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Brit, Kari und Alisia: drei Frauen und ihre Lebensträume - der dritte Band der großen Sylt-Saga
Sylt, Gegenwart. Das berühmte Café und Hotel
König Augustin wird mittlerweile von Kari geleitet, Brit hat sich aus dem Alltagsgeschäft zurückgezogen. Aber wie soll es weitergehen? Karis Tochter Alisia, die das Geschäft übernehmen soll, hat eine eigene Karriere: Sie ist ein gefragtes Model und erobert unter dem Namen „La Cappuccina“ sämtliche Laufstege. Dann aber ändert sich alles, denn ihr begegnet die große Liebe. Dieser Mann scheint jedoch genau der Falsche zu sein…
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Seitenzahl: 546
DASBUCH
Durch einen Zufall wird Alisia Keller Zeugin, wie ein Mann sich das Leben nehmen will. Sie schreitet ein – und sorgt so dafür, dass ihr Leben für immer mit dem des Fremden verwoben sein wird. Was weder Alisia noch der Unbekannte ahnen: Ihre gemeinsame Geschichte reicht weit zurück, bis zum Tag ihrer Geburt …
Währenddessen suchen Alisias Eltern Kari und Hajo auf Sylt händeringend nach einem Nachfolger für ihr berühmtes Café und Hotel König Augustin. Denn Alisia verfolgt eine eigene Karriere, und auch ihr Bruder Constantin zeigt wenig Interesse an der Fortführung des Geschäfts. Als Alisias Cousine Nicole unvermittelt auf Sylt auftaucht, ist das Chaos perfekt. Werden Kari und ihre Mutter Brit am Ende mit der Tradition brechen und das Familienerbe an einen Fremden geben müssen? Und wird Alisia ihr Glück zwischen Freiheitsdrang, Karriere und einem lange verborgenen Familiengeheimnis finden?
DIEAUTORIN
Gisa Pauly hat zwanzig Jahre lang als Berufsschullehrerin gearbeitet, ehe sie das Unterrichten an den Nagel hängte und sich ganz dem Schreiben widmete. 1994 erschien ihr erstes Buch »Mir langt’s – eine Lehrerin steigt aus!«, darauf folgten zahlreiche Drehbücher und Romane. Mit den Sylt-Krimis rund um Mamma Carlotta erobert sie Jahr um Jahr die Bestsellerlisten und die Herzen der Leserinnen und Leser. Gisa Pauly zählt heute zu den erfolgreichsten Autorinnen im deutschsprachigen Raum.
Gisa Pauly
SYLT-SAGA
Band 3
WILHELMHEYNEVERLAGMÜNCHEN
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Dieses Buch enthält diskriminierende Sprache. Sie spiegelt zu keinem Zeitpunkt die Haltung der Autorin oder des Verlags wider, sondern stellt tatsächliche Missverhältnisse der heutigen Zeit dar. Sowohl Autorin als auch Verlag verurteilen Diskriminierung und Rassismus jeglicher Art auf das Schärfste.
Originalausgabe 03/2023
Copyright © 2023 by Gisa Pauly
Copyright © 2023 dieser Ausgabe
by Wilhelm Heyne Verlag, München,
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München
Covergestaltung: Zero Werbeagentur, München,
unter Verwendung von Motiven von © Plainpicture (Mia Takahara);
Mauritius Images (Pitopia/Christopher Gocke); FinePic®, München
Satz: Leingärtner, Nabburg
ISBN 978-3-641-27682-9V002
www.heyne.de
Sie wusste, dass nun das Spießrutenlaufen begann. Zum Glück war der Portier mit ihr in die Lobby gekommen, um sie bis zum Aufzug zu begleiten. Das war sehr nett von ihm. Alois wusste eben, wie ungern sie sich ansprechen ließ. Musste sie vor vielen Neugierigen einen großen Raum durchschreiten, war sie immer froh, dass sie genau wusste, wie man das machte. Nicht lächeln, den Mund neutral geschlossen halten, den Blick auf einen festen Punkt richten, die Schultern nach hinten ziehen, in kerzengerader Haltung einen Fuß genau vor den anderen setzen und mit großen Schritten gehen, Hüften in klassischer Model-Manier schwingen und im Takt einer Musik laufen, die sonst niemand hörte. Cleopatra kannte das. Die schwarze Katze, die Alisia stets bei sich hatte, blieb ganz ruhig auf ihrem Unterarm liegen, auch wenn sie gerade durch den Hüftschwung so etwas wie eine Schifffahrt auf kabbeliger See erlebte. Die Katze war daran gewöhnt. Ihr Leben war beinahe wie das eines Menschen, genauer gesagt, das einer Frau. Sie liebte und hasste das, was ihr Frauchen liebte und hasste. Dass sie gelegentlich doch mal katzentypische Wünsche durchblicken ließ und sich manchmal sogar weigerte, ähnliche Vorstellungen vom Leben zu haben wie ihre Besitzerin, war die Ausnahme. Cleopatra war ein verwöhntes Weibchen auf vier Beinen, anspruchsvoll und durchaus unverfroren in ihren Erwartungen.
Alois drückte für Alisia auf den Knopf, der den Aufzug ins Erdgeschoss holte, wartete, bis die Türen aufglitten, und verbeugte sich, kurz bevor sie sich wieder schlossen. Cleopatra gab ein gelangweiltes Maunzen von sich.
Als sie aus dem Aufzug traten, war niemand zu sehen. Gott sei Dank. Ihr Zimmer lag am Ende des Flurs, zur Frühstückszeit begegnete sie hier oft einigen Leuten, von denen sie allesamt neugierig gemustert wurde. Sie konnte es nicht leiden! Nicht mehr. Früher war das anders gewesen …
Cleopatra wurde unruhig, als sie an einer Zimmertür vorbeikamen, die leicht geöffnet war. Als wollte die Katze anmerken, dass hier etwas nicht Ordnung war. Unaufmerksamer Hotelgast oder nachlässiger Service, beides für Cleopatra Dinge der Unmöglichkeit. Aber Alisia fand, dass sie das nichts anging, und stoppte erst vor ihrer eigenen Zimmertür. Sie suchte in allen Manteltaschen nach der Schlüsselkarte und fand sie in der Innentasche, die eigentlich für Handys gedacht war. Erleichtert seufzte sie auf, holte die Karte heraus … und erschrak, als die Katze mit einem weiten Satz von ihrem Arm sprang. »Cleo!«
Aber die Katze ließ sich nicht zurückhalten. Mit hoch aufgerichtetem Schwanz lief sie schnurstracks auf die geöffnete Hotelzimmertür zu, drückte den Spalt weiter auf und verschwand.
»Verdammt!« Alisia folgte ihr auf Zehenspitzen und lauschte, als sie in der Nähe der Tür angekommen war. Waren Stimmen zu hören? Verlangte jemand, dass die Katze auf der Stelle das Zimmer verlassen solle? Nein, alles blieb still. Vermutlich war das Zimmer leer. Alisia schlich zur Tür und spähte durch den Spalt. Cleopatra hatte soeben mit einem eleganten Sprung das Fußende des Bettes geentert und sah ihr Frauchen an, als wollte sie sie animieren, sich neben sie zu legen. Alisia konnte zwar das Kopfende des Bettes von der Tür aus nicht erkennen, aber dass dort jemand lag, war unwahrscheinlich. Trotzdem blickte sie sehr vorsichtig um die Ecke, erst dann konnte sie sich sicher sein: Das Bett war leer, vor dem Schrank stand auch niemand, offenbar hatte der Hotelgast sein Zimmer verlassen, ohne die Tür kräftig ins Schloss zu ziehen. Also schnell die Katze schnappen und wieder raus! Hoffentlich bemerkte sie niemand! Vor allem niemand, der sie erkannte.
Da erst sah sie, dass im Badezimmer, dessen Tür ebenfalls einen Spaltbreit geöffnet war, Licht brannte. Jetzt hörte sie etwas, was sich wie ein tiefer Seufzer anhörte. Oder ein Stöhnen? Alisia blieb wie gebannt stehen, drehte sich langsam, sehr langsam nach rechts und beugte den Kopf vor. Sie sah eine Badewanne, darin einen Mann im Smoking, offener Hemdkragen, geschlossene Augen, der in diesem Moment tiefer ins Wasser rutschte. Der Mund verschwand, die Nase, die Augen waren nicht mehr zu sehen, und nun versank auch der Haarschopf des Mannes. Und es blieb still, gespenstisch still. Kein Blubbern, kein Prusten kein Auftauchen.
Alisia ließ die Katze fallen und stürzte ins Badezimmer. »Nein!«
*
Kari Keller hatte noch immer helle Locken und war stolz darauf, dass das Blond nach wie vor echt war und sie nicht beim Friseur dafür sorgen musste, dass ihre Haare noch so aussahen wie früher. Sie war nun über fünfzig und hatte beschlossen, dass das Alter keine Rolle spielte, solange sie sich fit und leistungsfähig fühlte. Und das tat sie. Ihr Mann stöhnte manchmal, wenn sie mit der linken Hand nach dem klingelnden Telefon suchte, mit der rechten etwas von seinem Teller stibitzte und währenddessen mit ihrem Blick dem Kellner ein Zeichen gab. Aber seine Empfehlung, es mal langsamer angehen zu lassen, traf entweder auf taube Ohren oder stieß sogar auf Empörung. Hajo Keller war schon als junger Mann die Ruhe selbst gewesen, und daran hatte sich nichts geändert. Er bewegte sich gemächlich, ihm fiel nie etwas herunter, weil er drei Dinge gleichzeitig erledigte, er geriet auch nie in Stress, weil er sich überfordert fühlte. Wenn drei Anforderungen gleichzeitig an ihn gerichtet wurden, erledigte er sie eine nach der anderen, und das mit geradezu stoischem Gleichmut.
