Ich werde Eltern - Sarah Valentina Winkhaus - E-Book

Ich werde Eltern E-Book

Sarah Valentina Winkhaus

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Beschreibung

Sarah Valentina Winkhaus nimmt uns mit auf ihren Weg zum (späten) Mutterglück: Ohne Mann und Eizellen, dafür mit umso mehr Zeitdruck und Willen bewaffnet! Die sympathische Halbitalienerin lässt uns an den Höhen und Tiefen, den Klischees und Überraschungen, den Begegnungen und Erfahrungen, den Hürden und Vorurteilen teilhaben. Ohne Zeigefinger dafür mit umso mehr (Selbst-)Ironie und Herzwärme. Warum einfach, wenn es auch allein geht?

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Seitenzahl: 205

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Impressum

© eBook: 2024 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

© Printausgabe: 2024 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

GU ist eine eingetragene Marke der GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, www.gu.de

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, sowie Verbreitung durch Bild, Funk, Fernsehen und Internet, durch fotomechanische Wiedergabe, Tonträger und Datenverarbeitungssysteme jeder Art nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

Projektleitung: Simone Kohl

Lektorat: Julia Bauer

Covergestaltung: Ki36 Editorial Design, München, Bettina Stickel

eBook-Herstellung: Evelynn Ruckdäschel

ISBN 978-3-8338-9384-1

1. Auflage 2024

Bildnachweis

Syndication: www.seasons.agency

GuU 8-9384 06_2024_01

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Die Gedanken, Methoden und Anregungen in diesem Buch stellen die Meinung bzw. Erfahrung der Verfasserin dar. Sie wurden von der Autorin nach bestem Wissen erstellt und mit größtmöglicher Sorgfalt geprüft. Sie bieten jedoch keinen Ersatz für persönlichen kompetenten medizinischen Rat. Jede Leserin, jeder Leser ist für das eigene Tun und Lassen auch weiterhin selbst verantwortlich. Weder Autorin noch Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gegebenen praktischen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.

Die automatisierte Analyse des Werkes, um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen gemäß § 44b UrhG (»Text und Data Mining«) zu gewinnen, ist untersagt.

»Frau Winkhaus, der AMH-Wert ist niedrig.« Der was? »Ihr Anti-Müller-Hormon. Sie haben einen relativ niedrigen Wert.« Der Arzt der Kinderwunschklinik schaut zwischen seinem Rechner und mir prüfend hin und her. »Das Anti-Müller-Hormon ist Ihnen doch bekannt?« In meinem Kopf rattert es. Was war noch mal das Anti-Müller-Hormon? Verdammt ja, es hat was mit Fruchtbarkeit zu tun, oder? Was für ein beknackter Name, Anti-Müller-Hormon. Was soll ein Anti-Müller sein? Ein schlechter Bayern-Stürmer? Alles Müller oder doch nicht fruchtbar? Wer ist dieser Müller überhaupt und was hat der Typ mit meinem hormonellen Haushalt zu tun? Rein statistisch gesehen ist Müller in Deutschland der häufigste Name, also naheliegend, dass selbst ein Hormon auf den NamenMüller hört. Obwohl, auch Sexshops heißen hier Dr. Müller, Drogeriemärkte einfach nur Müller ohne akademischen Angebertitel. »Reiß dich zusammen«, geht es mir durch den Kopf. »Bei AMH-Werten < 0,025 µg/l befindet sich die Patientin bereits in der infertilen Phase. Bei AMH-Werten von < 0,13 µg/l ist eine IVF-Behandlung nicht mehr sinnvoll«, höre ich den Arzt sagen. »Einfacher gesagt, der niedrige Anti-Müller-Hormon-Wert in Ihrem Blutbild bedeutet, dass Sie relativ wenige Eizellen in den Eierstöcken übrig haben und eine Schwangerschaft auf natürlichem Weg für Sie nahezu unmöglich ist.« Ja, danke, Herr Müller. Und was jetzt?

