Ich brauch keinen Purpose, sondern Geld - Attila Albert - E-Book

Ich brauch keinen Purpose, sondern Geld E-Book

Attila Albert

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Beschreibung

Die wahren Gründe für unsere Jobwahl Darf man heute noch zugeben, dass man vor allem arbeitet, weil man Geld verdienen muss? Keinesfalls, wenn man den Unternehmen glauben will: Da sollte man schon in der Bewerbung behaupten, dass man eine neue Herausforderung sucht, Teil einer Mission sein oder gar die Welt neu denken will. In einem Arbeitsmarkt, in dem beruflicher Erfolg oft mit einem höheren Sinn verknüpft wird, bietet Attila Albert eine erfrischend pragmatische Sichtweise. Er hinterfragt die heutige Arbeitsmotivation und ruft dazu auf, seine wahren beruflichen Antriebe zu erkennen und zu verfolgen – sei es das Einkommen, die familiäre Vereinbarkeit, Teamgeist oder einfach Spaß. Anhand von acht Job-Motivatoren zeigt Albert, dass es keinen »Purpose« braucht, an den sowieso keiner glaubt, um den Job zu bekommen, der wirklich zu einem passt. Er liefert bewährte Tipps aus seiner Coaching-Praxis und räumt auf gewohnt humorvolle Weise mit den gängigen Klischees der Arbeitswelt auf. Für alle, die sich in der heutigen Joblandschaft zurechtfinden und nicht verbiegen wollen.

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ATTILA ALBERT

ICH BRAUCH KEINEN PURPOSE, SONDERN GELD

So finden Sie den Job, der wirklich zu Ihnen passt

ATTILA ALBERT

ICH BRAUCH KEINEN PURPOSE, SONDERN GELD

So finden Sie den Job, der wirklich zu Ihnen passt

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

Wichtiger Hinweis

Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit wurde auf eine genderspezifische Schreibweise sowie eine Mehrfachbezeichnung verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind somit geschlechtsneutral zu verstehen.

1. Auflage 2024

© 2024 by Redline Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

D-80799 München

Tel.: 089 651285-0

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Wir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.

Redaktion: Monika Spinner-Schuch

Umschlaggestaltung: Marc Fischer

Umschlagabbildung: Adobe Stock/Login

Satz: ZeroSoft, Timisoara

ISBN Print 978-3-86881-970-0

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96267-598-1

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96267-599-8

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.redline-verlag.de

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INHALT

Vorgespräch

Warum jeder Job seinen Sinn hat

Job-Motivator 1: Geld – verdienen, was Ihnen zusteht

Job-Motivator 2: Familie – genug Zeit für die Lieben

Job-Motivator 3: Team – Freunde in der Firma

Job-Motivator 4: Karriere – Einsatz, der belohnt wird

Job-Motivator 5: Weiterentwicklung – immer dazulernen

Job-Motivator 6: Gesundheit – Heilung von Frust und Stress

Job-Motivator 7: Spaß – endlich wieder auf Montag freuen

Job-Motivator 8: Lebenssinn – anderen etwas Gutes tun

Herausfinden, was Ihnen gerade wichtig ist

Wissen, wann es Zeit für einen Wechsel ist

Gezieltere Stellensuche nach Ihrem Motivator

Richtig argumentieren im Vorstellungsgespräch

Wie Chefs die acht Job-Motivatoren sehen

Kritik an Ihren Prioritäten – so wehren Sie sich

Ungewöhnliche Lebensläufe erklären

Angestellt oder selbstständig? Das passt zu Ihnen

So finden Sie den richtigen Weg für sich

Arbeiten, wie es für Sie sinnvoll ist

Über den Autor

Literaturempfehlungen

VORGESPRÄCH

Ist es überhaupt noch erlaubt, einen Job anzunehmen, weil man das Geld braucht, nichts Besseres gefunden hat oder die Kita für die Kleinen so praktisch in der Nähe liegt? Glaubt man den Arbeitgebern, geht das inzwischen gar nicht mehr. Schon im Bewerbungsschreiben sollte man stattdessen mindestens behaupten, dass man »eine neue Herausforderung« suche, besser gleich einen persönlichen »Purpose« (Zweck) anführen: ein hochtrabendes, weltveränderndes Ziel, wie es heute jede Stellenanzeige einfordert. »Mit Kreativität und Leidenschaft die Zukunft mitgestalten« ist da noch das Minimum. Wer wirklich vorn dabei sein will, steigt gleich ganz groß ein: »den Planeten retten«, »die Welt neu denken«, »Teil einer Mission sein«, »Nachhaltigkeit, Vielfalt und Inklusion leben«. Welcher Kleingeist traut sich da noch, seinen Wunsch nach einem ganz normalen Job anzumelden, weil er* Rechnungen bezahlen, deswegen Geld verdienen muss?

