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Der Beziehungsratgeber des Psychotherapeuten Prof. Dr. Dean C. Delis und der freien Autorin Cassandra Phillips: leicht verständlich, augenöffnend und sofort umsetzbar! Was tun, wenn eine(r) zu sehr liebt? Warum funktionieren so viele Liebesbeziehungen nicht? Schuld daran ist oft ein Ungleichgewicht der Emotionen: Ein Partner liebt mehr als der andere. Je stärker er unter Verlustängsten leidet und klammert, desto mehr zieht sich sein ohnehin distanziertes Gegenüber zurück. Der Psychotherapeut Prof. Dr. Dean C. Delis analysiert einfühlsam die Grundstruktur dieses Teufelskreises. Vor allem aber zeigt er Wege auf, wie Paare wieder zu einer gleichberechtigten und erfüllten Partnerschaft zurückfinden können. In diesem Buch erfahren Sie: - welche Vorbedingungen oftmals bei einer so schmerzlichen Liebe gegeben sind - welche wirksamen Therapieansätze möglich sind, wie Kommunikationstraining, Ursachenforschung und Arbeit an der eigenen PersönlichkeitMit Ihrer Hilfe können Paare endlich ein gesundes Verhältnis zwischen Nähe und Distanz aufbauen! *** Ein Muss für jede Beziehung! ***
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Ich lieb dich nicht, wenn du mich liebst
Cassandra Phillips ist freie Autorin und lebt mit ihrer Familie auf Hawaii.
Dr. Dean C. Delis ist Psychotherapeut und Professor für Psychiatrie an der University of California in San Diego. Dort lebt er auch mit seiner Familie.
Warum funktionieren so viele Liebesbeziehungen nicht? Schuld daran ist oft ein Ungleichgewicht der Emotionen: Ein Partner liebt mehr als der andere. Je stärker er unter Verlustängsten leidet und klammert, desto mehr zieht sich sein ohnehin distanziertes Gegenüber zurück. Der Psychotherapeut Prof. Dr. Dean C. Delis analysiert einfühlsam die Grundstruktur dieses Teufelskreises. Vor allem aber zeigt er Wege auf, wie Paare wieder zu einer gleichberechtigten und erfüllten Partnerschaft zurückfinden können.
Cassandra Phillips und Dean C. Delis
Nähe und Distanz in Liebesbeziehungen
Aus dem Amerikanischen von Sabine Steinberg
Ullstein
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Neuausgabe im Ullstein Taschenbuch 1. Auflage April 2023 © für die deutsche Ausgabe Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2004 © für die deutsche Ausgabe by Ullstein Heyne List GmbH & Co.KG., München 2003 © für die deutsche Ausgabe by Econ Ullstein List Verlag GmbH & Co.KG., München 2000 © für die deutsche Ausgabe by Econ Verlag, Düsseldorf 1991 © 1990 by Dean C. Delis / Cassandra Phillips Titel der amerikanischen Originalausgabe: The Passion Paradox (Bantam Books) Umschlaggestaltung: zero-media.net, München Titelabbildung: © FinePic®, München (Herzillustrationen) E-Book-Konvertierung powered by Alle rechte vorbehalten.ISBN 978-3-548-92116-7
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Titelei
Die Autoren / Das Buch
Titelseite
Impressum
Dank
Einleitung
1. Teil
Die schmerzlichen Vorbedingungen für ungleiche Liebe
1. Kapitel Wenn man sich verliebt – Die Freuden und Gefahren der Leidenschaft
2. Kapitel Die Balance halten – Machtwechsel in Beziehungen
3. Kapitel Die Überlegenen – Die Last der Macht
4. Kapitel Das Bindungs-Ambivalenz-Syndrom (BAS)
5. Kapitel Die Unterlegenen – Wenn Liebe wehtut
6. Kapitel Phönix aus der Asche – Die Renaissance des Unterlegenen
2. Teil
Wie man eine gleichberechtigte Partnerschaft aufbaut
7. Kapitel Alte Entscheidungen verwerfen
8. Kapitel Miteinander reden – Wie Ihre Beziehung durch Kommunikation ins Gleichgewicht kommt
9. Kapitel Was Unterlegene tun können – Sieben Strategien zur Gleichberechtigung
10. Kapitel Was Überlegene tun können – Sieben Wege, um der Liebe eine Chance zu geben
11. Kapitel Die Suche nach den Wurzeln – Welche Rolle spielen Situationen, Geschlecht und Anziehungskraft?
12. Kapitel Das ausgeglichene Selbst – Eine
Einführung
in Persönlichkeitsstile
13. Kapitel Die Persönlichkeit des
Unterlegenen –
Lernen Sie, sich zu mögen
14. Kapitel Die Persönlichkeit des Überlegenen – Lernen Sie, verwundbar zu sein
15. Kapitel Wann man gehen muss
16. Kapitel Wie man mit der paradoxen Leidenschaft in Ehe und Partnerschaft leben kann
Nachwort Geteilte Hausarbeit ist halbes Leid Eine Übung
Anhang
Anmerkungen
Social Media
Vorablesen.de
Cover
Titelseite
Inhalt
Dank
Meinen ElternLeftare und Irene Delisgewidmet
Viele Freunde und Kollegen teilten mir ihre intimsten Gedanken bezüglich Liebe und Partnerschaft mit. Unsere lebhaften Diskussionen halfen mir, meine Gedanken über die seltsame Beziehung zwischen Leidenschaft und Machtausübung zu ordnen. Ich danke besonders John Fleer, Mark Zaslav, Mat Blusewicz, Edith Kaplan, Alan Fridlung, Corinne Grieco und Nick und Chris Lowe. Dan Wile und Hilde Burton hatten großen Einfluss auf meine Sicht der Psychotherapie, und ich danke ihnen für ihre wertvollen Anregungen.
Meine Patienten haben mir wertvolle Erkenntnisse eröffnet, wie man sich Beziehungsproblemen stellt und sie überwindet. Ich danke ihnen für ihren Mut und ihre Weisheit. Einige ihrer Geschichten sind in diesem Buch enthalten, um Schlüsselstellen zu verdeutlichen, aber die Namen wurden natürlich geändert.
Cassandra Phillips ist mehr als eine begabte Autorin. Sie ist auch eine scharfsinnige Beobachterin der menschlichen Natur. Ihr intuitives Wissen über Menschen und Beziehungen hat dieses Buch unschätzbar verbessert. Ich werde mich immer gern an unsere kreativen Kämpfe und die große Freude erinnern, die es bereitete, als wir dieses Buch schufen.
Sandy Dijkstra, unsere Agentin, hat als Erste erkannt, welche Möglichkeiten in diesem Buch stecken. Sie war zu jedem Zeitpunkt eine Quelle der Ermunterung. Sie war auch so klug zu erkennen, dass Cassandra und ich ein ideales Gespann waren.
Toni Burbank, unsere Lektorin, bot uns bei unserer Arbeit stets Ruhe und Unterstützung. Ihre Ideen zur Gliederung, zum Stil und zum Inhalt des Buches waren stets brillant. Fran Fishers redaktionelle Bearbeitung und Nancy Dimsdales grafische Arbeit waren großartig.
Ich habe von meinen Eltern viel über das Leben und die menschliche Natur gelernt. Ihre bedingungslose Liebe zu mir hat mir immer den Mut gegeben, nach höheren Zielen zu streben. Meine Mutter half mir, die Forschungsarbeiten für das Buch zu leisten, und ihre Reaktionen auf verschiedene Konzepte haben mich sehr beeinflusst. Die Anregung und Kritik meines Vaters haben mir dazu verholfen, ein besserer Autor zu werden.
Können Sie sich vorstellen, mit jemandem verheiratet zu sein, der ein Buch mit dem Titel Ich lieb’ dich nicht, wenn du mich liebst schreibt? Meg war nicht nur meine erste Anlaufstelle, sondern auch meine Testpilotin für die Strategien zur Überwindung der paradoxen Formen der Liebe. Ich bin glücklich, mit ihr verheiratet zu sein, und glücklich, weil wir unsere beiden Jungs, Patrick und Drew, haben.
Die Ko-Autorin möchte Sandy Dijkstra für ihren Scharfsinn und ihr Vertrauen, Dean, weil es wundervoll war, mit ihm zu arbeiten, und ihrem Ehemann Bob Burkey für seine Anregungen und seine Liebe danken.