Für Clara

Liebe Leserinnen, liebe Leser und alle, die ihren Wunsch nach einem Kind endlich erfüllen möchten – „Ich werde Eltern“ ist euch gewidmet.

Dieses Buch hätte beinahe einen anderen Namen bekommen, nämlich „Eizellen statt Gucci“. Doch irgendwie klingt das nach „Nackt statt Pelz“. Ein weiterer Titelvorschlag „Wo ein Ei, da ein Weg“ hätte genauso gut für eine buddhistische Frühstücksmeditation herhalten können. Wie kommuniziert man also am besten so komplexe Themen wie Social Freezing oder Kinderwunschtherapie, die so viele unterschiedliche Menschengruppen betreffen? Singles, Hetero- oder lesbische Paare, Frauen ohne Fruchtbarkeit oder Frauen ohne Partner, Frauen mit Partner, der ihren Wunsch nach einem Kind auf die lange Bank schiebt. Frauen mit Traumjob, für die ein Kind das Karriereende bedeuten könnte, Frauen, die ein Kind wollen, bei denen der richtige Partner aber nicht in Sicht ist, oder Frauen, die einfach gerne noch mehr Zeit hätten, aber deren biologische Uhr mittlerweile so laut tickt, dass selbst die besten Noise-Cancelling-Kopfhörer versagen. Für all diese Menschen ist dieses Buch.

Ganz ehrlich, ich hätte mir damals einen Ratgeber gewünscht, der ohne Zeigefinger und (fast) ohne Männerbashing auskommt und stattdessen Frauen aufklärt und sie darauf hinweist, ihre Fruchtbarkeit weit vor dem 35. Geburtstag checken zu lassen. Mir wurde erst nach mühsamer Recherche klar, welche Chancen sich durch Social Freezing für meine berufliche Entwicklung bieten und dass das Wissen darum für deutlich mehr Entspannung in der Partnerschaft in Sachen Familienplanung sorgen kann. In meiner Orientierungsphase wäre eine Sammlung aller relevanten Fakten und eine Aufschlüsselung der Gesetzeslage und auch der -lücken sehr hilfreich gewesen. Nirgendwo fand ich eine realistische Einordnung, mit welchen Kosten man zu rechnen hat – wobei das letztendlich immer höchst individuell ist.

Wo gab es bislang die lebensnahe Auseinandersetzung einer Betroffenen mit ethischen Bedenken, sozialen Debatten und harter Kritik zum Thema künstliche Befruchtung und dem „Kinderwunsch auf Eis“? Ich hätte mir einen Ratgeber gewünscht, der nicht davor zurückschreckt, Tabus anzusprechen oder erlebte Emotionen mit anderen Betroffenen zu teilen. Wie oft hat man sich schon gefragt, wie es wirklich auf einer Samenbank abläuft … wenn es denn läuft. Worauf kann man sich gefasst machen, wenn man sein Umfeld in die unkonventionellen Pläne einweiht? Wie wappne ich mich gegen Vorurteile und moralische Vorverurteilung?

Was ist, wenn ich zwar Kinder will, aber nicht jetzt und auch nicht mit dem aktuellen Partner? Wie wäre es, wenn ich mich dafür entscheide, den Kinderwunsch sogar von der Partnerschaft zu trennen? Kann das funktionieren oder macht mich das zu einer schlechteren Mutter?

Mit all diesen Fragen habe ich mich in diesem Buch auseinandergesetzt und musste beim Schreiben feststellen, wie groß der Aufklärungsbedarf selbst bei mir, die am eigenen Körper Social Freezing und künstliche Befruchtung erlebt hat, tatsächlich auch im Nachhinein noch war. Die Summe dessen, was ich in den Medien gelesen oder gehört hatte, stellte sich bestenfalls als gut gemeintes Halbwissen heraus. Am Anfang stand ich vor einem riesigen Berg aus Fakten, Indikationen, Gesetzen und Gesetzeslücken, sozialen und gesellschaftlichen Aspekten. Mein damaliges medizinisches Fachwissen beschränkte sich auf das Setzen von Spritzen und das Einhalten eines Therapieplans, und selbst dabei sind mir die dümmsten Fehler unterlaufen.