Sie begannen den Tag stets gemeinsam, nicht allzu früh, aber immer mit einem ausgiebigen Frühstück. Das bereitete Kari zu, obwohl es durchaus möglich gewesen wäre, ein Frühstück aus dem Café kommen zu lassen, das sich direkt unter der Wohnung befand. Doch das wollte sie nicht. Der Morgen, der Beginn des Tages, sollte ihr und ihrem Mann ganz allein gehören. Oder der ganzen Familie. Aber ihre Kinder waren mittlerweile erwachsen und begannen ihre Tage meist woanders.
Kari folgte ihrem Mann mit liebevollen Blicken, als er vom Tisch aufstand und die Teekanne aus der Küche holte, die sie vergessen hatte. Hajo war noch immer ein gut aussehender Mann, die grauen Haare standen ihm ausgezeichnet, sein Gesicht war nahezu faltenfrei und seine Figur nach wie vor schlank und drahtig. Er trug immer gut sitzende Anzüge, seine Hemden waren makellos, die Krawatte von einem teuren Designer. Seine dunkle Haut schimmerte wie Ebenholz. Hans-Josef Keller sah immer aus, als hätte er gerade geduscht, auch nach einem anstrengenden Arbeitstag.
Kari war stolz auf ihn, auf seine Ausstrahlung, seinen Charme, auf seine Fähigkeiten und seine emotionale Kraft, mit der er die Arbeit im Café und Hotel König Augustin begonnen hatte, als Karis Mutter ihn darum bat. Ja, er war ein starker Mann, und seine Kraft war im Laufe der Jahre sogar noch gewachsen. Obwohl es für ihn nicht immer leicht war, den Vorurteilen zu begegnen, von denen es auf Sylt selbst im einundzwanzigsten Jahrhundert reichlich gab. Aber die Frage, warum ein Schwarzer einen deutschen Namen trug, beantwortete er entweder mit einem Scherz oder sehr sachlich, je nachdem wie und von wem er gefragt wurde. Dass er in Äthiopien geboren und von deutschen Eltern adoptiert worden war, ging niemanden etwas an. Die rassistischen Bemerkungen parierte er so selbstsicher, dass eine Beleidigung selten wiederholt wurde. Hajo war durch und durch positiv. Er klagte nicht darüber, dass er schief angesehen wurde, ihm etwas verweigert wurde, was andere selbstverständlich erhielten, oder dass er unhöflich behandelt wurde … Er sprach, wenn er überhaupt darüber redete, nur davon, dass alles viel besser geworden sei.
»Als ich vor über dreißig Jahren nach Sylt kam, konnte man mit dunkelhäutigen Menschen noch umgehen, wie man wollte. Niemand hätte einem Schwarzen beigestanden, wenn er aufgrund seiner Hautfarbe Nachteile hinnehmen musste. Heute sind die Menschen viel sensibler. Gestern hat mich jemand gefragt, woher ich komme, und wurde von einem anderen gleich als Rassist beschimpft.« Hajo lachte das ihm eigene leise Lachen. »Ich habe das gar nicht so empfunden. Ich glaube, das war nur jemand, der ehrliches Interesse an mir hatte.«
Kari blätterte die Zeitung auf, wie immer ging sie zuerst auf die Seite »Aus aller Welt«. Dort stieß sie häufig auf Meldungen, die ihre Tochter betrafen. »Wo ist Alisia eigentlich zur Zeit?«, fragte sie, während sie die Titelzeilen absuchte.
»In Hamburg, soviel ich weiß«, antwortete Hajo. »Mike Heiser stellt seine Herbstkollektion vor.«
Kari ließ die Zeitung sinken, ohne eine Meldung gefunden zu haben, die ihre Tochter betraf. Ihr Blick ging an die gegenüberliegende Wand, doch in Wahrheit wanderte er um mehrere Jahrzehnte zurück. »Wenn ich daran denke, wie alles angefangen hat …«
Hajo Keller stand auf, ging zu seiner Frau und küsste sie. »Es war ein weiter und harter Weg«, sagte er leise, »von Alisia Heiser bis zu La Cappuccina.«
*
Brit Rensing und Arne Augustin kamen vom Strand zurück, erhitzt und mit roten Köpfen. Seit der Winter vorbei war, begannen sie ihre Tage mit Nordic Walking, am liebsten an der Wasserkante entlang, wenn das Wetter es zuließ, ansonsten auf dem hölzernen Steg, der zwischen Strand und Dünen verlief. Brit fragte sich gelegentlich, ob es wirklich gesund war, mit sportlicher Ertüchtigung erst anzufangen, wenn man schon über siebzig war, aber Arne war davon überzeugt, dass es nie zu spät war, etwas für die Fitness zu tun. Wenn Brit andere Feriengäste in ihrem Alter sah, bestätigte sie es, wenn aber junge Leute mühelos an ihr vorbeijoggten, war sie anderer Meinung und drauf und dran, die Walkingstöcke in die Dünen zu werfen und wieder nur spazieren zu gehen.
Der Himmel war noch düster, graue Wolken jagten über ihn hinweg, die Luft war eiskalt, vom Frühling noch keine Spur. Sie benutzten den Übergang am Gaadt, um zum Strand zu gelangen, auf dem Rückweg liefen sie jedoch immer bis zum Miramar, verließen dort die Strandpromenade und gingen am König Augustin vorbei. Sie bewegten sich dann sehr langsam voran, nicht nur weil sie sich ausgepumpt fühlten, sondern auch weil das Café und das Hotel noch immer zu ihrem Tagesanfang gehörten, wenn es auch nur noch der Blick auf die beiden Häuser war. Leicht war es nicht gewesen, die Leitung in die Hände von Tochter und Schwiegersohn zu legen, aber nun waren sie doch froh, dass sie sich dazu entschlossen hatten. Wie erleichtert waren sie gewesen, als Kari endlich Interesse am Geschäft erkennen ließ! Und wie glücklich, als sie einen Mann heiratete, der gut fürs Geschäft war.
Es hatte kritische Stimmen gegeben. »Ein Schwarzer? Habt ihr keine Angst, dass euch ein dunkelhäutiger Hoteldirektor das Geschäft kaputt macht?«
O nein, diese Angst hatten sie nie gehabt. Brit und Arne waren vom ersten Augenblick an davon überzeugt gewesen, dass Hajo der Richtige war. Nicht nur für Kari, sondern auch für das König Augustin.
Sie liefen den Stranddistelweg entlang, Brit wurde immer langsamer, während Arne den Ehrgeiz hatte, bis zum Ende das Tempo beizubehalten. Das Ende, das war Tante Avas Haus. Nein, nicht ihr Haus, sondern das Grundstück, auf dem einmal ihr Haus gestanden hatte. Tante Ava, die Cousine von Arnes Mutter, die unbedingt einen Seemann hatte heiraten wollen, der dann gleich im ersten Jahr ihrer Ehe auf See geblieben war, hatte ein entbehrungsreiches Leben führen müssen. Von der Familie war sie verstoßen worden, als sie den mittellosen Matrosen heiratete, und ihr Stolz hatte es später nicht zugelassen, darum zu bitten, als Witwe wieder in die Familie aufgenommen zu werden. So hatte sie sich mühsam mit Näharbeiten über Wasser gehalten und war dann an einer schweren Erkältung gestorben, die zu einer Lungenentzündung geworden war. Medikamente und ärztlichen Beistand hatte sie sich ja nicht leisten können.
Ihr kleines, windschiefes Haus war Arne zugefallen. Er hatte fest Brits Hand genommen, als die Bagger kamen und es abrissen. Sie hatten beide in der Nähe gestanden und zugesehen, wie das Haus, in dem ihre Liebe besiegelt worden war, in sich zusammenfiel. Tante Avas Haus, in dem es zu dieser einen Nacht gekommen war, in der Kari entstanden war, würde von nun an nur noch eine Erinnerung sein, die tief in ihren Herzen saß. Brit dachte dann unweigerlich an die schwere Zeit, die dieser Nacht gefolgt war. Die Monate in dem Haus für gefallene Mädchen, in das sie von ihren Eltern geschickt worden war, ihre Flucht daraus, weil sie nicht bereit gewesen war, Kari zur Adoption freizugeben, und die Jahre, in denen sie sich mühsam hatte durchschlagen müssen, weil sie als Mädchen, das noch nicht volljährig war, Schwierigkeiten hatte, Wohnraum und Arbeit zu finden. Nun stand dort, wo sich Tante Avas Haus geduckt hatte, ein großzügiger Bungalow, der sich in der Gesellschaft der zwei- und dreistöckigen Häuser noch flacher ausnahm, als er eigentlich war. In der Nachbarschaft hatte man sich bemüht, die Grundstücke so dicht wie möglich zu bebauen und die Häuser so groß und hoch wie möglich zu planen. Es sollten viele Ferienwohnungen hineinpassen, eine Urlaubsform, die sich in den letzten Jahren mehr und mehr durchgesetzt hatte. Die Feriengäste wollten nicht mehr gern in Hotels wohnen, sondern zogen es vor, Ferienwohnungen zu beziehen, in denen sie unabhängiger waren und vor allem mit Kindern den Urlaub stressfreier angehen konnten. Nur die exklusiven Hotels der Insel hatten diesen Trend überlebt, die billigen Häuser und auch die meisten Mittelklassehotels hatten in den letzten Jahren schließen müssen. Nur gut, dass das König Augustin zu den Hotels gehörte, die als erstklassig galten, und viele Stammgäste hatte.
