Ich Will - Christiane Schönfeld - E-Book

Ich Will E-Book

Christiane Schönfeld

4,8

Beschreibung

ICH WILL, sind Erlebnisse von und mit Kindern in Kaufhäusern und an anderen Orten. Ihre Willenskraft wird tagtäglich den Eltern zur Konfrontation dargeboten. Wie sie damit umgehen, differiert von Kind zu Kind. Den Umgang der Eltern, eben diesem Willen zu begegnen, hilft den Kindern den rechten Weg zum Erwachsenwerden zu erlernen. Viele Eltern schaffen diesen Grat, leider nicht alle. Die Kinder, die mit ihrem Kopf durch die Wand gehen dürfen, sind die heutigen Ergebnisse der Krawalle. Wie erzieht man ein Kind richtig? Es gibt viele Wege, die an jedes einzelne Kind individuell angepasst werden sollte, um es auf den rechten Weg zu führen.

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Mein Dank gilt allen Erwachsenen

und ihren Kindern, die mir

täglich ihre Individualität vor lebten.

Ging es nicht nach ihrem Kopf wurde ein

jedes auf seine Art zur

Herausforderung für die Eltern.

Christiane Schönfeld

INHALT

Ein pfiffiges Kerlchen

Listiges Früchtchen

Schuld endet in einem Happy End

Was haben Travestie mit einem Kind zu tun?

Glück im Unglück am Baggersee

Ein pfiffiges Kerlchen

Moment Mal, die Eltern mit dem Buben dort kenne ich doch? Die waren vor drei Stunden in dem großen Lebensmitteladen, in dem ich mir einiges für heute Abend zum Essen besorgte. Das Drama in dem Geschäft vergesse ich so schnell nicht. Wäre es nicht so traurig, könnte man darüber lachen. Sollte man aber nicht, wenn ein Kind absichtlich etwas mitnimmt und die Eltern decken es auch noch. Ja doch, das war nicht zu verkennen.

Der Kleine ist ganz schön gerissen. Hat er sich doch an den Spielsachen bedient, dann lautstark damit Kunden belästigt und zum Ärgernis anderer Kunden diverse Spielsachen in deren Einkaufwagen gelegt, während seine Eltern auf der Suche nach Lebensmittel sich nicht um ihn kümmern.

Die Beschwerden der Kunden an seine Eltern kommentieren sie mit: „Der spielt doch nur.“

Na fein, das sehen die Verärgerten aber nicht so und machen ihrem Verdruss lautstark Luft: „Das ist eine bodenlose Frechheit. Man sollte die Polizei holen. „

„Angezeigt gehören sie. Jawohl. Mein Lebtag habe ich so eine unverschämte Antwort noch nicht erhalten“, kann sich der recht große Mann, mittleren Alters sich nicht mehr beruhigen. Er hat noch einige Mitstreiter im Gepäck.

Derlei Aussagen prasseln noch viele auf die Eltern ein.

An der Kasse gibt es noch mal Ärger. Der Knirps hat doch tatsächlich diverse kleinere Spielsachen in seinen Hostentaschen versteckt und bahnt sich den Weg durch die Kasse zu. Das kann ja nicht gutgehen – die Hosentaschen quellen über von dem Versteckten. Der Alarm geht los und dann entsteht ein heilloses Durcheinander. Die Eltern scheren sich nicht drum. Mit ihrer Ware an der Kasse abgefertigt und in den Warenkorb gelegt, bewegen sie sich auf den Ausgang zu.

Eh? Was stellt das dar? Der Junge gehört doch zu ihnen. Wollen sie den hierlassen? Na ja, kann ja auch sein, das er selber Geld zum Bezahlen hat. Ist wohl eins der modernen Kinder, die alles selbstständig erledigen dürfen.

