Ich kämpfe für unsere Liebe! - Kate Hewitt - E-Book

Ich kämpfe für unsere Liebe! E-Book

Kate Hewitt

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Beschreibung

Drei Monate lag der italienische Milliardär Nico Santini nach einem Flugzeugabsturz im Koma. Nun erwacht er endlich – und kehrt sofort von Jakarta nach Los Angeles zurück. Wie wird seine Frau Emma reagieren, die er kurz vor dem Unglück geheiratet hat? Doch statt fassungsloser Freude erwartet ihn ein dreifacher Schock: Erstens hat Emma ihn für tot erklären lassen. Zweitens ist sie schwanger. Und drittens steht sie gerade mit einem anderen Mann vor dem Altar, um eine Vernunftehe zu schließen – was Nico um jeden Preis verhindern muss!

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Seitenzahl: 205

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IMPRESSUM

JULIA erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2023 by Kate Hewitt Originaltitel: „Back to Claim His Italian Heir“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe 2023 in der Reihe JULIA, Band 2625 Übersetzung: Johanna Mach

Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 11/2023 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751518956

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

„Ja, ich will!“

Die Worte, die durch die Kirche hallten, waren nicht die, die Emma Dunnett erwartet hatte. Und sicher hatte auch keiner der anderen Anwesenden sie erwartet, denn bei diesem Teil der Hochzeitszeremonie musste man eigentlich mucksmäuschenstill sein. Nicht einmal niesen oder seufzen durfte man. Aber offensichtlich hatte irgendwer das nicht mitbekommen.

Alarmiert sah Emma ihren Zukünftigen an. Gebannte Stille trat ein und die wenigen Gäste auf den spärlich besetzten Bänken begannen neugierig die Hälse zu recken. Auch der Bräutigam wirkte irritiert. Er runzelte die Stirn und sah auf der Suche nach dem unbekannten Störenfried Richtung Eingang, von wo aus die Stimme zu vernehmen gewesen war.

„Sie … Sie wollen …?“, fragte der Priester, der eigentlich hier war, um Emma und Will zu vermählen. Nun war er völlig aus dem Konzept geraten, denn „Ja, ich will!“ war nicht die korrekte Reaktion auf die Frage, die er gerade gestellt hatte: „Sollte irgendjemand der Anwesenden etwas gegen diese Verbindung einzuwenden haben, dann möge er jetzt sprechen oder für immer schweigen.“

Das ist eigentlich nicht einmal eine Frage, dachte Emma in einem Anflug von Panik. Sondern nur eine Floskel, ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten! Kein Mensch wollte ernsthaft eine Antwort darauf hören, war es doch nur reine Formsache: Erst kam die obligatorische Frage, dann Stille, vielleicht ein Seufzer der Erleichterung, ein Lächeln … Dann erfolgte das Jawort und schon war man verheiratet. Eigentlich …

„Ja!“, war die Stimme erneut klar und deutlich durch das Kirchenschiff zu hören, und Emma bemerkte einen leichten Akzent, der sie auf unheimliche Weise hellhörig machte.

Diese Stimme …

„Ich habe tatsächlich etwas gegen diese Eheschließung vorzubringen. Und zwar einen ganz konkreten Einwand.“

Hilfesuchend sah sich der Priester in den Bankreihen um, wo hauptsächlich Verwandte von Will und ein paar Freunde saßen. Sie alle waren gelinde gesagt überrascht gewesen, dass Will eine Frau heiraten wollte, die er erst wenige Wochen kannte. Und nun stand ihnen allen ins Gesicht geschrieben, dass sie noch viel mehr als überrascht waren. Die Mutter des Bräutigams gab anscheinend ihr Bestes, um mit ihrer sauertöpfischen, versteinerten Miene wie ein richtiger Drachen auszusehen. Ihr einziger Sohn verdiente etwas Besseres als eine raffgierige Verführerin. Das war ihre Meinung und die hatte sie Emma mehr als einmal ins Gesicht geschleudert. Und wenn schon! Es gab Schlimmeres.

Nicht, dass Emma wirklich auf Wills Geld aus wäre. Jedenfalls nicht so, wie seine Mutter dachte. Ja, sie versprach sich von dieser Ehe vor allem Sicherheit, aber Will wusste das und war einverstanden. Sie waren gute Freunde und Freundschaft war doch keine schlechte Basis für eine Ehe. Und für eine Familie, hoffte Emma.