Ein Bewerber muss heute darauf vorbereitet sein. Auf eine aufgeblasene, aber inzwischen völlig normale Frage wie »Warum wollen Sie unbedingt bei uns arbeiten?« können Sie nicht mehr einfach antworten: »Weil ich eure Ausschreibung gesehen habe und dachte, ich probiere es mal. Es klingt ja wirklich nicht schlecht, und ich könnte mit meinem Profil ins Team passen.« Sagen Sie stattdessen: »Weil ich mir nichts Spannenderes vorstellen könnte! Selbst meine Beziehung kann ich eigentlich gegen die Vorstellung vergessen, hier im Großraumbüro täglich neue E-Mails zu tippen und Excel-Listen auszufüllen. Ich habe nie geglaubt, dass Träume wahr werden können, aber jetzt bin ich kurz davor - Wahnsinn! Dabei bin ich nur froh, dass ihr auch darauf achtet, dass euer CO2-Ausstoß rückläufig ist. Sonst käme das hier für mich gar nicht infrage, man hat ja schließlich auch ein Gewissen.«

Die Unternehmen geben sich derzeit eben hoch idealistisch - als wäre es für jeden eine besondere Ehre, an ihrem edlen Werk mitzuwirken, und eigentlich ziemlich egoistisch, sich dafür auch noch bezahlen lassen zu wollen. Inzwischen hat praktisch jeder CEO die große Weltverbesserung ausgerufen, und wir kennen auch alle die salbungsvollen Beiträge von ehemaligen Konzernvorständen und heutigen NGO-Beratern, die nach ihrer ersten Millionenabfindung erkannt haben, »was im Leben wirklich wichtig ist«. Es geht jedenfalls nicht mehr darum, die eigene Stromrechnung bezahlen, den ewig überzogenen Dispo ausgleichen oder wieder einmal mit der Familie in den Urlaub fahren zu können. Stattdessen könnten Sie selbst eine einfache Sachbearbeiterstelle mit Tarifgehalt als hervorragende Gelegenheit verstehen, »die Gesellschaft zu transformieren«, notfalls auch gegen deren Willen, die Regenwälder in Südamerika zu retten, weil das die Leute dort selber nicht können, oder »einen strukturellen Kulturwandel« im Team anzustoßen, obwohl die Kollegen eigentlich bereits genug zu tun haben und dringend davon verschont werden wollen. Aber das kann man nicht hinnehmen.

Es gibt viel zu tun, und daher ist die kecke Empfehlung von selbst fast noch minderjährigen »Gen-Z-Consultants« auf LinkedIn nur folgerichtig, dass man gar nicht erst mit regulärer Erwerbsarbeit beginnen solle. Bei ihnen habe es, dank Papas monatlichem Zuschuss, schließlich auch geklappt. Sie würden stattdessen vorbildlich »ihre Bestimmung leben« und durch altkluge Postings »einen Unterschied machen«. Wer da noch morgens ins Büro, in die Produktionshalle oder hinter die Ladenkasse geht, muss sich unweigerlich fragen: Leiste ich damit überhaupt meinen gesellschaftlichen Beitrag - oder verschenke ich damit auch noch persönlich wertvolle Chancen, eventuell sogar die besten Jahre meines Lebens?

»Purpose« ist doch nur der Zuckerguss

Die Realität der Arbeitswelt sieht natürlich anders aus. Das wissen Arbeitgeber wie -nehmer, auch wenn sie sich in den Ausschreibungen, Bewerbungen und im Vorstellungsgespräch allerlei gegenseitig vormachen. Auf die einfallslose Standardfrage »Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?« sollten Sie heute nur eben keinesfalls mehr ehrlich antworten: »Auf Ihrem Sessel oder beim nächsten Arbeitgeber, wenn ich bis dahin nicht befördert worden bin.« Behaupten Sie stattdessen: »In einer besseren Welt - für die Kinder und alle Menschen -, und ich hoffe, dass wir sie gemeinsam erschaffen können.« Dem zukünftigen Chef und der HR-Managerin wird ein gerührter Glanz in die Augen treten, auch wenn sie selbst wissen, dass es für alle wieder darum gehen wird, die ambitionierten Finanzziele des Vorstandes zu erreichen - und das inmitten einer stagnierenden Wirtschaft und bei heimlich längst geplantem Stellenabbau.

»Purpose« ist der Zuckerguss; der Kuchen, der verteilt wird, hat weiterhin die Grundzutaten Umsatz und Gewinn. Das ist nicht einmal schlimm. In der Belegschaft kommt auch keiner allein aus Idealismus oder Spaß an der Freude zur Arbeit, sondern zuerst einmal, weil es dafür Geld gibt, das man für allerlei Notwendiges braucht. Der amerikanische Psychologe Abraham Maslow hat schon 1943 festgestellt, dass zuerst die Miete und das Essen bezahlt sein müssen, ehe man in höhere Sphären aufsteigen, sich »selbst verwirklichen« und »die Welt ein wenig besser machen« kann. Der notorisch sozialkritische Dramatiker Bertolt Brecht - »erst das Fressen, dann die Moral« - meinte dasselbe, drückte es nur gröber aus: Erst die Grundlagen aufbauen, dann dem »Herzensbusiness« widmen und den Planeten retten.