Der Bengel schreit plötzlich lauthals los und scheint nicht aufhören zu wollen: „Mama! Papa!. Helft mir, die fette Kuh hier an der Kasse will mich nicht durchlassen!“

Mit der Bezeichnung meint er nicht die Kassiererin. Nein. Eine ältere Dame, recht korpulent an Figur bietet ihm keine Möglichkeit an ihr vorbei zu kommen. Alles quetschen des Kindes nutzt nichts, da ist kein Platz für derlei Aktion. Einer von beiden muss sich notgedrungen vor oder zurück bewegen. Dem Anschein nach, nicht die Dame. Ihre Waren auf dem Förderband werden als nächstes zur Kasse bewegt. Sie geht dem nach, ihre Geldbörse in der Hand wohl auch bereit gleich zu zahlen.

„Sag mal, du Rotzbengel. Erst willst du nicht deine Hosentaschen leeren, in denen du die geklauten Waren versteckt hältst und dann noch frech werden. Das wird ja immer schöner mit der heutigen Jugend.“

„Ja, sehen sie sich doch seine Eltern an, da weiß man gleich mit wessen Schlag Mensch man es zu tun hat. Dabei kann ja nichts Vernünftiges an Kind herauskommen.“

„Nein, wenn das noch zu Hitlers Zeiten passiert wäre, dem würden sie erstmal ordentlich den Hintern versohlen“, mischt sich nun noch ein zierliches Persönchen von Frau, die gleich hinter dem Jungen steht, in die Beschimpfungen ein – sie ist kaum größer als er.

Da stimmt der Mann, scheinbar an Osteoporose leidend - seine Haltung leicht vornüber gebeugt drückt dies aus -, der ebenfalls in der Reihe vor der Kasse steht, ihr zu und meint noch: „Was für eine Jugend heute. Was denen fehlt ist ein Krieg, damit sie lernen, das ihnen die gebratenen Tauben nicht nur so in den Mund fliegen.“

Derlei Aussagen hört man immer wieder mal von der Nachkriegsgeneration.

Das imponiert dem Bub nicht im Geringsten. Im Gegenteil, nun brüllt er noch lauter nach seinen Eltern.

Wahnsinn, welche Lautstärke Kinder entwickeln können.

Ich bewundere vor allem ihre Ausdauer. Ein Erwachsener schafft das nicht, dann auch noch in der Tonlage.

Zur gleichen Zeit ertönt eine Durchsage über die Lautsprecheranlage: „Würden sich bitte die Eltern des schreienden Jungen an Kasse Nummer vier melden!“

Lange Rede kurzer Sinn. In all dem Tohuwabohu bequemt sich die Mutter zu erscheinen. Ihr Mann schiebt den Einkaufswagen weiter in Richtung Auto.

Weiter rechts der Kasse tritt eiligst der Geschäftsstellenleiter aus seinem Glaskastenbüro auf der gegenüberliegenden Seite des Ausgangs heraus. Die Bedienstete an der Kasse erklärt ihm kurz die Vorkommnisse.

„Herr Hartl, die Kunden behaupten das Kind hier hat den Alarm ausgelöst. Ebenso sind sie sicher, dass er auch seine Hosentaschen mit Diebesware vollgestopft hat.“

Indes erreicht die Mutter die Kasse und empört sich „Wie können sie es wagen, meinem Buben den Weg zu versperren. Haben Sie keinen Anstand?“

Noch bevor jemand ihr antworten kann, wendet sie sich zu den anstehenden Leuten hin, die in der Reihe zur Kasse anstehen und giftet weiter: „Ihr alten Veteranen nehmt eure Schachteln an der Hand. Passt auf, das ich sie nicht noch wegen Verleumdung anzeige.“

Die empörenden Antworten sparen wir uns. Teilweise sind sie nicht ganz stubenrein. Man sollte nicht meinen, dass harmlose Bürger solch einen Wortschatz pflegen.

„Meine Dame, würden sie mir bitte ihren Einkaufsbeleg vorzeigen und ihre Ware?“ fordert der Filialleiter seinerseits die Mutter des Jungen auf.