Vielleicht helfen euch meine Erfahrungen, um daraus zu lernen, und ich wäre stolz, wenn euch dieses Buch vor den gröbsten Fehltritten bewahren würde. Ich habe versucht, das ganze Thema Kinderwunsch und alles, was daranhängt, anhand meiner eigenen Geschichte für euch aufzudröseln. Es kommen Spezialist*innen zu Wort, unter anderem der Arzt, der dafür verantwortlich ist, dass bei mir am Ende doch noch alles geklappt hat. Wer noch tiefer eintauchen möchte, findet umfassende Begriffserklärungen, wichtige Infos und relevante Fakten am Ende des Buches ab >.

Ich lasse euch an meiner Entscheidungsfindung, den Höhen und Tiefen auf meinem Weg zum Wunschkind teilhaben und erzähle offen und ehrlich von allen traurigen, skurrilen und auch lustigen Momenten, die ich in dieser aufregenden Zeit erlebt habe. Bei aller Absurdität und Tragik, die ein unerfüllter Kinderwunsch mit sich bringt, ist Lachen nicht nur erlaubt, sondern auch wichtig und vor allem heilend.

Dieses Buch soll zur Selbstbestimmung ermutigen und helfen, unter all den verschiedenen Möglichkeiten und Wegen zur Elternschaft den richtigen für sich zu finden. Ich hoffe, dass ihr mit diesem Buch viele Fragezeichen durch Ausrufezeichen ersetzen könnt und euch auf eurem Weg zum Wunschkind gut unterstützt fühlt!

