House of Marionne - J. Elle - E-Book

House of Marionne E-Book

J. Elle

0,0
14,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Ich will, dass er mir verspricht, dass es nach dieser dunklen Nacht einen Morgen gibt

Quell Marionne wurde mit einer verbotenen dunklen Magie geboren. Ständig auf der Flucht fällt ihr nur noch ein Ort ein, an den sie sich retten kann: das luxuriöse Internat House of Marionne. Unter der Leitung ihrer Großmutter werden dort Schüler:innen mit magischen Fähigkeiten ausgebildet, um nach dem Abschluss einer elitären Vereinigung beizutreten. Quell hofft, mehr über ihre Kräfte zu erfahren und sie vor der Welt verbergen zu können. Auch vor Jordan Wexton, dem attraktiven und talentierten Mündel ihrer Großmutter, der zu ihrem Tutor ernannt wird. Denn auch wenn beide sich dagegen zu wehren versuchen, bei jeder Begegnung knistert es stärker zwischen ihnen - obwohl nicht nur Quell ein tödliches Geheimnis hütet ...

»House of Marionne steckt voller Magie und Intrigen. Die Geschichte ist perfekt für alle, die Fantasy lieben und die sich an schillernde und trügerische Orte entführen lassen wollen.« STEPHANIE GARBER

Auftakt der HOUSE-OF-MARIONNE-Trilogie

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 724

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



INHALT

Titel

Zu diesem Buch

Widmung

Anmerkung der Autorin

Motto

Zitat

Der Dragun

Teil eins

1

2

3

4

5

6

7

8

Teil zwei

9

10

11

12

13

14

15

16

Teil drei

17

18

19

20

21

22

23

24

25

26

27

28

Teil vier

29

30

31

32

33

34

35

36

37

38

39

40

41

42

43

44

Teil fünf

45

46

47

48

49

50

51

Anhang

Memento Sumptus

Supra Alios

Cogitare De Pretio

Intellectus Secat Acutissimum

Uti Vel Amittere

Danksagungen

Die Autorin

Impressum

J. ELLE

House of Marionne

Roman

Ins Deutsche übertragen von Anika Klüver

ZU DIESEM BUCH

Die verbotene dunkle Magie – Toushana genannt –, die seit ihrer Geburt durch Quell Marionnes Adern fließt, macht sie zu einer Gejagten. Ständig auf der Flucht vor den Dragune, die sie und ihre Kräfte auslöschen wollen, fällt ihr eines Tages nur noch ein Ort ein, an den sie sich retten kann: das luxuriöse Internat House of Marionne. Unter der Leitung ihrer Großmutter werden dort junge Menschen mit magischen Fähigkeiten ausgebildet, die nach bestandenen Prüfungen dem Orden, einer elitären Vereinigung, beitreten dürfen. Quell hofft, hier mehr über ihre Kräfte zu erfahren. Doch damit lässt sie sich auf eine neue Gefahr ein, denn niemand darf etwas von ihrer Toushana erfahren – nicht mal ihre Großmutter und erst recht nicht Jordan Wexton. Der attraktive und talentierte Anwärter für die Bruderschaft der Dragune wird zu ihrem Tutor ernannt, um ihren späten Eintritt in die Schule auszugleichen. Aber Jordans Nähe wird zu einer ganz neuen Herausforderung für Quell. Denn auch wenn beide sich dagegen wehren, knistert es bei jeder Begegnung stärker zwischen ihnen, obwohl es Jordans Aufgabe wäre, Quell auszuschalten, sollte er je von ihrem Geheimnis erfahren …

Für die Ersten ihres Namens, Erbinnen von nichts, diejenigen, die anders sind und ziellos umherstreifen.

Anmerkung der Autorin

Die fiktionalen Schauplätze und Ereignisse in House of Marionne wurden von diversen Orten der Welt inspiriert. Nichts davon soll eine wahrheitsgetreue Darstellung irgendeines Ereignisses, irgendeiner Kultur oder irgendeines Volkes an irgendeinem Punkt in der Geschichte sein.

HAUS MARIONNE

ANGEBOT DER SPEZIALGEBIETE

ANATOM Umgestalter der Anatomie

AUDIOR Umgestalter der Laute

WANDLER Umgestalter der Materie

RETENTOR Beseitiger der Magie

KULTIVATOR Vermittler von Wissen

DRAGUN Nur auf Einladung

Sanguis electorum dives est.

Die sicherste Maßnahme unserer Führung

wird in unserer Anpassungsfähigkeit als ein Körper bestehen,

denn die Last der Verantwortung, die Magie mit sich bringt,

würde gespaltene Schultern zerbrechen.

Daher unterzeichne ich dieses Bevollmächtigungsabkommen der Sphäre

an diesem 14. Tag im Juni dieses bedeutenden Jahres 1781

und erlege mir das Joch der Bürde auf, die Einheit zu erhalten

und einander in treuer Pflicht ergeben zu sein.

Dieses Unterfangen wird entweder

die größte Errungenschaft in der Welt der Lebenden sein

oder für uns alle ewige Verdammnis bedeuten.

Westin Alkomae,

Mitglied des Oberen Kabinetts, Siebter von Zwölf, Erster seines Blutes,

Mitglied des Geschätzten Ordens der Höchsten Mysterien

1740–1781

DER DRAGUN

Yagrin fuhr mit einem Finger über die Klinge und holte tief Luft. Er hasste diesen Teil. Der Gestank von Containermüll wehte ihm in die Nase, und er zog seinen Mantel enger um sich. Er streckte den Kopf aus seinem Versteck zwischen dem Krimskramsladen und der Konditorei hervor.

»Memento sumptus«, skandierte er vor sich hin, als würde das gegen das Gefühl helfen, das sich in seinem Magen breitmachte. Es fühlte sich an, als würden Aale in seinem Bauch zappeln. Er ließ den Blick über den Verkehr schweifen.

Und da war sie.

Eine pink gestreifte Beanie-Mütze saß fest auf ihrem Kopf. Darunter quollen gekräuselte Locken hervor. Sie trug eng anliegende Jeans und einen hellgrünen Pullover mit Kimonoärmeln. Seine Nervosität schnürte ihm die Kehle zu. Er konnte nicht aufhören, mit dem Fuß auf den Boden zu tippen.

Doch er legte die Finger seiner rechten Hand fest um den Dolch in seiner Tasche.

Er war eine behände Waffe. Das kunstvoll verzierte Metall war so gestaltet, dass es genau in die Wölbung seiner Handfläche passte. Seine Fingerspitzen wurden feucht. Er rieb das Blut an dem Innenfutter seiner Hose ab und wartete darauf, dass die junge Frau mit der pinken Beanie an ihm vorbeiging, damit er sich unbemerkt unter die Leute hinter ihr mischen konnte. Er würde geduldig sein. Vorsichtig. Deswegen hatte er den Auftrag wochenlang vor sich hergeschoben. Um heimlich vorgehen zu können. Immerhin ging es hier um den Ruf des Hauses. Er musste den Ruf des Hauses wahren.

Zuerst musste er sie allein erwischen. Isoliert.

Du bist kein Mörder, Yagrin, argumentierte die Stimme in seinem Kopf, doch er zähmte sie mit Rezitationen, die ihm in Fleisch und Blut übergegangen waren. Secretum. Die Frau mit der pinken Beanie stellte eine direkte Bedrohung für ihre Lebensweise dar, ob sie es nun wusste oder nicht. Und deswegen musste sie sterben.

Sie schlenderte an ihm vorbei. Er überprüfte sein Aussehen im Schaufenster auf der anderen Straßenseite, nahm ein paar Korrekturen vor und schob sich dann aus der schattigen Gasse in dem geschäftigen Einkaufsviertel, um sich an ihre Fersen zu heften. Ihre Mütze wippte in der Menge auf und ab, ihr Blick klebte an ihrem Handydisplay. Ihre Miene konnte er nicht richtig erkennen, aber sie bewegte sich langsam und unbekümmert fort und grüßte jede Person, an der sie vorbeiging, sofern diese Blickkontakt zu ihr herstellte.

Seine Finger zuckten, als er seinen Plan im Kopf noch einmal durchging. Der verzauberte Dolch würde sauberer sein. Leiser. Er zog eine runde Münze hervor und warf sie in die Luft. Zahl. Gib mir Zahl, verdammt. Er sollte nicht abergläubisch sein. Aberglaube war vorgetäuschte Magie, und er musste nichts vortäuschen. Er verfügte über echte Magie. Die Münze schimmerte im Sonnenlicht und landete mit der Kopfseite nach oben in seiner Handfläche.

»Mist«, murmelte er. Wie auch immer seine Unterfangen an diesem Tag aussehen mochten, sie würden sich zu seinen Gunsten entwickeln.

Wenn er es nicht tat, würde es einer seiner Dragunbrüder tun, redete er sich ein. In seinem Inneren wankte alles. Er umklammerte die Münze mit der Hand. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. An einer Kreuzung trat er beiseite, um einen Dogwalker vorbeizulassen, der zahlreiche Hunde an miteinander verworrenen Leinen mit sich führte. Die Frau mit der pinken Beanie hielt an, um einen Kaffee zu trinken. Er ließ es zu und achtete darauf, außer Sichtweite zu bleiben.