Doch nun sah sie die Mundwinkel ihrer Schwiegermutter in spe verdächtig zucken. War da etwa Genugtuung in ihrem Gesicht zu lesen? Hatte sie das alles arrangiert, um ihren Sohn aus den Krallen der Verführerin zu befreien? Dabei war es absurd, Emma so darzustellen! Will war nicht auf körperliche Weise an ihr interessiert, und sie hatte nie versucht, ihn auch nur zu küssen. Doch das würde Wills Mutter ihnen nie abkaufen, schließlich war Emma in der vierzehnten Woche schwanger … von einem anderen Mann.

Welch ein Chaos! Beinahe hätte Emma laut losgelacht, doch sie konnte es gerade noch unterdrücken. Die Lage war ernst und sie wollte nicht alles noch schlimmer machen. Seit ihrer turbulenten Kindheit war ihr Lachen ihr Markenzeichen gewesen, ein Schutzmechanismus, mit dem sie allen Widrigkeiten trotzte. Sie lachte, statt zu weinen, zeigte sich lieber frech und witzig als traurig. Früher hatte ihr das immer gutgetan. Aber jetzt, da ihr Leben erneut zu entgleisen drohte?

„Wer sind Sie?“, fragte Will verunsichert. Doch Emma sah auch Zorn in seinen blassblauen Augen. Gern hätte sie ihn aufmunternd angelächelt, doch nichts an dieser Situation gab Anlass zur Heiterkeit, wenn ihr doch schon wieder eine sichere Perspektive verbaut wurde.

Jedes Mal, wenn sie sich bei einer Pflegefamilie eingelebt hatte, einen guten Job gefunden, ein bisschen Geld zusammengespart hatte, ging irgendetwas schief. Und das kam einer Katastrophe gleich, wenn man auf sich selbst gestellt war. Doch diesmal ging es nicht nur um ihr Leben, sondern auch um das eines anderen Menschen … eines winzigen, empfindlichen und sehr, sehr kostbaren Wesens.

Emma hörte schnelle, entschlossene Schritte durch das Kirchenschiff auf sie zukommen. Sie holte tief Luft und legte eine schützende Hand auf den noch kaum sichtbaren Babybauch.

Der Priester kniff die Augen zusammen, um den Mann, der sich immer energischer näherte, besser sehen zu können. „Was, um alles in der Welt, haben Sie einzuwenden?“

„Was ich einzuwenden habe?“

Emma erschauderte, als würden ihr eiskalte Finger über den Rücken streichen, eine eisige Faust sich um ihr Herz schließen. Sie kannte diese Stimme, die sie in ihren Träumen heimsuchte und dafür sorgte, dass sie voller Sehnsucht, falscher Hoffnung und Trauer im zerwühlten Bett aufwachte. Eine raue, samtige Stimme, in der so oft ein Lachen mitzuschwingen schien. Eine Stimme, die Erinnerungen weckte.

Sei auf der Hut,Emma. Die Liebe ist nichts für dich.

Nie im Leben hätte sie erwartet, diese Stimme noch einmal zu hören – denn der Mann, dem sie gehörte, war tot.

„Mein Einwand ist …“, erklärte der Sprecher, der nun den Traualtar erreichte, „… dass die Braut schon verheiratet ist. Und zwar mit mir!“

Als der Mann vorm Altar stehen blieb, fiel ein Lichtstrahl durch das bunte Kirchenfenster und tauchte sein schwarzes Haar in goldenes Licht. Nico Santini sah seine Frau aus funkelnden grünen Augen an und sie erstarrte zur Salzsäule. Oder vielleicht eher zu einem Eiszapfen, denn vom eiskalten Zorn in den Augen ihres Ehemanns wurde Emma plötzlich sehr kalt. Der Brautstrauß glitt ihr aus den Händen und weiße Rosenblätter verteilten sich über den steinernen Boden des Altarraums. Von dem schweren Duft, den sie verströmten, wurde Emma übel und gleichzeitig ließ der Schock sie am ganzen Körper erschaudern.