Eure

Sarah

Es ist der Vorabend des Geburtstermins und ich bin schwermütig. Schon den ganzen Tag spiele ich virtuos die gesamte Klaviatur an Emotionen rauf und runter. Am Morgen euphorisch, mittags nervös, nachmittags ängstlich bis wütend, danach eher ungeduldig und jetzt bin ich halt schwermütig. „Was soll’s, hatten wir auch schon lange nicht mehr“, hör ich mich zu meinem Hund Manni sagen, während ich ihm Halsband und Leine anlege. Ich bin wehmütig, weil morgen meine Schwangerschaft und die enge körperliche Verbundenheit zwischen mir und meiner Tochter unwiderruflich mit ihrer Geburt enden soll. Viele Frauen erzählen, wie sehr sie in den letzten Wochen den Geburtstermin herbeisehnen, um endlich von der Last der Schwangerschaft erlöst zu werden. Bei mir war das eher nicht so. Würde es nach mir gehen, könnte ich noch gut und gerne 3 oder 4 Monate länger mit der Riesenkugel durch Düsseldorf kullern. Meine Schwangerschaft war beschwingt schön und kam nach all den Strapazen, Entbehrungen und Phasen der Hoffnungslosigkeit einer märchenhaften Belohnung in rosa Tüll (und Stützstrumpfhosen) gleich. Aber heute Abend fühle ich mich irgendwie auch ein bisschen melancholisch. Um mich abzulenken, treffe ich meine beste Freundin Julia, um Manni und meinen Babybauch durch die Nachbarschaft Gassi zu führen. Die frische Luft tut mir gut und macht den Kopf frei. Ich muss schon wieder grinsen, als ich Julia erzähle, dass der Kaiserschnitt hierzulande unter „radikalen Gebärmuttis“ kein großes Ansehen genießt. „Was sind denn ‚radikale Gebärmuttis’ und was genau ist deren Problem?“ „So nenne ich Frauen, die es übertrieben abfeiern, ihr Kind auf natürlichem Weg zur Welt zu bringen. Also mit allem Zipp und Zapp. Wehen, Blut, Schreien, Dammriss, Ehemann-bewusstlos-Schlagen, Arzt beschimpfen, also das gesamte Wunder der Natur. Für die radikalen Gebärmuttis sind Frauen, die ihr Kind per Kaiserschnitt zur Welt zu bringen, keine echten Weiber. ‚To posh to push‘, zu etepetete zum Pressen, wie die Engländer sagen. Kaiserschnitt-Mütter nehmen den Sessellift, während die Vaginalgeburt der wahren Bergbesteigung mit abgefrorenen Zehen und Sauerstoffgerät gleichkommt.“ „O. k. verstehe. Und jetzt hat dich auf den letzten Metern der Ehrgeiz gepackt und du überlegst, ob du nicht doch ein Sauerstoffgerät im Keller stehen hast?“ Julia kennt die Vorliebe für spontane Programmänderungen in meinem Leben nur zur Genüge. Aber bei der Geburt meiner Tochter war mir die Entscheidung pro oder contra Kaiserschnitt von meinem Frauenarzt bereits abgenommen worden. Trotz neunmonatiger Glückseligkeit handelte es sich aufgrund meines Alters und einiger anderer Faktoren um eine Risikoschwangerschaft – eine natürliche Geburt wurde deshalb von Anfang an ausgeschlossen, da zu gefährlich für Kind und Mutter. Wenn ich darüber nachdenke, war es die einzige Entscheidung im Zusammenhang mit meiner Schwangerschaft, die mir abgenommen wurde. Alles andere bis zu diesem Punkt – vom Social Freezing bis zur künstlichen Befruchtung – musste ich immer alleine entscheiden, abwägen, mit mir selbst ausmachen. Und jetzt, kurz vor dem Ziel, war ich einfach nur dankbar, einen Entschluss nicht selbst treffen zu müssen und ihn in verantwortungsvolle, fachmännische Hände abgeben zu können. Und danach – ganz wichtig – einfach fallen lassen und auf Durchzug schalten. Nicht mehr im Internet nachlesen, dass angeblich 25 % der Kaiserschnitt-Muttis von der Geburt enttäuscht sind und 15 % sich wie Versagerinnen vorkommen1. Ich habe für meine Verhältnisse wirklich genug geleistet, um überhaupt schwanger zu werden, und eine Frau ist keine Versagerin, bloß weil sie sich für einen Kaiserschnitt entscheidet. Wichtig ist nur, dass sie ihrem Kind eine gute Mutter ist.

Und falls trotzdem ungefragte Kommentare von Fremden, Nachbarinnen, Kolleginnen oder Bekannten zum Thema Kaiserschnitt abgelassen werden, empfehle ich, mit einem einzigen entwaffnenden Satz die aufkommende Diskussion direkt abzuwürgen: „Der Kaiserschnitt ist medizinisch indiziert.“ Bei den meisten kann man dann die geistige Implosion förmlich vom Gesicht ablesen, weil sie erst mal in ihrem Gehirnthesaurus nachschlagen müssen, was „indiziert“’ bedeutet. „Echt? Aha. Das ist ja eigenartig. Du bist doch noch jung!“ Herrlich, wenn Leute über etwas urteilen, ohne zu wissen, was dahintersteckt. Aber eine übereilte Meinung wie eine Wasserstandsmeldung auszupacken, ohne genaue Fakten und Umstände zu kennen, gehört im Social-Media-Zeitalter zum guten sozialen Umgang. Egal worum es geht, Ukraine, E-Autos oder Zangengeburt, heutzutage ist jeder und jede Fachmann, Fachfrau oder Fachdivers für alles. Man war ja schließlich bei der eigenen Geburt dabei und kann mitreden.