Während sie auf einem Stuhl saß und an einem Cappuccino nippte, wischte er auf seinem Handy herum. Dabei nahm er eine etwas aufrechtere Haltung ein, als würde dieser Augenblick der Gnade es irgendwie besser machen. Als würde er ihn besser machen. Als könnte er sich dadurch von diesem Leben reinwaschen, das ihn ausgewählt hatte. Sie trank ihren Cappuccino gern mit Zimt und einer Extraportion Schlagsahne. Außerdem liebte sie es, wenn er bereits vollständig abgekühlt war.

Sein Finger schwebte über dem Eintrag Mutter in seinem Handy – nicht die, die ihn geboren hatte, sondern jene, der gegenüber er sich verpflichtet hatte. Er schluckte und tippte auf das Anrufsymbol. Es tutete. Schnell tippte er erneut auf den Bildschirm, um direkt wieder aufzulegen, denn er wusste, was sie sagen würde. Die Pflicht ist die Ehre der Bereitwilligen.

Er suchte die Umgebung nach Zeugen ab und ließ den Blick über die Menge wandern, die Leute, die Läden betraten und verließen. Ein Liebespaar saß mit ineinander verschlungenen Armen da und teilte sich einen Muffin. Ein Mädchen mit lockigen Haaren und Sommersprossen auf dem Gesicht saß an einer Bushaltestelle und spielte an einem Schlüsselanhänger herum.

Ein kalter Schauer durchfuhr ihn. Der heutige Tag fühlte sich nicht wie ein Tag zum Töten an.

Ein kleines Mädchen watschelte an ihm vorbei. Es kämpfte mit einer riesigen Eiswaffel mit drei Kugeln, die fast so groß wie es selbst war. Das Eis drohte, der Kleinen aus der Hand zu fallen, und er griff nach unten, um die Waffel aufrecht zu halten. Sie grinste ihn dankbar an, und er verzog die Lippen zu einem Lächeln. Doch er wischte es schnell wieder von seinem Gesicht. Er verdiente die Freude nicht, die es in ihm auslöste.

Wieder schluckte er und ballte die Hand zur Faust. Je öfter er es tat, desto leichter würde es werden. Aber er hatte nichts davon je leicht gefunden. Nicht, als er den Auftrag angenommen hatte. Nicht, als er in den Orden eingeführt worden war. Damals hatte er das alles nur überstanden, indem er sich verstellt hatte. Er hatte die entsprechenden Bewegungen ausgeführt, den mit Seide ausgekleideten Smoking getragen, die Maske aufgesetzt, den Dolch gehalten und ihn in sein Herz gestoßen. Er mochte nicht kühn sein. Aber er war klug. Wirklich klug.

Das Knacken eines auf Knochen treffenden Dolches war etwas, das er perfektioniert hatte. Das Täuschen der Ohren und die Umwandlung der Gestalt und der Töne, während sich das Geräusch in der Luft bewegte, fielen ihm leicht. Mutter und den Rest von ihnen glauben zu lassen, dass er sich selbst erstochen hatte, war einfach gewesen. Weil er das entsprechende Geräusch verursacht und es so hatte aussehen lassen, wie es sollte, gingen alle davon aus, dass er das Dritte Ritual vollzogen hatte. Niemand musste erfahren, dass er in Wahrheit ein Feigling war.

Aber heute würde er nichts vortäuschen können. Er musste die junge Frau umbringen.

Und dann eine weitere und eine weitere. Er musste sich dringend an diese Aufgabe gewöhnen. Er suchte nach der pinken Beanie-Mütze, musste aber feststellen, dass der Tisch leer war und nur noch ihre Tasse dort stand. Sein Herz hüpfte in seiner Brust, während er die Menge absuchte, von der ein konstantes Summen aus Stimmen und Gesprächsfetzen ausging. Aktentaschen schwangen rauschend zwischen Beinen hin und her.

»Sie war doch eben noch hier«, sagte er zu sich.

Er begab sich zu der Umrandung aus Hecken, die die Terrasse des Cafés einrahmte. Dort roch er sie, bevor er sie entdeckte. Vanille und Zimt, ein Garten voller Jasmin. An ihrer Lippe klebte ein winziger Fleck Schlagsahne.

»Tut mir leid, ich wollte gerade …« Sie verlagerte das Gewicht auf das andere Bein und versuchte dann, sich an ihm vorbeizuzwängen. Ihre Augen waren so tiefschwarz wie Ebenholz und doch irgendwie so hell wie die Sonne.

»Nein, bitte entschuldige, tut mir leid.«

»Kennen wir …?« Sie lächelte und strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr. »Du kommst mir bekannt vor«, sagte sie und schaffte es schließlich, sich an ihm vorbeizudrängen.

Er passte sich ihrem Tempo an, lief neben ihr her und behielt dabei eine Hand in seiner Tasche, wo er das Metall fest umklammerte.

»Oh?« Er lächelte. »Ich meine … Ich würde gerne glauben, dass wir uns kennen … oder dass wir uns kennen sollten.«

Sie errötete, und das berührte ihn auf eine Weise, auf die es ihn nicht berühren sollte. Aber das hier war ein Auftrag, also hielt er sich an den Plan: Gewinne ihr Vertrauen. Sie gingen weiter, und er hing an ihren Lippen, streute hin und wieder Erwiderungen ein, die er mit dem ein oder anderen Lächeln und Nicken untermalte. Sie redete unglaublich schnell und wurde rasch zugänglich. Er erwähnte nebenbei Dinge, von denen er wusste, dass sie sie mochte … wie Zwerghündchen, Pullover mit Zopfmuster und alles mit Apfelgeschmack. Jede Kleinigkeit sorgte dafür, dass die fröhlichen Fältchen um ihre Augen herum tiefer wurden.

»Das ist wie Kismet«, sagte sie.

»So muss es wohl sein.« Ihm war übel. »Hast du einen Moment Zeit?«

»Wofür?«

Er bezwang seinen nervösen Magen und ließ das Monster, zu dem man ihn erzogen hatte, übernehmen. »Da ist dieses wirklich reizende Café, ein wenig abseits vom allgemeinen Trubel. Dort gibt es die besten Beignets, die du je gekostet hast.« Er deutete in Richtung einer nahe gelegenen Gasse, vorbei an dem Menschengewühl und dem Lärm. »Was meinst du? Wollen wir uns dort vielleicht einen Happen gönnen?«

Sie zögerte und schaute auf ihr Handy. Beruhige sie, Yagrin. Er zwang sich dazu, ein freundliches Lächeln aufzusetzen. Dabei achtete er darauf, dass seine Zähne aufblitzten und er seine Wangen so weit nach oben zog, dass um seine Augen herum kleine Fältchen entstanden.

»Sie sind wirklich köstlich.«

Sie schürzte nachdenklich die Lippen. Das Funkeln in ihren Augen verwandelte sich von Neugier in nervöse Aufregung. »Okay, für einen Moment. Klar.«

Er führte sie von der geschäftigen Menge aus Mittagsgästen weg und eine Gasse hinunter. Dabei war er hochkonzentriert. »Es ist gleich dahinten.«

Sie nickte. Je weiter sie in die Gasse hineingingen, desto düsterer wurde die Umgebung.

»Ist es noch sehr viel weiter?«, fragte sie und schlang die Arme um ihren Körper.

Er konnte hören, wie ihr Herz schneller schlug. »Nur noch ein kleines Stück. Hier entlang.«

Sie reckte den Hals, um zu sehen, was vor ihnen lag. Yagrin spürte, wie ihn die vertraute körnige Hitze durchströmte: Seine Magie wärmte sich auf. Mittlerweile hasste er dieses Gefühl. Aber nun brannte es in ihm und verlieh ihm den Mut, der ihm fehlte. Es erinnerte ihn daran, wer er war. Er war der Zwölfte seines Blutes, und die Magie in ihm war so stark wie die seines Vaters und Großvaters vor ihm. Zwölf Generationen seiner Familie, allesamt Dragune. Er holte tief Luft und ließ sein Muskelgedächtnis übernehmen, so wie er es in der Ausbildung gelernt hatte. Dann öffnete er seine Hand und streckte sie nach einem eisigen Lufthauch aus. Er hielt still, während sich die Kälte in seine Handfläche fraß und seine Arme hinaufwanderte. Sein ganzer Körper kribbelte vor Magie, wandte sich nach innen und verschwand in einer schwarzen Wolke.

Sie schnappte nach Luft.

Er sah das Siegel seines Hauses auf der Innenseite seiner Augenlider und schluckte den Rest seines Bedauerns hinunter. Er drückte sich gegen sie. Sie schrie. Er verfestigte sich von der Mitte aus, packte den Sonnenstaub, der durch seine Adern floss, und pflückte unsichtbare Fäden aus der Luft. Ihre Schreckensschreie verwandelten sich in Lachen, seine warme Magie verzauberte die Laute Ton um Ton. Irgendwie wirkte es auf diese Weise süßer. Er schloss die Augen, stellte sich ihr Lächeln vor und rief sich ins Gedächtnis, wie sie roch.

»Es tut mir leid«, murmelte er, als sie leblos in seinen Armen lag. Und es tat ihm tatsächlich leid.

Aber die Pflicht war der Tod der Freiheit.

TEIL EINS

1

Früher glaubte ich immer, dass Magie funkelnde und fantasievolle Täuschung wäre.

Dann wurde mir klar, dass Magie echt ist.

Aber sie ist dunkel und giftig.

Und man kann sich nur vor ihr verstecken,

indem man nicht existiert.

»Quell, hörst du mir zu?« Mom drückt meine Hand, während unser Auto mit einem Ruck vor dem French Market in der North Peters Street zum Stehen kommt.