Erkennen, was Sie beruflich antreibt

Leider äußern sich, wenn es um berufliche Sinnfragen geht, heute vor allem die Idealisten und Heuchler, nur selten die 90 Prozent der Arbeitnehmer, die zuerst an Einkommen und Sicherheit denken müssen, aber dennoch auf ihre Weise sinnvoll arbeiten wollen. Denn natürlich will keiner enden wie die Enttäuschten, die - zermürbt von den unbefriedigenden Berufsjahren - jeden Morgen aus dem Fenster schauen und verbittert feststellen: »Kein Wunder, dass die Vögel singen, die müssen schließlich auch nicht zur Arbeit.«

Bei keiner Berufstätigkeit geht es ausschließlich ums Geldverdienen, denkt man einmal genauer darüber nach. Immer gibt es weitere persönliche Motive, die ebenso handfest und bedeutsam sind. Mancher schätzt seinen Chef und die Teamkollegen so sehr, dass er dafür in Kauf nimmt, dass der Job inzwischen langweilige Routine geworden ist. Andere sind jeden Tag froh, dass ihnen der Arbeitgeber mit einem Betriebskindergarten und flexiblen Arbeitszeiten entgegenkommt. Dafür akzeptieren sie ohne größere Reue, dass es mit den Karrierechancen nicht weit her ist. Sie hätten, ehrlich gesagt, aktuell sowieso weder Zeit noch Nerven dafür. Wieder andere ziehen Gewinn daraus, dass ihre Arbeit als hilfreich und wichtig betrachtet wird - und nehmen dafür in Kauf, dass das Gehalt nur mäßig ist. Denn rechnet man in Gesamtkosten, ist das Einkommen immer nur ein Faktor von mehreren.

Um all die unterschiedlichen Motive, eine neue Stelle anzunehmen oder die bisherige zu behalten, und wie Ihr Entscheidungsprozess ablaufen kann, geht es in diesem Buch. Es vergleicht acht Job-Motivatoren (u. a. Geld, familiäre Vereinbarkeit, Team, Karrierechancen, Sinnhaftigkeit) und soll Ihnen helfen, für sich herauszufinden, was Sie antreibt. Es ist keine Berufsberatung dafür, welche Branche am besten zu Ihnen passt, sondern soll Ihnen helfen, den Arbeitgeber und die Stelle zu finden, die Ihnen entspricht. Gehen Sie es durch, um systematisch zu überprüfen, welche Aspekte Ihnen in Ihrer aktuellen Lebens- und Karrierephase wichtig sind, was Sie vermissen oder zukünftig anders angehen wollen. In jedem Kapitel finden Sie praktische Tipps, um so zu arbeiten, wie es Ihren Lebensvorstellungen und Werten entspricht.

Kennen Sie Ihre wahren Motive und Prioritäten, suchen Sie zielgerichteter nach einem passenden Arbeitgeber, argumentieren authentisch in Ihrer Bewerbung und müssen sich beim Vorstellungsgespräch nicht verstellen. Perfekt ist es nirgendwo, aber manches passt eben doch besser zu Ihnen als anderes. Sollten Sie selbst Mitarbeiter führen, zeigt Ihnen das Buch die Bandbreite an Motiven im Team: warum Menschen eine Stelle antreten und dass jeder Mitarbeiter seine Berechtigung hat und für das Unternehmen wertvoll sein kann.

Eigenen Sinn finden, nicht aufdrängen lassen

Dies ist bereits mein drittes Buch im Redline Verlag. In Ich will doch nur meinen Job machen (2022) ging es darum, dass Sie am Arbeitsplatz nicht immer gleich die Welt retten und mit allen befreundet sein müssen. Sorry, ihr nervt mich jetzt alle! (2023) zeigte Ihnen, wie Sie mit Nervensägen im Job umgehen, ohne selbst den Verstand zu verlieren. Dieses Buch will Sie dabei unterstützen, genauer darüber nachzudenken, warum Sie - über den notwendigen Gelderwerb hinaus - arbeiten, was Sie wirklich interessiert und beschäftigt.

Es ist kein Plädoyer gegen sinnerfüllte Arbeit, sondern dafür, einen persönlichen Sinn darin zu finden, anstatt sich etwas aufdrängen oder einreden zu lassen. Häufig ist er wesentlich individueller und konkreter als eine »globale Initiative«, die vor allem auf PowerPoint und in PR-Artikeln stattfindet.

Wie seine Vorgänger ist dieses Buch humorvoll gehalten. Denn Lachen ist der erste Schritt zur Selbsterkenntnis, eventuell lautet sie: »Mich regt derzeit eigentlich alles auf. Ich glaube, ich bin durch meinen Job inzwischen so verspannt, dass ich schon deswegen wechseln müsste!« Auch mehr Spaß und Lebensfreude kann ein berufliches Ziel sein, etwa einem passiv-aggressiven Betriebsklima, intriganten Vorgesetzten oder Kollegen zu entkommen. Wie immer bedanke ich mich bei meinen Coaching-Klienten, deren Geschichte ich beispielhaft anonymisiert erzählen durfte.

Wenn es Sie nach Höherem drängt - Glückwunsch, machen Sie die Welt für uns alle ein bisschen besser! Wenn Sie aber nur einen Job wollen, weil Sie das Geld brauchen, sich spannendere Aufgaben oder nettere Kollegen wünschen, ist das ebenso gut. Damit verbessern Sie schon einmal Ihre eigene Welt, die auch nicht ganz unwichtig ist.

Attila Albert

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* Dieses Buch ist in klassischem Deutsch verfasst, also im generischen Maskulinum. Diese grammatikalische Form meint weder nur Männer noch werden Frauen »mitgemeint«. Es spezifiziert gar kein biologisches Geschlecht, sondern ist darauf bezogen neutral.