Hermia: Er liebt mich stets, trotz meiner finstern Mienen.Helena: O lernte das mein Lächeln doch von ihnen!Hermia: Ich fluch’ ihm, doch das nährt sein Feuer nur.Helena: Ach, hegte solche Kraft mein Liebesschwur!Hermia: Je mehr gehasst, je mehr verfolgt er mich.Helena: Je mehr geliebt, je ärger hasst er mich.
William Shakespeare,Ein Sommernachtstraum1. Akt/1. Szene
Wo Liebe herrscht, existiert der Wille nach Macht nicht;und wo Macht vorrangig da ist, fehlt die Liebe.Das eine ist der Schatten des anderen.
Carl Gustav Jung
Vor ein paar Jahren lernte ich auf einem Inlandsflug zufällig eine zukünftige Klientin kennen. Sie war sehr gut gekleidet und attraktiv – anscheinend eine berufstätige Frau. Ich schätzte sie auf etwa siebenunddreißig Jahre. Als sie sich neben mich setzte, fiel mir ihr verwirrter, besorgter Gesichtsausdruck auf. Sie war jemand, der »mit einem Menschen reden musste«.
Ich war auf dem Weg nach New York, um dort einen Vortrag über einen psychologischen Test, den ich entworfen hatte, zu halten. Ich hatte mir vorgenommen, während des Fluges noch ein paar Korrekturen vorzunehmen, sodass ich froh war, dass meine Nachbarin kein Gespräch mit mir anfing. Stattdessen zog sie ein bekanntes Buch über Probleme in der Partnerschaft aus ihrer Reisetasche. Ich wurde neugierig, weil dieses Thema von speziellem Interesse für mich war.
Während des Mittagessens unterhielten wir uns ein wenig. Liz war Finanzanalystin und musste oft beruflich an die Westküste reisen. Mich interessiert immer, wie Menschen auf meinen Beruf reagieren. Manche sagen nichts mehr, manche werden ein wenig reizbar, und andere schütten offen ihr Herz aus. Liz gehörte zur letzten Gruppe. Interessanterweise wollte sie wissen, ob ich mit der Arbeit des Autors, dessen Buch sie gerade las, vertraut war. Ich bejahte ihre Fragen und fügte hinzu, dass ich gern erfahren würde, welchen Eindruck sie davon hätte. Damit begann eine Unterhaltung, die mich völlig veränderte.
Liz sagte:
»Ich habe das Gefühl, dass dieses Buch nur für mich geschrieben wurde. Es ist irgendwie unheimlich.«
Ich fragte sie wieso. Sie hob das Buch hoch und sagte:
»Ich stecke mitten in einer Beziehungskrise. Ich bin zwischen zwei Männern hin- und hergerissen, meinem Ehemann … und einem Mann, mit dem ich an der Westküste zusammenarbeite. Ich könnte die Wände hochgehen. Mein Mann, Nate, ist der netteste Mensch der Welt. Er ist Arzt. Er würde alles für mich tun. Nach zwölf Jahren Ehe schenkt er mir immer noch ohne besonderen Anlass Rosen, und er erinnert sich an alle besonderen Tage, zum Beispiel an den Jahrestag unserer ersten Begegnung. Das verursacht mir große Schuldgefühle, denn obwohl ich ihn liebe, verliere ich schnell die Geduld mit ihm. Und ich fühle mich noch schlechter, weil er alles, was ich ihm antue, erträgt und immer netter und netter wird. Besonders in letzter Zeit, wo ich es nun wirklich nicht verdiene.«
Mir fiel auf, dass ihre Stimme gepresster klang, als sie über ihren Mann und ihre Ehe sprach. Aber als sie über ihren Geliebten redete, änderte sich ihre Haltung völlig. Plötzlich sprach sie voller Eifer – zumindest anfangs.
»Ich lernte Doug vor einem Jahr kennen. Er ist unser Berater an der Westküste. Er ist jünger als ich, und Sie würden vielleicht sagen, dass er ein Kind der heutigen Zeit ist. Zuerst war ich skeptisch, als er anfing, mit mir zu flirten. Ich dachte, dass ich nicht sein Typ bin. Aber er schien es ernst zu meinen. Ich merkte, dass ich mich immer mehr in ihn verknallte, aber ich hoffte, dass es dabei blieb. Na, egal, das ging etwa vier Monate lang so. Ich war Nate nie untreu, und deshalb dachte ich schließlich: Zum Teufel, fang mit Doug was an – nur ein kleiner Seitensprung. Doch nachdem ich mit ihm zusammen ein paar Reisen unternommen hatte, erkannte ich, dass es etwas mehr war als nur ein Seitensprung. Doug ging mir nicht mehr aus dem Kopf, und ich rief ihn sehr oft vom Büro aus an. In unserem Büro gibt es eine junge Frau, die auch Analystin ist. Eines Tages wurde sie an die Westküste geschickt, und ich wurde verrückt vor Eifersucht, weil ich glaubte, dass sie sich auch in Doug verlieben müsste.«
Ich entgegnete das, was von mir erwartet wurde – dass das für sie eine ziemlich nervenaufreibende Zeit gewesen sein musste. Sie lächelte ironisch.
»Meine Eifersucht erwies sich als grundlos, und Doug und ich kamen uns sehr nahe. Mir wurde himmelangst. Ich fühlte mich entsetzlich. Ich hatte einen Ehemann, von dem andere Frauen nur träumen können, und Sie haben ja gehört, was ich ihm angetan habe. Ich habe immer wieder beschlossen, mit Doug Schluss zu machen, aber sobald ich ihn sah, litt ich unter einer Art Gedächtnisschwund. Ich dachte immer nur daran, wie sehr ich ihn liebte. So ging das sieben Monate weiter. Schließlich fing ich an zu glauben, dass Doug und ich vielleicht wirklich füreinander bestimmt waren. Ich habe keine Kinder, und deshalb bin ich nicht an New York gebunden. Es wäre leicht für mich gewesen, mich in unser kalifornisches Büro versetzen zu lassen. Doug verhielt sich mir gegenüber etwas distanzierter, deshalb dachte ich, ich sollte besser schnell handeln.«
Sie machte eine Pause. Der bekümmerte Gesichtsausdruck, den ich schon vorher an ihr gesehen hatte, kehrte zurück.
»Also brachte ich ihm klassische goldene Manschettenknöpfe mit. Ich hatte mir fest vorgenommen, ihm meine Idee mitzuteilen. Aber Doug war reservierter als je zuvor. Er fragte mich, was ich wollte, und das verwirrte mich völlig. Ich sagte nur, dass es schön wäre, wenn wir mehr Zeit miteinander verbringen könnten. Er erwiderte: ›Manchmal ist es am besten, man geht, wenn es am schönsten ist.‹ Mir war zumute, als ob Eiswasser durch meine Adern flösse. Ich tat so, als hätte er einen Witz gemacht. Aber ich bin mir fast sicher, dass er eine andere kennengelernt hat. Ich sage Ihnen – ich bin reif für die Irrenanstalt.«
Wir redeten noch ein bisschen. Dann fragte ich Liz, ob das Buch ihr in ihrer Lage helfen würde.
»Es zeigt mir wirklich, warum meine Beziehungen so verfahren sind. Jetzt weiß ich, dass alles aus meiner Angst vor emotionaler Nähe resultiert. Deshalb habe ich meinen Mann all diese Jahre auf Armeslänge von mir ferngehalten. Und ich weiß auch, dass ich auf eine ungesunde Art und Weise von Doug abhängig bin. Meine Eltern haben mich wahrscheinlich so erzogen, dass ich mir immer die falschen Partner aussuche – obwohl ich als Kind sehr glücklich war. Das basiert alles auf einem geringen Selbstbewusstsein und dem Verlangen, mich zu bestrafen – vielleicht weil meine Eltern zu liebevoll waren und ich nicht damit umgehen konnte …«
Viele Menschen machen eine Therapie, weil sie Beziehungsprobleme haben. Ich hatte mich schon seit Langem darüber gewundert, dass es so schwierig ist, dauerhaften Genuss in der Liebe zu finden, und dass man oft nur Schmerz erfährt. Es scheint nur eine Art perversen Sinn zu geben, dass Liebe, die schönste menschliche Emotion, zugleich auch die größte Strafe sein kann.