„Was wollen sie von mir? Wir haben unsere Ware bezahlt. Die lädt mein Mann gerade in´s Auto.“

„Tut mir leid, aber ich muss ihren Einkauf checken. Schließlich wurde der Alarm von ihnen ausgelöst.“

„Das stimmt nicht. Wir waren schon an der Ausgangstüre, dann löste jemand den Alarm aus.“

„Ja, das kann ich bestätigen“, mischt sich nun eine Frau in das Gespräch ein, sie sitzt vorn in der Bäckerei bei einer Tasse Kaffee.

„Da! Da sehen sie es! Wir haben alles ordentlich bezahlt. Uns als Diebe bezeichnen, das ist eine bodenlose Frechheit! Sie.“

„Sie wurden nicht als Diebin bezichtigt. Ich bat sie lediglich um den Kassenbon. Den möchten wir nun checken. Geben sie mir bitte den Kassenbon. Frau Kröger hier weiß was sie hatten und muss nun eine Kontrolle durchziehen. Wenn sie alles bezahlt haben, dürfte es ihnen ja wohl nichts ausmachen. Nicht wahr? Oder doch? Dann müssten wir sie bitten das Eingekaufte nachzuweisen. Notfalls indem wir gemeinsam zu ihrem Auto gehen.“

Notgedrungen reicht sie ihm den Einkaufsbeleg.

Auf Anweisung ihres Chefs checkt die Kassiererin den Einkaufsbeleg mit dem Kassenabschnitt durch. Der ist korrekt und beweist, sie hat den Alarm nicht ausgelöst.

„Sehen sie? Ich habe es ihnen doch gesagt. Wir sind keine Diebe. Mein Sohn und auch wir nicht.“ Triumphierend und mit einem bitterbösen Blick schaut sie sich zu den Gaffern um. Dieses Spektakel hat einige Schaulustige von draußen herbeigelockt.

„Was glotzt ihr sensationshungrig? Habt ihr nichts Besseres vor?“ Die kommen ihr gerade richtig.

„Jeremias! Komm wir gehen“, ruft sie ihren Sohn, in der Meinung er steht hinter ihr. Keine Antwort. Sichtlich nervös schaut sie sich nach allen Seiten um. Er ist nicht zu sehen. „Jeremias! Wo bist du?“

Aller Augen wenden sich dem hinteren Kassengang zu. Wo ist er?

Den Knaben, der geradewegs aus dem Verkaufsraum – unbemerkt war er dort in der Zwischenzeit kurzzeitig verschwunden – sich schiebend und quetschend an der korpulenten Frau durch den Kassengang vorbeischlängelt ohne den Alarm erneut auszulösen, beachtet momentan keiner. Alle waren zu neugierig auf das Ergebnis der Kontrolle seiner Mutter. Leider wurde ihre Neugier nicht befriedigt, da ja alles korrekt abgerechnet wurde.

Er schafft es bis zu seiner Mutter vor, da reagiert der mit Osteoporose behaftete Mann: „Halt! Der Junge. Er hat die Taschen voller Spielsachen. Kontrollieren sie den.“

„Entschuldigen sie, der Junge hat keinen Alarm ausgelöst. Der kann nichts versteckt haben.“ Weist der Filialleiter ihn zurecht.

„Doch! Vorher hatte er beide Hosentaschen voller Waren und so den Alarm ausgelöst.“ Sich zu den nachfolgenden Kunden umgedreht, erwartet er Zustimmung.“

„Ja! Das stimmt. Die waren übervoll. Aus einer Hosentasche fiel ihm fast ein Spielzeugauto heraus, das hat er schnell zurückgeschoben.“ Die piepsige Stimme des kleinen Persönchens ist kaum zu verstehen.

„Komm her Jeremias. Leere bitte deine Taschen aus. Wir wollen heute noch nach Hause.“

„Aber Mama!“ protestiert Jeremias mit einem absolut bühnenreifen Gesichtsausdruck der „ich hab nichts getan“ sagen soll, „seht her, da ist nichts drin.“ Resolut schiebt er beide Hände linker und rechter Seite in die Hosentaschen, zieht das Futter Stück für Stück hervor und schaut sich triumphierend in der Rund um.