WARUM JEDER JOB SEINEN SINN HAT

Auch wenn die Arbeitgeber aktuell die große Weltverbesserung ausrufen: Die Gründe, warum ein Job für einen persönlich sinnvoll ist, sind oft viel bodenständiger und pragmatischer - vom Einkommen bis zur nahen Kita.

Vielen Arbeitnehmern ist heute, blicken sie auf ihren beruflichen Werdegang zurück, völlig unverständlich, wie sie ihn bisher ohne die moralische Anleitung ihres Managements sinnvoll gestalten konnten. Wie viele Jahre haben sie verschenkt, in denen sie einfach nur zur Arbeit gegangen sind, um Geld zu verdienen, dafür ihre Aufgaben zu erledigen und vielleicht noch gelegentlich ein Schwätzchen mit den Kollegen zu halten! Doch die Zeit der reinen Erwerbsarbeit ist vorbei, auch Selbstverwirklichung ist inzwischen zu wenig. Längst geht es darum, am Arbeitsplatz die großen Themen unserer Zeit anzupacken - und davon sind Female Leadership, Gender Equality und Neurodiversity im Team nur Teilaspekte.

Wer heute die Karriereseite eines beliebigen größeren Unternehmens öffnet, wird über das aufgeklärt, was jetzt im Arbeitsleben wirklich zählt. »Vielfalt ist unsere Stärke«, bekennen dort sorgsam ausgesuchte Fotomodelle aller Hautfarben gegenüber denjenigen, die es immer noch nicht verstanden haben. »Wir setzen uns für Toleranz, Inklusion und Wertschätzung ein.« Da kann der Firmensitz in Elmshorn oder Dinslaken sein, die Belegschaft damit vor allem aus Michaels, Stefans, Nicoles und Sandras bestehen: Die Selbstdarstellung ähnelt nun einer Benetton-Werbung aus den Neunzigern, dem Parteitag der Grünen oder dem Evangelischen Kirchentag. Zwingend abgebildet sein muss beispielsweise eine schwarze Schönheit im Afro-Look, vom Typ wie die amerikanische Black-Power-Kommunistin Angela Davis aus den Sechzigern, dazu eine streng blickende Asiatin - schwarzes Kostüm, weiße Bluse, schmale Brille, also mindestens Teamleiterin -, und eine Muslima, die so traditionell gläubig ist, dass sie mit Kopftuch ins Büro kommt, sich aber überhaupt nicht daran stört, dass auf derselben Seite ganzjährig der Gay Pride gefeiert wird, auf den zusätzlich Regenbögen im Logo hinweisen, damit es auch wirklich keiner übersehen kann.

Die Allianz, eigentlich nur Anbieterin dröger Versicherungen, muss ihren Bewerbern das ganze Jahr über mitteilen: »Es ist Pride Season, und das ist definitiv ein Grund zu feiern. Lasst uns zusammen die Welt bunter, fröhlicher und glitzernder machen!« Sie präsentiert ihr Geschäft jetzt, wie heute fast wortgleich jedes Unternehmen, als utopisches Werk an der Menschheit: »Wir machen uns stark für eine Zukunft, in der alle gleichermaßen gefördert werden - unabhängig von Geschlecht, Alter, sexueller Identität, Religion, Herkunft, kultureller Prägung oder geistigen und körperlichen Fähigkeiten.« Die Liste der weiteren Ziele ist lang, zwingend dazu gehört selbstverständlich auch: »Unsere Arbeit richtet sich an dem Ziel einer maximalen Erderwärmung von 1,5 Grad bis 2050 gemäß dem Pariser Klimaabkommen aus.«1 Wer hier eine Lebensversicherung unterschreibt, rettet also den Planeten. Es ist, will man der derzeitigen Selbstdarstellung von Unternehmen glauben, überhaupt keine Handlung mehr denkbar, die nicht einen universellen, oft gleich globalen Einfluss hat.

Erklärte Weltverbesserung auf allen Gebieten

Meist ist der Ton jedoch nicht so versöhnlich, sondern eher kumpelhafter Agitprop. Bei der Telekom, die eigentlich auch nur Telefon- und Internetdienstleistungen anbietet, klingt das so: »Uns ist es wichtig, für das Gute einzustehen und dafür aufzustehen. Machst du mit? Lass uns gemeinsam mit entschlossener Stimme Stellung beziehen und aktiv eine Veränderung bewirken! Für Diversität, Inklusion und Gleichberechtigung. Und eine lebenswerte Zukunft in einer gesunden Umwelt.« Es folgen die Unterpunkte: »Respekt leben«, »Initiative zeigen«, »Einzigartigkeit fördern«, »Frauen gleichstellen«, »Verantwortung tragen« und »Nachhaltigkeit umsetzen«, damit im Weltverbesserer-Bingo kein Feld frei bleibt.2