Als ich zuhörte, wie Liz sich in Stücke zerpflückte, spürte ich, dass in mir ein neues Interesse erwachte. Hier war eine sehr kluge und attraktive Frau, die sich selbst als emotionalen Müll definierte. Einerseits klang sie wie jemand, der Angst vor einer Bindung hat, weil sie vor wirklicher Nähe in ihrer Ehe zurückschreckte. Andererseits verhielt sie sich bei Doug wie eine »Frau, die zu sehr liebte«, und war abhängig von einem lieblosen Mann. Mit anderen Worten – die Selbsthilfebücher boten ihr genau gegensätzliche Diagnosen an. Aus dem, was sie über ihre Eltern berichtete, zog ich den Schluss, dass sie mit einer sehr fürsorglichen Familie gesegnet war, nicht mit dem Typ einer dysfunktionalen Gruppe, die die Ursache dafür sein kann, dass man üble Verhaltensmuster in der Partnerschaft bis zum Erwachsensein mitschleppt.
Ich hatte ehrliches Mitgefühl mit Liz. Liebe kann einen wirklich verrückt machen. Und es ist egal, ob die Beziehung neu ist oder schon lange andauert. Die Angst vor Zurückweisung zum Beispiel kann die Ursache für niedriges Selbstwertgefühl, extreme Angst, Überreaktionen und eine Besessenheit bezüglich der geliebten Person, die die junge Liebe übertrifft, sein.
Wenn andererseits Ihre Liebe anfängt zu verblassen, dann könnten Sie gefühllos werden. Sie könnten sich darum sorgen, dass Sie unfähig sind zu lieben, oder Sie könnten schwere Schuldgefühle entwickeln.
Ich habe all diese Gefühle gehabt, genau wie Liz und ebenso wie jeder, mit dem ich sprach und der schon einmal verliebt gewesen ist. Anscheinend sind diese sehr intensiven Gefühle ganz normal.
Aufgrund ihrer Situation erlebte Liz beide Seiten der Liebe zur selben Zeit. Kein Wunder, dass sie emotional daran zerbrach. Mich verblüffte, dass sich ihr gesamtes Verhalten von einem Augenblick zum anderen entscheidend veränderte – je nachdem, über welchen Mann sie sprach. Die Dynamik in einer Partnerschaft ist so stark, dass man buchstäblich umgekrempelt wird. Die Art der Veränderung hängt davon ab, auf welcher Seite der Liebe Sie gerade stehen – das heißt, ob Sie die Gefahr spüren, zurückgewiesen zu werden, oder ob Sie spüren, dass Sie Ihren Partner abweisen.
Ich hatte den Schluss gezogen, dass die emotionelle Dynamik romantischer Beziehungen – wegen ihrer Kraft und ihrer Vorhersehbarkeit – unter eigenen Gesichtspunkten gesehen werden sollte. Doch die Literatur über Liebes- und Beziehungsprobleme zeigt, dass niemand je diesen Blickwinkel beibehalten hat. Unser Verhalten in intimen Beziehungen wird stets als Barometer für irgendetwas anderes gesehen – meistens dafür, wie es uns als Kindern ergangen ist. Zum Beispiel führte Liz ihre Partnerschaftsprobleme auf persönliche Unzulänglichkeiten zurück, die auf ihrer Kindheit gründeten. Aber es gab nichts, was bei ihr nicht »stimmte«. Es war nur falsch, dass sie so willig die Schuld auf sich nahm. Und für mich war noch schlimmer, dass das Buch sie anscheinend darin auch noch bestärkte.
Ich sagte Liz, dass es einfach einige eingebaute Probleme bei der Liebe gibt. Probleme, die bestimmte Verhaltensmuster zutage treten lassen, die leicht als pathologisch bezeichnet werden können, die aber ganz normal, vorhersehbar und allgemeingültig sind. Das Gespräch mit Liz hatte mir deutlich gemacht, dass es notwendig war, diese Auffassung weiträumig bekannt werden zu lassen. Liz half mir, in meinem Kopf Folgendes herauszukristallisieren:
Wir, die »Therapeuten«, sollten nicht automatisch Partnerschaftsprobleme als Symptome emotionaler Fehlfunktionen, die in der Kindheit begründet sind, ansehen.
Die normalen, allgemeinen Probleme mit der Liebe zu pathologisieren kann ausgesprochen destruktiv sein. Man wird dann sehr pessimistisch, weil man glaubt, nicht in der Lage zu sein, eine Beziehung zu verändern oder eine befriedigende Partnerschaft zu erleben. Man fühlt sich gefangen in schlechten Beziehungsgleisen. Das Pathologisieren ist unzulässig, weil es die Summe der nicht erkannten Beziehungsdynamik nicht miteinbezieht.
Mir erschien es wichtiger als je zuvor, dass man effektiver mit Beziehungsproblemen umging. Nie zuvor hat es eine solche psychologische Bücherschwemme gegeben – man denke nur an die unzähligen Selbsthilfebücher des letzten Jahrzehnts! Aber ich gelangte immer mehr zu der Überzeugung, dass viele dieser Bücher mehr Schaden anrichteten als nützten mit ihren pathologisierenden und oft widersprüchlichen Aussagen. Die Tatsache, dass Bücher über Beziehungen so lebhaften Zuspruch fanden, bewies, dass wir nie zuvor so verloren im Umgang mit unseren Lebenspartnern oder so hungrig nach Anleitung waren.
Als ich damit anfing, den vorherrschenden Ansatz zur Lösung von Beziehungsproblemen zu hinterfragen, wandte ich mich den Grundlagen zu. Ich beschrieb für mich so einfach wie möglich, was in den Beziehungen meiner Patienten (und, wie ich zugeben muss, in meiner eigenen) den größten Ärger verursacht. Folgendes blieb übrig: Ein Partner in der Beziehung liebt mehr (oder investiert emotional mehr) als der andere. Und je mehr Liebe der liebende Partner vom anderen will, desto weniger meint der andere zu geben.
Ich hatte einen Zustand des Ungleichgewichts beschrieben, bei dem sich der mehr liebende Partner in etwas befand, was ich als die »Position des Unterlegenen« bezeichnete, während sich der weniger liebende Partner in einer »überlegenen Position« befand. Ich wusste aus Erfahrung, dass sowohl Männer als auch Frauen die Position des Unter- wie auch die Position des Überlegenen zu verschiedenen Zeiten einnahmen. Deshalb schien es mir, als ob man durch die derzeitige Beschäftigung mit Frauen als Opfer falscher Behandlung durch Männer eine wichtige Tatsache aus den Augen verlor: dass nämlich auch Frauen Herzen brechen können.
Ich hatte auch den Schluss gezogen, dass nahezu jedermann die zwei Seiten der Liebe auf gleiche Weise erfährt. Es ist egal, ob Ihre Mutter Sie angebetet oder ignoriert hat oder ob Ihre Kindheit nun glücklich oder schlecht war. Niemand – selbst eine »emotional gesunde« Person nicht – ist vor Liebeskummer gefeit, wenn die Liebe aus dem Gleichgewicht gerät. Das verwirrte Individuum kann sich natürlich häufiger in ungleiche Beziehungen verstricken, und die gesündere Person könnte sich schneller davon erholen und mehr daraus lernen. Aber Liebe kann jeden kaputt machen.
Als ich so weit gekommen war, merkte ich, dass es ein »fehlendes Glied in der Kette« zwischen diesem Ungleichgewicht emotionaler Verstrickung und einer Fehlfunktion in der Beziehung gab. Was ich an diesem emotionalen Angelpunkt fand, war ein Paradox, ein Widerspruch, der erklärt, warum es uns so schwerfällt, dieses Problem zu erkennen.
Lassen Sie uns zu Liz’ Situation zurückkehren. Bei ihrem Mann war Liz die Überlegene. Die Erklärung für das Ungleichgewicht lag in Nates »Werbeverhalten« und Liz’ entgegengesetzter Reaktion auf den Wunsch, sich von ihm zu entfernen – bis zu dem Punkt, an dem sie sich fragte, ob sie ihn liebte. Sie wusste, dass sie nicht mehr in ihn verliebt war, und hatte auch kein sexuelles Verlangen nach ihm.