»Ja, ich soll mir meinen Lohn für die Woche abholen. Rein und sofort wieder raus.«

»Das ist mein Mädchen. Und jetzt beeil dich. Ich werde um das Gebäude herumfahren.« Mit einem vorsichtigen Lächeln streicht sie mir eine verirrte Locke von der Wange, bevor ich aus unserem 99er Civic steige. Wir entdeckten den Wagen auf einem Schrottplatz, und sein blauer Lack ist bröckelig und blättert bereits ab. Vor diesem Auto hatten wir einen alten gelben Truck. Und vor dem Truck fuhren wir überall mit dem Bus hin. Aber Mom mochte es nicht, keine Möglichkeit zu haben, jederzeit aufbrechen – fliehen – zu können. Also eignete sie sich ein paar Fähigkeiten an und wurde wirklich gut darin, alte Fundstücke auf Vordermann zu bringen.

Außerdem wurde sie wirklich gut darin, mich zu verstecken.

Vierzehn Schulen. Zwölf Jahre. Neun Städte.

Jeder Ort ist gleich: ein Hintergrund, mit dem ich verschmelze. Wann immer Mom den Verdacht hegt, dass jemand von dem Gift wissen könnte, das durch meine Adern fließt, stopft sie unser gesamtes Leben in einen winzigen gelben Hartschalenkoffer. Dass man meine gesamte Existenz in etwas so Kleines packen kann, um sie dann im Kofferraum eines Autos zu verstauen, ist verblüffend. Früher stopfte ich immer alles, was ich darin unterbringen konnte, in meine Tasche. Mittlerweile schnappe ich mir einfach nur meine Tennisschuhe, ein Handyladekabel und meinen Schlüsselanhänger – meinen Glücksbringer. Die zahllosen Orte, an die wir gezogen sind, und die Menge aus verschwommenen Gesichtern, von denen ich mich verabschiedet habe, sind die weißen Lücken zwischen meinen Erinnerungen, Ellipsen zwischen nicht beendeten Sätzen. Ich habe schon vor langer Zeit aufgehört zu fragen, wohin wir fahren.

Denn die Flucht ist immer ihr eigenes Ziel gewesen.

Stickige Luft schlägt mir entgegen und klebt an meiner klammen Haut. Was dem Mississippi zu verdanken ist, der ganz in der Nähe vorbeirauscht. Das Heck unseres rostigen Kombis leuchtet rot auf und verschwindet dann um die Ecke. Da das Schuljahr in zwei Wochen vorbei sein wird, versuche ich, so viel zu arbeiten, wie ich kann, um genug Geld für die großen Pläne anzusparen, die Mom und ich haben.

Wir wollen endlich irgendwo hinziehen, wo wir bleiben können.

Wenn ein eingesperrter Vogel von Freiheit singt und ein Lied eine wortlose Äußerung sein kann, ein Wunsch, eine brennende Sehnsucht, dann singe ich von salziger Luft und Sand zwischen meinen Zehen. Von einem Zuhause, das kein bewegliches Ziel ist. Nach meinem Schulabschluss wollen wir uns irgendeine kleine Stadt an der Küste suchen – eine mit einem echten Strand statt des schlammigen Wassers, mit dem wir uns in den vergangenen sechs Monaten in New Orleans herumschlagen mussten – und mit dem Sand verschmelzen.

Nur noch ein paar Wochen.

Ich mische mich unter den nachmittäglichen Andrang in der überfüllten Markthalle und es fühlt sich an, als würde ich in ein abgenutztes Paar Schuhe schlüpfen. Ich senke das Kinn Richtung Brust, stecke die Hände in die Hosentaschen und verschwinde in der Masse aus Einkäufern im Außenpavillon.

Fall nicht auf.

Mrs Broussard sollte mein Geld für die Schichten von letzter Woche haben. Sie ist eine ortsansässige Süßwarenherstellerin, deren Familie schon seit Menschengedenken in diesem Geschäft tätig ist und gebrannte Mandeln verkauft. Die Markthalle summt förmlich vor Geschäftigkeit, was dafür sorgt, dass ich langsamer werde. Hier sind zu viele Leute. Die Stelle, an der Mrs Broussard normalerweise ihren Tisch aufstellt, um ihre Waren zu verkaufen, ist von einer Person besetzt, die diverse Soßen in unterschiedlichen Schärfegraden anbietet. Damit habe ich nicht gerechnet, und mein Puls schlägt schneller.

Ich tauche in der Menge unter und wieder auf, weiche neugierigen Blicken aus und halte nach einem Kopftuch Ausschau, das einen Schopf aus zusammengestecktem grauen Haar bedeckt. Meine Finger kribbeln nervös und fühlen sich kalt an. Ein vertrautes Anzeichen dafür, dass sich dieser Fluch in meinen Adern – meine Toushana – regt. Ich schlucke, dränge sie zurück und flehe sie an, sich zu beruhigen. Unsichtbar zu sein ist sicherer. Ein Niemand zu sein ist sicherer.

»Quell?«

Beim Klang meines Namens zucke ich zusammen.

»Bist du das, Kleines?« Mrs Broussard winkt mich zu sich, und die Schlange, die sich vor ihrem Tisch gebildet hat, teilt sich. Meine Haut brennt, als ich spüre, wie mich ihre Kunden anstarren. Kein Blickkontakt.

»Tonta’lise war vor mir hier. Ich musste meinen Stand hier drüben aufbauen. Sie weiß verdammt gut, dass ich jeden Tag an derselben Stelle stehe. Aber sie kommt einfach her und versucht, mir meine Kunden zu stehlen.« Sie stemmt eine Hand in die Hüfte. »Bist du gekommen, um dein Geld abzuholen?«

Ich nicke, und Mrs Broussard zieht einen Umschlag aus ihrer Schürze. Es ist das erste Mal, dass mir Mom erlaubt, einen Job zu haben, und das auch nur, weil wir das Geld brauchen und Mrs Broussard nicht allzu viele Fragen stellt. Sie bezahlt mich in bar und hat nur ein einziges Mal nach meinem Namen gefragt.

»Kannst du nächste Woche ein paar zusätzliche Stunden für mich arbeiten?«

»Erst nach der Schule.«

»Sehr gut. Halte dich in dieser Gegend nicht länger als nötig auf, Kleines. Verschwinde von hier, bevor es dunkel wird, hörst du?«

Der dicke Umschlag in meiner Hand beruhigt meine Nerven. Ich zähle das Geld. Zweimal. Ich verziehe die Lippen zu einem leichten Lächeln, als ich Mrs Broussard danke und mich umdrehe, um zu gehen. Das Gedränge ist noch dichter geworden. Sei unberechenbar. Eine Gruppe Touristen lungert am Eingang herum, und ich suche das Gelände nach einem anderen Ausgang ab. Fernab der Verkaufsstände in der Nähe eines verlassenen Wurfzelts voller Kerzenhalter, die die Form einer heraldischen Lilie haben, entdecke ich ein Schild, das auf die Toiletten verweist. Gleich daneben prangt ein rotes Schild mit der Aufschrift Ausgang, also schlage ich diese Richtung ein. Mom wird sich Sorgen machen, wenn ich zu lange brauche.

Der verwinkelte Flur, der zu den Toiletten führt, zweigt immer wieder ab, und die nackten Leuchtstoffröhren an der Decke flackern. Kleine Pfeile, die den Weg zum Ausgang weisen, glühen rot und drängen mich weiter den Flur entlang. Ich rechne damit, die Toilettenräume zu entdecken, aber ich sehe sie noch nicht. Der Marktpavillon ist nach außen offen, also sollte vor mir eigentlich Sonnenlicht schimmern. Die Neonlampen flackern erneut, und ich gehe langsamer. Das fühlt sich nicht richtig an. Sorge nagt an mir, und ich mache kehrt, um durch den Flur zurückzulaufen.

Aber plötzlich ist da eine Wand.

Die Umrisse von etwas, das wie ein Schatten oder eine optische Täuschung aussieht, bilden eine Form, die an eine heraldische Lilie erinnert. Ich blinzle, und sie ist verschwunden. Mein Herz stolpert. Meine Toushana erwacht in mir zum Leben und tanzt im Takt mit meiner Panik, eine Warnung und Drohung zugleich, dass sie schon bald in mir aufsteigen könnte.

Ich drehe mich im Kreis, aber die Wände versperren mir zu allen Seiten den Weg. Es gibt keine Toilettenschilder mehr, und auch das grelle rote Licht, das auf einen Ausgang hinweist, ist verschwunden.

»Memento sumptus«, sagt jemand. Die Stimme kommt aus einer schmalen Tür, die sich nahtlos in die Mauer einfügt. Irgendetwas zerrt an mir, versucht, mich zurückzuhalten. Ich lehne mich behutsam gegen die Tür und lausche. Die Hände behalte ich dabei hinter meinem Körper verhakt, nur für alle Fälle. Angespannte Stimmen vermengen sich zu einer geflüsterten Auseinandersetzung. Es klingt, als würden sich zwei Männer unterhalten. Ich lausche erneut und höre noch weitere Stimmen. Vorsichtig beuge ich mich auf den Zehenspitzen vor und lasse mich mit meinem Gewicht gegen die Tür sinken, um sie einen Spaltbreit aufzuschieben.