»Laut und deutlich für Toleranz, Demokratie, Freiheit und Europa« will die Deutsche Bahn eintreten, die eigentlich mit pünktlichen, sauberen Zügen und einem ausgeglichenen Geschäftsergebnis schon mehr als genug ausgelastet sein müsste, »gegen Populismus und Spaltung - und pro Klimaschutz«. Gründe, hier zu arbeiten? Die Rubrik »Warum zur DB?« führt zu den Unterpunkten »Soziale Verantwortung«, »Grüne Transformation«, »Gleiche Chancen für Frauen«, »Vielfalt und Chancengleichheit«.3 2023 sei der Frauenanteil in der Belegschaft schon auf 23,6 Prozent gestiegen, 0,3 Prozent mehr als im Vorjahr.4 Man könnte es auch anders ausdrücken: 74,6 Prozent der Arbeit erledigen bei der Bahn also weiterhin Männer, obwohl die Fotoauswahl auf der Karriereseite das Gegenteil suggerieren soll. Aber es gibt Hoffnung: »In Kürze findest du hier wieder Diversity-Events.« Das freut auch die Reisenden, die sich das - wartend am schmuddeligen Bahnhof - schon oft gewünscht haben.

»Wir sind fest davon überzeugt, dass jede*r Einzelne einen wertvollen Beitrag leistet«, meint der Industriekonzern Siemens, 1847 gegründet, aber aktuell mit zeitgeistigem Gendersternchen. »Möchtest du auch Teil eines diversen Teams sein?«5 Die Sana Kliniken haben ihren Purpose ebenso entdeckt und den Hashtag gleich mit: »Was zählt, ist Zusammenhalt. Was hilft, ist Vielfalt. #Diversity«: »Sana setzt sich für ein Arbeitsumfeld ein, das Vielfalt, Toleranz und Wertschätzung fördert.«6 Der CEO ist selbstverständlich weiterhin ein 55-jähriger Betriebswirt mit grauem Haar, man will es mit der Buntheit ja nicht gleich übertreiben.

Ähnlich war es, als AXA Schweiz kürzlich verkündete, man habe »die Jobtitel abgeschafft«, sei also nun ganz egalitär und unkonventionell. Es hätte sofort als Widerspruch auffallen müssen, dass dies eine Personalchefin - offiziell: Leiterin Human Responsibility, Mitglied der Geschäftsleitung - mitteilte. Auf Nachfrage stellte sich heraus, dass es nur um zusätzliche Bezeichnungen wie Director und Vice Director ging und es weiterhin 13 Hierarchieebenen sowie 450 Jobprofile geben würde.7 Die ausgerufene Revolution - Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit im Konzern - fällt also erst einmal aus.

Selbst Parfüm-Influencer Jeremy Fragrance ist schon auf dem Sinn-Trip, was heißt, dass er langsam wieder am Verduften ist: »Ich habe ein ziemlich krasses Mindset, und ich bin auch ethisch sehr geil unterwegs«, verkündete er im vergangenen Jahr auf dem Digitalkongress OMR Festival in Hamburg. »Du hast schon ein paar Learnings gedroppt«, dankte ihm der Moderator. »Was glaubst du, können Marken und Unternehmen von dir lernen?«8

Sie entscheiden, was Ihnen wichtig ist

Lösen Sie sich von dem Gedanken, dass es richtige oder falsche Motive dafür gibt, sich für eine bestimmte Branche, ein Unternehmen und eine Stelle zu entscheiden. Sie kennen Ihre Wünsche und Bedürfnisse am besten, wissen auch, was für Sie funktioniert. Das heißt nicht, dass Sie die erklärten Werte und Ziele Ihres Arbeitgebers nicht bedenken und in Ihrer Argumentation berücksichtigen sollen. Aber insgesamt muss es für Sie funktionieren, Sie sind schließlich auch derjenige, der am Ende damit arbeiten und leben muss.

Am Ende geht’s auch den Arbeitgebern ums Geld

Die betriebliche Realität sieht vielerorts eher so aus wie das Beurteilungssystem, das der IT-Konzern Microsoft 2023 eingeführt hat: Es teilt die Mitarbeiter in vier Kategorien danach ein, ob sie die Erwartungen enttäuscht oder erfüllt haben - ohne aber, dass diese die Kriterien und ihre Einstufung erfahren. Sie sind nur den Managern zugänglich, die über Beförderungen, Gehalt und Prämien entscheiden - und darauf achten sollen, dass es nicht zu viele Topbewertungen gibt, damit es für das Unternehmen nicht zu teuer wird.9 Als eigene Grundwerte verkündet Microsoft: Respekt und Integrität - »Wir sind ehrlich, ethisch und vertrauenswürdig«.10 Das muss man nun auch erst einmal zusammenkriegen.

Eine Freundin arbeitete für ein Start-up - Großraumbüro, überarbeitete, dafür unterbezahlte Mitarbeiter, die sich ersatzweise von »unserer Mission« begeistern ließen. Vor zwei Jahren wurde es an ein ausländisches Unternehmen verkauft, aber weder Eigenständigkeit noch Name oder Management sollten sich ändern, versprochen! »Unsere Mitarbeitenden sind schließlich unser wichtigstes Kapital«, schrieben die Gründer in ihrer Mitteilung, wie man das heute überall so sagt. Inzwischen ist das Start-up »voll integriert«, trägt den Namen des Käufers und hat ein neues Management. Viele Kollegen mussten gehen oder taten es freiwillig. Die Gründer sind Millionäre geworden, und das Team wird derzeit auf die nächste »Vision« eingeschworen, sie ist selbstverständlich wieder global. Wer ist nun naiv: Wer damals daran geglaubt hat oder wer es heute noch tut? Am Ende zeigt sich: Auch den Unternehmen geht es, oh Wunder, weiterhin ums Geld.