»Das war ganz anders, als wir jung verheiratet waren. Nate war mein Arzt; er ist vierzehn Jahre älter als ich. Er lebte in einer sehr traditionellen Ehe mit einer ihm ergebenen Frau. Ich sah in ihm mein Idol. Schließlich war er älter und Arzt. Aber nach den ersten Jahren merkte ich, dass wir Probleme hatten. Er war daran gewöhnt, eine hingebungsvolle Frau zu haben, und ich beschloss, meinen Magister zu machen. Er mochte meine Freunde nicht, und mir gefielen seine auch nicht besonders. Ich wollte ein Kind und er nicht. Später wollte er ein Kind, aber ich nicht mehr. Und doch ist er so liebevoll zu mir. Wir haben wundervolle Zeiten zusammen erlebt, und es besteht wirklich eine enge Bindung zwischen uns.«
Ich sagte ihr, dass das so klänge, als ob sie ihre Ehe akzeptieren könnte.
»Das tat ich, bis ich Doug kennenlernte. Jetzt dreht sich mein Leben um etwas ganz anderes. Davor habe ich mich auf meine Karriere konzentriert und darauf, genau die richtige Tischdecke zu finden. Jetzt fühle ich mich, als ob ein verloren geglaubter Teil von mir erwacht wäre. Und er hat Besitz von mir ergriffen. Ich muss kämpfen, um meinen Job zu erledigen. Und ich glaube, Nate vermutet irgendetwas.«
Die Beziehung zu Doug war wie ein Spiegelbild von Liz’ Beziehung zu ihrem Mann. Nate war emotional total auf sie fixiert, während sie Doug zu ihrem emotionalen Mittelpunkt gemacht hatte. Bei Nate fühlte sie sich ruhelos, gleichgültig, und sie war nicht gerade liebenswürdig – und sie fühlte sich schuldig, weil sie so empfand. Bei Doug war sie leidenschaftlich, ängstlich und sehr verliebt.
Ich sagte Liz, dass Verliebtsein eine zentrale Erfahrung – ein Verlust der Kontrolle – ist. Und das erzeugt Angst. Sie stimmte mir zu.
»Wissen Sie, die ersten Male mit Doug waren großartig. Ich fühlte mich wie neugeboren. Dann wurde ich nervös. Ich fing an, mich zu fragen, welche Gefühle Doug mir entgegenbrachte, und ich hatte Angst davor, den falschen Schritt zu machen oder etwas Falsches zu sagen.«
Liz’ Ängstlichkeit war in der Furcht des Unterlegenen vor Zurückweisung begründet. Ganz anders als in ihren anderen Lebensbereichen fühlte sie sich in ihrer neuen Liebesaffäre machtlos, verwundbar, unsicher und wenig standfest (natürlich war sie auch wahnsinnig verliebt). Zu Beginn der meisten Romanzen empfinden beide Partner so.
Die »Unterlegenen« haben es schwerer. Da sie unsicher sind und eine gewisse Kontrolle zurückerlangen wollen, geben sie sich Mühe, ihre »Anziehungskraft« zu verstärken. Die grundlegenden Rituale der Werbung bestehen aus einer gesteigerten Selbstdarstellung: Man trägt die modischsten Kleider, verbringt Stunden vor dem Spiegel, denkt darüber nach, welche geistreichen Dinge man sagen will, verbessert die Kochkünste, gibt großzügig Geld für Geschenke, Essen im Restaurant und Amüsements aus – kurz: Man macht sich so begehrenswert wie möglich. Liz erzählte lachend, dass sie ein Monatsgehalt für teure Kosmetika und Cremes ausgegeben haben musste, seit sie sich mit Doug traf.
Das Ziel all dieser Anstrengungen besteht darin, emotionale Kontrolle über eine geliebte Person zu erlangen, damit man keine Angst vor Zurückweisung haben muss. Das bedeutet, ihre oder seine Liebe zu gewinnen.
Aber es gibt einen Stolperstein. Wenn Sie der Person, die Sie wollen, zu begehrenswert erscheinen – bis zu dem Punkt, an dem sie ganz klar verliebter in Sie ist als Sie in sie –, wird Ihre Beziehung aus dem Gleichgewicht geraten. Sie werden der oder die Überlegene. Und Sie werden, wenn die Distanziertheit Ihres Partners Ihnen Angst macht, der Unterlegene. Und hier war das fehlende Glied in der Kette, das ich suchte.
Der starke Drang, eine andere Person für sich zu gewinnen, um sie emotional zu kontrollieren, birgt die Gefahr, eine Beziehung aus dem Gleichgewicht zu bringen. Und das ist so, weil das Gefühl, verliebt zu sein, biochemisch mit dem Gefühl, keine Kontrolle mehr zu haben, verbunden ist. Wenn man erst einmal alles unter Kontrolle hat oder sich der Liebe einer anderen Person sicher ist, schwindet die Leidenschaft. Die Herausforderung, der emotionale Funke, die Erregung sind vorbei.
Natürlich wissen wir alle, dass das trunkene, herrliche Gefühl neuer Liebe nicht ewig dauern kann. In einer ausgeglichenen Partnerschaft gelangen die Partner, nachdem die anfängliche Leidenschaft verraucht ist, in eine Phase dauernder Intimität und Wärme. Aber wenn ein Partner mehr liebt als der andere, kann das Verhaltensmuster zwischen ihnen auslösen, die Schmerz verursachen.
Das war bei Liz und Nate der Fall. Nachdem bei Liz die anfängliche Bewunderung für ihn verblasst war, verfolgte sie andere Interessen, statt sich auf ihn zu konzentrieren. Deshalb spürte Nate, dass ihm die Sicherheit in der Beziehung entglitt. Und das bescherte ihm das Gefühl, weniger Kontrolle über Liz zu haben, und er liebte sie noch mehr. Seine liebevollen Aufmerksamkeiten waren Versuche, ihre Liebe zu gewinnen und die Angst vor Zurückweisung zu mildern. Aber seine »übermäßige Kontrolle« bewirkte das Gegenteil, denn sie gab Liz das Gefühl, die Beziehung noch stärker in der Gewalt zu haben. Sie wurde so weniger herausgefordert und liebte ihn wahrscheinlich weniger.
Doch wenn Ihr(e) Geliebte(r) erfolgreich dabei ist und Ihre Liebe erringt, so wie es bei Doug der Fall war, fühlen Sie sich unsicherer und noch verliebter. Dann sehnen Sie sich nach mehr Nähe und Kontrolle. Aber das bringt den Überlegenen dazu, sich aus der Beziehung zurückzuziehen. Diese Reaktion wiederum steigert die Unsicherheit und das Bedürfnis nach Nähe des Unterlegenen und die Sicherheit und Unzufriedenheit des Überlegenen.
Wie es Liz’ Beispiel zeigte, kann eine solch paradoxe Situation jederzeit in einer Beziehung entstehen. Das kann eine junge Romanze zum Scheitern bringen oder eine langfristige Beziehung behindern. Es kann durch verschiedene Quellen der Ungleichheit verursacht werden: Anziehungskraft, situationsbedingte Faktoren, Rollenverteilung oder Unzulänglichkeiten der Persönlichkeit. All das werden wir nachprüfen. Aber ganz gleich, wo die Ursachen liegen, und ganz gleich, wie offen oder verdeckt sie in einer Beziehung vorhanden sind – diese paradoxen Formen der Leidenschaft fordern ihren Zoll, weil sie wahre Intimität vortäuschen.
Offenbar hat es dieses Paradox schon immer gegeben. Das vielleicht beste Beispiel dafür bietet Anna Karenina, Tolstois großer Roman und mein liebstes belletristisches Buch. Die Liebenden, Anna und der junge Graf Wronski, erreichen bewundernswerte Höhen der Leidenschaft – teilweise deshalb, weil die Umstände es ihnen verwehren, sich wirklich zu besitzen. Doch als Anna von Wronski ein Kind erwartet und ihren Mann verlässt, nimmt Wronskis Leidenschaft ab. Das erzeugt in Anna eine nagende Unsicherheit, die ihre Leidenschaft zu eifersüchtiger Besessenheit wandelt, und das führt zu einem tragischen Ende.