Im Raum dahinter stehen dunkel gekleidete Männer im Kreis um einen weiteren Mann herum, der an einen Stuhl gefesselt ist. Sie werden umringt von zahlreichen Fässern, die mit einem dornigen Zweig markiert sind, der sich um eine schwarze Sonne windet. Das Symbol wird durch Worte in einer mir fremden Sprache ergänzt.

»Nur zu, Sand«, sagt einer, nachdem er eins der Fässer mit einer hellen Flüssigkeit aufgefüllt hat. »Wir räumen auf.«

Ein blonder Kerl schwingt die Arme in die Luft, und die ein Dutzend Fässer erbeben. Dunst erfüllt die Luft und sammelt sich wie Regen an einem Fenster. Dann löst er sich auf, und der Mann wiederholt die Prozedur. Dieses Mal verschwinden die Fässer. Ich kneife die Augen zusammen. Das Herz schlägt mir bis zum Hals.

Verwirrt starre ich auf meine Hände hinunter. Ich kann immer noch die dunklen Schwaden vor mir sehen, die aus meinen Fingerspitzen entweichen, wenn sich meine Toushana zeigt und alles zerstört, was ich berühre. Als ich klein war, nannte ich sie das Schwarz. Sobald ich alt genug war, um ihre böse Natur zu verstehen, nannte ich sie den Fluch. Als vor ein paar Jahren zufällig jemand mitbekam, wie ich mich darüber beklagte, korrigierte mich Mom schließlich. Dieses Phänomen heißt Toushana. Dabei handelt es sich um irgendeine genetische Störung, so hatte Mom es mir erklärt. Sie lügt. Aber das tut Mom eben. Ich habe oft genug gehört, wie sie vor sich hin murmelte, über das Gift, das ich in mir trage.

Sie nannte es Magie.

Aber was auch immer diese Männer da tun, scheint etwas ganz anderes zu sein. Ich bohre die Fingernägel in den Türrahmen und spähe noch angestrengter in den schwach beleuchteten Raum hinein. Ich habe noch nie zuvor Magie gesehen, die nicht meine eigene ist.

»Wie lautete der Befehl, Charlie?«, fragt Sand. Die anderen im Raum schauen aus den Schatten heraus zu.

»Keine Gefangenen. Nicht heute.« Charlie beugt sich leicht vor, legt die Hände auf die Knie und starrt ihren Gefangenen an, mit dem er sich nun auf Augenhöhe befindet. »Möge Sola Sfenti gerecht über dich richten.«

»Ich scheiße auf euch und euren Sonnengott«, keift der gefesselte Mann, während Charlie einen tiefen Zug von einer dicken Zigarre nimmt. Er bläst dem Gefangenen Rauch ins Gesicht. Dann macht er etwas mit seinen Fingern, doch es passiert zu schnell, und ich bin zu weit weg, um es genauer zu erkennen. Der Mann auf dem Stuhl wirft den Kopf zurück, ringt nach Luft und verkrampft sich vor Schmerzen. Seine Hand- und Fußgelenke weisen rote Striemen auf, weil er sich so heftig in seinen Fesseln gewunden hat. Der Rauch, der über Charlies Lippen gedrungen ist, schwebt wie eine Wolke um das Gesicht des Gefangenen herum, nimmt ihm die Luft zum Atmen und erstickt ihn. Er keucht verzweifelt und sackt innerhalb weniger Sekunden reglos in sich zusammen. Sein Kopf kippt schlaff nach vorn, und ich taumele rückwärts, verschränke meine Finger miteinander und versuche, meinen hämmernden Puls zu beruhigen. Er ist … tot. Dieser Mann, sie …

»Fratis fortuna.« Die Stimme erklingt irgendwo hinter mir. Ich drehe mich um, und da steht ein Mann in einem dunklen Anzug, den gleichen, wie ihn auch die anderen Männer in dem Raum tragen. Aber im Gegensatz zu den anderen bedeckt eine schimmernde dunkle Maske die Augenpartie meines Gegenübers. Sie ist aufwendig verziert, erstreckt sich über seine Nase und läuft über seinen hohen Wangenknochen spitz zu. Als ich schweige, verhärtet sich seine Miene.

Ich weiche zurück und pralle mit dem Rücken hart gegen die Wand. Ich kann mich nirgendwo verstecken. Er zieht fasziniert die Augenbrauen zusammen, und mein Herz schlägt schneller. Der Schmerz, den meine Toushana in mir auslöst, nimmt zu, und meine Hände werden kälter. Mir bleiben vielleicht noch Minuten, bis sie wütend durch meine Fingerspitzen hinausströmen wird wie Wasser aus einer geborstenen Leitung. Druck baut sich in meiner Brust auf. Lauf. Ich trete beiseite. Er packt mein Handgelenk, aber es fühlt sich an, als hätte er mir die Hand um die Kehle gelegt.

»Was machst du hier hinten?«

Der Umschlag mit meinem Lohn gleitet mir aus den Fingern, und ich versuche, danach zu greifen, während er auf den Boden segelt.

»Nicht doch. Halt still.« Sein langer Mantel ist bis zum Hals fest zugeknöpft, und ein rundes Schmuckstück aus Silber schimmert an seiner Kehle. Darin ist ein Bild eingraviert, eine Säule im römischen Stil, durch die ein gezackter Riss verläuft, als wäre sie entzweigebrochen. Ich blinzele und versuche, mich daran zu erinnern, ob ich dieses Symbol schon mal gesehen habe. Dichte Augenbrauen überschatten seine strenge Miene. »Beantworte die Frage.«

»Ich wollte zum Ausgang und habe mich verlaufen. Ich dachte, dass er sich in der Nähe der Toiletten befände.« Ich winde mich in seinem Griff, aber er lässt mich nicht los. Stattdessen schaut er an mir vorbei zu der Stelle, an der sich eben noch eine Tür befand. Nun ist da nur noch eine massive Steinwand. Mein Herz gerät ins Stolpern. »Ich … Ich bin da nicht reingegangen, falls Sie das denken.«

»Wo … rein?«

»Da war eine Tür, aber ich konnte nicht beurteilen, ob sie zu den Toiletten führte, also machte ich kehrt, um zu verschwinden. Ich schwöre!« Eine Lüge ist zu riskant. Halbwahrheiten kaufen einem die Leute leichter ab.

»Wie lautet dein Name?«

»Ich …«

Die Antwort bleibt mir im Hals stecken, während Magie in mir herumflattert wie eine Motte, die nach einem Ort sucht, an dem sie landen kann. Mom ändert meinen Namen mit jedem Umzug und benutzt dabei abwechselnd immer wieder die gleichen drei oder vier. Quell Jewel. Nicht Quell Marionne. Die in der 711 Liberty Street wohnt. Die in einem kleinen Ort außerhalb der Stadt geboren wurde. Die neu in der Gegend ist. Deren Dad einen Job hat, der von ihm verlangt, dass er oft unterwegs ist. Zwei Elternteile bedeuten weniger Fragen. Der Text aus meinem Drehbuch, die Informationen, die mir Mom Jahr für Jahr eingebläut hat, liegen mir auf der Zunge. Alles Lügen, jedoch mit genug Wahrheit gewürzt, um sie tatsächlich wahr erscheinen zu lassen, wenn man sie mit der richtigen Betonung ausspricht und mit einem warmen, aufrichtigen Lächeln ergänzt. Sie sollten ausreichen, um die Fassade eines Lebens, das wir geführt haben, das ich geführt habe, solange ich mich zurückerinnern kann, echt wirken zu lassen.

»Ich bin Quell.«

Er verzieht misstrauisch den Mund.

Meine Finger schmerzen, als meine Toushana wie eine Katze gähnt, die sich nach einem Nickerchen ausgiebig streckt. Ihre Klauen fahren unter meiner Haut entlang, und scharfkantige Eisranken kratzen an meinen Knochen. Mein Atem geht schneller. Die Maske auf seinem Gesicht verschmilzt mit seiner Haut. Sie sinkt einfach in seine Poren hinein wie Regen, der in trockener Erde versickert. Ich blinzele und verkneife mir ein verblüfftes Keuchen. Doch er zuckt nicht mal mit der Wimper.

»Dein Herz rast. Deine Pupillen sind geweitet. Und wenn du dich bewegst, könnte die Galle aus deinem Magen in deine Kehle aufsteigen. Stimmt etwas nicht?« Er starrt mich noch konzentrierter an, als würde er versuchen, etwas zu ergründen. Doch nach einem Augenblick verschwindet die Vertiefung zwischen seinen Augenbrauen.

»Nein, alles in Ordnung. Darf ich gehen?«

Er lässt mich los.

»Ich sollte besser einen Retentor herschicken, damit er sich das mal anschaut«, murmelt er vor sich hin, bevor er mich anlächelt. »Ich bitte um Verzeihung. Ich dachte, dass ich dich von irgendwoher kennen würde. Der Ausgang ist dort, direkt hinter dir.«

Ich drehe mich herum, und tatsächlich befindet sich an der Stelle hinter mir, wo eben noch eine steinerne Mauer war, nun ein bogenförmiger Durchgang. Der gerade eben noch nicht da war.

»Klar. Danke.«

Er lächelt und wendet sich ab, und ich eile auf die Straße hinaus, erleichtert, Abstand zwischen mich und dieses Erlebnis bringen zu können – was auch immer das war. Doch plötzlich bleibe ich wie angewurzelt stehen.

Mein Umschlag.

Ich wirbele herum, aber dort, wo sich der Ausgang befand, ist nur noch Stein zu sehen. Eine ungute Mischung aus Verärgerung und Kummer brennt in mir. Dieses Geld sollte uns eine Woche lang versorgen!