„Nico“, sagte sie mit brüchiger Stimme. „Wie …?“ Ihr Mund war zu trocken, ihr Herz klopfte zu wild, als dass sie die seltsame Frage auszusprechen vermochte. Wie konnte es sein, dass Nico vor ihr stand, wenn er doch gestorben war? Vor dreieinhalb Monaten war er verunglückt, nur eine Woche nachdem ihre kurze, wilde Romanze in einer Blitzhochzeit ihre Krönung gefunden hatte. Und nun war Emma kurz davor, erneut zu heiraten und … nein. Es konnte nicht sein, er konnte nicht am Leben sein! Schließlich hatte sie seine Sterbeurkunde mit eigenen Augen gesehen! Sie war bei seiner Beerdigung gewesen, gut, eigentlich war es eine Trauerfeier gewesen, denn Nicos Leiche war verschollen. Und nach der Feier hatte man Emma weggeschickt, zum Flughafen, und zwar noch in Trauerkleidung, denn zum Umziehen war keine Zeit geblieben. Angeblich hatte Nico es so gewollt.

Wie also war es möglich, dass er jetzt wutentbrannt in Los Angeles auftauchte? Zuletzt hatte Emma ihn in Rom gesehen, kurz vor dem Flugzeugabsturz. Angeblich hatte der Motor der Maschine, die Nico auf die Malediven zu einem der weltberühmten Luxusresorts der Santini-Familie hatte fliegen sollen, versagt.

Emma wurde von ihren Gefühlen überwältigt – von Überraschung, Ungläubigkeit, absurder Freude, aber vor allem Panik. Sie kannte diesen Mann eigentlich gar nicht, auch wenn sie ihn, beseelt von Hoffnung und Euphorie, geheiratet hatte. Sie wollte ihn nicht sehen, zurück aus dem Jenseits und – verständlicherweise – rasend vor Wut.

Schlagartig fühlte Emma sich unwohl in ihrem blassgelben Hochzeitskleid mit dem Brautstrauß vor den Füßen und dem Schleier im Haar – vor allem in Gegenwart des Mannes, den sie eben noch im Begriff war zu heiraten, wenn nicht völlig überraschend ihr Ehemann aufgetaucht wäre. Sie spürte Nicos zornigen Blick, der sie aufzufordern schien, ihm in die Augen zu sehen, doch das konnte sie nicht.

„Wie bitte?“, fragte der Geistliche, der zunehmend verstimmt wirkte.

Emma hatte keinen Schimmer, wie sie mit dieser Situation umgehen sollte. Außer wegrennen fiel ihr nichts ein, doch in diesem Kleid, mit diesen Absätzen würde sie nicht weit kommen. Nico war hier. Ihr Ehemann. In dessen Armen sie glücklich gewesen war, auch wenn sie damals schon geahnt hatte, dass er irgendwann genug von ihr haben würde, genau wie alle anderen. Alle Pflegeeltern, alle Freunde – selbst ihre eigene Mutter war aus ihrem Leben verschwunden. Also natürlich auch Nico.

„Emma?“ Will klang traurig, und als Emma ihm in die Augen blickte, sah sie, wie gekränkt er war.

„Will … Es tut mir so leid … Ich kann das alles erklären.“ Aber Emma wusste, dass das nicht stimmte. Aus dem Augenwinkel registrierte sie, dass Wills Mutter aufgeregt mit einer anderen Frau tuschelte. Und Nico stand da wie ein grimmiger Racheengel.

Ihr leibhaftiger Ehemann … auferstanden von den Toten.

„Was ist hier los, Emma?“ Will sprach nun etwas lauter. „Kennst du diesen Typ? Bist du wirklich mit ihm verheiratet?“

„Ich … ich habe dir doch von Nico erzählt …“, stammelte Emma.

„Aber war er nicht tot …?“ Verwirrt schüttelte Will den Kopf.

„Natürlich kennt sie mich“, unterbrach Nico ihn herablassend. „Und ja, ich bin ihr Ehemann.“ Nun starrte er wieder Emma an. Diese jadegrünen Augen … Früher hatten sie Leidenschaft ausgestrahlt, jetzt funkelten sie kalt und hart wie geschliffene Smaragde. Doch auch Emma konnte hart sein. Sie liebte Nico nicht, wusste nicht einmal, was für ein Mensch er war. Ganz gleich, was sie sich damals erhofft hatte.

„Emma?“, fragte Will erneut. Der Priester räusperte sich und Nico starrte sie durchdringend an. Es war unerträglich. Nico tat nicht einmal so, als wäre er verletzt. Stattdessen wirkte er, als würde er sie abgrundtief hassen. Und vielleicht tat er das auch.

