ›die Hinterlistigen‹, die plötzlich mit einer zweideutigen Frage über sein Privatleben daherkamen, nachhakten und sich notfalls wie ein Pitbull verbissen, um ganz frech auszutesten, ob er seine Überraschung und Unsicherheit hinter einem Pokerface verstecken konnte.

Die Schublade, in die er dieses gutaussehende Exemplar gesteckt hatte, war ihm da bei Weitem am liebsten. Auch wenn ein Makel blieb – der Typ war Journalist.

Der Schmerz in seinem Fuß ließ merklich nach. Also war es jetzt möglich, sich mehr auf sein Gegenüber zu konzentrieren.

»Janine hat mich gebeten, hier zu warten.« Er warf einen flüchtigen Blick zu der Tür, durch die er den Salon wohl betreten hatte, als erwartete er, die Assistentin dort zum Beweis vorzufinden.

Jake nahm hinter sich Geräusche wahr, schloss seinen Mund, ohne zu antworten, und wandte sich kurz um. Janine war im Anmarsch. Die Redewendung ›Wenn man vom Teufel spricht‹ traf es ungemein. Erstaunlicherweise blieb sie trotz ihrer energischen Schritte nicht mit ihren Absätzen im Boden stecken, sondern hackte weiter ihrem Ziel entgegen.

»Oh, gut! Ihr habt euch gefunden! Dann ist ja alles in bester Ordnung.« Ein ironischer und zugleich vorwurfsvoller Unterton hatte in ihren Worten mitgeschwungen. Von wegen in bester Ordnung. Es war doch nun wirklich nicht seine Schuld, dass sie unter Zeitdruck standen und Janine durch die Räume hasten musste! Jake hielt für eine Sekunde den Atem an und rief sich in Erinnerung, dass sie beide nicht allein waren. Er wusste, dass er die aufmüpfige Bemerkung, die ihm auf der Zunge lag, hinunterschlucken musste.

Atemlos blieb Janine bei Kisha und Jake stehen, der nicht überrascht gewesen wäre, wenn es den Knopf, der die Bluse auf Höhe ihrer Brüste im Moment noch zusammenhielt, mit einem leisen ›Plopp‹ abgesprengt hätte. »Der Redaktion von WM wurde das erste Interview zugesagt. Nun sollten wir aber wirklich beginnen«, drängte sie, als hätte er zuvor widersprochen. Kühl verzog sie ihre Lippen zu einem Lächeln. Nach einem eiligen Blick auf ihr Clipboard wirbelte Janine herum und verschwand wieder.

Jake sah ihr nach und verspürte Widerwillen. Bildete er sich ihre herablassende Art nur ein? Reagierte er gereizt, weil er übernächtigt war oder sich vor dem Typ keine Blöße geben und wie ein unmündiger Trottel dastehen wollte? Er wusste auch ohne ihre Bevormundung, was er zu tun hatte. Es fehlte gerade noch, dass sie ihm wie einem Welpen den Kopf tätschelte. Jake riss sich zusammen und ließ sich nichts anmerken. Schließlich nutzte es niemandem, wenn sie sich stritten – außer natürlich dem Journalisten, wenn er Zeuge wurde und eine Story daraus machte.

Als hätte jemand einen Startschuss abgegeben, hakte Jake das, was in den vergangenen Minuten geschehen war, ab und schaltete in seinen Interviewmodus. Lächeln, aufmerksam, freundlich und gesprächig sein – aber auch nicht zu viel preisgeben, war das Motto.

Zumindest versuchte er es, denn da war plötzlich noch etwas anderes. Etwas, eine Empfindung, die so zart wie ein faszinierender Schmetterling war und nicht ignoriert werden konnte. Wenn er tief in sich hineinhorchte und sich darauf konzentrierte, dann konnte er es fühlen – und es weckte gleichzeitig Argwohn und Erstaunen.

Argwohn, weil dieses Gefühl nicht sein durfte und Jake ahnte, welche Schwierigkeiten daraus entstehen konnten.

Erstaunen, weil er nicht für möglich gehalten hatte, diese enorme Anziehungskraft, gegen die man mit bloßem Menschenverstand nichts ausrichten konnte, ausgerechnet jetzt und hier wieder zu spüren.

Mit Bedauern fragte Jake sich, warum er die Person, die dieses Gefühl auslöste, unter Umständen traf, die Jake nur deshalb ertrug, weil sie zu seinem Job gehörten.