Kein Grund, sich zu rechtfertigen

Eigentlich könnte man all die amerikanische Weltverbesserungsprosa, die heute jedes Firmenprofil und jede Stellenanzeige verkleistert, auch gedanklich ausblenden und müsste sich für seine eigenen Prioritäten überhaupt nicht rechtfertigen. Was geht es den Arbeitgeber an, ob man wegen des Gehaltes, wegen der netten Kollegen oder aus Interesse an den Aufgaben kommt, solange man nur seinen Job ordentlich erledigt? Aber angesichts des moralischen Größenwahns in den Chefetagen kommt man verständlicherweise ins Zweifeln: »Verderbe ich mir nicht alle Chancen, wenn ich sage, was ich wirklich denke und will?«

Bald ist man in der Zwickmühle: Soll man zugeben, dass man den Job einfach braucht, weil der Kontostand beängstigend niedrig ist und alle bisherigen Bewerbungen erfolglos waren - oder trotzdem mindestens behaupten, dass man sich »weiterentwickeln« wolle? Darf man offen aussprechen, dass es einem vor allem darum geht, keine Überstunden machen zu müssen, um noch Zeit und Kraft für die Kinder zu haben, nicht darum, »sein Potenzial auszuschöpfen«? Dass man sich gar nicht »selbst verwirklichen« will, sondern einen geplanten Hausbau, und ganz bestimmt keinen Arbeitgeber sucht, der »wie eine Familie« ist, weil man nämlich schon eine hat, und einige gute Freunde dazu, also bereits gut versorgt ist?

Die Erwartungen sind ja eh schon völlig überfrachtet. Inzwischen greifen selbst diejenigen, die zur besonders geförderten Gruppe mit optionaler Blitzkarriere gehören, zur Flasche: »Erst zum Yoga, dann zur Arbeit, danach drei Gläser Wein - ist das normal?«, musste unlängst sogar der progressive Tagesspiegel fragen. »Junge, gut ausgebildete Frauen sind besonders gefährdet, viel zu trinken. Sie benutzen Alkohol, um ihren stressigen Alltag vergessen zu können.«11 Dabei haben die meisten nicht einmal mehr Mann und Kinder, wenn man all die Projekte im Unternehmen nicht dazuzählen will.

Der Erfinder der New Work selbst, der österreichisch-amerikanische Philosoph Frithjof Bergmann (1930–2021), distanzierte sich von dem, was die Unternehmen unter diesem Begriff veranstalten. Er hatte sich neue kreative Freiräume für die Mitarbeiter vorgestellt, wenn die Technologie ihnen mehr abnahm, sodass sie in ihrer Freizeit vielleicht Bücher schreiben oder Kunstwerke schaffen könnten. Dass man ihnen Hoodies überstreifen und einen Kickertisch in der Ecke aufstellen, mehr Arbeit geben und die festen Arbeitsplätze zugunsten eines Flex Desk wegnehmen, die Mittagspause streichen und als Learning Lunch zum Meeting umfunktionieren würde, war nicht Teil seiner Vision. »Man macht vielerorts nur die Lohnarbeit attraktiver, sympathischer und netter«, sagte er gegen Ende seines Lebens enttäuscht. »Man kann auch sagen: Es ist Lohnarbeit im Minirock.«12

Die Ersten wollen verständlicherweise schon zur Old Work zurück: klare Hierarchien, Trennung von Berufs- und Privatleben, Chefs, die noch welche sind. »Hierarchien sind entlastend. Sie schaffen Klarheit, indem sie Grenzen setzen und genau definieren, was erwartet wird«, schrieb die Journalistin Lea Hagmann, Jahrgang 1995, in einem Meinungsbeitrag in der NZZ am Sonntag. »Das Freiheitsempfinden, das sagt mir meine Erfahrung, ist dann am größten, wenn es einen definierten Rahmen gibt.«13 Schließlich hat inzwischen jeder gemerkt, dass die Beziehung zum Chef eher komplizierter wird, wenn mal »befreundet« und mal der klassisch untergeordnete Mitarbeiter sein soll, wie es gerade besser passt.