Die Entscheidung für den Kaiserschnitt wurde mir also abgenommen, die Wahl des Geburtstermins aber wurde mir überlassen: Und wenn man das Geburtsdatum seines Kindes quasi aussuchen darf, dann muss die Wahl doch auf ein besonderes Datum fallen.

Nur welcher Tag im Februar ist denn ein besonderer? Der 2.2.? Nee, lieber nicht. Schnapszahlen sind für Hochzeiten und Scheidungen reserviert. Ich fragte eine Freundin, die sich hobbymäßig mit Numerologie beschäftigt, und hatte keine Ahnung, was meine Frage in ihr auslösen würde. Ihre Miene verfinsterte sich und sie raunte mir verschwörerisch zu: „Nimm auf keinen Fall den 17. Februar!“ „Hä? Warum? Ist da dieses Jahr Karneval?“, fragte ich belustigt. Die Miene meiner Freundin verfinsterte sich weiter und sie blickte mir tief in die Augen: „Weil der 17.2. überhaupt nicht mit deinem Geburtsdatum harmoniert.“ Der 14. August passt nicht zum 17. Februar? Muss ich nicht verstehen, aber danke für den Input. „Also, wenn der 17.2. nicht geht, wie harmoniert denn der 14.2. mit dem 14.8.? Haben die auch Beef?“ Meine Freundin aka die Hobbyexpertin für Numerologie schien erleichtert. „Ja, der 14.2. ist ein gutes Datum.“ Perfekt, also fiel der Geburtstag meiner Tochter auf den Valentinstag. Und weil die Kleine sowieso mit zweitem Namen Valentina heißen würde, wie ihre Mama, macht das Datum auch ohne Numerologie Sinn: Wenn Valentinstag und Geburtstag zusammenfallen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Freund das Datum vergessen könnte, etwas geringer. (Moment mal, Freund? Notiz an mich: Informationen einholen, ab welchem Alter ich meine Tochter im Kloster anmelden kann!)

Dieser krude Haufen an Gedanken schwirrt mir durch den Kopf, während ich Julia dankbar zusehe, wie sie mit Leichtigkeit Mannis dampfendes Häufchen mit einer Kottüte einsammelt. Bei Julia wirkt es irgendwie elegant. Bei mir bestünde die große Gefahr, durch das Gewicht meines Kugelbauchs einfach nach vorne zu kippen, während ich wie eine Giraffe an der Wasserstelle mit gespreizten Beinen versuchen würde, das Gleichgewicht zu halten. Bestimmt ein würdevoller Anblick, wenn dabei die richtige Musik läuft. „Ach verdammt, die Musik!“, platzt es aus mir raus. „Sag mal, Julia, hast du an den Stick mit der Musik gedacht?“

