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Geschichten aus dem Alltag, oft von schrögen Vögeln. Die Wirklichkeit ist absurder als manche Fantasie. Aber auch Geschichten, die meine Fantasie ausgedehnt hat.
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Veröffentlichungsjahr: 2021
Du glaubses nich, Alder!
Ich hatte nicht viel Hoffnung, aber ich habe es zumindest versucht; aus Prinzip, mit dem ich immer ganz gut gelaufen bin. Ich hatte alles mitgenommen: Saufen, Kiffen, Glücksspiel, auch die Frauen hatte ich nicht ausgelassen, oder sie mich. Da bin ich mir nicht so sicher. Ich habe mich einfach in der Schlange hinten angestellt und auf eine schlampige Buchhaltung gehofft. Hinter dem Tresen stand ein alter Mann mit Glatze und langem Bart. Rechts von ihm stand vor einem Gang ein Engel in einem weißen Gewand und überirdischem Lächeln. Seine Flügel sah man hinter seinen Schulter heraus ragen. Mit einem riesigen Schwert in seinen Händen sperrte er den Gang hinter sich. Auf der linken Seite stand ein finsterer rotgesichtiger Kerl mit einer Augenklappe auf der rechten Gesichtshälfte und mit einem fiesen Lächeln. Ihm fehlten ein paar Zähne als ein Freund von körperlichen Auseinandersetzungen. Er trug über der freien behaarten Brust eine knappe Lederweste. Er winkte uns einladend zu wie der Betreiber einer Geisterbahn auf dem Kirmes. Als ihn gerade eine sündige Frau aus dem Rotlicht-Milieu passierte, gab er ihr einen derben Klaps auf ihr ausladendes Hinterteil, den sie mit einem Aufschrei gespielter Empörung quittierte. Der alte Mann hinter dem Tresen sah gütig aus, doch als ich in der Schlange langsam näher kam, sah ich hinter seinem Bart diesen strengen Zug um seine Lippen und meine Hoffnung schwand. Man musste seinen Perso oder Reisepass vorlegen. Er hielt ihn wohl über einen Scanner wie beim Flughafen, danach leuchte rechts eine grüne Lampe oder links eine rote Lampe auf. Bei vielen leuchtete die Lampe grün auf und der Engel ließ sein Schwert sinken und gab lächelnd den Weg in seinen Gang frei. Ein Biedermann drei Stellen vor mir, wollte nicht zum Eingang der Hölle und stemmte sich dagegen. Das war das Zeichen für den den Auftritt von Satans Gehilfen, dem Knaben in der Lederweste. Er packte den Biedermann im Genick, dann in den Schwitzkasten und zog ihn mit sich. Er würgte ihm die Luft ab, bis er fast erstickte, ehe er ihn dann wie eine leblose Puppe in den Gang schmiss. Der Biedermann kroch keuchend auf allen Vieren tiefer in den Gang. Ich war erleichtert, als der Knabe vor mir zum Engel durfte, ich schöpfte wieder Hoffnung. Dann war ich dran. Ich reichte dem gütigen Opa lässig mit einem Verkäuferlächeln meinen Perso, als hätte ich nichts zu befürchten. Jetzt sah ich auch das Namensschild auf seiner Brust: Petrus. Er legte den Perso auf den Scanner und sofort leuchtete links die rote Lampe mit einem hässlichen Ton auf. Der fiese Kerl winkte mir grinsend zu. Zögernd trat ich zu ihm. Er hielt eine dunkle Kette mit einem roten Licht in der Hand, die er mir eng um den Hals legte und dann verschloss. So wusste jeder, wo ich hingehörte. Dann drückte er mich in den Gang hinter sich und trat mir zur Ermunterung in den Hintern.