Diese universelle Dynamik gab es immer schon, und es wird sie immer geben. Aber heute, da wir im Zeitalter geschiedener Ehen leben, tendieren wir dazu, viele romantische Beziehungen zu haben – und das bedeutet viele Hiebe durch die paradoxen Seiten der Leidenschaft. Ich habe Patienten kennengelernt, die sich, nachdem sie einmal zu oft verletzt worden waren, in chronische Überlegene verwandelt und emotional abgekapselt haben. Ich habe Karrierefrauen kennengelernt, die ihre Heirat bis Mitte dreißig verschoben, dann in Panik gerieten und sich selbst als Unterlegene auf dem Heiratsmarkt feilboten. Ich habe ungeheuren Zynismus sowohl bei Männern als auch bei Frauen erlebt, wenn es darum ging, eine erfüllte, dauerhafte Beziehung zustande zu bringen. Und zwischen den Extremen Bedürftigkeit und Zynismus gab es Ambivalenz und Verwirrung. Menschen wissen nicht, warum ihre liebevollen und lieblosen Verhaltensweisen zu besonderen Resultaten in ihren Beziehungen führen. Sie wissen nicht, warum sie bestimmte Gefühle für einen Partner oder in einer Beziehung haben. Oder – noch schlimmer – sie erklären sich und ihre Beziehungen für krankhaft, wobei sie dann die neuesten populärpsychologischen Schlagworte benutzen.
Mich störte nicht nur die pathologisierende Botschaft der Bücher über Partnerschaft, sondern ich wusste auch aus meiner Erfahrung als Eheberater, dass sich die herkömmlichen Therapien bei problematischen Beziehungen als gefährlich erweisen konnten. Ein Paar kommt beispielsweise und sucht Hilfe. Ein Partner fühlt sich vernachlässigt und wünscht sich mehr Aufmerksamkeit vom anderen, aber der andere fühlt sich emotional überfordert und möchte Distanz halten. Der Standardrat lautet nun dahingehend, dass man das Paar auffordert, mehr gemeinsam zu unternehmen. Aber dem distanzierten (oder überlegenen) Partner mehr Nähe aufzudrängen überfordert ihn noch stärker und schiebt ihm/ihr auch die Schuld zu (er/sie sollte mehr lieben). Die Resultate dieses Therapieansatzes sind oft kurzlebig oder schaden der Therapie.
Andererseits war ich überzeugt davon, dass eine Beziehung verstärkt werden konnte, wenn man an diesen Problemen im richtigen Rahmen arbeitete. Meine Patienten reagierten positiv auf den Gedanken, dass die paradoxen Seiten der Leidenschaft und Liebe die wirklich Schuldigen in ihren Beziehungen waren. Ich erklärte ihnen, dass keiner der beiden Partner das Ungleichgewicht verschuldet hatte, das zwischen ihnen herrschte. Wir nahmen uns vor, gemeinsam daran zu arbeiten, den Ursprung oder die Quellen des Ungleichgewichts zu entdecken und die Techniken zu benutzen, die ich entwickelt hatte, um sie zu korrigieren.
Wir können die Probleme anderer Beziehungen hervorragend diagnostizieren, aber wenn es um unsere eigene Partnerschaft geht, sind wir nicht so scharfsinnig. Um festzustellen, ob Sie in einer paradoxen Beziehung leben, sollten Sie die folgenden Fragen beantworten.
Ist ein Partner eifersüchtiger als der andere?
Ist es typisch, dass ein Partner auf einen Anruf oder die Heimkehr des anderen wartet?
Ist ein Partner der »Böse« und der andere der »Gute«?
Unternimmt ein Partner größere Anstrengungen, um ein Gespräch anzufangen oder die Kommunikation aufrechtzuerhalten?
Sagt ein Partner öfter »Ich liebe dich« als der andere?
Ist ein Partner nach dem Sex weniger zärtlich als der andere?
Möchte ein Partner mehr »an der Beziehung arbeiten« als der andere?
Tendiert einer der Partner dazu, sich auf Partys vernachlässigt zu fühlen, während der andere sich unnatürlich (oder zeitweise) befreit fühlt?
Beschäftigt sich ein Partner mehr mit der beruflichen Karriere als der andere?
Empfindet einer der Partner die Beziehung als unsicher und ist ängstlich, während der andere sich sicher ist?
Zeigt sich einer der Partner entsetzt oder beschämt über das Verhalten des anderen in der Öffentlichkeit?
Wenn Sie nicht verheiratet sind – schneidet einer der Partner das Thema Bindung und Ehe öfter an als der andere?
Wenn Sie verheiratet sind – spricht einer der Partner öfter über den Wunsch, Kinder zu haben, als der andere?
Wird einer der Partner während eines Streits als »egozentrisch«, »selbstsüchtig« und »uneinsichtig« bezeichnet, während der andere beschuldigt wird, »besitzergreifend«, »klammernd« und »fordernd« zu sein?
Wenn Sie einige dieser Fragen bejaht haben, birgt Ihre Beziehung Elemente des Ungleichgewichts. Je mehr Sie bejaht haben, desto größer ist das Ungleichgewicht.
Natürlich gibt es sogar in ausgeglichenen Partnerschaften Phasen des Ungleichgewichts und der paradoxen Szenen. Aber Paare, die in einer ausgeglichenen Beziehung leben, haben wesentlich mehr zu gleichen Teilen in die Beziehung investiert. Das bewahrt sie davor, zu weit aus der Gemeinsamkeit mit dem anderen zu rutschen – ausgenommen sind extrem unausgeglichene Situationen.
Wir wollen uns jetzt den Wurzeln der Beziehungsprobleme zuwenden. Wir werden klären, warum die starke Dynamik der Liebe uns in die Position des Über- und des Unterlegenen locken kann, wobei wir uns oft auf eine Art benehmen, die uns missfällt und die außerhalb unserer Kontrolle liegt.
Als unser Flugzeug zur Landung ansetzte, machte Liz eine Bemerkung, die ich interessant fand:
»Ich glaube, dass das, wovon Sie reden, so verbreitet, so offensichtlich ist, dass es gar nicht bemerkt wird.«
Es steht viel auf dem Spiel. Erfolg in der Liebe ist eine der Grundvoraussetzungen für ein glückliches Leben. Dieses Buch ist geschrieben worden, um dieses Glück in Reichweite zu bringen und um das Unsichtbare sichtbar zu machen.
Wenn man sich verliebt, ändert sich das Leben über Nacht von Schwarz-Weiß zu Farbe. Junge Liebe beeinflusst die Denkweise, die Gefühle und das Verständnis. Sie bringt unsere Gedanken durcheinander, verstärkt Emotionen, verschönert alles, was wir sehen, und in unserem Hirn werden starke Hormone freigesetzt, die gute Laune erzeugen.
Ich bitte meine Klientenpaare immer darum, darüber zu sprechen, was sie empfanden, als sie sich ineinander verliebt hatten. Das ist eine sehr nützliche Übung, weil es sie an eine wichtige Tatsache erinnert, die in schlechten Zeiten leicht vergessen wird – dass sie in der Lage sind, einander große Freude und großes Vergnügen zu schenken. Ich frage gern nach den kleinsten Einzelheiten über die Zeit der Werbung, weil das sehr viel darüber aussagt, warum zwei Menschen zusammen sind, und weil darin auch oft die Saat dafür enthalten ist, was sie nun auseinanderbringt. In den meisten meiner Fälle finden sich frühe Anzeichen für ein Ungleichgewicht. Das ist eine entscheidende Entdeckung, denn – wie die Mediziner sagen – »die Diagnose ist die halbe Behandlung«.
Ich habe die folgenden Paare ausgesucht, weil bei ihnen so viel über die Dynamik der Anziehung enthüllt wird.
Paul, 35, ist Anwalt, der sich auf Steuerrecht spezialisiert hat. Er spricht sehr präzise – so, als ob er den emotionalen Tumult, den er empfand, als er sich in Laura, eine Frau, die ihm extremes Glück, extreme Verzweiflung und extreme Verwirrung bescherte, verliebte, verbergen wollte.