Julia hatte ich eine, wenn nicht sogar die superwichtigste Aufgabe anvertraut: Sie sollte sich um meine persönliche Playlist für den Kreißsaal kümmern! Auch der Arzt hatte mich im Vorgespräch dazu ermutigt, Musik während der Geburt laufen zu lassen: „Bringen Sie gerne einen Stick mit, Frau Winkhaus. Musik ist sehr gut für das Kind, vor allem bei einem so traumatischen Erlebnis wie dem Kaiserschnitt. Wir unterstützen das hier in der Klinik.“ Super Sache, aber Musik auf einen Stick laden? Macht man das so in einer hochmodernen Klinik? Haben die kein Bluetooth? „Vielleicht besteht ja die Gefahr, dass du dich über Bluetooth an das Beatmungsgerät im OP-Saal nebenan einloggst“, mutmaßte Julia. „Ich habe übrigens auch fünf Lieder zur Liste beigesteuert. Du magst doch ‚Olaf Der Flipper‘, oder?“, veräppelte sie mich. Überhaupt diese Playlist … Da wurde tagelang in der Familie und im Freundeskreis nach Lieblingssongs gefahndet. Meine Mutter war für die „Morgenstimmung“ von Grieg, mein Vater wollte unbedingt „A horse with no name“ von America, eine Freundin steuerte einen Song von Erykah Badu bei und mein alter Schulfreund Paul hatte die Vision, dass meine Tochter zu der Stimme von Sade die Welt erblicken sollte. Nachdem sich meine Liebsten musikalisch auf der Playlist verewigt hatten, war ich an der Reihe, mich an die schönsten und prägendsten Momente meines Lebens zu erinnern und die passenden Songs auf die Playlist zu packen. Am Ende beträgt die Spieldauer meiner Geburtsplaylist stolze 60 Minuten! Ambitioniert, wenn man bedenkt, dass eine Schnittentbindung nur um die 20 Minuten dauert und das Zunähen die Hauptzeit in Anspruch nimmt. Julia überreicht mir feierlich den Stick: „Wenn du in der kurzen Zeit alle Songs hören willst, musst du sie am besten in doppelter Geschwindigkeit laufen lassen. Aber dann streikt vermutlich das OP-Team.“ Dankbar nehme ich den Stick entgegen und freue mich auf einen gemütlichen letzten Abend als Schwangere. Einen allerletzten Abend, bevor ich Mutter werde. Ab Morgen bin ich nie wieder nur für mich verantwortlich. Eine große Veränderung, wie macht man also den Vorabend zu etwas Besonderem, wenn man sich kaum noch bewegen kann? Liegen! Beste Idee! Also versuche ich es mir mit Müh und Not „so richtig gemütlich“ zu machen. Aber ohne Wein und Sushi ist das alles nur halb so schön, also entscheide ich mich für etwas, das sonst nie in meinen Tagesablauf passt: Ich nehme ein ausgiebiges Bad. Es gibt ja auch sonst nichts mehr zu tun.