Nach wenigen Schritten mündete der schmale Gang in eine große Halle. Überall standen Werbeaufsteller und drehende Litfaßsäulen herum. An den Wänden lief an vielen Stellen Leuchtreklame mit dem Text: „Sorry, we are closed for moment!“ Ich dachte schon, ich hätte mich verlaufen, sei falsch abgebogen, als ER hinter der Litfaßsäule hervorkam, die er wohl gerade repariert hatte, denn er hatte einen Werkzeugkoffer in den Händen. Tatsächlich sah er wie der Teufel aus. Sein Kopf war leuchtend rot, aus seiner Stirn ragten Hörner hervor, und er hatte auch rechts einen Pferdefuß. Doch er machte auf mich mehr den Eindruck eines gestressten Filialleiter in einem unterbesetzten Supermarkt aus, der zwischen Kasse und Anlieferung hin und her hopst,um die Gänge frei zu bekommen. Da wusste ich endgültig, dass ich in der Hölle war. Ich gebe zu, ich hatte es auch irgendwie verdient. Schon in der Sonntagsschule hatte man mich gewarnt, was mit den Leuten, die wie ich nicht parieren, passiert. Und ich hatte eben nie pariert. Der Teufel kam auch mich zu. „Ich habe im Augenblick für dich keine Zeit und auch keinen Platz, ich bin im Stress. Wie bei euch auf der Erde, ihr könnt ja auch nicht alle einsperren, die es verdient hätten, weil ihr keinen Platz mehr in den Gefängnissen habt. Dazu gehen mir die Energiekosten fürs Heizen durch die Decke. Manche Kunden beschweren sich schon, dass ihnen kalt wird. Früher ging Eistee gut, jetzt wollen die Leute Glühwein, ich bin nervlich am Ende. Wir können hier unten auch keine Solaranlagen installieren. Meine Bitte, lege doch erst einmal Revision ein, damit würdest du mir einen großen Gefallen tun. Ich will dir keine großen Hoffnungen machen, aber so gewinne ich zumindest Zeit. Ich würde mich später auch erkenntlich zeigen. „Ich lasse dir meine Visitenkarte da“, sagte ich, „dann kannst du mich informieren, wenn ich kommen kann!“ „“Gib her, war meinst du, wie viele Visitenkarten ich schon bekommen habe. Ich heize damit. Also, melde du dich einfach mal wieder, aber um Gottes Willen nicht so früh!“ „Und wo ist die Revision?“ Satan öffnete eine Eisentür: „Hier, und immer geradeaus, du kannst es nicht verfehlen!“ Er schubste mich regelrecht in den Gang und warf die Tür hinter mir mit einer Kraft ins Schloss, die ich ihm überhaupt nicht zugetraut hatte.
Ich stolperte den Gang entlang bis ich zu einer Einbuchtung kam. Dort stand hinter einem Rednerpult eine Anwältin in schwarzer Robe mit einem Regal von Gesetzesbüchern hinter sich. Sie hatte ihre Haare streng zurückgekämmt und machte einen sehr sachlichen Eindruck. Ich reichte ihr meinen Perso. Sie scannte ihn ein und blickte auf ihr Notebook. Sie schüttelte bedenklich den Kopf. „Ich könnte vielleicht versuchen, jemand aus der Abteilung User-Help zu bestechen, ein paar Tatsachen umzuschreiben oder zu löschen in deinem Konto. Aber das machen die auch nicht einfach umsonst. Deine Armbanduhr müsstest du schon investieren. Ist das eine Rolex?“ Ich nickte, obwohl es eine Fälschung war, darum hatten meine Erben sie mir auch bei der Beerdigung gelassen. Ich nahm sie ab und legte sie ihr auf den Schreibtisch. Sie ließ sie im Ärmel ihrer Robe verschwinden. „Aber selbst dann könnte ich nicht für einen Erfolg garantieren. Und so schlimm ist die Hölle nun auch nicht, du wärst unter Gleichgesinnten. Im Himmel ist es auch nicht alles ideal, das ewige Gesinge würde dir auch rasch auf die Nerven gehen und die Verpflegung soll ziemlich eintönig sein, natürlich alles vegan. Das ist auch kein Zuckerschlecken. Ich kenne einige, die nachträglich ein Geständnis abgelegt haben wegen verborgener oder erfundener Verfehlungen, um aus dem Himmel versetzt zu werden. Weder im Himmel noch in der Hölle ist es ideal. Einen Tipp kann ich dir noch als Alternative geben, den du parallel versuchen kannst. Es ist immer besser zwei Eisen im Feuer zu haben. Gehe hinter mir den Gang weiter, dort sitzt hinten im letzten Zimmer ein buddhistischer Zen-Meister. Vielleicht kann der etwas für dich tun. Du müsstest allerdings dann wohl zum Buddhismus übertreten.