„Nico hatte schon länger genug von dir. Das hat er mir gesagt. Du solltest besser schnell abreisen, Emma.“

Ihr Leben lang war sie weitergereicht worden wie ein Paket, das niemand haben wollte. Sie hatte ein Gespür dafür entwickelt, wann es Zeit war, sich aus dem Staub zu machen. Sie konnte die Zeichen lesen: die ungeduldigen Blicke, die schmalen Lippen, die vielsagende Stille. Manche hatten es auch klipp und klar gesagt: „Emma adoptieren? Nein, auf keinen Fall.“

Während Will wie ein Häufchen Elend dastand, wirkte Nico auf arrogante Weise selbstzufrieden. Offensichtlich war er ganz Herr der Lage. Typisch. Emma hatte sich nie Illusionen gemacht, wer in ihrer Affäre die Zügel in der Hand hatte – Nico.

„Wir bleiben zwei Wochen in New York, dann begleitest du mich nach Rom. Da können wir noch ein bisschen Spaß haben, bis ich sage, dass es vorbei ist.“

Doch dann hatte er ihr aus heiterem Himmel einen Antrag gemacht, und obwohl sie es eigentlich besser hätte wissen müssen, hatte sie Ja gesagt, denn nur ein einziges Mal wollte sie ein Märchen erleben, wie flüchtig es auch sein mochte. Es überraschte sie nicht, als sie erfuhr, dass Nico die Heirat schnell bereut hatte.

„Ich …“, setzte sie an, doch wieder brach sie ab. Ganz abgesehen vom Gefühlschaos wurde ihr nun wirklich übel. Plötzlich sah sie alles verschwommen und hatte einen seltsam metallischen Geschmack im Mund.

„Ja, Emma?“, fragte Nico herrisch.

„Ich …“ Mehr brachte sie nicht zustande. Ein Raunen ging durch die Hochzeitsgesellschaft, und Emma nahm wie durch einen Nebel wahr, dass Wills gekränkter Hundeblick einer besorgten Miene wich. Vor ihren Augen erschienen bunte, tanzende Flecken und Nico wurde immer verschwommener und kleiner. Vielleicht verschwand er ja ganz.

„Emma!“ Will trat einen Schritt auf sie zu, doch es war zu spät.

Das Letzte, was sie sah, bevor sie zusammensackte, war Nicos attraktives, argwöhnisches Gesicht.

Da hat sie sich geschickt rausmanövriert!, dachte Nico, während er seine Wut herunterschluckte und sich neben seine treulose Gattin auf den Boden hockte. Ihr verhinderter Bräutigam stand hilflos da, ein Nichtsnutz im Anzug, und die Gäste bildeten eine Traube und gafften.

„Macht Platz da!“ Nico schickte sich an, Emma hochzuheben. Sie roch nach den Rosen aus ihrem Brautstrauß … und nach ihrem eigenen betörenden Aroma. Einmal hatte er tief eingeatmet und sie gefragt, welches Parfum sie benutze. Da hatte sie laut losgeprustet.

„Das ist nur Shampoo“, hatte sie belustigt erwidert, die goldenen Augen glitzernd wie Bernstein. „Ich nenne es Eau de Discounter.“

Er hatte auch gelacht und sie umarmt, sich an ihr und dem süßen Duft ihrer Haare berauscht. Welch ein Idiot er doch gewesen war. Welch ein naiver, verblendeter Idiot!

„Hören Sie mal …“, setzte der Bräutigam an, doch Nico brachte ihn mit einem Blick zum Schweigen.

„Ihr Auftritt ist beendet“, erklärte er trocken. „Emma Dunnett – Emma Santini – ist meine Frau. Ich übernehme von hier an. Sie können jetzt gehen. Und nehmen Sie Ihre Gäste mit. Und zwar so schnell wie möglich.“

Er zog Emma, die ohnmächtig in seinen Armen lag, an seine Brust. Sie war leicht, ihr Körper geschmeidig und dünn, noch dünner, als er ihn in Erinnerung hatte. Im goldbraunen Haar trug sie einen Kranz aus Rosen mit kleinem Schleier und ihr schlichtes, knöchellanges Kleid war figurbetont und blassgelb. Wenigstens hatte sie kein jungfräuliches Weiß gewählt!

Wie hatte sie ihn nur so hintergehen können?