»Ich lernte sie kennen, als sie das erste Mal in die Kanzlei kam. Sie war so attraktiv, dass es mir gar nicht in den Sinn kam, mich ernsthaft für sie zu interessieren. Ich erinnere mich noch genau an den Augenblick, als eine Romanze möglich schien. Sie saß während einer Personalbesprechung neben mir, und ein anderer Anwalt und ich stritten über die Strategie in einem Fall. Sie beugte sich zu mir und flüsterte: ›Bahn frei, Becker.‹ Ihr Aussehen, ihr Parfum, ihre Unterstützung, ihr Humor, ihre natürliche Freundlichkeit … das traf mich alles wie ein Blitz. Ich war seit Längerem ohne Beziehung, und es war, als ob eine Mauer anfing zu bröckeln.«
Laura, 28, eine große, ausnehmend hübsche Frau mit glänzendem dunklen Haar, hatte es genau so geplant. Sie hatte ein Auge auf Paul geworfen, weil ihr seine Aura von Autorität und die Art, wie er sich gab, gefiel.
» … nicht der Aufreißertyp. Ich möchte nicht eingebildet klingen, aber ich hatte es satt, dass die Männer hinter mir her waren. Paul war sehr zurückhaltend. Ich war neugierig darauf, wie er als Liebhaber ist. Es hat mich interessiert, weil er so klug, so selbstbewusst war und weil er vom Rest der Belegschaft respektiert wurde. Sicher, er sah wie ein Professor und ein wenig altmodisch aus, aber das hatte einen gewissen Charme.«
Wie viele Paare kannten sich Paul und Laura nicht sehr gut, als sie sich aufeinander stürzten. Aber das, was sie voneinander hielten, war begründet und romantisch gefärbt.
Deborah, 33, eine blonde Kunstlehrerin, die sich kleidet wie eine Malerin, lernte Jonathan bei der Party eines gemeinsamen Freundes kennen. Deborah hatte einige »ernste und halbernste« Beziehungen hinter sich, und sie war unglücklich, weil sie sich immer wieder in einer Liebesaffäre »verlor«. Sie hatte beschlossen, ein Jahr allein zu bleiben und sich – in der Hoffnung, eine Ausstellung arrangieren zu können – auf die Malerei zu konzentrieren.
Jonathan, ein Dachdeckermeister, beschäftigte in seinem kleinen, aufstrebenden Unternehmen mehrere Angestellte. Er war Anfang vierzig, einmal verheiratet und besaß einen Universitätsabschluss in Philosophie. Deborah erinnerte sich an die Zeit, als sie sich kennenlernten:
»Zuerst war ich nicht sonderlich beeindruckt von Jonathan. Vom Körperlichen her war er nicht mein Typ – zu groß und dünn, außerdem mag ich keine Bärte. Aber irgendetwas zog mich an, nämlich die Tatsache, dass er sehr nachdenklich und aufrichtig zu sein schien. Ich sagte ihm ins Gesicht, dass ich kein Interesse daran hätte, mich mit ihm zu verabreden, aber er überredete mich zu einem ›freundschaftlichen Dinner‹ mit ihm. Dabei erzählte er mir von seiner niederschmetternden Ehe – seine Frau hatte ihn wegen eines anderen verlassen – und sagte, dass ich seit Jahren die erste Frau sei, für die er sich interessiere. Ich fühlte mich geschmeichelt, fand ihn aber immer noch nicht besonders anziehend. Aber er schien nett und solide zu sein, sodass ich einwilligte, ihn wiederzusehen.«
Ich fragte Deborah, ob ich Jonathan bitten könnte, allein mit mir zu sprechen. Sie stimmte zu. In einer der beiden Sitzungen mit Jonathan fragte ich ihn, was ihn ursprünglich an Deborah angezogen hatte.
»Ich bin kein eifriger Partybesucher, und tatsächlich wollte ich gerade gehen, als ich Deborah sah. Mir gefiel die Art, wie sie sich kleidete – sehr kreativ –, und ich witterte einen verwandten Geist. Sie war zurückhaltend, aber das war in Ordnung. Ich mag keine Frauen, die gleich auf einen zugehen oder es nötig zu haben scheinen. Nach dem Dinner war ich ziemlich aufgeregt, denn mein erster Eindruck hatte sich bestätigt. Und ich war begeistert, als sie einwilligte, mich wiederzusehen, weil sie ja vorher gesagt hatte, dass sie sich nicht verabreden wollte.«
Es ist nicht ungewöhnlich, dass ein einseitiges Interesse – wie das von Jonathan – romantische Gefühle in jemandem entfacht, der anfänglich – wie Deborah – indifferent war. Deshalb kann die Aussicht auf emotionale Erfüllung durch eine Romanze so zwingend sein.
Im Gegensatz zu den anderen beiden Paaren waren Beth und Miles schon verheiratet, als sie zu mir kamen. Sie hatten sich vier Jahre zuvor kennengelernt – kurz nachdem Miles eine Anstellung als Manager eines großen, aber kaum besuchten Restaurants bekommen hatte. Er richtete das Lokal neu ein und engagierte eine neue Küchenbrigade. Diese Veränderungen waren ausgesprochen erfolgreich. Ein Bestandteil dieser Wende war eine sorgfältig konzipierte Werbekampagne, die von Beth, Angestellte einer Werbeagentur, entwickelt worden war. Beth, 35, hatte ein Jahr zuvor eine ernste lange Beziehung beendet und verabredete sich gelegentlich mit einem Mann. Miles, 32, war ein stadtbekannter Junggeselle.
Beth erinnerte sich an ihr erstes Treffen, das in ihrem Büro stattfand.
»Miles haute mich um. Er war ein bisschen frech, aber sein Verstand schien auf sechs Ebenen gleichzeitig zu arbeiten, und sein Gespür für Trends war unheimlich. Mir gefiel sein Äußeres sehr – gut aussehend, aber ein klein wenig extravagant. Er trug eine Krawatte, die mit kleinen Booten bedruckt war. Das Beste aber war – und das überraschte mich –, dass er in sich zu ruhen schien. Er bestand darauf, dass ich nach der Arbeit ins Restaurant kam, um die Kampagne mit ihm zu besprechen, und spätabends liebten wir uns dann wie verrückt auf der Couch in seinem Büro. Ich versichere Ihnen, dass das nicht typisch für mein Verhalten bei Kunden ist.«
Miles sagte über Beth:
»Die Verbindung war sofort da – beidseitig, mental, körperlich und gefühlsmäßig. Beth war zuerst sehr sachlich, aber ihr Sinn für Humor trat zutage, als wir uns näher kennenlernten. Das stand im starken Kontrast zu ihrem adretten Geschäftskostüm, aber es gefiel mir. Es gab viele interessante Widersprüche an ihr, und ihre Ideen waren großartig. Nachdem ich ihr Büro verlassen hatte, musste ich ständig an sie denken.«
Meine Patienten können niedergeschlagen, ängstlich, wütend, sogar verbittert sein, wenn sie in meine Praxis kommen. Aber wenn sie über diese ersten Augenblicke der Anziehung und der Erregung sprechen, scheint in der Stimme und in den Augen neue Hoffnung aufzukeimen. Sie wissen dann, warum sie bei mir sind, und erkennen, dass es wichtig ist.
Warum zieht uns eine Person mehr an als eine andere? Wenn wir diesen Fragenkomplex auf das Grundlegende reduzieren, müssen wir uns zuerst die Bedürfnisse, speziell interpersonelle Bedürfnisse, anschauen. Interpersonelle Bedürfnisse können nur durch die Interaktion mit anderen Menschen erfüllt werden. Die Befriedigung dieser Bedürfnisse ist unerlässlich dafür, dass man sich emotional gut fühlt, und der Drang, sie zu befriedigen, ist die Triebfeder einer Vielzahl menschlicher Verhaltensweisen.
Es gibt zwei Arten von interpersonellen Bedürfnissen. Zuerst die grundlegenden, als da wären Gemeinschaft, Vertrautheit, Sex und Akzeptanz. Diese Grundbedürfnisse drängen uns dazu, uns mit anderen Menschen zu verbinden. Dem liegt unterschwellig das Ziel zugrunde, das Überleben der menschlichen Rasse zu sichern.
Die zweite Art besteht aus unseren besonderen Bedürfnissen. Jeder von uns besitzt ein detailliertes Mosaik von besonderen Bedürfnissen. Diese helfen uns bei der Suche nach einem Partner, der uns wirklich ergänzt. Diese Bedürfnisse schaffen Vorlieben bei nahezu allem – von Wertsystemen, Lesegeschmack und akzeptablen Beschäftigungen bis hin zur Haarfarbe, Sinn für Humor und sportlichen Neigungen. Sie bestimmen, welche Art von emotionalem Ambiente wir in einer Beziehung wollen – vielleicht energisch, vielleicht gelassen –, und führen uns zu Menschen, die uns dabei helfen könnten, dieses Ambiente zu gestalten.