Der Bungalow von Brit und Arne war das einzige Haus in dieser Nachbarschaft, das von den Eigentümern selbst, und zwar ausschließlich von ihnen, bewohnt wurde. Fast dreißig Jahre wohnten die beiden nun schon hier. Kari war mit ihrer Familie in Brits ehemalige Wohnung über dem Café eingezogen. Viel war geschehen in diesen dreißig Jahren. Arne wurde mittlerweile nicht mehr schief angesehen, weil er sich wieder Arne Augustin nannte, nachdem er jahrelang Florian Aldenhof gewesen war. Getuschelt wurde jedoch immer noch. Viele fragten sich, warum Arne damals das Schiffsunglück genutzt hatte, um aus seinem Leben zu verschwinden. Linda, seine Frau, die lange seine Witwe genannt worden war, wurde gelegentlich mitleidig angesehen, Brit bekam fragende Blicke, die sie natürlich allesamt nicht beantwortete. Und in der Belegschaft des König Augustin wurde nach wie vor gemunkelt, dass doch eigentlich Arne Augustin der Chef sein müsse, dem sein Vater alles vererbt hätte, wenn er nicht hätte glauben müssen, dass sein Sohn umgekommen war. Nur die wenigsten wussten, dass Brits inzwischen verstorbener Ehemann, Olaf Rensing, ebenfalls ein Sohn von Arnes Vater Knut Augustin war – wenngleich ein unehelicher. Und dass somit der Betrieb in der Familie geblieben war, noch bevor Brit die Geschäfte an ihre und Arnes Tochter Kari abgegeben hatte. Dass die Familienverhältnisse bei den Augustins verzwickt waren, darin war man sich auf Sylt einig. Und wenn man schon dabei war, dann erzählte man sich auch gern von der kurzen Ehe zwischen Kari Keller und dem bekannten Modedesigner Mike Heiser. Auch da gab es viele Mutmaßungen, warum die Ehe zustande gekommen, und noch mehr Fragen, warum sie am Ende annulliert worden war. An dieser Stelle wurde besonders hämisch und manchmal auch bösartig getuschelt. Mike Heiser hatte ein dunkelhäutiges Kind, das offensichtlich nicht seines war, nicht akzeptiert. Natürlich nicht! Als Alisia geboren wurde, hatte er sofort erkennen müssen, dass seine Frau ein Kind von Hajo Keller bekommen hatte. Kein Wunder, dass er mit Kari nicht mehr verheiratet sein wollte. Worauf aber niemand eine befriedigende Antwort fand, war die Frage, warum Kari Keller nicht gleich ihren jetzigen Mann, den Vater ihrer Tochter, geheiratet hatte. Einigen war ein Licht aufgegangen, als Mike Heiser sich schließlich outete. Homosexualität war kein Straftatbestand mehr, der Paragraf 175 war abgeschafft worden, und auch wenn es durchaus noch gesellschaftliche Ächtung gab, war die Situation doch besser als noch dreißig Jahre vorher.
Als Brit und Arne auf ihre Haustür zugingen, hörten sie Geräusche aus dem hinteren Teil des Grundstücks. Brit ließ Arne das Haus durch die Eingangstür betreten, ging selbst aber um das Haus herum in den Garten, wo sie an der hinteren Grundstücksgrenze ein kleines Holzhaus errichtet hatten. Einen Hobbyraum, so sagte Kari, ein Atelier, so sagten Brit und Arne, mein Lieblingsplatz, so nannte Constantin diesen Ort. Hinter der Tür wurde gesägt und gehämmert, als Brit vorsichtig eintrat. Constantin wandte ihr den Rücken zu und bemerkte sie zunächst nicht. Erst als sie hinter ihn trat und ihn sacht an der Schulter berührte, fuhr er herum.
Erschrocken sah er sie an, dann lächelte er. »Oma! Ich habe dich gar nicht hereinkommen hören.«
»Kein Wunder, bei dem Lärm, den du machst.«
Constantin stellte die Maschinen ab und sah auf die Uhr. »Ich muss ins Café. Mama wartet womöglich schon auf mich.«
Brit sah sich um, schloss die Augen und atmete den Geruch ein. So hatte es in der Schreinerei Wunder in Riekenbüren auch gerochen. Dieser warme, weiche Duft des Holzes gehörte zu ihren Kindheitserinnerungen. Wenn ein Stück Holz aus der Säge gekommen war, hatte sich der Duft entfaltet, der sich dann nur langsam, nach vielen Schritten der Bearbeitung mit anderen Gerüchen verband und seine Einzigartigkeit allmählich verlor.
Sie betrachtete das Möbelstück, an dem Constantin zurzeit arbeitete. Einen Würfel, aus altem Holz gefertigt, zum Teil noch mit Resten eines Farbanstrichs, der dem Holz eine schillernde Oberfläche gab. Astlöcher, Risse im Holz, leichte Unebenheiten hatte Constantin gelassen. Ihm kam es nicht auf glatte Strukturen an, sondern auf das Besondere, Individuelle und natürlich auf Nachhaltigkeit.
»Das wird mein Nachttisch«, erklärte er stolz und strich mit einer sanften Geste über das Holz. Eine Bewegung, die Brit früher auch manchmal bei ihrem Vater gesehen hatte. »Massives Holz«, hatte er dann später zu einem Kunden gesagt. »Das Teil kriegen Sie nicht kaputt.«
Bei ihrem Bruder hatte sie sie nie gesehen, diese Schätzung des Werkstoffs, mit dem er arbeitete. Brit spürte Wehmut in sich aufsteigen. Sie sollte mal wieder nach Riekenbüren fahren, in der Nähe von Bremen, in ihr Elternhaus, wenn auch ihre Eltern nicht mehr dort lebten, sondern längst auf dem Friedhof ihre letzte Ruhestätte gefunden hatten. Aber sie könnte Hasso und Halina besuchen, die sie lange nicht gesehen hatte. Darauf zu warten, dass die beiden irgendwann zu ihnen nach Sylt kommen würden, war sinnlos. Zwar hatte Hasso die Schreinerei verpachtet, aber der Campingplatz, den Halina noch immer leitete, hatte bislang keinen Nachfolger gefunden. Er war jedes Mal, wenn Brit ihren Bruder und die Schwägerin um einen Besuch bat, der Grund gewesen, warum ihre Einladung nicht angenommen wurde. Insgeheim glaubte sie mittlerweile, dass Hasso und Halina keinen Blick in Brits Leben werfen wollten, aus Angst vor einem Vergleich. So schwer die Anfänge des Erwachsenenlebens für Brit auch gewesen waren, sie hatte ihr Glück gefunden, indem sie ihr Zuhause hinter sich gelassen und sich woanders, fern von Riekenbüren, ihr Leben aufgebaut hatte.
Brit betrachtete ihren Enkel, der sich die Hände wusch, den Kittel auszog, den er sich immer über die Kleidung zog, die er im Hotel und im Café trug, und sich vor ihren Augen langsam in den Nachfolger seiner Eltern verwandelte, der das König Augustin leiten würde, wenn es so weit war. Seine Haut war etwas heller als die seiner Schwester, seine Augen waren nicht schwarz, sondern dunkelbraun, seine Haare nicht so kraus wie Hajos. Figürlich kam er auf seine Urgroßmutter Frida Heflik. Er war kleiner als seine Schwester Alisia und breit gebaut, mit kurzen kräftigen Beinen. Aber was einer Frau einen Teil ihrer Attraktivität genommen hätte, wirkte bei Constantin kraftvoll und energisch. Was für ein gut aussehender junger Mann!
»Hättest du Lust, mal mit mir nach Riekenbüren zu fahren?«, fragte Brit.