»Hey, können Sie mich bitte wieder reinlassen?« Ich hämmere gegen die Mauer, und die eisige Kälte meiner Toushana, die nach diesem ganzen Theater bereits aufgebracht ist, sickert zornig in meine Knochen und rauscht in meine Faust, bevor ich sie zurückziehen kann. Ich ächze, als ich ein Brennen verspüre, das sich anfühlt, als würden sich von innen Dolche durch meine Haut bohren. Der Stein wird unter meiner Berührung schwarz, und die Fassade verrottet vor meinen Augen, wird Ziegel für Ziegel, Zentimeter für Zentimeter porös, bis ich vor einer maroden Ausbuchtung stehe und das Gebäude an dieser Stelle aussieht, als wäre es versengt worden. Was habe ich getan? Was habe ich getan!

Mein Muskelgedächtnis drängt mich dazu, mich in Bewegung zu setzen. Ich renne los. Zurück die Ursulines Avenue hoch und dann auf der North Peters Street nach rechts. Ein blauer Honda. Eine Hupe kreischt, und Mom winkt hinter dem Steuer. Ihr Anblick ist Balsam für meine Toushana. Die Kälte in meinen Knochen zieht sich zurück, als ich mich in das Verkehrsgetümmel stürze, die Beifahrertür aufreiße und ins Auto springe.

»Los!«

»Hast du das Geld?«

»Los, Mom, fahr einfach, los!«

Mom tritt aufs Gaspedal, und der French Market wird hinter uns immer kleiner.

Ich ringe immer noch nach Atem, als mir Mom einen dieser billigen Einmalhandwärmer und mein Wärmekissen zuwirft. Wir haben immer eins davon im Auto und zwei im Motel. Meine Toushana hat sich beruhigt, aber der pochende Schmerz, der davor und danach eintritt, hält an. Diese Leute. Sie benutzten Magie. Sie haben einen Mann getötet!

»Was ist passiert?« Sie beäugt ihre Reisetasche auf dem Rücksitz und umfasst das Lenkrad fester, bis ihre Knöchel weiß hervortreten. Falten umgeben ihre Augen. Ihr zurückgebundenes Haar ist an manchen Stellen schon grau geworden. Wie ein Bündel schwarzer Weizen, der von Silberfäden durchzogen ist. In den Falten und Vertiefungen ihrer Haut sind Erinnerungen vergraben, Geheimnisse, die ich liebend gern verstehen würde. Ich würde alles dafür geben, zu erfahren, warum ich über Magie verfüge und sie nicht. Oder vor wem wir davonlaufen. Aber als sie auf die Durchfahrtsstraße abbiegt, verrät mir die Wölbung ihrer Lippen sehr genau, was ihr Sorgen bereitet. Sie fragt sich, ob es mal wieder an der Zeit ist zu verschwinden.

Ich beiße die Zähne zusammen, schaue aus dem Beifahrerfenster und hefte meinen Blick auf irgendetwas, damit Mom meine frustrierte Miene nicht sehen kann. Ich bin so kurz davor, meinen Schulabschluss zu machen, was für mich ein gewisses Maß an Freiheit bedeuten würde. Keine Überprüfungen wegen Schulschwänzens mehr. Keine Lehrkräfte, die mir im Nacken sitzen. Nur zwei kurze Wochen, und dann würde es für Mom und mich künftig sehr viel leichter werden, einfach zu existieren und uns unsichtbar zu machen.

»Also?«

»Es war nichts.« Diese Männer in der Markthalle haben nicht bemerkt, dass ich sie beobachtet habe. Und der, der mich erwischt hat, ließ mich gehen. Er hat nicht mitbekommen, wie meine Toushana diese Mauer zerstörte. Ich werde kein Öl in ihr Feuer gießen.

»Lüg mich nicht an.« Ihr Starren brennt.

Ein Schauer huscht an meinen Armen entlang nach oben. Ich bin es einfach so leid, ständig wegzulaufen. Mom stößt den Atem aus, schnappt sich eine Schachtel Zigaretten aus ihrer Handtasche und zündet sich eine an, während eine Reihe Museen, die ich nur von außen kenne, als verschwommener Fleck an uns vorbeirauscht.

»Du weißt, dass alles, was ich tue, deinem Schutz dient, nicht wahr?« Ihre Miene wird weicher. »Wir mögen nicht viel haben, aber wir haben einander.«

Ich wende mich ab. Ein Haus, das von Flammen verschlungen wird, flackert in meiner Erinnerung auf. Ich kann den Rauch immer noch schmecken. Wir haben unseren letzten Wohnort verlassen, nachdem das Haus dieses Jungen niederbrannte, weil er und ich nach der Schule Zeit miteinander verbrachten. Selbst damals bot mir Mom keine Erklärung an. Ich weiß, dass sie mich liebt. Aber das ist nicht das Gleiche wie Verständnis. Ich hätte damals sterben können. Wenn ich mehr wüsste, könnte ich klüger handeln. Wenn ich mehr wüsste, könnte ich sicherer sein. Vielleicht denkt sie, dass ich zu jung bin, um es zu begreifen. Sie streckt eine Hand aus, um mir über die Schulter zu streicheln, und ich will mich zurücklehnen und ihrer Berührung ausweichen. Aber das tue ich nicht. Ich sitze da und lächle, damit Mom das Gefühl hat, dass ihr Bestes gut genug ist.

Den Rest der Fahrt bringen wir schweigend hinter uns, und ich versuche, mich in einem der Bibliotheksbücher in meiner Tasche zu verlieren. Doch dann kommt das Auto ruckartig auf dem Parkplatz des Motels zum Stehen, der aktuellsten Unterkunft, die Mom uns sichern konnte, und ich steige hastig aus.

Sobald wir in unserem Zimmer sind, kann ich es mir nicht länger verkneifen.

»Mom, ich will meine Magie verstehen. Ich will verstehen, warum wir das hier machen.«

Sie stellt ihre Reisetasche direkt neben sich ab und zieht ihre Schuhe aus. Einen Augenblick lang frage ich mich, ob sie mich gehört hat. »Quell.« Sie holt tief Luft und wirkt auf einmal noch erschöpfter als zuvor. »Ich bin mir nicht mal sicher, wo ich anfangen soll, wie ich …«

»Sag mir einfach die Wahrheit. Ich kann damit umgehen.«

»Das denkst du.«

»Ich kann es. Ich bin siebzehn und kein Kind mehr.« Mein Tonfall klingt verärgert. »Bitte«, füge ich sanfter hinzu. Sie erstarrt und seufzt erneut. Zwischen uns vergeht ein langer Moment der Stille. Und ich sitze ihn aus, denn diesmal folgt als Antwort auf meine Fragen mehr als Schweigen.

»Deine Großmutter ist eine sehr mächtige und einflussreiche Frau, Quell, in einer vollkommen anderen Welt als der, in der wir jetzt leben.«

Bei der Erwähnung meiner Großmutter spannt sich alles in mir erwartungsvoll an. Ich habe nicht mehr an sie gedacht – sie nicht mehr gesehen –, seit ich klein war. Hoffnung keimt in mir auf. Nun werde ich endlich ein paar Antworten erhalten. »Verfügt sie auch über Magie so wie ich?« Meine muss irgendwo ihren Ursprung haben. Vielleicht überspringt sie eine Generation.

»In meiner Kindheit war unser Haus eine Ausbildungsstätte für eine magische Geheimgesellschaft.« Mom wickelt sich in eine Decke und zupft unablässig daran herum. »Der Orden.« Sie lächelt schwach. »Und das Leben dort im Château Soleil war sogar außerhalb der Saison …«

»Château Soleil?«

»Das Anwesen deiner Großmutter.«

»Anwesen? Wie groß muss ein Haus sein, um einen eigenen Namen zu haben?« Wir haben bei meiner Großmutter gewohnt, bis ich fünf war. Ich kann mich nicht wirklich daran erinnern oder es mir ins Gedächtnis rufen. Ich habe eine einzige schemenhafte Erinnerung. Ich war klein. Sie hob mich auf ihren Schoß. Sie roch nach Birkenholz und Wacholder. Sonnenlicht flutete das Zimmer, und alles schien zu funkeln. Sie reichte mir irgendein Spielzeug, mit dem ich mich beschäftigen sollte. Ich fühlte mich sicher. Doch dann kam Mom ins Zimmer gestürmt und riss es mir aus den Händen und mich von Großmutters Schoß. Der Rest ist zu verschwommen.

»Ihre Magie ist anders als deine, Quell. Du wirst dich nie so wie sie durch die Welt bewegen können – wegen deiner Toushana.«

Ich lasse die Schultern sinken.

»Nicht alles, was glänzt, Liebling …«

»Ist Gold. Ich weiß.« Eine weitere Frage kommt mir in den Sinn. »Weiß Großmutter von meiner Toushana?«

»Nein.«

»Warum sind wir dann …?«

Donner grollt in der Ferne, und das Licht flackert. Es geschieht so plötzlich, dass wir beide verstummen. Mom runzelt die Stirn, als würde sie sich enorm auf etwas konzentrieren. Ich kenne diesen Ausdruck in ihren Augen. Diesen Funken, der einfach nicht verlöschen will.

»Pack deine Sachen.«

»Mom?«

»Du musst mir erzählen, was in der Markthalle passiert ist, Quell. Sofort. Bitte.«

Sie schnappt sich ihre Reisetasche, und in mir zerbricht etwas.