Was für ein pfiffiges Kerlchen, hat der die Spielsachen heimlich zurückgebracht? Oder in der Nähe in einem Regal abgelegt? Genau hab ich das nach Auslösen des Alarms nicht beachten können. Nur, das er während der Alarm ertönte, sich rasch umdrehte und zurück im Verkaufsraum verschwand.

„Sehen sie? Mein Junge hat nicht geklaut. Der hat so etwas nicht nötig. Er hat immer genug Geld zum Bezahlen.“

„Entschuldigen sie bitte das Missverständnis. Wir sind bei Alarm zu dieser Maßnahme verpflichtet. Selbstverständlich können sie nun unbehelligt das Geschäft verlassen. Beehren sie uns wieder.“ Leicht fällt dem Filialleiter die Entschuldigung nicht, das sieht man ihm an. Was soll er machen? Die Kundenaussagen waren eindeutig. Sein Job ist auch nicht leicht, bedenkt man das heutige Vorkommnis.

„Ob ich ihr Geschäft noch mal betrete, bezweifle ich sehr“, so die Frau, „meinen Sohn als Dieb hinzustellen ist ja wohl das letzte. Eine Unverschämtheit die seinesgleichen sucht ist das.“

Sie wendet sich nochmals zu den nachfolgenden Kunden hinter der Kasse und giftet los: „Diese alten Schwadroneure, die vor Langeweile nicht wissen was sie den lieben langen Tag anfangen sollen, dürfen Leute als

Diebe bezichtigen. Wer sagt denn, dass sie nicht selbst Diebesgut bei sich haben? Auf ein unschuldiges Kind schieben, nur weil der Alarmauslöser sie erwischte. Die sollten sie mal gründlich kontrollieren. Wahrscheinlich haben sie das Geklaute schnell verschwinden lassen, während sie auf meinem Jungen loshackten. Diese boshaften Alten sollten sie in ein Altersheim einsperren!“

Jetzt bricht ein heilloses Durcheinander an empörten Stimmen aus. Erst schreit der eine seine Empörung hervor. Darauf folgt die Stimme der korpulenten Frau, die vor lauter Aufregung aus der Fassung gerät und bis zu den Haarspitzen rot anläuft: „Was erlauben sie sich? Ihr Junge hatte beide Hosentaschen vollgestopft und das wahrscheinlich schnell versteckt. Ich sah wie er nach dem Alarm um die Süßigkeiten Regale verschwand. Dort hat er bestimmt alles versteckt. Da sollten sie mal nachschauen.“ – Wenn die sich weiter so aufregt, besteht die Gefahr eines Herzinfarktes. Man sollte das Handy sicherheitshalber auf Start bereithalten.

„Meine Dame. Bitte. Beruhigen sie sich doch. Es ist alles abgeklärt. Niemand hat irgendetwas eingesteckt.“

Sich an die anderen Kunden wendend beschwichtigt er sie mit den Worten: „Alles ist in Ordnung. Niemand wird irgendeines Vergehens bezichtigt. Die Frau hat es bestimmt nicht so gemeint, wie es geklungen hat. Lassen sie unsere Frau Kröger bitte weiter arbeiten.“

„Sie! Nichts ist in Ordnung!“, keift jetzt einer der Wartenden lost, „die Frau hat uns alle beleidigt. Wir wollen die Polizei hier haben. Die werden wir anzeigen!“ Unterstützung von den anderen Kunden erwartend, wendet er sich ihnen zu.

„Na ja. Das stimmt schon. Aber die Polizei? Muss das sein? Die Leute sind es doch nicht wert, das man sich so aufregt. Das sind halt Asoziale, da kann man nicht anderes erwarten.“ Zwar empört aber nicht gewillt hier so lange aufgehalten zu werden, legt der Mann seine Ware mit Nachdruck auf das Förderband.

„Recht haben sie. Diesen Leuten sieht man ihre Herkunft schon von weitem an. Was kann man da schon erwarten“, pflichten ihm die anderen bei. Froh über die Lösung, bekunden sie ihr Einverständnis durch ein zustimmendes Nicken.

„Frau Kröger, fahren sie mit dem Kassieren fort“, weist sie der Chef an und eilt in sein Büro zurück.