Besondere Bedürfnisse können auf eine Vielzahl von Quellen zurückgeführt werden. Eltern und andere Einflüsse in der Kindheit formen sie stark, ebenso wie es später auch Erfahrungen und Beziehungen tun. Unsere Bedürfnisse verändern sich, so wie wir selbst wachsen und uns verändern. Sogar die kulturelle Ära spielt eine Rolle bei der Definition unserer speziellen Bedürfnisse. In den Sechzigern war beispielsweise das Image eines erfolgreichen jungen Börsenmaklers out; heute ist es in. Wenn Sie je die Heiratsanzeigen in einer Zeitung oder Illustrierten gelesen haben, dann wissen Sie, dass wir unsere persönlichen Bedürfnisse ebenso ernst nehmen (»SWF sucht vegetarischen, jüdischen, feministischen Mann …«) wie unsere Grundbedürfnisse (»der warmherzig, großzügig und reif für eine Bindung ist«).
Jeder von uns erreicht einmal das, was ich die Schwelle zur Schwärmerei nenne. Wir stoßen darauf, wenn zwei Kräfte sich einander nähern. Zuerst einmal müssen wir uns in einem Stadium des Verlangens befinden. Das bedeutet, dass wir nicht in einer erfüllten Beziehung leben und dass wir nicht glücklich mit unserem Leben sind. Manchmal weckt das Interesse von jemandem an uns schlafende Bedürfnisse, die dann nach Erfüllung verlangen.
Zweitens müssen wir Kontakt zu jemandem bekommen, der die Fähigkeit zu besitzen scheint, eine entscheidende Kombination unserer Bedürfnisse zu erfüllen. Wenn unsere Grundbedürfnisse überhandnehmen, sind wir manchmal weniger wählerisch als normalerweise. Und wenn wir Glück haben, laufen wir jemandem über den Weg, der eine ungeheure Anzahl unserer besonderen Bedürfnisse befriedigen kann, dann erleben wir die sprichwörtliche »Liebe auf den ersten Blick«.
Wir alle haben unterschiedliche Schwellen zur Schwärmerei, unterschiedliche Voraussetzungen, die festlegen, wie wir uns verlieben. Manche Menschen verlieben sich laufend, andere nur einmal; manche verlieben sich schnell, während andere es nicht können, bis sie jemanden sehr gut kennengelernt haben.
Wenn jemand die Schwelle zur Schwärmerei überschreitet, erleben wir eine plötzliche und dramatische emotionale Veränderung. Intensive Hoffnungen und intensives Verlangen werden plötzlich nur auf diese Person fixiert, und wir verspüren eine neue Erregung im Leben. Es ist, als ob eine Schleuse geöffnet worden wäre und unsere aufgestauten Emotionen nun davonflössen. Paul, der Anwalt, beschrieb seine Hingezogenheit zu Laura so, »als ob eine Mauer bröckelt«. Unser Verlangen danach, unsere Bedürfnisse zu befriedigen, erklärt, dass wir uns in Menschen, die wir kaum kennen, verlieben können.
Wenn Hingezogenheit zur Schwärmerei führt, ergreift schnell die Leidenschaft von uns Besitz. Das Wörterbuch definiert Leidenschaft als »Gefühl, das nicht über den Verstand gesteuert werden kann«. Leidenschaft überwindet die Verbindungen zwischen unserem Herzen und unserem Verstand, sodass es uns leichtgemacht wird, zu Anfang Schwärmerei mit wahrer Liebe zu verwechseln. Beides löst das gleiche Gefühl aus, und unsere erregten Gehirne können eins nicht vom anderen unterscheiden.
Doch ob sich nun unsere Gefühle als vorübergehende Dummheit oder als tief und dauerhaft erweisen – die anfängliche Empfindung bleibt dieselbe: ein Gefühl, keine Kontrolle mehr zu haben. Paul fühlte sich bar jeder Kontrolle, als seine Schwärmerei für Laura wuchs.
»Ich dachte nur an Laura, an nichts anderes mehr. Es war beängstigend, wie wenig Kontrolle ich hatte. Meine Arbeit litt. Ich wurde zu einer Witzfigur im Büro, weil ich wichtige Kurzmitteilungen falsch ablegte. Sie müssen wissen, dass ich sonst derjenige bin, der weiß, wo alles ist. Die meiste Energie verwandte ich darauf, Wege zu finden, Laura zu begegnen, und mir auszumalen, was ich ihr erzählen wollte.«
Als er schließlich Laura bat, mit ihm essen zu gehen, willigte sie sofort ein. Bei ihrer nächsten Verabredung kochte sie, und statt den Pfirsichkuchen zu essen, den sie als Nachtisch vorbereitet hatte, liebten sie sich. Laura berichtete, dass sie
»… den Dingen ihren Lauf ließen. Wir gingen zwei Tage nicht zur Arbeit. Meine Mutter, mit der ich fast jeden Tag spreche, glaubte, ich wäre bei einem Autounfall umgekommen. Ich fragte mich schon, ob ich je wieder normal werden würde.«
Eigentlich alle Frischverliebten finden heraus, dass ihre »normalen« Denk- und Verhaltensweisen auf schöne, aber wirklich beängstigende Weise den Bach heruntergehen. Die Angst existiert deshalb, weil man keine Kontrolle mehr hat. Und in einem sehr realen Sinn ist man außer Kontrolle, wenn man sich verliebt, denn Verlieben zieht eine emotionale Dynamik nach sich, die Freud Kathexis nannte. Kathexis tritt dann auf, wenn man seine Emotionen so total auf die geliebte Person richtet, dass man die Kontrolle darüber verliert.
Sich zu velieben ist wie ein Investment an der Börse. Genauso wie man zeitweilig die Kontrolle über sein Geld verliert, wenn man es investiert, so verliert man die Kontrolle über seine Gefühle, wenn man sich verliebt, weil man sie in die geliebte Person investiert. Und genauso, wie man das Schicksal der Börseninvestments nicht kontrollieren kann, kann man auch unmöglich wissen, was aus einer neuen Beziehung wird. Das ist der Risikofaktor, der beängstigende Teil des Verliebtseins.
Als Deborah spürte, dass sich ihre Zuneigung zu Jonathan vertiefte, war sie überrascht und verängstigt, aber auch euphorisch.
»Ich hatte nicht erwartet, ›hingerissen‹ zu sein, aber nach der fünften Verabredung war das der Fall. Er verhielt sich so, als wäre ich die Antwort auf seine Gebete, aber er schob Sex nach wie vor hinaus. Unsere Gutenachtküsse wurden zwar immer länger und leidenschaftlicher, aber dabei blieb es auch. Ich wusste nicht, was da los war. Das machte mich unsicher, und auf einmal begehrte ich ihn mehr und versuchte, ihn zu verführen. Ich habe genug erlebt, um zu wissen, dass jemand, dem man sehr wehgetan hat, Probleme mit sexueller Nähe haben kann. Deshalb war ich einerseits ziemlich ängstlich, fühlte aber andererseits, dass ich mich verliebte. Als wir schließlich miteinander schliefen – bei unserer sechsten Verabredung –, war ich im siebten Himmel. So viel zu meinem Schwur, im Zölibat zu leben.«
Das Risiko der Liebe lässt das Gehirn – wie bei jedem anderen Angstgefühl – amphetaminähnliche, starke Hormone ausschütten. Diese Hormone bringen uns dazu – mit dem Ziel, das Überleben zu sichern –, uns optimal zu verhalten. In wirklich lebensbedrohenden Situationen zwingen sie uns, schneller zu laufen, länger zu kämpfen, härter zuzuschlagen, Schmerz zu ertragen und unsere Aufmerksamkeit auf die Quelle der Gefahr zu richten. Das wird als die »Kampf oder Flucht«-Reaktion bezeichnet. Aber diese starken Stimulantien besitzen eine verlockende Nebenwirkung: Sie erzeugen eine ungewöhnlich hohe Erregung. Darum suchen so viele Menschen Herausforderung und Gefahr – sie wollen sich natürliche Höhepunkte bescheren.