Constantin sah sie überrascht an. »Wo du geboren und aufgewachsen bist?«
Mein Gott, er sprach über ihren Heimatort wie über ein Hotel, in dem der Service zu beanstanden gewesen war. »Lass uns mal einen Besuch dort machen«, wiederholte Brit. »Mein Bruder kann dir sicherlich Tipps geben, wenn du welche brauchst. Garantiert würde er sich auch gerne deine Möbel anschauen.«
In Constantins Augen zeigte sich Interesse. »Ich könnte Fotos von meinen Stücken machen.«
»Das ist eine gute Idee.«
Constantin rückte seine Krawatte zurecht und strich seinen Anzug glatt. »In Riekenbüren war ich mindestens zehn Jahre nicht.«
Brit nickte verlegen. Ja, sie schämte sich tatsächlich, wenn sie an ihr Heimatdorf und die Leute dachte, die dort lebten. Ihre Enkelkinder und ihr Schwiegersohn waren in Riekenbüren wegen ihrer dunkleren Hautfarbe so angesehen worden wie alles Fremde und Neuartige, so wie Flachbildfernseher, Smartphones und künstliche Kniegelenke: misstrauisch, kopfschüttelnd und interessiert nur dann, wenn man sich einen Vorteil davon versprach. Als Hajo zum ersten Mal nach Riekenbüren kam, war er der einzige Mensch mit dunkler Hautfarbe dort – später veränderte sich die Einstellung der Dorfbewohner, als eine Familie aus Nigeria in den Ort zog und die offenen Stellen in der Gastronomie übernahm, die beinahe zur Insolvenz von zwei Gasthäusern geführt hatten. Alisia wurde sogar zum Stolz des Ortes, als zum ersten Mal Fotos von ihr in einer Zeitschrift abgebildet wurden. Dann aber erinnerte sich prompt jemand daran, wie das damals mit Kari gewesen war, als von ihrer Hochzeit mit Mike Heiser in allen Blättern der Regenbogenpresse berichtet, der erste Hochzeitstag aber schon nicht mehr gefeiert worden war. Die Familie Heflik war damit interessant geworden, wurde von vielen beneidet, aber von den meisten mit großer Freude herabgewürdigt. Das war bei keiner anderen Familie Riekenbürens so leicht wie bei den Hefliks, denn wo einmal eine üble Nachrede berechtigt gewesen war, konnte auch eine weitere nicht ganz falsch sein. Schließlich war auch bei Hasso Heflik nicht alles glattgegangen.
Arne kam herein, der die letzten Sätze mitbekommen hatte. »Riekenbüren? Ohne mich!«
Er war nach Fridas Beerdigung, die nur ein knappes Jahr nach der von Brits Vater stattgefunden hatte, nicht mehr dort gewesen. Aber die vielen fragenden Blicke und versteckten Bemerkungen hatte er nie vergessen.
Constantin war nicht oft in Riekenbüren gewesen, kannte die Familie seiner Großmutter nicht besonders gut, wusste nur das, was auf der Hand lag und nicht viel von dem, worüber getuschelt wurde. Zu viel hatte er über Riekenbüren schon gehört und war von etlichen Anspielungen verunsichert worden, sodass er jetzt nicht mehr so zustimmend aussah. »Wen gibt’s denn dort noch, außer Onkel Hasso, dem Schreinermeister?«
»Seine Frau Halina«, antwortete Brit schnell, ehe von Arne noch etwas kommen konnte, was Constantins Bereitschaft weiter verringerte. »Sie arbeitet noch immer auf dem Campingplatz.«
»Ach ja.« Constantin erinnerte sich daran, dass er auf dem Bolzplatz, der zum Campingplatz gehörte, bei einem Besuch in Riekenbüren viele Stunden verbracht hatte. »Die haben eine Tochter, oder?«
»Nicole arbeitet in Achim, in der Knut-Augustin-Stiftung«, antwortete Arne, und Brit ergänzte: »Sie hatten auch einen Sohn. Aber Dennis lebt nicht mehr. Er ist kurz nach Alisias Geburt tödlich verunglückt. Er sollte die Schreinerei Wunder eigentlich übernehmen.«
Constantin wurde sichtlich nervös. Familiengeschichten wollte er sich jetzt nicht anhören. »Ich muss los«, sagte er und schob seine Großeltern zur Tür. »Wenn ich zu spät komme, werde ich Mama sagen, dass ihr schuld seid.«
Brit und Arne sahen ihm lächelnd nach, als er sich auf sein Fahrrad schwang und zum König Augustin fuhr. In Arnes Augen stieg etwas, was Brit kannte, eine Mischung aus Erinnerung, Sehnsucht, Bedauern und Glück. Mal überwog das eine, mal das andere. Sie hatten schon oft daran gedacht, Sylt zu verlassen und woanders hinzuziehen, wo es nichts gab, was sie immer wieder in die Vergangenheit zog. Aber dann waren sie doch jedes Mal zu der Überzeugung gekommen, dass Erinnerungen nicht an einen Ort gebunden waren. Ihre Erinnerungen lebten in ihnen selbst, in Brit und in Arne, und ließen sich nicht verbannen. Sie würden mitkommen, wo auch immer sie hingingen. Und jedes Mal, wenn sie an diesem Punkt angekommen waren, dachten sie daran, dass es viele schöne Erinnerungen gab und dass es ein großes Glück war, dass sie sich wiedergefunden hatten, nachdem sie doch eigentlich für immer getrennt worden waren. Dann griff einer nach der Hand des anderen, und alles war gut.
Alisia erwachte spät. Sie hob den Kopf, blickte zum Fußende ihres Bettes und sah, dass Cleopatra dort eingerollt lag und sich nicht rührte. Zufrieden legte sie sich zurück und schloss wieder die Augen. Prompt sah sie erneut das Gesicht des Mannes vor sich. Wie er die Augen aufschlug, groß, erwartungsvoll, ja, sogar hoffnungsvoll, nicht gequält, überdrüssig oder gar erbittert, wie sie es von einem Mann erwartet hatte, der aus dem Leben gehen und sich nicht zurückholen lassen wollte. Seine Schultern waren ihr wieder aus den Händen gerutscht, aber als er erneut versank, schien er sich gegen den Tod wehren zu wollen, mit einem Mal, als wäre er doch noch nicht ganz sicher, als könnte es eine Hoffnung geben, die ihn hielt.
Alisia hatte den Stöpsel aus der Wanne gezogen, das Wasser wurde in den Abfluss gesogen, schließlich begann es zu gurgeln, und der Mann im Smoking lag vor ihr in der leeren Wanne. Die Schuhe hatte er ausgezogen, sie standen in der Nähe der Badezimmertür, der obere Hemdkragen war geöffnet, die Fliege lag am Fuß der Wanne, offenbar hatte er sie abgezogen und einfach fallen lassen. Sein Blick wurde mit einem Mal wachsam, hätte er sprechen können, hätte er sie vermutlich gefragt, was sie in seinem Bad zu suchen habe, warum sie ihn belästigte. Aber dann ließ er die Augen wieder zufallen und sank tiefer in die Wanne, in der es jedoch kein Wasser mehr gab.
Alisia fingerte in ihrer Handtasche nach dem Smartphone und wählte die 112. Sie musste kurz auf den Gang treten, um nach der Zimmernummer zu sehen, dann hörte sie die beruhigenden Worte: »Wir sind gleich da.«
Tatsächlich dauerte es keine fünf Minuten, bis sie die schweren Schritte auf dem Gang hörte. Bis dahin hatte sie neben der Wanne gesessen und auf den Mann eingeredet, der sie jedoch nicht mehr verstand, sie vermutlich nicht einmal hörte. Sie wusste nicht, was sie ihm gesagt hatte, vermutlich, dass das Leben doch schön sei und sich jedes Problem lösen ließe. So was, was kein Mensch hören will, der sich gerade entschlossen hat, Selbstmord zu begehen. Aber er hörte sie ja nicht. Mit geschlossenen Augen lag er da, scheinbar leblos, schrecklich blass, seine Augen blieben geschlossen, sein Atem ging flach, er reagierte nicht mehr. Alisia fiel ein, dass er frieren müsse, wusste aber nichts dagegen zu tun. Er musste aus seiner nassen Kleidung heraus, aber das schaffte sie nicht. Das mussten die Sanitäter tun.
Als sie sich in den Raum drängten, erhob sie sich, merkte nun, dass ihr die Knie wehtaten. Sie wich bis zu der Toilette zurück, aber das Bad war noch immer zu klein. Sie war froh, als einer der Sanitäter zurücktrat und ihr ein Zeichen gab, damit sie das Bad verließ. Er fragte sie kurz, was geschehen war, wie sie den Mann entdeckt, was sie bisher getan hatte, um ihn zu retten, dann wollte er noch ihren Namen wissen und die Nummer ihres Hotelzimmers. Alisia war immer erleichtert, wenn sie nach ihrem Namen gefragt wurde, wenn ihr jemand gegenüberstand, der sie nicht kannte. Das kam selten vor. In diesem Fall schien nicht einmal ihr Äußeres von Bedeutung zu sein. Der Sanitäter maß sie nicht von Kopf bis Fuß, blickte ihr nicht erst in die Augen und dann auf den Busen, sondern redete mit ihr wie mit jedem anderen Zeugen. Das tat gut.
»Alisia Keller. Ich wohne zwei Zimmer weiter.«
Er nickte, dann ging er ins Bad zurück. Durch die geöffnete Tür sah sie nur noch drei gebeugte Rücken. Sie wirkten abweisend, sie sollte gehen, sollte ausgeschlossen werden und wusste, dass es richtig war, sich jetzt zurückzuziehen. Dennoch kam sie sich vor wie jemand, der feige ist, der sich verdrückt, wenn die Angelegenheit unangenehm wird.
Aber dann wurde ihr klar, dass Cleopatra nicht mehr da war. Ihre Katze hatte die Flucht ergriffen. Wohin? Sie trat auf den Flur, zog die Tür hinter sich zu, drückte sie aber nicht ins Schloss. Die Geräusche aus dem Badezimmer wurden schwächer, die Stimme des Notarztes klang ruhiger, offenbar hatte man dort die Sache im Griff.