Die Generation Z enttäuscht die Hoffnungen

Die Generation Z - ungefähr zwischen 1997 und 2012 geboren, eine einheitliche Definition existiert nicht -, auf der viele Hoffnungen ruhten, stellt sich inzwischen als Enttäuschung heraus. Wie soll die viel beschworene Selbstorganisation auch funktionieren, wenn keiner mehr Verantwortung übernehmen will? Wie die 4-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich, wenn jetzt schon Arbeitskräfte fehlen, die sich nicht ständig krankmelden? Die Auflösung ist einfach und unspektakulär: Es gibt gar keine einheitliche Generation Z. Sie ist nur eine Traumvision älterer Angestellter, die heute unzufrieden in Unternehmen, Universitäten und Redaktionen sitzen und Berichte über sie verfassen, und - wie bei jedem Trend - haben sich sofort die Geschäftemacher angehängt. »Die 1928 vom Soziologen Karl Mannheim geprägte Annahme einer ›Generationeneinheit‹ ist nicht haltbar. Er postuliert das einheitliche Reagieren und Mitschwingen einer Alterskohorte durch gemeinsame, prägende Erlebnisse«, erklärt die deutsche Soziologin Katja Rost, Professorin an der Universität Zürich. »Die empirische Forschung kann die weitverbreitete Vorstellung, wie sich Generationen in ihren Einstellungen unterscheiden, nicht bestätigen.«14 So verraten all die schwärmerischen Beiträge über die Generation Z vor allem etwas von den Sehnsüchten derjenigen, die sie verbreiten: mehr Geld, weniger Arbeit, mehr Lebenssinn und Zeit fürs Private. Diese Verklärung ist bereits so weit gediehen, dass die Millenials, zwischen 1980 und 1999 geboren und eben noch für ihre Smartphone-Obsession und ihren kindlichen Zukunftsglauben verspottet, sich nun als Hüter der klassischen Werte wie Einsatzwillen, Disziplin und Ordnung fühlen dürfen.

Jeder Job, der weiterhilft, ist sinnvoll

Dabei muss ein Job gar nicht all die utopischen Hoffnungen erfüllen. Er hat für die meisten Arbeitnehmer schon für sich einen Sinn - oft wesentlich bodenständiger und pragmatischer, als die Unternehmen heute argumentieren. Natürlich kann man sich viele Gedanken darüber machen, wie die Welt ein besserer Ort werden könnte, ob die Klimakrise weiterhin das drängendste Problem der Menschheit ist und wie sich strukturelle Ungleichheit beseitigen ließe. Zum Monatsersten kommt aber erst einmal der Vermieter und will die Miete sehen. Die Stadtwerke schicken die Stromrechnung, danach wollen die Versicherungen, das Nahverkehrsabo, die Lebensmittel und alles andere bezahlt sein. Schon hier ist ein Job sinnvoll, wenn er Ihre Existenz sicherstellt. Sie können damit selbst für sich sorgen und sind nicht darauf angewiesen, dass andere Sie finanziell unterstützen, seien es Verwandte oder der sogenannte Staat, also andere Steuerzahler. Das geht weit über den materiellen Aspekt hinaus: Ein eigenes Einkommen verschafft Ihnen Respekt und Würde, befreit Sie von ständigen Existenzängsten und der Scham, bedürftig zu sein.

Selbst wenn ein Job wahrscheinlich nur eine Zwischenlösung ist, verschafft er Ihnen eine wichtige Atempause. Sie haben »wieder etwas gefunden«, sind »erst einmal untergekommen« und haben eine neue Basis für Ihren nächsten Lebensabschnitt. Wer nach einem zermürbenden Konflikt beim früheren Arbeitgeber, nach langer Arbeitslosigkeit oder nach einer schwierigen Trennung wieder eine Stelle gefunden hat, erinnert sich, wie dankbar er dafür war. Dabei geht es nicht nur um eigene Bedürfnisse. Wer noch allein in einem WG-Zimmer wohnt, kommt mit wenig Geld aus. Wer für seinen Partner und die Kinder mitverdient, vielleicht zusätzlich andere Angehörige unterstützt, braucht wesentlich mehr. Ein Job, der es ermöglicht, finanziell für andere da zu sein, ist daher ebenso sinnvoll. Das gilt auch, wenn Sie Teile Ihres Einkommens für einen guten Zweck weitergeben, beispielsweise gelegentlich individuell anderen helfen oder spenden.

Andere Jobs befriedigen zwar nicht existenzielle Bedürfnisse, lösen aber grundlegende praktische Probleme. Wenn Sie beispielsweise wegen der Öffnungszeiten und Lage der Kita für Ihre Kinder nur zu bestimmten Zeiten und in einem bestimmten Stadtteil arbeiten können - dann ist eine Stelle, die das ermöglicht, bereits sinnvoll. Der Job mag nicht perfekt sein, ist in dieser Lebensphase aber die ideale Lösung für eine konkrete Herausforderung. Dabei denke ich beispielsweise an meine Mutter, die mit 48 Jahren eine sichere Position im öffentlichen Dienst kündigte, in der sie bis zur Rente hätte bleiben können. Aber sie wollte aus verschiedenen Gründen in eine andere Region des Landes ziehen. Sie fand dort zuerst nur eine Stelle, die hierarchisch tiefer als ihre bisherige angesiedelt, zudem auf ein Jahr befristet war. Aber es war eine sinnvolle Stelle, weil sie ihr den Übergang ermöglichte.

Was für einen beruflich sinnvoll ist, ändert sich sowieso immer wieder einmal. Ist nach der Ausbildung bzw. dem Studium vielleicht der Einstieg bei einem renommierten Arbeitgeber entscheidend, um gut in die Berufspraxis zu starten, verschieben sich später die Prioritäten. Vielleicht soll es nun ein Job sein, der einem Entwicklungsmöglichkeiten bietet. Nach der Heirat und Familiengründung sind dagegen ein höheres Einkommen und Sicherheit wichtig.