Wenn man sich verliebt, strotzt man vor erregenden Gefühlen, die das romantische Äquivalent zu »Kampf oder Flucht« darstellen: Man zittert vor Erwartung, die Handflächen werden feucht, und das Herz scheint in der Brust zu hämmern; man besitzt mehr körperliche Energie, ist in der Lage, sich die ganze Nacht zu lieben, und fühlt sich am nächsten Tag gut; man richtet seine Aufmerksamkeit intensiv auf die geliebte Person; die Sinne scheinen geschärft zu sein; man ist bewundernswert charmant und witzig; und man ist taub für unerfreuliche Dinge in anderen Bereichen des Lebens. Man sieht sogar besser aus. Man erntet die euphorischen, biochemischen Segnungen des Kontrollverlustes.
Die Furcht vor Zurückweisung ist eine der Hauptursachen für unsere Angstgefühle und die Leidenschaft in der Liebe. Wenn wir uns gerade verliebt haben, machen wir uns keine Sorgen, dass wir uns zu sicher fühlen. Wir haben Angst vor dem Verlust der Liebe und nicht Angst davor, zu viel davon zu bekommen. Miles drückte pure Angst vor Zurückweisung aus, als er sagte:
»Beth traf sich mit einem Generaldirektor und einem Internisten, als wir uns kennenlernten, deshalb schwitzte ich Blut und Wasser, dass ich unter Umständen für sie zu unbedeutend oder nur ein Mann für eine Nacht wäre.«
Bei Beth drehte sich die Angst vor Zurückweisung um die fast vier Jahre Altersunterschied zwischen ihr und Miles.
»Ich wurde mir plötzlich meines Alters und der kleinen Augenfältchen und all dessen sehr bewusst. Es fiel mir schwer zu glauben, dass das für ihn keine Bedeutung hatte, besonders wenn schöne junge Frauen mit ihm flirteten – was sehr oft geschah.«
Die Angst vor Zurückweisung beschert uns Gefühle wie Eifersucht, Besessenheit und Selbstzweifel. Es kann extrem bedrohlich sein, die Kontrolle an einen anderen zu verlieren, sich so entblößt und verwundbar zu fühlen. Wie Freud schon sagte: »Wir sind dem Leiden nie so schutzlos ausgeliefert wie zuzeiten des Verliebtseins.«
Es ist eine nackte Tatsache im Leben, dass eine geliebte Person das Interesse verlieren oder jemanden finden kann, der begehrenswerter ist. Die meisten von uns wissen aus Erfahrung, dass »fallen gelassen« zu werden schmerzt, an uns nagt und uns demoralisiert wie nichts sonst. Ehe wir uns nicht der Liebe eines Partners vollkommen sicher sind, macht uns die Möglichkeit, verlassen zu werden, besonders machtlos und lässt uns umso leidenschaftlicher werden.
Sich zu verlieben kann uns verrückt machen, aber es löscht selten unsere grundlegenden emotionalen Überlebensinstinkte aus. Diese Instinkte befähigen uns dazu, jederzeit zu wissen, was die geliebte Person uns gegenüber empfindet. So entwickeln wir Methoden, um die Worte und Taten des Partners zu deuten, und halten Ausschau nach verräterischen Spuren. Oft schenken wir den Anzeichen keine Beachtung, aber ich habe nur selten einen zurückgewiesenen Partner getroffen, der es, rückblickend betrachtet, nicht hatte »kommen sehen«.
In der Zeit des Kennenlernens versuchen wir uns zu schützen, indem wir dauernd das Verhalten der geliebten Person bewerten und entschlüsseln. Deborah beschreibt, was vorging, als sie sich in Jonathan verliebte.
»Ich war sehr verwirrt, weil er so verschiedene Signale aussandte, und verwandte große Energie darauf, sie zu sortieren. Einerseits brachte er mir immer Blumen mit, wenn wir uns trafen, aber andererseits hatte er es nicht eilig, mit mir ins Bett zu gehen. Dann einigten wir uns darauf, uns dreimal in der Woche zu sehen. Zuerst schien er so begeistert von mir – und uns – zu sein, dass ich glaubte, ich müsste mich entscheiden, ob ich am Ball bleiben wollte oder nicht. Aber als es sich nicht so entwickelte, wie ich es erwartet hatte, wog ich dauernd sein liebevolles Verhalten gegen sein vorsichtiges Verhalten ab.«
Liebende checken aus reinem Reflex das romantische Verhalten des anderen ab. Sie beurteilen, wie viel Zeit zwischen ihrem letzten gemeinsamen Augenblick und dem nächsten Telefonanruf vergeht, achten auf das Lautwerden von Zukunftsplänen, schätzen ein, ob ein Partner mehr oder weniger aufmerksam wird. Wenn wir verliebt sind, achten wir sehr genau auf diese Verhaltensänderungen, weil Anzeichen für Distanziertheit oder Annäherung des Partners für uns am meisten zählen. Wir sind so auf die geliebte Person fixiert, dass uns nur wenige Nuancen im Verhalten entgehen. So haben wir jederzeit genug Daten, um die Chancen für eine Zurückweisung zu kalkulieren. Das ist eine Technik, die ängstlichen Liebenden eine kleine, aber sichere Kontrolle gibt.
Es gibt – natürlich – einen Makel in unserem Bewertungs- und Entschlüsselungssystem. Es funktioniert gut, solange wir uns nicht zu sehr engagieren. Wenn wir wachsende Gleichgültigkeit bei unserem Partner spüren, sollten wir uns logischerweise aus der Beziehung zurückziehen, damit wir nicht verletzt werden. Aber wenn wir erst einmal einen Großteil unserer Emotionen in eine andere Person investiert haben, wird ein Rückzug nur noch größere Leidenschaft in uns auslösen. Und Leidenschaft besitzt nun einmal den »Vorzug«, die schlechten Signale herauszufiltern und nur die guten zu übermitteln.
Manchmal wird ein Partner, der Angst vor Zurückweisung hat und die Unsicherheit junger Liebe empfindet, beschließen, eine Beziehung sehr früh zu beenden. Eine Person, die das macht, ist entweder in einer sehr unsicheren Phase ihres Lebens oder leidet immer noch an einer zuvor kaputtgegangenen Beziehung. Indem man die Schlüsselrolle des Abweisenden wählt, erlangt man sofort Macht und braucht selbst keine Angst mehr vor einer Zurückweisung zu haben. Aber man verbaut sich auch die Möglichkeit, wahre Intimität zu finden.
Gewöhnlich definieren wir Werbung als eine Ansammlung von »Ritualen«, die geschaffen wurden, um Liebe zu suchen und auszudrücken. Ich glaube, dass Werbung noch ein anderes entscheidendes Ziel hat, und das hat mit interpersoneller Macht zu tun.
Ich habe schon erklärt, dass der Verlust unserer emotionalen Kontrolle an einen neuen Partner sowohl Angst als auch Leidenschaft erzeugt. Jetzt müssen wir verstehen lernen, wie man diese Gefühle anwenden kann, um den neuen Partner unter unsere emotionale Kontrolle zu bringen. Unsere stärkste Waffe in dieser Kampagne ist unsere Fähigkeit, anziehend zu sein. Sowohl bewusst als auch unbewusst verfügen wir über unzählige Taktiken, die uns so wundervoll und unwiderstehlich wie möglich aussehen lassen. Indem wir schauspielerische Leistungen erbringen, die eines Laurence Olivier würdig wären, bieten wir den geliebten Personen glänzende Versionen von uns an.
Getrennt voneinander fragte ich Laura und Paul, ob sie bewusst versucht hätten, sich einander so attraktiv wie möglich zu präsentieren.
»Als ich Interesse an Paul entwickelte, putzte ich mich an Tagen, an denen Mitarbeiterbesprechungen stattfanden, richtig heraus. Statt zwei Knöpfen ließ ich drei an meiner Bluse offen, trug einen Extraspritzer Parfüm auf und kämmte mein Haar ein wenig unordentlich. Dann setzte ich mich neben ihn oder ihm direkt gegenüber an den Tisch. Ich lauschte seinen Bemerkungen sehr aufmerksam, nickte, wenn er eine Feststellung machte, lächelte, wenn es angemessen schien. Ich war schamlos!« (Sie lachte.)