Alisia blickte den Gang hinauf und hinunter. Wo war Cleopatra? Sie lief zurück bis zu dem Punkt, wo der Gang nach links abknickte, sich aber gleich darauf wieder nach rechts fortsetzte. Nichts! Nach ein paar Metern verbreiterte sich der Gang. Hier war vor einer Aufzuganlage eine kleine Sitzgruppe eingerichtet worden, mit Sesseln und einem Tischchen, auf dem Zeitschriften lagen. Es war still hier, menschenleer. Alisia ließ sich auf einen der kleinen Sessel sinken und lehnte sich zurück. Wenn Cleopatra hier irgendwo war, würde sie bald auftauchen. Die Katze ließ sich nicht gern verfolgen, das schlug sie nur weiter in die Flucht. Man musste ihr anbieten, sicher zurückzukehren, dann würde sie kommen.
Während Alisia still dasaß und wartete, sank jedoch ihr Optimismus. Nein, die Katze konnte nicht in der Nähe sein, sonst hätte sie sich längst aus ihrem Versteck getraut. Alisia musste sie locken. Das Trockenfutter, das sie immer mit sich führte, war noch in ihrem Koffer. Das Rascheln würde Cleopatra heranholen.
Alisia erhob sich wieder, sah sich um, tastete mit den Augen ihre Umgebung nach möglichen Verstecken für eine Katze ab und ging dann zurück. Als sie sich ihrem Zimmer näherte, stellte sie fest, dass die Tür zwei Zimmer weiter noch immer geöffnet war. Stimmen waren zu hören, leise zwar, aber Stimmen, die intensiv sprachen, mit Nachdruck, mit Angst und Sorge. Alisia hielt ihre Schlüsselkarte vor das Schloss ihres Zimmers, öffnete die Tür und zögerte. Dann schien die Stimme eines Sanitäters auf den Flur zu dringen, und Alisia betrat eilig ihr Zimmer. Sie wollte nicht gesehen, nicht für neugierig gehalten werden. Aber sie drückte die Tür nicht ins Schloss, sondern blieb direkt dahinter stehen und lauschte.
»Bitte gehen Sie weiter«, hörte sie da laut und deutlich jemanden sagen. »Neugierige können wir hier nicht gebrauchen.«
Schnelle Schritte liefen in die Richtung, in die auch Alisia kurz zuvor gegangen war. Ein Hotelgast, der ebenfalls von der geöffneten Zimmertür angezogen worden war?
Nun schloss Alisia ihre Zimmertür ganz, ging zu ihrem Koffer und schlug ihn auf. Aber sie zögerte, als sie mit der kleinen Schachtel in der Hand dastand, die das Trockenfutter für die Katze enthielt. Nun wurden Geräusche auf dem Gang laut, eine Stimme, die Anweisungen gab, Antworten, die aus der Nähe der Tür kamen. Die Sanitäter schienen den Mann erstversorgt zu haben und nun mitzunehmen. Alisia hörte Geklapper, vermutlich eine Trage, die ausgeklappt wurde. Sie ließ sich auf die Bettkante sinken und wartete ab. Nach vielen Worten, die an der Tür hin und her gingen, entfernten sich die Stimmen mit einem Mal Richtung Aufzug. Einige Bewegungen blieben noch in der Nähe, dann wurde die Tür zugeschlagen, und Schritte waren trotz des weichen Teppichbodens zu hören. Lifttüren öffneten und schlossen sich, kurz darauf trat Stille ein.
Alisia stand auf und verließ ihr Zimmer erneut. Schon auf dem Gang ließ sie das Trockenfutter rascheln. »Cleo …«
Ob der Mann überleben würde? Hatte sie alles richtig gemacht, nachdem sie ihn entdeckt hatte?
»Cleo!«
Hätte sie Erste-Hilfe-Maßnahmen anwenden müssen? Dafür sorgen müssen, dass er nicht wieder einschlief?
»Cleo …«
Wieder nahm sie denselben Weg. Auf der anderen Seite endete der Gang direkt hinter den Aufzügen, dort konnte Cleopatra nicht sein. Raschelnd lief Alisia erneut den Gang in die entgegengesetzte Richtung, zu der zweiten Aufzuganlage und der Sitzecke davor. Hoffentlich erschien dort niemand, der sie erkannte. Noch schlimmer, jemand, der sein Handy zückte und sie fotografierte oder sogar um ein Selfie bat.
Sie blieb in der Nähe der Sitzecke stehen, raschelte, sah sich um, raschelte erneut … da hörte sie eine Tür gehen. Schräg gegenüber dem Aufzug, in Alisias Rücken, führte ein Gang in eine ganz andere Richtung des riesigen sternförmig gebauten Hotels. Sie hörte das Klappern von Absätzen, ließ sich schleunigst auf einen Sessel sinken, beugte sich vor, um an ihren Schuhen zu nesteln und wartete darauf, dass die Frau, die sich auf hohen Absätzen genähert hatte, den Lift bestieg und verschwand. Tatsächlich ertönte kurz darauf das Surren des Aufzugs, die Tür öffnete sich, aber die Frau betrat die Kabine nicht, sondern ein Mann im dunklen Anzug stieg aus. Alisia konnte aus ihrer gebückten Haltung seine glänzenden schwarzen Schuhe erkennen. Langsam richtete sie sich wieder auf, schließlich konnte sie nicht minutenlang so tun, als müsste sie die Riemchen ihrer Sandaletten neu schließen. Doch die beiden nahmen keine Notiz von ihr. Der Mann warf Alisia einen flüchtigen Blick zu, die Frau schaute sich nicht nach ihr um. Sie hatten ein Problem, das sie voll und ganz in Anspruch nahm, das erkannte Alisia schnell.
Sie schaute noch einmal hin, von der Erscheinung der Frau im mintgrünen Cocktailkleid angezogen, und musste sich zwingen, in die entgegengesetzte Richtung zu blicken. Diese Frau kannte sie. Die hatte sie schon einmal gesehen. Aber wo? Es wollte ihr nicht einfallen. Auf einer Modenschau? Eine der Stylistinnen? Nein, dieser Gedanke half ihr nicht weiter. Auf Sylt? Eine Mitarbeiterin im Café oder im Hotel ihrer Eltern? Aber da regte sich ebenfalls keine Erkenntnis.
Die Frau sprach laut, als rechnete sie nicht damit, dass sie jemand hörte. »Er ist weggebracht worden. Was soll ich jetzt tun?«
Der Mann griff nach ihrem Arm, um sie zu warnen, und nickte unauffällig in Alisias Richtung. »Nicht hier.«
Er zog sie in die Richtung, aus der die Frau gekommen war. Im Nu waren sie aus Alisias Blickfeld verschwunden. Ihre Stimmen waren nach wie vor gedämpft zu hören, verstehen konnte Alisia sie aber nicht mehr.
Sie stand auf, vergaß das Rascheln mit dem Trockenfutter und ging ihnen vorsichtig nach. Sie schlich sich an die Ecke des Gangs heran, der von der Schwingtür abgeschlossen wurde, vermutlich, um die Geräusche des Aufzugs nicht in die Zimmer dringen zu lassen. Die beiden waren hinter der Tür stehen geblieben, fühlten sich offenbar sicher hinter ihrem Schutz, waren so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sie sich nicht die Zeit nahmen, in ihr Zimmer zu gehen oder mit dem Aufzug in sein Zimmer zu fahren. Bei diesem Gedanken schüttelte Alisia über sich selbst den Kopf. Sie wusste ja gar nicht, ob sie richtig kombiniert hatte, ob die Frau aus ihrem Zimmer gekommen war, ob der Mann ein Zimmer in einer der oberen Etagen bewohnte. Vielleicht trieben sie sich in diesem Hotel herum, ohne hier zu wohnen.
»Er wollte sich umbringen«, hörte Alisia die Frau nun sagen. »Meinetwegen.«
»Weil du mit ihm Schluss gemacht hast?« Die Stimme des Mannes klang ungläubig und ein wenig spöttisch.
Sie antwortete hitzig: »Wenn das für ihn ein Grund ist, Selbstmord zu begehen, dann wage ich mir nicht vorzustellen, was er tut, wenn er alles weiß.« Laut und schrill wiederholte sie: »Alles!«
»Vielleicht hatte er ja Erfolg«, kam es kaltherzig zurück.
»Nein! Als ich dazukam, lebte er. Im Krankenhaus werden sie schon dafür sorgen, dass er nicht stirbt.«
Danach hatten sich die Stimmen entfernt. Alisia hatte noch gehört, dass der Mann sagte: »Nun ist es zu spät. Wir haben gewusst, dass es ihn vernichten wird. Aber du hast gesagt …«
Dann hatte sich die Stimme des Mannes verloren und hallte nun in Alisias Erinnerung nach. Sie rieb sich die Augen und streckte sich, sodass Cleopatra aufwachte und sich ungehalten umsah. Dann erhob sie sich, streckte jedes ihrer vier Beine und suchte sich eine gemütlichere Schlafposition.
»Wir haben gewusst, dass es ihn vernichten wird.« Dieser Satz ging Alisia nicht mehr aus dem Kopf. Kurz darauf war Cleopatra hinter den Aufzügen hervorgekommen, auf Alisias Arm gesprungen und hatte erwartet, dass sie mit diversen Leckerbissen belohnt wurde, weil sie zu ihrem Frauchen zurückgefunden hatte.