Und warum überraschte ihn das eigentlich? Es war schließlich nicht das erste Mal, dass ihm so etwas passierte. Die Affäre seiner Mutter, die Missgunst seines Vaters, die Lüge über seine Abstammung … Doch auch wenn diese Enttäuschungen schmerzlich waren, bei Emma fühlte es sich noch schlimmer an. Warum?

Der Priester war inzwischen aus seiner Schockstarre erwacht und führte Nico in die Sakristei. Dort legte Nico Emma auf einem kleinen, abgenutzten Sofa ab und trat einen Schritt zurück.

„Also, mein Herr …“, begann der Priester, „das ist äußerst ungewöhnlich …“

„Wir sind gleich weg“, beruhigte ihn Nico, „sobald meine Frau wieder zu Bewusstsein kommt. Würden Sie bitte Emmas Sachen an die Tür legen? Mein Chauffeur nimmt sie dann mit.“

Vor der Kirche wartete ein Wagen auf ihn und Nico wollte so schnell wie möglich hier weg.

„Würden Sie uns bitte allein lassen?“, verlangte Nico und der Priester verließ unzufrieden dreinblickend den Raum. Nico hörte Schritte und Gemurmel, bevor die Tür zuging und er wusste, dass nun auch die Gäste die Kirche verließen. Endlich.

Während er seine ohnmächtige Frau betrachtete, fragte er sich, wenn auch etwas verspätet, ob sie sich wehgetan hatte. Doch dann fiel ihm ein, dass Emma normalerweise immer auf den Füßen landete. Mit ihrer zweiten Blitzhochzeit innerhalb weniger Monate hatte sie das heute wieder einmal eindrucksvoll unter Beweis gestellt.

Emma blinzelte und erkannte ihn – das sah er daran, wie ihre Augen kurz wissend aufleuchteten. Dann schloss sie sie schnell wieder.

Trotz allem musste Nico sich eingestehen, dass er sie wirklich umwerfend schön fand, noch schöner, als er sie in Erinnerung hatte. Und er hatte monatelang von dieser Erinnerung gezehrt, als er im Krankenhaus lag und nicht einmal seinen eigenen Namen wusste. Nur ihr Gesicht hatte er klar vor sich sehen können.

Jetzt sah er es wieder – herzförmig und blass, eine Stupsnase mit Sommersprossen, leicht geöffnete rosa Lippen. Ihre Brust hob und senkte sich in einem Rhythmus, der zu unregelmäßig für eine bewusstlose Person war.

„Mach die Augen auf, Emma“, forderte Nico. „Ich weiß, dass du wach bist.“

Sie schien die Lider noch fester zu schließen, woraufhin Nico einen missbilligenden Laut ausstieß. Er war wütend, das war besser, als verletzt zu sein.

Gerade mal drei Monate war er weg gewesen. Drei Monate!

„Emma.“

Sie seufzte und hielt die Augen fest verschlossen. „Ich möchte die Augen lieber nicht aufmachen“, gab sie heiser flüsternd zu.

„Weil du dir wünschst, ich würde wieder verschwinden“, ergänzte Nico harsch. „Das überrascht mich nicht.“

Endlich öffnete Emma ein Auge. „Tut es das nicht?“

„Nein, warum auch? Ich sehe ja, wie schnell du über mich hinweggekommen bist“, entgegnete er kühl. „Zwei Hochzeiten in drei Monaten – das muss ein neuer Rekord sein.“

„In dreieinhalb Monaten“, korrigierte sie ihn matt und diesmal lachte Nico freudlos auf. Nun zeigte Emma also ihr wahres Gesicht. Er hatte bereits gewusst, warum er auf sie hereingefallen war. Nachdem er von seiner wahren Abstammung erfahren hatte, hatte er sich gewünscht, zu irgendwem zu gehören, deswegen war er leichtsinnig geworden.

„Da hast du völlig recht“, erwiderte er. „Dreieinhalb Monate von einer Hochzeit zur nächsten … zwei Wochen machen einen großen Unterschied.“

Diesmal öffnete Emma beide Augen und sah ihn gequält an. „Wie kann es sein, dass du am Leben bist?“

„Darüber scheinst du dich ja riesig zu freuen, oder?“ Sie antwortete nicht, und es war sonnenklar: Sie hatte nie Gefühle für ihn gehabt, sondern war nur auf sein Geld aus gewesen. Genau wie sein Cousin gemeint hatte. Antonio hatte nicht fassen können, dass Nico so naiv war, eine Frau zu heiraten, die er erst seit drei Wochen kannte. Doch Nico dachte, Antonio wäre neidisch … Seit den Enthüllungen über Nicos Abstammung war die Beziehung der Cousins immer schlechter geworden, denn Antonio hielt sich nun für den rechtmäßigen CEO von Santini Enterprises.