Ich erzähle Mom alles. Wie ich mich auf dem Rückweg verlief und dann beobachtete, wie diese Leute diesen Mann töteten. Wie ich einem Kerl mit einer Maske begegnete, die in seiner Haut verschwand. Wie ich den Umschlag fallen ließ und wie meine Toushana beim Versuch, ihn zurückzubekommen, ein Loch in die Steinmauer brannte. Je länger ich rede, desto fester umklammert sie ihre Reisetasche.

Wieder ertönt das ferne Donnergrollen, und ihre Miene verfinstert sich. Mom stopft die wenigen Klamotten, die sie besitzt, in ihre Tasche, und meine Entschlossenheit gerät ins Wanken.

»Mom, bitte.« Heiße Tränen brennen in meinen Augen.

Ich kann das nicht. Nicht schon wieder. Wir sind so nah dran. Nur noch zwei Wochen.

Sie reicht mir den blauen Behälter mit unseren Ersparnissen, den wir vor sechs Jahren einweihten, als wir unseren Plan für unser Haus am Strand schmiedeten. Ich kann das Haus, das ich in meinen Träumen für uns entworfen habe, praktisch vor mir sehen. Zwei Stockwerke, eine einfache quadratische Form, gemütliche Fensterläden. Salzige Luft weht durch ein offenes Fenster herein.

»Noch ein Mal. Tut mir leid.« Sie schlüpft in ihren Mantel.

Es gibt immer ein weiteres Mal. »Ich glaube dir nicht!« Ich hasse das. Ich hasse es so sehr. Wie überzeuge ich sie davon, dass ich in der Markthalle vorsichtig war? Ich bin entkommen! Uns wird nichts passieren, so wie immer. Und es sind nur noch ein paar Wochen. Ich presse die Knie aneinander und versuche, meiner Stimme Nachdruck zu verleihen.

»Nein.«

»Was hast du gerade zu mir gesagt?« Ihr Tonfall ist streng, aber die Art, wie sie mit der Hand das Bettgestell umklammert, verrät mir, dass nicht Wut, sondern Angst ihre Worte antreibt.

»Ich sagte Nein, Mom.« Diesmal klingt meine Stimme fester. Ich spüre die Kraft, die in mir aufsteigt. Magie prickelt in meinen Fingerspitzen, und ich schiebe sie unter die Achseln, um sie aufzuwärmen, weil ich mir nicht sicher bin, was ich sonst anrichten könnte. Meine Magie ist noch nie zuvor erwacht, wenn ich so aufgebracht war. Die Wut in Mom flackert und verwandelt sich dann in etwas anderes. Ihre Augen sind gerötet, und in ihnen schimmern Tränen. Sie drückt ihre Zigarette aus und lehnt sich dann so dicht an mich heran, dass ich den Rauch in ihrem Atem schmecken kann.

»Du willst die Wahrheit hören? Das ist kein Donner. Das ist Magie.«

Verwirrt runzele ich die Stirn. »Das verstehe ich nicht.«

Eine Träne rinnt ihr über die Wange. Sie wischt sie so schnell fort, dass sie mir fast entgeht.

»Diese Dragune, die du gesehen hast …«

»Dragune?«

»Auftragsmörder des Ordens. Sie haben die Aufgabe, jeden hinzurichten, der Toushana in sich trägt.« Sie bohrt die Fingernägel in meinen Arm. »Wenn irgendjemand hinter dein Geheimnis kommt, werden sie dich töten, Quell!«

Ihre Worte treffen mich mit voller Wucht. Ich versuche, mich an der Wand abzustützen, während die Welt um mich herum wankt.

Jemand würde mich wegen meiner Magie töten? Magie, die ich weder haben noch benutzen will?

»Was, wenn dich in der Markthalle jemand gesehen hat?« Sie schüttelt den Kopf. »Wir dürfen dieses Risiko nicht eingehen. Noch ein einziges Mal, Quell. Bitte.« Sie schließt ihre Hand um meine, als könnte sie ihre Welt in ihrer Umlaufbahn halten, indem sie mich festhält. Ich weiß, was ich tun muss, aber das macht es nicht leichter. Wenn sie recht hat, wenn dies das eine Mal ist, dass uns dieser sogenannte Orden tatsächlich gefunden hat, dann habe ich keine Wahl. Ich schütte den Inhalt unserer Spardose aufs Bett, und alles, was noch von mir übrig ist, bricht in sich zusammen.

»Okay«, hauche ich. Ich nehme die Last ihres Kummers auf mich und verdränge gleichzeitig meinen eigenen. Noch ein weiteres Mal. »Ich werde in den Laden gehen und die wichtigsten Dinge besorgen. Gib mir fünf Minuten.«

»Das ist mein Mädchen. Und …« Sie hebt ihren Rock an. An einem Band an ihrem Oberschenkel ist ein Dolch mit einem goldenen Griff befestigt. Er ist über und über mit Schriftzeichen bedeckt und mit Edelsteinen besetzt. Sie drückt ihn mir in die Hand. »Nur für alle Fälle.«

Ich blinzele ungläubig. Das Metall der Klinge ist etwa doppelt so lang wie der Griff, aber irgendwie fühlt sich die Waffe in meiner Hand so leicht wie Luft an. Der kunstvoll verzierte Griff schimmert golden, und die Juwelen funkeln. Ich hatte keine Ahnung, dass Mom überhaupt eine Waffe mit sich herumträgt, ganz zu schweigen von einem so … erlesenen Exemplar.

»Wenn ich recht habe und uns ein Dragun gefunden hat, dann könnte es noch weitere geben.«

Ich starre die Waffe in meiner Hand an. Sie ist ebenso kalt wie ihre Worte. Bei Weitem der schönste und gefährlichste Gegenstand, den ich je gesehen habe. Ich begegne Moms Blick und verstehe endlich in gewissem Maße die Bürde, die sich in ihren Augen spiegelt.

»Fünf Minuten«, wiederholt sie. »Nicht länger.«

Ich stecke den Dolch ein und eile zur Tür.

2

Draußen ist der Himmel düster, aber klar. Donner oder etwas, das wie Donner klingen soll, grollt in der Ferne. Ich ziehe den Kopf ein und renne zu dem kleinen Lebensmittelgeschäft ganz in der Nähe.

»Du kommst schon klar«, murmle ich. Ich taste nach dem Dolch, den ich in meinen Hosenbund gesteckt habe. Nur für alle Fälle. Auf dem Weg zum Laden liegen auf dem Gehsteig einige Fahrräder herum, und ich bin gezwungen, um sie herumzusteigen. Im Inneren kauert der Besitzer hinter einer Zeitung. Er schaut kurz auf und verschwindet dann wieder hinter seiner Lektüre.

Ich habe keine Ahnung, wie lange Mom brauchen wird, um uns eine neue Bleibe zu besorgen. Ich schnappe mir die ganze Reihe Thunfischkonserven, einen Laib Brot, zwei Gläser Erdnussbutter, Bohnen aus der Dose, eine Tüte Skittles und sechs Tüten Chips mit Sour-Cream-&-Onion-Geschmack. Letzteres wird Mom ziemlich sicher als Verschwendung bezeichnen.

»Die sind nicht nahrhaft«, höre ich sie sagen.

Aber fettige Chips machen mich glücklich. Und bei allem, was gerade los ist, verdiene ich es, zumindest ein bisschen glücklich zu sein.

Die Glocke über der Tür bimmelt, als weitere Kunden in den Laden kommen. Ich werfe einen Blick auf meine Armbanduhr. Schnell hänge ich mir noch eine Rolle Klebeband ums Handgelenk und schnappe mir zwei winzige Flaschen – eine mit Wundalkohol und eine mit Essig. Vor der Kasse hat sich eine Schlange gebildet. Die Uhr an der Wand tickt, und ich spüre das Ticken in meiner Brust. Ich muss von hier verschwinden. Schnell. Hinter mir in der Schlange entdecke ich einen vertrauten Schopf aus zerzaustem blonden Haar und das dazugehörige sonnengebräunte Gesicht mit den wachen Augen. Das ist ein Junge aus der Schule, in der ich die zweite Hälfte meines Abschlussjahrs verbracht habe. Er bemerkt meinen Blick und winkt. Ich stöhne.

»Hey, du bist Quell, oder? Ich bin’s, Nigel, Nigel Hammond aus dem Kurs für englische Literatur.« Der Nigel, der ständig versucht, mir alle Antworten abzuluchsen, weil er die Lektüren nie gelesen hat. Er ist mir so nah, dass ich sein Markenrasierwasser riechen kann. »Brauchst du Hilfe?«

»Nein, schon gut.«

»Bist du sicher?« Er greift nach dem Brot, das ich perfekt auf dem Stapel aus Thunfischkonserven ausbalanciere.

»Ja, bin ich. Wirklich.« Ich trete einen Schritt von ihm weg, und die Schlange bewegt sich zum Glück vorwärts.

»Wie du willst.« Er stellt sich hinten an, obwohl er keine Einkäufe bei sich hat. Vielleicht will er etwas von hinter der Theke kaufen. Ich rücke ein paar Schritte vor, bevor ich einen Blick in den Spiegel werfe, weil mich das ungute Gefühl beschleicht, dass mich jemand beobachtet. Doch als ich aufschaue, wirft Nigel eine Münze hoch und flucht leise vor sich hin.