Alisia merkte, dass sie nicht noch einmal einschlafen würde. Der Satz spukte nach wie vor in ihrem Kopf herum. Und das Gesicht des Mannes stand ihr noch immer vor Augen. Ein schönes, männliches Gesicht, ein markanter Mund, eine schmale Nase. Seine Augen waren hellgrau gewesen und voller Schwermut. Schöne Augen …
Beerdigungen standen in Riekenbüren auf Platz zwei der Beliebtheitsskala. Nur Hochzeiten waren noch interessanter. Das nicht immer von Harmonie begleitete Zusammenfügen zweier Familien, die sich womöglich vorher nie grün gewesen waren, ein Brautkleid, das secondhand gekauft worden war, oder besondere, nicht ganz geklärte Umstände, die zum Kennenlernen des Brautpaares geführt hatten, so was sorgte in Riekenbüren dafür, dass endlich mal was los war. Bei Beerdigungen lagen die Interessen anders. Dann kam es darauf an, wie unbescholten der Tote gewesen war, wie viel er für das Dorf in Form von Freibier und Schützenfestengagement getan hatte, wie intensiv er sich in der Kirchengemeinde betätigt hatte und in welchen Vereinen er in den Vorstand gewählt worden war. Bei Männern war überdies noch von Bedeutung, wie sie es mit der ehelichen Treue gehalten und wie viel Geld sie ihrer Witwe hinterlassen hatten, bei Frauen dagegen war wichtig, wie erfolgreich ihre Kinder waren, wie gepflegt ihre Vorgärten und wie groß ihre Bereitschaft, einer Nachbarin unter die Arme zu greifen.
Bei Ursula Berghoff war die Beurteilung klar und eindeutig. Einer Nachbarin zu helfen, hatte sie immer ihre Christenpflicht genannt. Stets war sie die Erste gewesen, die in einem Haus erschien, das von einem Schicksalsschlag heimgesucht worden war, in dem Zuspruch und tätige Nächstenliebe benötigt wurde. Manche nannten Ursula Berghoffs überfallartige Mildtätigkeit zwar gelegentlich anders, zum Beispiel schlichte Neugier, aber am Tag ihres Todes war damit Schluss gewesen. Über Tote nur Gutes! Das war auch in Riekenbüren so. Natürlich wurde Ursula Berghoffs Vorgarten gepriesen. Er zählte zu den schönsten des Dorfes, weil eine Frau, die vor der Tür arbeitet, viel Gelegenheit erhält, mit Vorübergehenden zu reden, etwas zu erfahren, was bis dahin ein Geheimnis war, und die eigenen Verhältnisse zu verklären. Zum Beispiel die beruflichen Erfolge ihres Sohnes. Er hatte es mit mehreren Ausbildungen versucht, hatte auch eine Weile auf dem Campingplatz der Familie Heflik gearbeitet, war dann aber vor Jahren von einer Frau nach München gelockt worden, so nannte Ursula Berghoff es, weit weg von seiner Mama, ohne die er doch eigentlich kein Glück finden konnte. Seitdem wurde in Riekenbüren gemunkelt, dass er es gerade deshalb wohl in München gefunden hatte, weil er dort endlich nicht mehr bevormundet werden konnte. Ursula Berghoff selbst hatte bis zu ihrem Tod nur von dem armen Jungen geredet, der von einer skrupellosen Frau ins Verderben gelockt worden war. Jetzt ging er hinter dem Sarg seiner Mutter her, in aufrechter Haltung, gut gekleidet, mit einer Frau neben sich, die ihn mit frischen Taschentüchern versorgte und immer wieder tröstend nach seiner Hand griff.
Am frühen Morgen hatte es so ausgesehen, als würde es ein sonniger Tag. Dann aber war der blaue Himmel hinter einem grauen Wolkenvorhang verschwunden, auf dem Weg zur Kirche hatte sogar Sprühregen dafür gesorgt, dass der Tag sich noch kälter anfühlte, als er ohnehin war. Im März wurde in Riekenbüren die Frühlingsgarderobe hervorgeholt, aber an diesem Tag hatten sich doch alle in warme Mäntel gehüllt. Die Kälte schnitt winterlich in alle Gesichter.
Hasso, Halina und Nicole Heflik gingen am Endes Trauerzuges, der sich von der Kirche zum Friedhof bewegte. Hassos Schritte waren schwer, er litt seit Jahren unter Gelenkrheuma, das ihn mehr und mehr unbeweglich machte. Er war seinem Vater immer ähnlicher geworden. Auch Edward Heflik hatte sich mühsam vorwärtsbewegt, das schwache Bein, die Folge der Kinderlähmung, war schuld gewesen. Hasso hatte es mit dem Rheuma zwar nicht ganz so hart getroffen, aber neben seiner Frau, die sich nach wie vor leicht und schnell bewegte, wirkte er alt und unbeholfen, trotz seines guten Aussehens, das er ebenfalls von Edward geerbt hatte. Halina war vom Alter weitgehend verschont geblieben. Wenn auch ihr Gesicht faltiger war als das ihres Mannes, wirkte sie dennoch jugendlicher. Wohl auch, weil sie sich nach wie vor nicht so kleidete, wie es in Riekenbüren die meisten Frauen ihres Alters taten, weil ihre Hosen noch immer sehr eng saßen, die Röcke nicht länger geworden waren, ihre Frisur extravagant war und sämtliche Accessoires, Haarschmuck, Halstücher, Ringe und Ketten sehr auffällig. Selbst an diesem Tag hatte sie versucht, ihrer schwarzen Kleidung durch bunte Armreifen das Strenge zu nehmen, die bei jeder Bewegung klimperten.
Hasso beugte sich an Halinas Ohr. »Schade, dass Ursula eine Versöhnung mit Christoph immer abgelehnt hat.«
Halina nickte stumm, Hasso merkte, dass es ihm nicht gelungen war, seine Frau abzulenken. Die Trauergesellschaft bog in einen schmalen Weg ein, an dessen Ende Ursula Berghoffs Grab ausgehoben worden war. In der nächsten Grabreihe war ein heller Stein zu erkennen, auf dem der Name Dennis Heflik stand. Halina klammerte sich an die Hand ihres Mannes, als sie stehen blieben und zusahen, wie der Sarg mit Ursula Berghoffs sterblichen Überresten neben dem offenen Grab abgestellt wurde und der Pfarrer sich anschickte, die letzten Worte zu sprechen.
Halina begann zu weinen, aber Hasso wusste, dass sie nicht um Ursula Berghoff, sondern um Dennis weinte. Mehr als dreißig Jahre lag der schreckliche Tag, an dem ihr Sohn tödlich verunglückt war, nun schon zurück. Nicole, die hinter ihrer Mutter zum Stehen gekommen war, strich ihr tröstend über den Rücken. Eine kleine, schwache, aber sehr zärtliche Geste, die Halina tatsächlich zu helfen schien. Sie tupfte sich die Augen trocken und schaffte es nun, dem letzten Teil der Zeremonie zu folgen, ohne zu schluchzen.
Christoph Berghoff hatte es geschafft, von München aus den Leichenschmaus zu organisieren, der natürlich im Dorfkrug eingenommen wurde. »Donnerwetter!«, hörte man es überall murmeln. »Dass Christoph das hingekriegt hat!« Einen Telefonhörer zu nehmen, ein Handy aus der Tasche zu ziehen, eine E-Mail zu schreiben und dem Wirt des Dorfkrugs einen entsprechenden Auftrag zu geben, das alles hatte ihm offenbar niemand zugetraut. »Das hat vermutlich seine Frau für ihn erledigt. Die scheint ja ganz patent zu sein.«
Hasso, Halina und Nicole gehörten zu den Ersten, die aufbrachen. Alle drei waren nachdenklich, als sie auf die Schreinerei Wunder zugingen. Schließlich sagte Halina: »Nur gut, dass Christoph nicht in Riekenbüren geblieben ist. Vielleicht wäre Dennis hier auch nicht glücklich geworden.«
Ihr Mann und ihre Tochter versuchten, wie sie es seit Jahren praktizierten, das Thema umgehend zu wechseln, aber es wollte nicht recht gelingen. An diesem Tag war nicht nur Ursula Berghoff zu Grabe getragen worden, sondern ein weiteres Mal das Schicksal der Schreinerei Wunder. Jedes Jahr, immer an Dennis’ Todestag, war nicht nur über den Verlust des Sohnes geklagt, sondern auch immer die Frage angefügt worden, was nun aus der Schreinerei werden solle. Dennis hatte, als er starb, kurz vor der Gesellenprüfung gestanden, er hätte den Betrieb, der seit mehreren Generationen im Familienbesitz war, weitergeführt. Und nun?
Hasso hatte schließlich eine Antwort gefunden. Ein Pächter musste her. Alle Pläne, aus der Schreinerei eine Kindertagesstätte zu machen, ein Jugendzentrum, ein Hotel, hatte er von sich gewiesen. Nein, solange er mit seiner Frau auf dem Altenteil lebte, wollte er, dass nebenan in der Werkstatt gehämmert und gesägt wurde. Danach konnte Nicole mit dem elterlichen Anwesen tun und lassen, was sie wollte.
Halina hatte dazu genickt, Nicole ebenfalls, und Hasso war losgezogen, um Erkundigungen einzuholen. Und er hatte einen Pächter gefunden, Lutz Jacobson. An diesem Tag sollte er mit seiner Familie eintreffen und in die Wohnung einziehen, in der der jeweilige Besitzer mit Frau und Kindern zu leben pflegte. Schon vor Wochen hatten Hasso und Halina diese Wohnung geräumt und waren in den Altenteil gezogen, der für Hassos Eltern, für Frida und Edward Heflik, angebaut worden war.