Der Koffer für die Klinik ist schon seit Tagen gepackt und wird von Manni als Schlafplatz genutzt. Und meine letzte To-do-Liste vor der Niederkunft ist komplett abgearbeitet. Um 10:20 Uhr werden sie meine Tochter entbinden. Ich schaue auf die Uhr. Es sind noch exakt 13 Stunden und 20 Minuten, bis ich Clara in den Händen halte. Ich habe das Bedürfnis, meiner Tochter einen Brief zu schreiben und meine Gefühle und Gedanken wenige Stunden vor der Geburt für sie festzuhalten. Ich schreibe einfach drauflos und versuche meine Emotionen ungefiltert zu Papier zu bringen. Als ich fertig bin, überfliege ich meinen ersten Brief an meine Tochter. „Ich bin noch gar nicht bereit, dich gehen zu lassen. Ich möchte dich noch in mir behalten …“ Auf meinem Gesicht mischen sich große Tränen der Trauer mit Freudentränen der überschwänglichen Vorfreude und euphorischer Neugierde auf dieses kleine Wesen. Müde und erschöpft von dieser emotionalen Berg-und-Tal-Fahrt schlafe ich selig ein – nur, um dann doch bis zum Sechs-Uhr-Wecker immer wieder wach zu liegen. Bei der Morgenrunde mit Manni treffe ich meine Nachbarin. „Na, wann ist es so weit?“ „Ich fahre gleich in die Klinik. Um 10:20 Uhr holen sie es.“ „Haha, als ob man das so genau vorhersagen könnte. Sie sind ’ne Marke, Sarah. Ihr jungen Frauen …“ Ich drücke meine Nachbarin, bedanke mich für „die junge Frau“ und verzichte darauf, ihr was vom Anti-Müller-Hormon zu husten oder zu erklären, dass ich per Kaiserschnitt entbinde und dieser MEDIZINISCH INDIZIERT ist. Stattdessen geht es bald mit dem Taxi in die Klinik und dort, dank des disponierten Entbindungstermins, auf direktem Wege Richtung Kreißsaal, der im Gegensatz zum OP-Saal, in dem ich entbinden werde, ganz gemütlich daherkommt. Hebamme Sandra stellt sich mir vor und möchte wissen, ob ich Fragen habe. „Ja! Wem muss ich den Stick für die Musik im OP-Saal geben?“ „Musik auf dem Stick? Soweit ich weiß, haben wir nur ’ne Bluetooth-Box hier.“ „Ich hab mal irgendwo gehört, dass bei Bluetooth die Gefahr besteht, dass ich mich in das Beatmungsgerät im Nachbar-OP einloggen könnte …“ Die Hebamme muss herzlich lachen. „Wo hast du denn den Unsinn her? Nein, keine Sorge, da kann nichts passieren. Wir haben auch überhaupt keinen Anschluss für einen Stick.“ Danke, allerbeste Freundin Julia, für das Märchen von der Bluetooth-Beatmungsmaschine und ein großes Dankeschön an den beratenden Arzt, der vermutlich gerade beim Frühstück auf einem MP3-Player die besten Hits aus dem Jahr 2000 hört, während ich kurz vor der Entbindung noch mal richtig Stress bekomme. Wo gibt’s hier Internet? Ich brauche Internet, und zwar sofort. Mein gerade entwickelter Plan B besagt, ich muss alle Songs als Playlist auf Spotify zusammenstellen und herunterladen! Wie viel Zeit habe ich noch? 15 Minuten? O. k. Mission-Impossible-Vibes kommen in mir hoch. Schnell wieder nach unten zur Anmeldung und für eine Woche einen Internetzugang kaufen, auch wenn ich nur vier Tage hierbleibe. Hauptsache, meine Musik ist am Start! Und los geht es! Während ich gestresst, aber glücklich auf meinem Handy rumwische und tippe, um in Ethan-Hunt-Bestzeit die Liste zusammenzustellen, bemerke ich aus dem Augenwinkel den Blick der Hebamme. „Du weißt schon, dass wir hier ratzfatz durch sind? Wenn es gar nicht funktioniert, kann ich dir auch was von Helene Fischer vorsingen.“ Natürlich muss ich mit ihr lachen und natürlich weiß auch die Hebamme, dass Musik bei einer Kaiserschnittgeburt wirklich hilfreich sein kann, denn der Eingriff kann für Mutter und Neugeborenes traumatisch sein. Wenn man sich mal vorstellt, wie das Baby nach 9 langen Monaten aus dem vertrauten, gemütlich warmen und schwerelosen Zustand von einem Moment auf den nächsten wörtlich aus dem Mutterleib gezogen wird, dann ist schon nachvollziehbar, dass jede atmosphärische Unterstützung, die den Moment weicher macht, willkommen ist. Gut, hätte Julia tatsächlich „Olaf Der Flipper“ auf die Liste gepackt, hätte ich auch meine Zweifel, ob Olafs Musik tatsächlich der Traumalinderung einwandfrei zuarbeitet.

Pünktlich werde ich mit einer halb heruntergeladenen Playlist in den Operationssaal geschoben. Sieben oder acht OP-Schwestern laufen im steril gekachelten Raum hin und her und bereiten alles vor. Es gibt die letzten kurzen, knackigen Ansagen vom Arzt, alle sind konzentriert. Nein, es ist keine Geburt mit Duftstäbchen, sondern eine OP. Gleich werden die Hautschichten und der Bauch mit einem Skalpell aufgeschnitten. Es gibt durchaus schönere Vorstellungen und die Tatsache, dass der Anästhesist gerade versucht, mir eine Spinalanästhesie zu legen, macht mir offen gesagt am meisten Angst.