Die Schlange wird kleiner, und endlich bin ich an der Kasse. Ich tippe nervös mit dem Fuß auf. Mittlerweile sind schon sieben Minuten vergangen. Das dauert zu lange. Die Kassiererin zieht alles über den Scanner und packt es dann in Tüten.

»Danke.« Ich hole mein Geld hervor, dabei stößt mein Ellbogen gegen Nigels Brust.

»Ernsthaft, lass mich helfen.« Er greift nach einer meiner Tüten.

Ich ziehe sie zu mir zurück. »Nein, nicht nötig.«

»Ich bestehe darauf.«

Ein grauenvoller Schauer läuft mir den Rücken hinunter. Ich habe Nigel in der Schule beobachtet. Er umgibt sich mit Bewunderern. Einmal ließ eine Neuntklässlerin ihre Bücher vor ihm fallen, und er verdrehte einfach nur die Augen und kickte die Bücher beiseite. Das hier ist … seltsam. Ich bezahle bei der Kassiererin und schnappe mir meine Tüten.

»Danke.« Ich eile in Richtung Tür. Aber ich kann spüren, wie Nigel mir folgt. Er hält mir die Tür auf. Ich gehe schneller.

»Ich will nur mit dir reden.« Seine Schritte hallen neben meinen wider, und ich steigere mein Tempo, bis ich renne. Ich werfe einen Blick zurück, um zu sehen, ob er immer noch da ist, und im getönten Flutlicht des Parkplatzes verändert sich Nigels Gesicht auf einmal. Sein zerzaustes blondes Haar verwandelt sich in einen dunklen Kurzhaarschnitt, seine Gesichtszüge verzerren sich, und Nigel Hammonds attraktives Antlitz wird zu jemandem, den ich noch nie zuvor gesehen habe.

Er wächst ein paar Zentimeter, leichte Vertiefungen bedecken seine Wangen, und ein paar längere Strähnen seines Haars fallen über die schimmernde Maske auf seinem Gesicht. In seinen dunklen Augen brennt etwas Kaputtes, Zerbrochenes, und plötzlich stolpere ich. Er nähert sich mir mit geballten Fäusten. Auch seine Kleidung verändert sich, während die Illusion schwindet. Er wirft ein weiteres Mal die Münze hoch, und sie landet mit einem leisen Klicken an seinem Kragen wie ein Magnet. Auf ihr ist ein vertrautes Bild eingraviert. Eine entzweigebrochene Säule. Mein Herz verkrampft sich. Der Mann, der mich in der Markthalle erwischte, trug das gleiche Symbol.

Ich bin vor Angst wie gelähmt. Magie. Ich greife nach meiner Waffe.

»Quell, nicht wahr? Ich habe seit Monaten den Befehl, dich aufzuspüren. Du bist ziemlich schwer zu finden, weißt du das?« Er schmunzelt, und in mir bebt alles. Seine Lippen lächeln, aber für seine Augen gilt das nicht. »Das ist doch dein Name, oder?«

Ich schwinge drohend Moms Dolch in seine Richtung.

»Ganz ruhig.«

Mit dem Fuß stoße ich gegen einen Haufen Fahrräder. Sie gehören den Leuten, die sich immer noch im Laden befinden.

»Ich werde dir nichts tun. Ich will nur reden.«

Ich lasse die Einkäufe fallen, schwinge mich auf ein Fahrrad und rase davon. Ich riskiere einen Blick zurück. Er bläst Luft zwischen seine Finger hindurch, und wieder grollt Donner über mir. Ich sause quer über die Kreuzung, wo sich der Verkehr angesichts des sich ankündigenden Regens verdoppelt hat. Meine Waden brennen, während ich fester in die Pedale trete und zwischen Reihen aus voll besetzten Autos hindurchrausche, die an einer Ampel stehen. Sobald ich den Motelparkplatz erreicht habe, renne ich die Treppe hoch.

»Mom!« Meine Faust trifft auf die Tür.

»Quell?«

Die Tür öffnet sich, und ich stürze ins Zimmer, schiebe sie hinter mir zu und verriegele sie.

»Da war jemand im Laden. Und sein Gesicht! Das war nicht der Kerl aus der Markthalle, sondern ein anderer. Ein weiterer von diesen … Wie nanntest du sie?« Ich kann nicht atmen. »Dragune.«

»Beruhige dich. Fang noch mal von vorne an.« Mom lugt durch den Vorhang.

»Im Laden war jemand, den ich zu kennen glaubte. Aber dann veränderte sich sein Gesicht.« Ich suche nach Anzeichen dafür, dass Mom schockiert ist, entdecke aber keine. »Er hatte eine Münze an seiner Kehle«, bringe ich hervor. »Wie der Kerl aus der Markthalle.«

»Was war auf der Münze abgebildet?«

Ich schließe die Augen, und sein sich verwandelndes Gesicht blitzt in meiner Erinnerung auf. Draußen grollt Donner. Er ist so laut, dass die Fenster unseres winzigen Zimmers wackeln. Der Dragun ist hier. So muss es sein. Ich erschaudere und versuche, mich auf Moms Frage zu konzentrieren. »Eine Säule. Auf der Münze war eine zerbrochene Säule abgebildet.«

»Keine Klaue?«

»Nein.«

»Beaulah.«

Sie schüttelt den Kopf und schnalzt mit der Zunge.

»Mom …«

»Still! Lass mich nachdenken.« Sie schaut erneut aus dem Fenster. »Dieser Verkehr da draußen kommt wie aus dem Nichts. Die Autos bewegen sich im Schneckentempo fort und verstopfen die ganze Straße. Wir könnten diesen Parkplatz nicht mal dann verlassen, wenn wir es wollten.« Sie tigert umher, und die Sorgenfalten auf ihrem Gesicht vertiefen sich.

Ein Klopfen ertönt an der Tür.

»Wir müssen von hier verschwinden.« Ich zerre an ihr.

»Nein, du musst verschwinden.« Sie nimmt ihre Tasche von ihrer Schulter. »Du läufst los, und ich werde sie ablenken, damit sie dir nicht folgen.«

»Mom, nein! Wir bleiben immer zusammen.« Der Rest meiner Worte bleibt mir im Hals stecken. Sie hat recht … Normalerweise flitzt sie los, und ich folge ihr. So läuft das. Aber sie hat keinen Grund zu fliehen.

Durch ihre Adern fließt kein Gift.

Ich bin der Grund dafür, dass wir das hier überhaupt machen müssen.

»Schütze diese Gegenstände mit deinem Leben«, sagt sie und öffnet ihre Reisetasche. Sie zieht ein Notizbuch hervor und reißt die letzte Seite heraus, auf der eine hastig hingekritzelte Adresse steht. »Geh dorthin. Die sicheren Unterkünfte sind hoffentlich noch intakt.« Sie kramt etwas hervor, das ich bisher immer für einen kleinen zusammenklappbaren Schminkspiegel und ein winziges Fläschchen Glitzerpuder gehalten habe. Sie streut den Inhalt des Fläschchens in einem flachen Kreis auf die silbrige Oberfläche des Klappspiegels und hält das Fläschchen so lange kopfüber, bis es leer ist. »Das sollte genügen.« Sie reicht mir das Ganze. »Flüstere den Ort, an den du gelangen willst, und dann puste darauf. Es wird dich hinbringen.«

»Was ist mit dir? Ich kann dich nicht …«

»Hast du deinen Schlüsselanhänger?«

Ich ziehe ihn aus meiner Tasche.

Sie holt ein identisches Modell hervor und drückt es. Mein Schlüsselanhänger fängt an zu glühen. »Lass mich wissen, dass es dir gut geht, indem du ihn drückst. Ich werde es genauso machen. Der Schlüsselanhänger zeigt mir deinen Aufenthaltsort. So kann ich dich finden, wo immer du auch bist.«

Ich drücke meinen, und Moms Anhänger leuchtet auf.

Der Spiegel fühlt sich an meinen schmerzenden Fingern kalt an. Meine Toushana regt sich. Sie scheint diesen Gegenstand wiederzuerkennen. Komm mit mir, will ich sagen, aber die Worte wollen mir nicht über die Lippen kommen.

»Ich werde mich hier um alles kümmern, den Dragun loswerden und heute Nacht zu dir kommen.« Sie zieht den Reißverschluss meiner Tasche zu und drängt mich zum Aufbruch.

»Aber …« Tränen laufen über meine Wangen. Ohne Mom wegzulaufen, fühlt sich nicht richtig an.

»Quell.« Sie schüttelt mich. »Reiß dich zusammen!«

Wieder ertönt das Klopfen.

»Machen Sie auf, Ma’am.« Das ist der Manager des Motels. »Hier ist jemand, der Sie sprechen will. Er sagt, es sei dringend.«

»Ich komme gleich!« Mom ruft es in ihrer künstlichen fröhlichen Stimme. Mir flüstert sie zu: »Tauch unter. Du weißt, wie man nicht auffällt.«

Ich nicke und schmecke Salz auf meinen Lippen, als sie ihre Stirn an meine legt.

»Mommy, bitte. Ich habe Angst!«

»Du bist eine Marionne«, sagt sie und hebt dabei ganz leicht das Kinn an. »Du kannst das schaffen.« Sie drückt meine Hand. Die Türklinke ruckelt, und das Schloss klickt.