Man wird zudem ja auch klüger. Als Berufsanfänger freut man sich, wenn eine Stellenanzeige »kostenlos Obst, Kaffee und Wasser« verspricht. Mit mehr Erfahrung liest man das mit einiger Skepsis und denkt: »Dann zahlen sie also eventuell unter Tarif, und das soll der Ausgleich sein.« Das ist gar nicht unbedingt enttäuschter Idealismus oder gar Zynismus, sondern das Ergebnis eigenen Erlebens: Man weiß nun aus eigenem Erleben, wie Arbeitgeber ihre Schwächen kaschieren.

Generell gehören mehr Realismus und Pragmatismus zur persönlichen Reifung, und damit würde man auch manche frühere Entscheidung heute anders treffen. Häufiger blickt man später zurück und fragt sich bei gewissen beruflichen Stationen: »Was habe ich damals nur daran so toll gefunden?« Was einem sinnvoll erscheint, ändert sich nicht zuletzt zusätzlich durch die ständig neuen technologischen, gesellschaftlichen und kulturellen Trends und Moden, von denen sich manche durchsetzen, andere bald wieder abgelöst werden.

Herausfinden, was für Sie sinnvoll ist

Dieses Buch diskutiert die Sinnfrage pragmatisch und alltagstauglich, damit es Ihnen in Ihrem Alltag und auf Ihrem Weg weiterhilft, hält sich also nicht vor allem in Problembeschreibungen und Theorien auf. Denn wie oft können Ratgeber zwar sehr gut erklären, was »in der Gesellschaft« oder »im System« alles falsch läuft und wie es sein müsste, nur um am Ende festzustellen, dass dafür eine Revolution notwendig wäre, die wahrscheinlich ausfällt, weil viele gar keinen Bedarf dafür sehen. Stattdessen konzentrieren wir uns deshalb vor allem darauf, was unter den gegebenen Umständen möglich ist und Ihre berufliche Lage wirklich verbessern kann.

In den folgenden Kapiteln sehen wir uns dafür acht Job-Motivatoren gemeinsam an: Die Gründe, warum Berufstätige arbeiten, sich dabei für bestimmte Arbeitgeber und Stellen entscheiden. Was einem selbst lange fast zufällig erscheint, folgt nämlich doch bestimmten Motiven und Mustern. Für die einen steht das Einkommen im Vordergrund. Für andere ist es vor allem die Gelegenheit, sich Aufgaben zu widmen, die sie als spannend empfinden, oder mit Teamkollegen zu arbeiten, die sie schätzen - oder tatsächlich die Welt ein wenig besser zu machen, weil ihnen das ein Anliegen ist.

Die Reihenfolge der Job-Motivatoren orientiert sich an der Bedürfnispyramide, die der amerikanische Psychologe Abraham Maslow 1943 erstmals vorgestellt und 1970 erweitert hat.15 Er sah als Basis menschlicher Anstrengungen körperliche und sicherheitsbezogene Bedürfnisse (z. B. Nahrung, Wärme, Unterkunft). Darauf folgen soziale Bedürfnisse (z. B. nach Familie, Freunden, Kollegen) und individuelle Bedürfnisse (z. B. nach Bestätigung, Erfolg). Abgeschlossen wird seine Gliederung durch den Wunsch nach Selbstverwirklichung und -überwindung (z. B. Kreativität, Sinnsuche). Maslow wollte damit nicht sagen, dass jedes Bedürfnis erst in dieser Reihenfolge vollständig erfüllt sein müsste, ehe das nächsthöhere angegangen wird, aber doch zumindest weitgehend abgedeckt.

Ebenso verhält es sich mit den acht Job-Motivatoren. Wenn Sie derzeit kaum wissen, wie Sie Ihre Rechnungen bezahlen sollen, oder sich nur selten mal ein Extra leisten können, wird der erste Job-Motivator, Geld, für Sie besonders bedeutsam sein. Aber das heißt nicht, dass die anderen - etwa Vereinbarkeit mit familiären Verpflichtungen, ein gutes Team oder eine interessante Aufgabe - für Sie bedeutungslos wären. Sie sind nur aktuell nachrangig, hier wären Sie eher bereit, bei Bedarf Zugeständnisse zu machen. Haben Sie dagegen bereits einen gewissen materiellen Status erreicht, denken Sie vielleicht an Job-Motivatoren wie Spaß oder Lebenssinn. Geld verdienen wollen und müssen Sie wahrscheinlich weiterhin, aber es ist für Sie nicht mehr der wichtigste Antrieb.

Gehen Sie alle Job-Motivatoren nacheinander durch, um systematisch zu vergleichen, wo Sie in den unterschiedlichen Bereichen gerade stehen - oder nehmen Sie sich einzelne vor, die Sie gerade besonders interessieren oder betreffen. Normalerweise ist nie nur ein Job-Motivator relevant, sondern eine Kombination aus mehreren. Vielleicht würden Sie intrinsisch manchmal lieber im Bett bleiben, brauchen aber extrinsisch das Geld. Dabei kann sich aber herausstellen, dass Ihr Job Ihnen auch sonst noch viel mehr bietet. Damit Sie sich aber nicht nur im Abwägen von Vor- und Nachteilen aufhalten, was fast immer dazu führt, dass Sie »erst einmal«gar nichts unternehmen, diskutieren wir immer auch Prioritäten: Was Ihnen so wichtig ist, dass Sie dafür Unbequemlichkeiten oder sogar kalkulierte Risiken auf sich nehmen würden.

Reflektieren, was Sie persönlich sinnvoll finden