Als die Schreinerei in Sicht kam, fiel Nicole ein Möbelwagen auf. »Sind die Jacobsons schon da?«
Halina seufzte. »Ab jetzt haben wir also fremde Leute im Haus.«
Alisia fuhr am späten Nachmittag auf den Autozug, der sie nach Sylt bringen sollte. Ihr schwarzer Mittelklassewagen fiel nicht weiter auf. Ihr Vater hatte ihr, als ihre Karriere Fahrt aufnahm, geraten, sich nichts anzuschaffen, was teuer aussah, und auf keinen Fall zu zeigen, wie gut es ihr ging. »Bei uns wird so was ganz anders beurteilt als bei Weißen.«
Er wusste, wovon er sprach. Hajo Keller hatte eine Frau geheiratet, die von ihren Eltern ein Café und ein Hotel in Westerland, dazu noch mehrere Hotels und Cafés auf dem Festland geerbt hatte. Seine Schwiegereltern waren früher seine Arbeitgeber gewesen. Die Rede vom gemachten Nest, in das er sich gesetzt hatte, war häufig gekommen, das wusste er. Viel häufiger, als hätte Kari Rensing einen weißen Habenichts geheiratet.
Er hatte recht. Die Insassen im Wagen vor ihr und auch die in dem Auto hinter ihr beachteten sie nicht. Ein flotter BMW vor ihr, ein großer Mercedes hinter ihr, da fiel ihr Golf nicht weiter auf, und niemand schenkte der Fahrerin einen zweiten Blick.
Als sie zum Stehen gekommen und der Ordner mit dem Abstand zwischen den Autos zufrieden war, schnallte sie sich ab und sah nach Cleopatra, die zusammengerollt in ihrem Katzenkäfig lag und döste. Alisia lehnte sich zurück und schloss ebenfalls die Augen. Sofort erschien wieder das Gesicht des Mannes in der Badewanne vor ihr, als er sie angesehen hatte, mit diesem erstaunten, verwirrten Blick, als sähe er etwas, was nicht sein konnte.
Sie hatte sich beim Auschecken nach ihm erkundigt. Der Rezeptionist hatte sie fragend angesehen, aber als sie ihm erklärte, dass sie es gewesen war, die den Hotelgast im letzten Moment ins Leben zurückgeholt hatte, zeigte er Verständnis für ihr Interesse. »Ach so, Herr Wiemann!« Aber er wusste nicht, in welches Krankenhaus er gebracht worden war und hatte auch keine Information darüber, wie es ihm ging, nicht einmal, ob er überhaupt überlebt hatte. Aber immerhin wusste er, welcher Sanitätsdienst alarmiert worden war. »Die sind in die Lobby getrampelt wie eine Elefantenherde.« Und er war sogar bereit gewesen, sich dort telefonisch zu erkundigen. »Er lebt«, hatte er gesagt, als er den Hörer zurücklegte. »Mehr wissen die angeblich auch nicht. Nur dass sie ihn ins St.-Georg-Krankenhaus gebracht haben.«
Alisia hatte sich bedankt und im Auto sofort ihr Smartphone aus der Tasche geholt. Aber im Krankenhaus hatte sie niemanden erreicht, der ihr nähere Auskünfte geben wollte, obwohl sie behauptet hatte, die Schwester von Herrn Wiemann zu sein. Nur, dass sie sich keine Sorgen machen müsse, hatte sie zu hören bekommen, es gehe Herrn Wiemann den Umständen entsprechend gut. Aber er würde noch ein paar Tage in der Klinik bleiben müssen. Sie könne ihn jedoch am nächsten oder übernächsten Tag besuchen. Dann wäre er so weit …
So weit, dass er das Gesicht der Frau ertragen konnte, die seine Pläne vereitelt hatte? So weit, dass er ihr verzeihen konnte, ihn ins Leben zurückgezerrt zu haben? So weit, dass er ihr dankbar war, den Selbstmord vereitelt zu haben? Alisia wusste nicht, ob sie es wagen würde, in die Klinik zu fahren.
Ihr Smartphone klingelte, als der Zug sich gerade in Bewegung setzte. Mike Heiser war am anderen Ende. »Bist du noch in Hamburg?«
»Nein, auf dem Weg nach Sylt.«
»Ich muss mit dir sprechen.«
Sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass dieser Satz bedeutete, dass er keine aufbauenden Nachrichten hatte. Und sie wusste auch, dass diese Nachrichten schon länger in ihm schmorten. Jetzt hatte er also endlich Mut gefasst. »Ich komme gleich zu dir«, sagte sie.
»Also gut, ich erwarte dich.«
Sie hörte, dass Cleopatra sich reckte, drehte sich aber nicht um. Was würde geschehen, wenn ihre Ahnungen richtig waren? Nun, es gab noch viele Möglichkeiten, Geld zu verdienen. Auch andere Jobs gab es, wenn auch nicht so gut bezahlte. Und sie gehörte nach wie vor zu den Topmodels Deutschlands. Eigentlich konnte sie zufrieden sein, dass sie so lange das Aushängeschild für die Heiser-Mode geblieben war. Seit ihrem dreißigsten Geburtstag vor vier Jahren rechnete sie damit, dass Mike sie durch ein jüngeres Model ersetzen würde. Aber bisher hatte er es nicht gewagt.
Der Zug löste sich vom Festland. Wie immer in diesem Augenblick überkam Alisia etwas Feierliches, wie als Kind beim Anblick des Weihnachtsbaums. Manchmal erschien ihr dieses Eintreten in etwas Neues sogar wie die letzten Minuten vor dem Betreten des Catwalks. Ohne Nervosität, ohne Lampenfieber zwar, aber mit der Ernsthaftigkeit, die der Augenblick verlangte. Alisia lächelte niemals, wenn der Zug auf den Hindenburgdamm fuhr, so wie ein Model niemals lächelte, wenn es den Laufsteg betrat. Das Meer hatte immer einen großen Auftritt, dem konnte man nicht einfach entgegenlächeln.
Sie verstellte ihre Rückenlehne, sodass sie entspannt, mit vor der Brust verschränkten Armen, hinaussehen konnte. Schon bald hatte sie keine Augen mehr für das Wasser, das sich waschbrettartig wellte, sondern richtete sich auf ihr Inneres. Der Blick aufs Wasser ging immer einher mit dem Blick in ihre Erinnerungen.
Mike Heiser hatte sich verpflichtet gefühlt, sie weiter für Heiser-Moden laufen zu lassen, auch noch nach ihrem dreißigsten Geburtstag, schließlich war sie als Alisia Heiser zur Welt gekommen. Daran konnte sie sich zwar nicht erinnern, aber Mike machte sich immer klein, wenn er ihrer Mutter begegnete. So, als litte er unter Schuldgefühlen. Alisia hatte keine Ahnung, warum. Die Scheinehe der beiden war schließlich eine Abmachung gewesen, die Kari ihm selbst angeboten hatte. Mike brauchte sich also nicht verpflichtet und schon gar nicht schuldig zu fühlen. Eher umgekehrt. Für Mike war es ganz schön schwierig geworden, als Kari ein Kind mit dunkler Hautfarbe zur Welt brachte, das unmöglich von ihrem Ehemann stammen konnte. Sie hatte Alisia die ganze Geschichte irgendwann erzählen müssen, nachdem diese immer wieder nachgebohrt hatte. Tatsächlich war Alisia schockiert gewesen, als sie hörte, dass Kari in jungen Jahren oft Drogen genommen und nach einer Party bei Mike Heiser einen derartigen Filmriss gehabt hatte, dass sie nicht mehr wusste, mit wem sie in der Partynacht geschlafen hatte. Alisias Vater hatte es natürlich gewusst, war aber damals von Karis Ehe mit Mike Heiser überrumpelt worden und hatte seine Liebe zu ihr in sich eingeschlossen. Bis er erfuhr, dass Kari ihr Baby »Cappuccinchen« nannte, weil es kaffeebraune Haut hatte. Die Ehe, die Kari und Mike eingegangen waren, damit Mikes Homosexualität nicht ans Licht kam, war also bald darauf annulliert worden. Eigentlich musste keiner dem anderen einen Vorwurf machen, die Sache war geräuschlos über die Bühne gegangen. Und mittlerweile musste Mike zum Glück keine Nachteile mehr befürchten, weil er homosexuell war. Sein Outing vor Jahren hatte er sogar groß gefeiert.
Alisia zögerte kurz, als sie vom Autozug gerollt war. Eigentlich wäre sie gern auf direktem Weg ins König Augustin gefahren, aber besser war es vermutlich, erst den Besuch bei Mike zu machen. Dann hatte sie es hinter sich. Also fuhr sie durch Westerland, durch Wenningstedt und nach Kampen hinein. Mikes Anwesen befand sich auf der linken Seite zwischen Straße und Strand. Ein richtiges Filetstück, heute unbezahlbar. Schon nach wenigen Metern kam sie an einem Schlagbaum an, neben dem ein Security-Mann stand. Das hatte Mike beibehalten. Noch immer wurde er von der Sorge gequält, dass ein Unbefugter bei ihm eindrang. Der Mann warf nur einen kurzen Blick in ihr Auto, salutierte und öffnete die Schranke. Er kannte sie. Erst zwanzig, dreißig Meter weiter, nach einer sanften Kurve, war das Haus zu sehen, das von der Straße nur zu erahnen war. Ein Friesenhaus, natürlich mit Reetdach, aber so riesig, wie Friesenhäuser niemals waren. Die Auffahrt und der breite Eingangsbereich passten genauso wenig zu einem Friesenhaus.