»Beeilung, Quell!«

Mein Herz hämmert. Alles in mir verkrampft sich vor Angst. Ich werfe erneut einen Blick auf die Adresse des geheimen Unterschlupfs. »12 Aston Lane«, flüstere ich in das Pulver und puste darauf. Die Welt kippt zur Seite. Eine Druckwelle erfasst mich, und ich spüre sie wie ein Gewicht auf meiner Brust. Der Atem klebt in meiner Lunge fest, und ich krümme mich, als hätte man mir einen Schlag verpasst. Ein Band aus Kälte windet sich immer fester um mich und hält mich gefangen. Ich blinzele, aber die Welt um mich herum löst sich auf.

Gras gibt unter meinen Füßen nach. Die Luft ist stickig und duftet nach holzigen Kiefern und feuchtem Moos. Bäume umgeben mich wie eintausend Wächter. Hin und wieder lässt der Wind das Laub rascheln, aber dazwischen herrscht ohrenbetäubende Stille. Ich bewege mich durch den Wald auf eine Stelle zu, an der das Blätterdach eine Lücke aufweist. Allerdings entdecke ich kein Haus und auch sonst nichts, was über ein Dach oder eine Veranda verfügt.

Mein Fuß bleibt an etwas hängen, und ein Klirren schallt durch die Bäume. Ich schlucke einen trockenen Atemzug hinunter und halte inne, um zu sehen, ob jemand das Geräusch gehört hat. Nichts regt sich, aber die zerbrochene Laterne, auf die ich getreten bin, knackt erneut unter meinem Schuh. Ich bin ganz nah dran. Ich eile auf eine Lichtung vor mir zu, auf der ich endlich ein Haus vorfinde.

Oder das, was davon übrig ist.

Meine Hoffnung auf Sicherheit schwindet, als ich die zerstörten Überreste erblicke: verfallene Grundmauern, zertrümmerte Möbel, zusammengebrochene Wände und zersplitterte Fenster. Mom hat ihr komplettes Leben aufgegeben, um für meine Sicherheit zu sorgen. Diesmal liegt es an mir. Ich muss einen Ausweg finden. Für uns beide.

»Pass auf, das ist mein Fuß, du Tollpatsch«, durchbricht ein Flüstern die Stille des Waldes. Rasch kauere ich mich ins Dickicht zwischen den Bäumen.

»Wären deine Füße nicht so groß, wäre es leichter, nicht auf sie draufzutreten«, erwidert jemand anders. »Ehrlich, wie findest du überhaupt Schuhe für diese Dinger?«

Zwei Mädchen in langen schwarzen Umhängen, die mit dichtem rotem Pelz ausgekleidet sind, gehen an mir vorbei. Kapuzen bedecken ihre Köpfe.

»Mit dir zu tanzen, ist vermutlich so, als würde man einen Bären umwerben.«

»Brooke, halt die Klappe!« Das erste Mädchen schubst das andere spielerisch. »Wenn du so weiterredest, werde ich deine Knochen in Metall verwandeln. Mal sehen, wie dir das gefällt.«

Brooke lacht. »Du hältst dich plötzlich für was ganz Besonderes, nur weil du jetzt mehr als einen Trick auf Lager hast, was?«

»Mutter sagt, dass ich es sein könnte.«

»Ha, träum weiter.«

»Das reicht jetzt, okay? Komm schon. Mutter hat gesagt, dass wir ganz sichergehen sollen.« Sie deutet auf das zerstörte Haus. »Also geh da rein und vergewissere dich, dass wir keinerlei Spuren hinterlassen haben. Morgen früh werden hier überall Dragune sein und diesen Ort gründlich untersuchen.« Die Hände des Mädchens schweben über einem kleinen Schutthaufen. Die Luft unter ihren Fingern wabert, und der Schutt verändert sich, streckt sich und dreht sich, bis er sich in einen Haufen Waldgestrüpp verwandelt hat. Ich blinzele, als sie zum nächsten Schutthügel weitergeht.

Inmitten der Trümmer erscheint plötzlich eine Wolke aus schwarzem Nebel wie ein heraufbeschworener Geist. Der Dragun, der hinter mir her ist, tritt daraus hervor. Ich schnappe nach Luft. Wie konnte er mich hier aufspüren? Mom … Geht es ihr gut? Die beiden Mädchen heben die Arme, als hätten sie vor, sich zu verteidigen.

»Identifiziert euch«, befiehlt er.

»Du zuerst.« Brooke hält dem Dragun etwas Glänzendes hin. Er schlägt mit einer Faust auf seine Brust.

»Memento sumptus.«

Die Mädchen senken die Köpfe. »Non reddere bis.«

»Ich suche nach jemandem«, sagt er. »Nach einem Mädchen. Ich handle auf Befehl der Mutter höchstpersönlich. Ich hatte eine Spur, die mich vermuten ließ, dass sie mit einer älteren Person reist. Aber das stellte sich als gewaltige Zeitverschwendung heraus.«

Ich beiße mir auf die Faust. Mom konnte entkommen.

»Seid ihr hier irgendjemandem begegnet?«, fragt er, woraufhin das Mädchen mit den großen Füßen tief einatmet.

»Die Staubkonzentration in der Luft weist tatsächlich darauf hin, dass hier abgesehen von uns kürzlich jemand vorbeigekommen ist«, sagt sie und reibt Daumen und Zeigefinger aneinander.

Ich schlucke und kauere mich tiefer in das Dickicht. Ich brauche einen Ort, an dem ich mich sicher fühle. Aber ich kann nirgendwo …

Château Soleil …

Großmutter.

Ich drehe den Klappspiegel in meinen Händen, die zum Glück wärmer geworden sind.

»Psst.« Der Dragun hebt eine Hand, und alle drei drehen sich in meine Richtung.

Sie ist meine Großmutter. Familie. Eine gutmütige Frau, soweit ich mich erinnere. Und Mom zufolge weiß sie nichts von meiner Toushana.

»Sie ist hier.« Der Dragun nähert sich mir.

Ich klappe den Spiegel auf. Mom wird sich mir bald anschließen. Heute Nacht, sagte sie. Ich kann meine Toushana für ein paar Stunden verbergen. »Château Soleil«, flüstere ich und puste auf das schimmernde Pulver, dessen Überreste sich in der Luft auflösen.

Hände greifen nach mir, während ich verschwinde.

3

Das Pulver bringt mich mitten in eine Ansammlung toter Bäume. Ich lege die Hände aneinander, damit sie nicht mehr zittern. Ein kalter Windstoß streift meine Haut, und der erdige Geruch könnte mir nicht weniger vertraut sein. In der Ferne sind keinerlei Hinweise auf eine Stadt zu entdecken. Hier gibt es keine Häuseransammlungen. Um mich herum erstrecken sich nur dichte Wälder und von schwarzem Moder bedeckte Bäume.

Die Aufregung darüber, nur knapp entkommen zu sein, hält mich fest umklammert, während ich mit unsicheren Schritten beginne, durch das Gehölz zu wandern und nach dem Haus meiner Großmutter Ausschau zu halten. Als ich endlich eine Straße entdecke, die zu einem doppelflügeligen eisernen Tor führt, dämmert es bereits. Direkt neben dem Tor befindet sich ein steinernes Wachhäuschen, vor dem eine Reihe Autos auf Einlass wartet. Die Barriere ragt vor dem düsteren Himmel auf wie Hände, die jemand in einer Geste der Anbetung erhoben hat. Auf ihrer Vorderseite prangen die Worte CHÂTEAU SOLEIL. Ich schlucke. Tore wie dieses existieren, um Leute wie mich fernzuhalten.

Ich zwinge meine bebenden Finger dazu, sich zu beruhigen, und tippe auf mein Handy, das kaum noch Akku hat, um mir ein Uber zu rufen. Die App ist mit einem Konto verbunden, auf dem sich vermutlich noch ein paar Dollar befinden. Während ich warte, schlägt mein Puls immer schneller. Wird das tatsächlich funktionieren?

Es dauert nicht allzu lange, bis das Auto herangerollt kommt und der Fahrer mich mit zusammengezogenen Augenbrauen mustert.

»Sie wollen, dass ich Sie durch das Tor fahre?« Er verzieht das Gesicht.

»Ich kann mehr als den üblichen Preis bezahlen.« Ich zeige ihm das Geld, das ich noch vom Einkauf im Laden übrig habe.

»Steigen Sie ein.«

Ich lasse mich auf den Rücksitz gleiten. Der Wagen setzt sich ruckelnd in Bewegung, als uns die Wache bedeutet, an das Häuschen heranzufahren. Ich kann nirgendwo anders hin. Ich muss durch dieses Tor gelangen. Ich umklammere meine Tasche fester und drücke meinen Schlüsselanhänger. Eine Sekunde später fängt er an zu glühen. Beeil dich, Mom, bitte. Schuldgefühle breiten sich in meinem Magen aus.

Wir rollen langsam vorwärts auf den Wachmann zu, dessen Erscheinung in etwa so aufgeschlossen ist wie seine Körpersprache. Er hat die Mundwinkel streng nach unten gezogen und sieht aus, als würde er niemals lächeln. Der hohe Kragen seines Hemdes wird von einer runden Metallscheibe zusammengehalten, auf der eine einzelne gebogene Kralle abgebildet ist, die an die Klaue eines Drachen erinnert. Er zupft sie ab und dreht sie in seiner Hand wie eine Münze. Eine Münze.

»Ist er ebenfalls ein Dragun?«, murmle ich zu laut. Erneut betrachte ich das Symbol auf der Münze. Das ist keine zerbrochene Säule …