Für Jake waren Interviews und Journalisten ein notwendiges Übel, das er sich, so gut es ging, vom Hals hielt. Was leider bedeutete, dass sein Gegenüber zu dem Schlag Menschen zählte, die er zu meiden versuchte.

Und genau hier lag das Problem. Er bezweifelte, dass er das in diesem Fall wollte – oder konnte.

Jake brauchte es erst gar nicht zu leugnen. Dieser Mann hatte etwas an sich. Etwas, das Jakes Interesse weckte und vermutlich noch Stunden oder Tage später seine Gedanken fesseln konnte – wie das Netz einer Spinne einen gefangenen Schmetterling.

Warum hatte er ihm nicht in einem einsam gelegenen schottischen Dorf, beim Joggen oder irgendwo sonst über den Weg laufen können? Am besten in einer anderen Welt, in der er nicht Jake Crawford und der andere kein Journalist war. Einfach begegnen – ohne diese negativen Begleiterscheinungen im Schlepptau. Ohne das Misstrauen, das wie ein tiefsitzender Stachel einen unbeschwerten Umgang unmöglich machte.

Er spürte, dass dieser Mann seinem Seelenheil gefährlich werden konnte – und das, obwohl Jake ihn gerade zum allerersten Mal traf!

Jake wandte sich seinem Interviewpartner zu, der immer noch neben den Scheinwerfern stand, eine Faust vor den Mund hielt und sich räusperte. Im selben Moment, als er sich in Bewegung setzte, machte auch Jake einen ersten Schritt und testete aus, ob er wieder auftreten konnte. Und tatsächlich, den Druck, den er immer noch im großen Zeh spürte, konnte er getrost ignorieren. Betont lässig schlenderte er ihm entgegen.

Ein Lächeln stahl sich auf die Lippen des Journalisten und Jake hatte mit einem Mal das Gefühl, von einem guten Freund begrüßt zu werden.

»Guten Morgen.« Jake fiel auf, dass er sich wiederholt hatte und ihm wäre daraufhin beinahe ein ›doppelt hält besser‹ rausgerutscht. Sie waren voreinander stehen geblieben. Wenn Jake sich nicht täuschte, dann hatten die Wangen seines Gastes eine gesunde Farbe angenommen. Die Vorstellung, den Fremden aus der Fassung zu bringen, brachte Jakes Herz einen Augenblick aus dem Takt und er musste aufpassen, dass er sich nicht ebenfalls verriet. Blieb nur noch die Frage, ob er ihn körperlich anzog und als Mann nervös machte oder ob das Ganze lediglich Jakes Bekanntheitsgrad geschuldet war. Auch wenn Jake es gewohnt war, dass manche seiner Gesprächspartner aufgeregt waren und er für gewöhnlich darüber hinwegsah – ihm wollte er die Unsicherheit nehmen.

Ohne darüber nachzudenken, streckte er dem Typ die Hand entgegen, um ihn zu begrüßen, und wäre beinahe wieder zurückgewichen. Schon allein diese Geste überführte ihn, wenn man ihn gut genug kannte. Er begann ein Interview niemals mit Handschlag, sondern immer nur mit einer distanzierten Floskel. Nicht in diesem Fall. Ein Gedanke durchzuckte ihn und er fühlte sich ertappt. Bemerkte Kisha das verräterische Händeschütteln, wo er doch sonst immer gegen Journalisten wetterte? Oder war sie noch mit dem Make-up beschäftigt?

Er gestand sich ein, dass er sogar neugierig war und darauf brannte, den Fremden zu berühren – wenn auch nur zur Begrüßung. Glücklicherweise war es dadurch möglich, die Distanz unauffällig zu überwinden. Jake wollte ihn spüren.

Energisch verbannte er diesen Gedanken und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln, für das er sich nicht einmal anstrengen musste.

»Hi, Jake Crawford.« Er hatte bewusst eine Übung aus dem Sprechtraining angewandt und das ganze Volumen seines Brustkorbs genutzt, um seine Stimme tief und voll klingen zu lassen. Wie ein Platzhirsch, der all seine Vorzüge zur Schau stellte, schoss es ihm durch den Kopf. Im Ernst? Schlich sich da etwa ein wenig Prahlerei und Überheblichkeit ein? Was wollte er sich und diesem Typ beweisen? Entschlossen stoppte Jake seine Selbstanalyse. Anziehungskraft konnte man eben unmöglich logisch erklären.

Eigentlich war es albern, dass er sich wie ein Teenager zu solch einem Verhalten hinreißen ließ.