Allerdings. Heißt es nicht, wer einen Alarm auslöst, kommt nicht weit? Versucht er es nochmal, löst er automatisch den Alarm erneut aus. Dies solange, bis durch das Einscannen an der Kasse die Ware als entsichert erkannt wird.

Wie hat er das geschafft? Ist ein Kind in dem Alter schon so raffiniert, das er bewusst die Sachen zurückbringt?

Bedenkt man die Umstände und den ganzen Trubel, dann ist er anfangs nur bis zum Signal-Auslöser gekommen. Der wurde zwar ausgelöst, jedoch muss der Bub sich spontan noch in der Lichtschranke umgedreht haben. Das verhindert ein doppeltes Auslösen in gleicher Aktion. – Diese Erfahrung berichtete einst eine meiner Bekannten. Sie arbeitet als Kassiererin in einem Supermarkt. Scheint demnach zu stimmen. Oder? Ausprobieren um die absolute Gewissheit darüber zu erlangen, kann ich mir verkneifen. Ebenso das Einmischen in das Geschehen vor Ort.

Nun, der Story Ende: Die Mutter durfte mit ihrem Sohn das Geschäft als ehrenwerte Frau verlassen. Ihren Mann schien dies nicht zu interessieren, denn er ließ sich während der ganzen Aktion nicht blicken.

Diese Begebenheit ist Ungewöhnlich aber wahr.

Listiges Früchtchen

Der Bub des jungen Ehepaares am Selbstbedienungsstand für Bonbon schreit unaufhörlich. Das hält ja keiner auf Dauer aus. So denkt wohl auch der junge Mann, der hinter der Familie ansteht.

Er bückt sich zu dem Buben herab und meint mit bestimmenden Ton: „Hey, Kleiner, wie wär es denn, wenn du mal die Klappe hältst?“ Dabei greift er nach vorne und schaut im selben Moment die Mutter des Buben an.

Die hält auf dem einen Arm das zappelnde Baby und versucht verzweifelt mit der anderen Hand, in der sie die Schaufel hält, Bonbons aus dem Behältnis zu hangeln. Bei der Ansage des Mannes dreht sie sich um.

Oh, oh. Wenn Blicke töten könnten. Die Augen der Frau bezeugen, dass sie ihn gleich am Kragen packt. Was erdreistet er sich auch ihren Jungen dermaßen dreist zu maßregeln?

Oder?

In dem Moment langt der Mann die Klappe des Bonbonkastens an, öffnet diese weit nach oben, hält sie fest und schaut den Jungen belehrend an: „Siehst du? Wenn du die Klappe festhältst, hat deine Mutter eine Hand frei und kann deine Bonbontüte schneller befüllen. Und vor allem hast du keinen Grund mehr den ganzen Laden zusammen zu schreien.“

Schau, schau. So hat er das mit der Klappe halten gemeint. Dem Bürschchen imponiert es nicht im Geringsten. Er schüttelt störrisch den Kopf. Soll wohl so viel wie „Ich will nicht“ ausdrücken.

„Na?“ Verkündet der trotzige Blick in seinem Gesicht was Gutes? Bestimmt nicht.

Richtig!

Seine Augen, bis aufs Minimum zusammengekniffen, schauen nun giftig drein. Wie er durch die kleinen Schlitze noch was sehen kann ist mir schleierhaft.

Dann wiederum? Bedenke man die asiatische Menschenrasse, die sehen ja auch so gut wie wir. Zumindest tragen die prozentual berechnet nicht mehr Brillen als wir.

Mit Drohgebärden schreitet er Racheengel gleich auf den Mann zu. Theatralisch stützt er seine Hände mit geballten Fäusten in den Hüften und wiegenden Schrittes geht er langsam auf den Mann zu. Seine Augen fixieren ihn, gleich einem Hypnotiseur. Von Schritt.. zu... Schritt... bemüht er sich eine imposante Haltung zu wahren. Seine Mimik im Gesicht unterstreicht er durch einen verkniffenen Mund. - Der Bengel schaut zu viel Fernsehen. Die Fiesen in den älteren Cowboyfilmen gehen so einher und legen so ein Gesicht auf.