Aber über Emma sollte Antonio recht behalten … Nico, sonst so vernünftig, hatte in einem Moment der Schwäche Luftschlösser gebaut. Tja, dieser Traum war nun ein für alle Mal zerplatzt. „Ich bin am Leben“, erklärte er genervt, „weil ich den Flugzeugabsturz überlebt habe. Offensichtlich.“

Langsam schüttelte Emma den Kopf und starrte ihn aus großen Augen an. Es stand ihr ins Gesicht geschrieben, dass sie die Ehe nicht fortführen wollte. Und Nico erschien die Vorstellung auch nicht gerade verlockend. Aber dass sie einen anderen heiratete, das würde er nicht zulassen!

„Aber wo bist du die ganze Zeit gewesen?“, fragte sie. Sie lag auf dem Sofa wie Schneewittchen, das Haar auf dem Kissen ausgebreitet, der Blumenkranz verrutscht. Sie war zierlich, aber kurvig, und Nico musste daran denken, wie er ihren Körper liebkost hatte. Jede einzelne, verlockende Stelle.

Er verspürte den Drang, sie zu berühren, und ballte die Hände zu Fäusten. Sein Ton war messerscharf: „Nachdem das Flugzeug in den Indischen Ozean gestürzt ist, haben mich ein paar Fischer auf ihr Boot gezogen und in ein Krankenhaus gebracht. Danach wurde ich zur Reha nach Jakarta verlegt. Und letzte Woche bin ich nach Rom zurückgekehrt. Noch Fragen?“

„Warum hast du mich nicht kontaktiert?“ Emmas Tonfall war jetzt deutlich energischer, und das goldene Blitzen in ihren Augen erinnerte Nico daran, warum er sich in sie verliebt oder das zumindest geglaubt hatte. Ihr Temperament, ihre Forschheit, ihr Humor hatten ihn magisch angezogen. Doch er kannte sie nicht wirklich, das wurde ihm jetzt klar.

„Weil ich im Koma gelegen habe“, erklärte er matt. „Und als ich aufgewacht bin, konnte ich mich nicht an meinen Namen erinnern. Ich hatte keine Papiere, niemand wusste, wer ich bin.“ Er bemühte sich, nicht schwach zu klingen. Die letzten Monate waren eine Tortur gewesen, aber an Emma hatte er sich durch all den Schmerz hindurch erinnert. Jetzt wünschte er sich fast, er hätte sie vergessen.

Emma richtete sich kerzengerade auf dem Sofa auf. „Du hast im Koma gelegen?“

„Dein Mitgefühl kommt ein bisschen spät …“

Sie riss den Mund auf. „Nico, hör auf! Ich wusste doch nicht …“

„Emma“, konterte er, „du denkst, ich bin tot, und verlobst dich gleich mit dem nächstbesten Typen, der dir über den Weg läuft?“ Er nickte in Richtung Altarraum. „Nicht gerade beeindruckend, finde ich. Du hättest was Besseres finden können.“

„Sei nicht unfair“, antwortete sie resigniert. „Will kann nichts dafür.“

Das mochte korrekt sein, doch der Gedanke an den anderen Mann machte Nico immer noch wütend. „Nein“, gab er zu, als er es schaffte, seinen Tonfall zu kontrollieren. „Er kann wirklich nichts dafür. Ich mache ihm keine Vorwürfe, Schatz.“ Er rang sich ein Lächeln ab und ging einen Schritt auf sie zu. Emma zuckte zusammen und kauerte sich auf dem verblichenen Samt zusammen. Wollte sie so tun, als hätte sie Angst vor ihm? Wollte sie Mitleid erregen? Sie spielte gern die Jungfrau in Nöten, das wusste Nico. Doch dieses Mal würde das nicht funktionieren. „Du allein trägst die Schuld an alldem!“

2. KAPITEL

Verständlich, dass Nico wütend war, aber beim Anblick seines höhnischen Lächelns fühlte Emma sich schrecklich. Am liebsten hätte sie die Augen geschlossen und so getan, als wäre er nicht da.