Als Alisia ausstieg, öffnete sich schon die Eingangstür der Villa. Die Haushälterin erschien. Alisia ließ die Wagentür offen und reichte ihr den Autoschlüssel. »Können Sie sich bitte um Cleopatra kümmern?«
Alisia gehörte zu den wenigen, die nicht ins Haus geführt werden mussten. Sie hatte einmal den Namen Heiser getragen, gehörte damit gewissermaßen zur Familie und hatte andere Rechte. Außerdem kannte sie sich natürlich aus, während der Vorbereitungen auf große Modenschauen ging sie bei Mike ein und aus, und seine neuen Kollektionen probierte er immer direkt an ihrem Körper aus. Mit schnellen Schritten durchmaß sie die helle Diele und trat in einen Flur, der aus dem privaten Bereich wegführte in den Teil des Hauses, der Heiser-Moden vorbehalten war.
Mike erwartete sie in seinem Büro. Er sah schlecht aus, so krank, dass Alisia erschrak und Mühe hatte, es sich nicht anmerken zu lassen. In den letzten Wochen war es weiter mit ihm bergab gegangen. Aber noch gab er nicht auf, noch hielt er die Geschicke von Heiser-Moden fest in seinen Händen. Dabei hatte er längst für einen Nachfolger gesorgt, aber Franco Statti war Figurant geblieben und würde es bleiben, solange Mike noch den Weg ins Büro und in sein Atelier schaffte. Aber da er die schriftliche Zusicherung erhalten hatte, Mikes Nachfolger und späterer Besitzer von Heiser-Moden zu werden, lehnte er sich nicht auf. Er wartete einfach ab. Zu Alisia hatte er einmal gesagt, dass so alles richtig sei. Er hätte Zeit, sich einzuarbeiten, und würde, wenn es so weit war, genau Bescheid wissen, wie die Firma zu führen sei.
»Wie geht’s dir?«, fragte Alisia, obwohl sich die Frage erübrigte, so elend wie Mike aussah.
Er antwortete nicht, sondern winkte nur ab. »Parkinson ist nicht schön, aber ich habe eine Form, die langsam fortschreitet. Es könnte also noch eine Weile dauern, bis ich abkratze.«
Die Tür öffnete sich, eine Frau mittleren Alters trat ein. Sie trug ein graues Baumwollkleid und darüber eine weiße Schürze. Ohne Zweifel eine Pflegekraft.
»Entschuldigung«, sagte sie und blieb auf der Schwelle stehen. »Ich wusste nicht, dass Sie Besuch haben.«
Mike blickte nicht auf. »Blutdruck messen?«
»Ich komme später wieder.« Die Tür wurde hinter der Pflegekraft wieder ins Schloss gezogen, so leise, als verließe sie das Zimmer eines Schwerkranken.
»Schließlich bin ich in Pflegestufe vier gelandet«, erklärte Mike. »Was die Pflegeversicherung bezahlt, will ich auch haben.«
Alisia sah auf die Tür, als erwartete sie, dass sie sich noch einmal öffnete. »Sicherlich beschäftigst du noch mehr Pflegepersonal?«
»Natürlich! Insgesamt vier Schwestern. Eine davon wohnt im Gästehaus und steht ständig zur Verfügung, während die anderen nach Feierabend heimfahren. Aber Delia hat ein paar Tage Urlaub. Musste nach Hamburg wegen einer Familienangelegenheit. Du hast sie schon mal gesehen. Delia Berglund …«
Er strich über die Papiere auf seinem Schreibtisch, als wollte er sie glätten. Alisia wusste, dass er damit das Zittern seiner Hände verbarg, weil der Tremor nicht so stark auffiel, wenn sein Körper in Bewegung war.
Alisia starrte seine Hände an und versuchte, sie nicht zu sehen, sondern sich auf das zu konzentrieren, was sich in ihrem Kopf bewegte. Delia Berglund! Ja, jetzt wusste sie wieder, wo sie die Frau in dem Hotel schon einmal gesehen hatte. War das möglich? Was für ein seltsamer Zufall …
Sie ließ sich vor seinem Schreibtisch nieder, die langen, schlanken Beine in den schwarzen Lederleggings übereinandergeschlagen, die Absätze ihrer Stilettos in den weichen Teppich gebohrt. Sie öffnete die Knöpfe ihrer ebenfalls schwarzen Jacke und ordnete die vielen Ketten, die darunter zum Vorschein kamen. Dann strich sie sich über die raspelkurzen Haare, ihr Markenzeichen. Ihre Fingernägel waren knallrot lackiert, in der gleichen Farbe wie ihr Lippenstift, auf weiteres Make-up hatte sie verzichtet. Eine bildschöne Frau, eine Raubkatze auf zwei Beinen, so hatte es kürzlich in einer Zeitung gestanden, eine Frau, neben der die meisten anderen blass und unscheinbar aussahen. Es sei denn, sie waren blutjung …
Und da kam es auch schon. »Alisia, ich wollte mit dir über deine Zukunft sprechen. Du bist nun schon so lange das Gesicht von Heiser-Moden«, begann Mike, »und über dreißig. Ich muss aufpassen, dass aus meinem Label nicht die Mode für die reife Dame wird.«
»Wie bitte?« Kari starrte ihre Tochter an, als hätte sie nicht richtig verstanden.
Sie saßen an einem Tisch im Café König Augustin, direkt am Eingang zur Küche. Nicht der erste Tisch, den sich ein Gast ausgesucht hätte, deswegen war er zum Treffpunkt des Besitzers mit seinen Angehörigen geworden und wurde für Gespräche mit Mitarbeitern oder Geschäftspartnern genutzt. Immer noch in der Nähe des Geschehens, aber doch weit genug weg, um ungestört reden zu können. Vorsichtshalber prangte hier immer das »Reserviert«-Schild, damit kein Gast auf die Idee kam, sich doch einmal dort niederzulassen, wenn kein anderer Tisch mehr frei war. Hier konnte sich auch die berühmte La Cappuccina niederlassen, vorsichtshalber mit dem Rücken zu den anderen Tischen, ohne von Autogramm- und Selfiejägern gestört zu werden.
Unter Karis und Hajos Leitung hatte sich das Café verändert. Knut Augustin und Robert König hatten vor Jahren mit viel Bedacht eine Einrichtung gewählt, die sowohl den verwöhnten Gästen, die schon lange nach Sylt kamen, als auch den Gästen der Mittelschicht, die damals neuerdings Urlaub auf der Insel machten, gefiel. Die beiden Männer hatten sich für die Farben Weiß und Rot entschieden, frisch und anmutig, weiße Möbel, roter Teppichboden, weiße Tischdecken, rot bestickt. Nicht protzig, sondern gemütlich, das war ihre Devise gewesen. Olaf Rensing hatte alles so gelassen, wie sein Vater es entschieden hatte. Wenn etwas erneuert werden musste, dann nur innerhalb der von seinem Vater gesteckten Grenzen. Erst Kari und Hajo hatten das Rot und den weißen Schleiflack aus dem Café verbannt, hatten es in Beigetönen eingerichtet, mit sandfarbenen Teppichböden, hellen Holztischen, Leinendecken und Ton-in-Ton-Dekorationen.
Alisia drehte die kleine Vase mit den Schilfgräsern hin und her, während ihre Mutter noch immer mit ihrer Fassungslosigkeit zu kämpfen hatte. »Das kann doch nicht sein Ernst sein.«
Alisia seufzte. »Es ist seine Firma. Wenn er es so will … ich kann damit leben.«
Kari schnappte nach Luft. »Du bist seit fünfzehn Jahren sein Topmodel. Das Gesicht von Heiser-Moden …«
»Du sagst es, Mama. Seit fünfzehn Jahren! Das ist in diesem Geschäft eine irre lange Zeit.«
»Trotzdem kann er dich nicht einfach abservieren. Das schadet deinem Ruf.«
»Soll ich noch mit sechzig für ihn laufen?«
»Zumindest, solange er die Firma leitet.« Eine kurze Pause entstand, in der jeder daran dachte, dass Mikes Zukunft womöglich nur noch kurz war. Aber niemand sprach es aus.
»Und danach … Franco Statti würde niemals auf die Idee kommen, eine andere dir vorzuziehen.«
Alisia war dankbar, als sich die Bürotür in der Nähe der Theke öffnete und ihr Bruder Constantin zu ihnen trat. Er warf einen Blick ins Café, ließ die Augen von einem Tisch zum anderen wandern, stellte fest, dass alles in Ordnung war, dass das Café gut besucht war und die Gäste zufrieden schienen. Dann erst setzte er sich zu Kari und Alisia. »Was gibt’s?«
Alisia wollte nicht, dass ihr Besuch bei Mike Heiser vor Constantin ausgebreitet wurde. »Es ist wie früher«, lenkte sie ab und lächelte so lange, bis aus den Augen ihrer Mutter die Empörung gewichen war und Constantin nicht mehr auf einer Antwort auf seine Frage bestand. »Ich möchte nicht wissen, was an diesem Tisch schon alles besprochen wurde. Selten ging es in die Wohnung, immer musste das Café im Auge behalten werden. Das war schon bei Opa und Oma so.«