Selbst schuld! Niemand hat mir geraten „Google doch mal, was alles bei einer Spinalanästhesie schiefgehen kann“. Dass eine Lähmung der Beine eintreten kann, hab ich mir ganz allein in den Kopf gepflanzt. Super, Sarah. Toll recherchiert, murmle ich vor mich hin und höre dann den Anästhesisten mehrmals fragen, ob ich das kalte Spray spüre. Ja, ich spüre alles. Beim dritten Versuch bin ich betäubt – vom Bauchnabel an. Hoffentlich bleibe ich nicht gelähmt, mach ich mich kurz selber verrückt. „So ein Quatsch, reiß dich zusammen, Sarah“, versuche ich mich zu beruhigen. Es hilft nichts. Ich sitze da und fühle mich schrecklich, kämpfe mit den Tränen, weil ich mich einsam fühle. Aber warum denn? Ich habe mich bewusst dafür entschieden, ohne Partner mein Kind zu bekommen. Als Partner-Placebo muss jetzt die Hand der Hebamme herhalten. „Das ist mir alles zu viel. Ich bin noch nicht bereit dazu“, flüstere ich ihr ins Ohr. Wieder dieses Gefühl, dass ich dieses kleine Wesen in mir behalten will. Die Hebamme beruhigt mich ein wenig und ich lege mich auf den Rücken. Meine Arme werden festgeschnallt. Ich liege wie Brian am Kreuz und bin in diesem Moment einfach nur dankbar, dass niemand „Always look on the bright side of life“ von Monty Python vor sich hin pfeift. Ich habe die ganze Zeit einen Plastikgeruch in der Nase, was eindeutig auf den Kunststoffvorhang zurückzuführen ist, der viel zu nah an meinem Gesicht hängt und dort übergriffig kleben bleibt, sobald ich etwas tiefer einatme. Ich versuche mich abzulenken und da kommen meine tauben, aber frisch pedikürten Füße, die plötzlich über der Plane wie zwei Kasperlepuppen hervorschauen, gerade recht. Wirklich ein skurriles Schauspiel. Und egal wie brutal, unpathetisch oder absurd sich das hier alles darstellt – es ist der größte Moment meines bisherigen Lebens oder so ähnlich. Da will ich doch ein bisschen mehr mitbekommen als einen Duschvorhang im Gesicht. Das kann ich auch zu Hause haben, sag ich zu mir selbst und dann zu den Menschen hinter dem Vorhang: „Hallo? Legen Sie schon los?“ „Ja, also wir wären so weit, aber wo ist denn Ihr Mann?“, hör ich einen anderen Mann nach meinem Mann fragen, den es nicht gibt. „Kein Mann!“, antwortet die Hebamme für mich. „Sarah hat aber eine Playlist dabei! Momentchen, kommt!“ Gut, dass sie das ganze Playlisttheater miterlebt hat und für mich die DJane gibt. Es dauert nur ein paar Sekunden, die mir quälend lang vorkommen, bis die ersten Takte „Mit Dir“ von Freundeskreis durch den OP klingen. Ich entspanne augenblicklich und schließe die Augen. Dann habe ich noch die Hebamme im Ohr, „Sarah, achte auf den Schrei“, bevor Max Herre einsetzt: Mit dir steht die Zeit still – Du bist was ich will / Spürst du was ich fühl, denn was ich fühl ist real. Ich singe stumm mit, als plötzlich wie aus dem Nichts das Schönste, was ich bis dahin gehört hatte, von den gekachelten Wänden widerhallt und Max Herres Gesang übertönt. Der erste Schrei meiner Tochter. Dieses kleine, große Wunder! Ich weine vor Freude, empfinde sofort eine bedingungslose und tiefe Liebe für dieses kleine Geschöpf und bin dankbar für so viel unsagbares Glück. Ich glaube, ich habe bis zu diesem Moment nie wirklich geliebt oder jemals so viel Freude empfunden. Das hier übertrifft alles.

Während mir Clara ganz klebrig und verbeult an die Wange gehalten wird, rinnen mir die Tränen nur so herunter. Es ist vollbracht, wir sind angekommen. „Du und ich mein Engel. Du und ich – ich liebe dich.“