Ihn zu heiraten war ein Fehler gewesen. Bestimmt war ihm das schon lange klar, auch wenn er jetzt den Moralapostel spielte. Ja, sie hätte gerade fast einen anderen geheiratet, und das nur wenige Monate nach seinem Flugzeugabsturz. Zwar war er für tot erklärt worden, doch solche banalen Einwände spielten für ihn keine Rolle. Er wusste genau, was richtig und was falsch war. Bei ihr war das anders: Sie hatte sich schon immer in Grauzonen bewegen müssen, um zu überleben. Sie glaubte nicht an Happy Ends und nur kurz hatte sie sich erlaubt, von einem mit Nico zu träumen.

Jetzt aber war sie überzeugt, dass ihre Ehe schon nach den Flitterwochen zerbrochen wäre. Und da sie nun an das Baby denken musste, wollte sie mit dieser Art von Romanze nichts mehr zu tun haben. Und Nico sicher auch nicht, wenn sie ihn so ansah. Was wollte er dann noch hier?

„Wärst du so nett, mir zu erklären, warum du schon wieder einen anderen heiraten wolltest?“, fragte er gespielt höflich.

„Weil ich keine andere Wahl hatte“, entgegnete Emma unverfroren, „aber das verstehst du sowieso nicht.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust und mied seinen Blick. Eigentlich war es gut, dass er so zornig war. Dann konnte sie verdrängen, wie süß er sein konnte. Früher war er so lieb und zuvorkommend gewesen, dass die schützenden Mauern, die sie um ihr Herz errichtet hatte, zu bröckeln begonnen hatten.

Traue niemandem. Lass keinen an dich heran. Entwickle keine Gefühle.

Zum Glück hatte sie keine Gefühle entwickelt, zumindest keine tiefen. Bevor sie die Kontrolle hatte verlieren können, war Nico angeblich gestorben. Danach hatte sie die Mauern um ihr Herz sorgfältig wieder aufgebaut. Und sie hatte selbst allen Grund, wütend zu sein. Nicos Verwandte hatten sie furchtbar behandelt und sicher hätte Nico das irgendwann auch getan.

Aber er weiß nichts von dem Baby …

Aber wie sollte sie ihm jetzt davon erzählen? Das Letzte, was sie gebrauchen konnte, war, dass Nico Santini ihr Leben erneut auf den Kopf stellte.

„Du hattest keine andere Wahl?“ Nico stand entrüstet da, die Arme verschränkt, der Bizeps angespannt. Emma musste sich eingestehen, dass dreieinhalb Monate im Krankenhaus seinem Sex-Appeal keinen Abbruch getan hatten. Das Einzige, was auf einen Unfall hindeutete, war eine Narbe an seiner Augenbraue, die ihn leider nur noch interessanter wirken ließ. Sein kurzes rabenschwarzes Haar und sein Oberkörper, der durchtrainiert wie eh und je war, halfen ihr auch nicht weiter. Einfach alles an Nico Santini strahlte pure Männlichkeit aus.

„Ja, so ist es.“ Emma zuckte mit den Schultern, als wäre alles nicht so wichtig, als würde ihr Herz nicht zu zerspringen drohen. Nico verstand nicht, was es bedeutete, keine Wahl zu haben und ein Dach über dem Kopf zu brauchen. Er konnte nicht nachvollziehen, dass sie Will nicht hatte ausnutzen und sie einander nur hatten helfen wollen. „Ich dachte, du wärst tot, Nico. Ich muss mich nicht vor dir rechtfertigen. Und du hast kein Recht, mich zu kritisieren.“

„Wie bitte?“

„Du hast kein Recht dazu“, wiederholte sie. „Wir waren nur eine Woche verheiratet. Und wir haben uns kaum gekannt. Wie lange hätte ich denn deiner Meinung nach die trauernde Witwe spielen sollen?“

„Also … wenigstens ein bisschen länger!“, gab er kalt zurück. Er war blass um den Mund herum geworden.

Emma war nicht so naiv, sich einzubilden, sie könnte ihm wehtun. Er liebte sie nicht. Vermutlich hatte sie nur seinen Stolz verletzt, denn er hatte ja durchblicken lassen, dass er entscheiden wollte, wann die Beziehung endete.

„Du hast also keine Erklärung parat?“, wollte Nico wissen. „Nichts zu deiner Ehrenrettung?“