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Zum ersten Mal gelingt der Familie Bäcker eine souveräne Aufführung vom Krippenspiel. Ohne allzu viele Streitereien, Texthänger und künstlerische Differenzen. Doch dann fällt die Familie einem heimtückischen Anschlag zum Opfer. Verzweifelt wollen die Akteure und ihr Regisseur den Bioterroristen aufspüren. Schon bald kommt ein erschütterndes Familiengeheimnis ans Licht. Eine düstere Wahrheit, der Gestank von Verwesung und weitere Bedrohungen lauern auf sie. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt, denn sie kämpfen gegen einen unsichtbaren Gegner.
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Seitenzahl: 38
Der Schnee an diesem Heiligabend war ausgeblieben. Nur eine zarte Schicht aus hauchdünnem Frost überzog den Acker vor dem Gutshof. Dieser lag mitten im Herzen von Niedersachsen und war von einem dunklen Wald umgeben.
Ein Nebelschleier lag über den Feldern und es wehte ein eisiger Wind. Der Wind war stark und heulte, als würde er ein großes Unheil verkünden. Doch er konnte nicht den Gestank verwehen, der auf dem Gutshof herrschte.
Den Gestank von dunklen Familiengeheimnissen, Täuschung und Verrat. Den Gestank von Verwesung.
Dieser Tag sollte einiges im Leben einer Familie für immer verändern. Eine Tragödie bahnte sich an. Nichts sollte mehr so sein, wie es vorher war. Intrigen und eine düstere Wahrheit sollten ans Licht kommen.
Doch zunächst einmal atmeten alle Mitglieder aus der Familie Bäcker erleichtert auf. Sie hatten wie jedes Jahr ein Krippenspiel in der Scheune vom Gutshof Bäcker aufgeführt, um Opa Reinhold, der mit Krippenspielen aufgewachsen war, eine Freude zu bereiten.
Sein älterer Sohn Benno, der handwerklich äußerst geschickt war, hatte sich um die Podeste gekümmert und sein jüngerer Sohn Arnold, nicht minder handwerklich talentiert, die Krippe gebaut.
Die Ehefrauen waren für die Kostüme zuständig und die Kinder legten das Stroh aus.
Dieses Jahr sollte die Aufführung nahezu perfekt werden.
In den letzten Jahren wurde meistens mittendrin abgebrochen, weil irgendeiner aus der Familie einen Hänger hatte oder generell aus seiner Rolle ausgestiegen war. Auch dieses Jahr ging es sehr holprig los. Aber dann waren Opa Reinhold gegen Ende des Spiels die Tränen gekommen. So berührt hatte die Familie ihn noch nie gesehen. So sollte die Familie Bäcker eigentlich zufrieden sein. Doch der Schein kann trügen.
Es gab zwei kleine Zwischenfälle, die, wie sich später herausstellte, mit einem großen Fall zusammenhingen. Um genauer zu sein, mit einer äußerst schändlichen Tat.
Oma Gertrude hatte den Opa mitten in der Aufführung mit sichtbarer Panik in den Augen ein paar Plätze nach hinten bugsiert und Arnold, der für die Regie und als Souffleur eingeteilt war, kam während des Spiels nicht weniger panisch auf die Bühne gerannt und hatte etwas an der Krippe zurechtgerückt. Diese kleinen Details sollten sich noch zu einem unheilvollen großen Komplott verdichten. Opa und Oma waren nach dem Krippenspiel schon mal ins Haus gegangen und Arnold konnte es sich nicht verkneifen, Kritik an der Aufführung zu üben.
Nun standen die Akteure in einer Reihe aufgereiht in der kühlen Scheune, die nur notdürftig mit ein paar mobilen Heizkörpern ausgestattet war, während Arnold wie ein General vor ihnen auf und ab schritt, bevor er nach einer großzügigen Schweigeminute seine Kritik äußerte.
»Das war viel besser, als ich erwartet hatte. Ihr habt super gespielt, euch gegenseitig zugehört und ihr habt wunderbar gesungen. Ihr standet nicht so steif und unmotiviert herum, wie die letzten Jahre. Ihr wart präsent und lebendig. Die Gänge stimmten auch einigermaßen und bis auf Gert an manchen Stellen, hatte jeder seinen Text drauf.«
Die Familie jubelte euphorisch und alle redeten wild durcheinander. Arnold gebot dem mit einer Geste Einhalt.
»Trotzdem war die Aufführung eine Katastrophe. Absolut furchtbar, schrecklich, ganz schlimm.«
Alle erstarrten.
»Äh ... hä ... was? Wie jetzt? Warum?«, fragte Arnolds Sohn Gert.
Sein Vater schluckte. Diese unangenehme Wahrheit, mit der er seine Familie konfrontieren musste, war nicht leicht zu verdauen.
Er musste mit jedem einzelnen Wort kämpfen, bevor er es in den Raum stellen konnte.
»Einer von euch hat etwas getan, was ...«
Arnold stockte. Er wagte es kaum, die verhängnisvollen Worte auszusprechen.
Benno warf die Hände in Luft. »Was? Was ist denn jetzt schon wieder los? Du und dein ewiger Perfektionismus. Immer hast du was zu nörgeln. Es soll uns doch noch Spaß machen dürfen.«
Arnold schüttelte den Kopf.
Sein Bruder nickte bestätigt, was zu seinem Schafskostüm gut zu passen schien.
»Aber wenn es unbedingt sein muss, kannst du uns jetzt auch mal endlich sagen, was du eigentlich von uns willst. Halte deinen Monolog. Kritisier uns, wenn es dir so eine große Freude bereitet. Was passt dir denn nicht? Sag schon. Ich weiß, du hörst dich selbst so gerne reden. Aber fass dich bitte kurz. Mein Glühwein wird kalt.«
Arnold sah seinen Bruder mit großen Augen an. Eine beklemmende Stille trat ein.
»Spuck es aus, bevor wir uns hier alle noch den Arsch abfrieren!«, forderte Benno ungeduldig und in seiner Stimme lag ein beunruhigendes Knurren.
Bevor der Wolf weiter aus dem Schafspelz schlüpfen konnte, stellte sich Arnolds Frau schnell zwischen die beiden Brüder. Auch die anderen Familienmitglieder verfolgten gebannt das Schauspiel. Sie wussten alle, wie schnell die Streitereien der beiden eskalieren konnten.
»Was ist los, Schatz?«, fragte Linda eindringlich ihren Mann.
Doch Arnold brachte es nicht über sich.