Vor ihm stehend, reckt er sich noch etwas mehr, und noch etwas mehr. Was hat er vor?

Das lässt nicht mehr auf sich warten. Blitzschnell, einem Blitz nachgeahmt, hebt er seinen linken Fuß und „Zack“ tritt er dem Mann mit all seiner Kraft, indem er den Oberkörper dem Fuß kräftig hinterher schiebt, auf dessen Fuß.

Das war heftig!

Was nicht erkennbar war: wie hat er ihn getreten? Mit vollem Fuß oder gezielt mit der Hacke?

Wie reagiert die Mutter? Im Moment nicht.

Wie reagiert der Mann? Völlig desinteressiert.

Das kann ja lustig werden.

Erst einmal passiert nichts.

Ein, zwei Sekunden scheint alles im Laden stehen geblieben zu sein. Niemand wagt zu atmen. Abgesehen von den üblichen Geräuschen im Geschäft herrscht absolute Funkstille.

Dann, oh Wunder, lachen beide Elternteile los und meinen: „Das war super gekontert.“

Die Mutter bückt sich mit dem zappelnden, doch sehr ruhigen Baby im Arm, zu ihm runter, streicht ihn zur Belobigung mehrmals über den Kopf und meint: „Recht so, Hannes.“

„Na, wenn sie meinen“, gibt der Mann grinsend von sich und...? Und...?

Jawohl!

Richtig so!

Er hebt kurz seinen Fuß und gibt dem Jungen eine Retourkutsche.

Jede Wette, das das kein zärtlicher Tritt war und löst prompt ein Protestgeschrei – die Kunden halten sich dabei die Ohren zu. Auch die Alten - bei dem kessen Kerlchen aus.

Hoffentlich fällt die Oma am anderen Ende der Stadt nicht aus ihrem bequemen Sessel während ihres Mittagsschläfchens.

Das... kann er gut: BRÜLLEN. Ergibt die Note eins.

„Sind sie verrückt? Sie können unserem Jungen doch nicht auf den Fuß treten!“ schreit ihn der Vater an. Die Lautstärke seines Sohnes erreicht er nicht.

„Wieso nicht? Sie meinten doch gerade, ihr Bursche hat damit gut gekontert.“

„Spinnen Sie? Das ist noch ein Kind!“ Jetzt tönt seine Stimme noch lauter. Ja, regelrecht aggressiv.

„Sehen sie es als Schulmeisterei an. Lernt er jetzt nicht das jemandem weh tun Konsequenzen nach sich zieht, was soll dann mal aus ihm werden?“

„Sie haben meinen Jungen nicht zu erziehen!“ brüllt jetzt die Mutter los. Eine Oktave höher und ihre Stimme gerät in Gefahr zu kippen. Fragt sich in Richtung der Hoch- oder Tieflage.

Spätestens jetzt wissen die Kunden, von wem der Bengel das Brüllen gelernt hat.

„Sie tun es ja nicht, und ich lasse so ein ungebührliches Verhalten nicht durchgehen. Er tritt mich, ich trete ihn. So einfach ist das. Wenn sie mich jetzt entschuldigen, ich habe noch was zu erledigen.“

Sagt es und geht.

„So eine Frechheit! Ich zeige sie an! Bleiben sie gefälligst stehen! Ich will ihre Personalien haben!“ Der Vater ist kurz vorm Platzen.

Im Weitergehen und ohne sich um zu drehen, hören die Umstehenden seine Antwort: „Vergessen sie es.“ Ungerührt der ärgerlichen Eltern, geht der couragierte Mann weiter dem Gang entlang.

„Was denkt der unverschämte Kerl denn, wer er ist? Unseren Jungen so zu treten.“

Die Mutter wendet sich ihrem Mann zu und blafft ihn nun an: „Warum hast du ihn nicht festgehalten? Warum lässt du ihn gehen? Der muss angezeigt werden. Der…!“

Holt sie noch mal Luft?