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Nicht schon wieder Weltretten ...! Lili ist total aufgeregt: Sie soll auch ein Elementarwesen sein, yey! Genau wie Jacob, Taio und Putte – das behauptet jedenfalls Nereide, das unfreundliche Wassermädchen. Lili träumt sofort vom Fliegen … es wär so toll, ein Luftwesen zu sein! Doch gerade da wird Putte von einem Feuerwesen entführt. Und aus Lilis Händen schießen plötzlich Flammen. Mistmistmist! Lili will kein Feuerwesen sein, wenn die so doof sind! Aber noch wichtiger ist jetzt: Wie kommen sie in das geheime Reich in Feuerland, um Putte zu retten (und die Welt natürlich auch ein bisschen)? Ein neues temporeiches Elemente-Abenteuer, in dem Lili das Feuer bändigen lernt und die Vier noch enger zusammenhalten müssen, um allen Gefahren zu trotzen. Garantiert ohne Verschnaufspausen – voller herrlich schrägem Humor und mit vielen tollen Illustrationen!
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Seitenzahl: 179
Anna Herzog
Bitte nichtmit dem Feuer spielen!
Bereits erschienen:
Band 1
5 4 3 2 1
eISBN 978-3-649-64674-7
© 2024 Coppenrath Verlag GmbH & Co. KG,Hafenweg 30, 48155 Münster
Alle Rechte vorbehalten, auch auszugsweise. Die Nutzung des Werkes für das Text- und Data-Mining nach § 44b UrhG ist durch den Verlag ausdrücklich vorbehalten und daher verboten.
Text: © 2024 Anna Herzog
Illustrationen: Mandy Schlundt
Lektorat: Frauke Reitze
Satz: Helene Hillebrand
www.coppenrath.de
Die Print-Ausgabe erscheint unter der ISBN 978-3-649-64212-1.
Bitte nichtmit dem Feuer spielen!
Mit Illustrationen vonMandy Schlundt
Die Beule im See
Das geheime Verzeichnis
Schattenspiele
Die Prüfung
Wutglut
Doppelt gemoppelt
Morris
Grambel hormu …
Die Botschaft
Um.Lei.Tung.
Die Verwandlung
Hunde und Katzen
Fritten in der Nase
Bis. Auf. Eine.
Marianengraben 15, erster Stock
Feuerland
Die Türme des Eises
Sie kommen
Der Kampf
Der Drache der Tiefe
Die ganz große Frage
In der Dragaburg
Frieden. Oder nicht?
Der schreckliche Droool
Der Verrat
Aus der Tiefe
Wieder zurück
Bist du so schlau wie Taio und kannst diese Quizfragen beantworten?
Als Nereide zurückkam, ging die Welt unter.
Und alles, alles fing wieder von vorne an.
Wir hatten sie SO lange gesucht. In der Dusche von Jacobs Oma, im Schuppen, sogar in den Brunnen hatten wir geschaut, obwohl es verboten war. Echt Ü-B-E-R-A-L-L! Aber sie war einfach verschwunden.
Und dann hatten wir langsam vergessen, dass es sie überhaupt gab: Nereide, wandelbare Wasserwesen, die Elementenwelt. Als ob Jacob den Kampf gegen Vartor nie gewonnen hätte. Als ob wir nie im Diamantschloss gewesen wären. Oder mit dem Wasserfall geflogen. Als ob Nereide uns nie geschrieben hätte, dass wir ALLE Elementarwesen wären. Und als ob wir dann nicht unbedingt wissen wollten, WAS für Elementarwesen wir waren. Aber Nereide blieb verschwunden.
Das Irrlicht war übrigens auch weg. Anfangs hatte ich es im Garten von Jacobs Oma noch manchmal unter den Bäumen gesehen, aber irgendwann war es nicht mehr da.
Übrigens: Hi, ich bin Lili. Diese Geschichte erzähle nämlich ICH und nicht Jacob!!! – Klappe, Jacob! – Warum, wirst du noch begreifen. Zumindest, wenn du die Geschichte liest. Was natürlich cool wäre …
Der Sommer war vorbeigegangen und der Herbst hatte angefangen, mit Kastanien und Walnüssen und HERBSTFERIEN! Und rate, wer da zu uns aufs Land kam: Jacob und Putte, yessss!!
Wir rannten sofort mit ihnen zum See runter, um Steine zu ditschen. Erstens, weil wir das immer so machen. Auf dem Steg haben wir Ruhe, da stören uns keine nervigen Erwachsenen. Und zweitens: Jacob sagt immer, er braucht frisch gewaschene Luft. Weil die in der Stadt, in der er wohnt, schon so oft benutzt wurde. Und dann steht er am Seeufer und atmet so lange tief ein und aus, bis Taio sagt: »Hör bloß auf, sonst kippst du um!«
Das Wasser war grau und der Himmel auch an diesem Tag, dem ersten Tag der Herbstferien. Das einzig Bunte waren Thorstens schwarz-weiße Kühe, die über den Zaun schauten. Thorsten – das ist ein junger Bauer, der bei uns nebenan seinen Hof hat.
Ein Stück von uns entfernt stand eine Familie mit zwei kleinen Jungen am Seeufer. Also nicht soooo klein – so alt wie Putte waren die ungefähr. Der Mann hatte eine Kamera mit einem riesigen Objektiv um den Hals hängen. Vielleicht wollte er ja die Kühe fotografieren. Oder das Schilf. Oder den Himmel.
»Stellt euch vor, vielleicht darf ich dieses Jahr auf dem Sankt-Martins-Umzug als heiliger Martin voranreiten«, erzählte ich Jacob und Putte. Ich ditschte den ersten Stein. »Fünf Mal!«, rief ich. »Habt ihr das gesehen?«
»Pfffff«, machte Jacob, weil: Er will nie zugeben, dass ich viel besser ditsche als er.
Putte nahm einen Stein und schmiss ihn einfach mit Klatsch vor sich ins Wasser. Dabei schrie sie: »Ich will endlich wissen, was ich bin! Feuer oder Wasser oder …«
»… Erde oder Luft«, sagte Taio leise.
Die Familie schaute verwundert zu uns rüber. Und da passierte es. Womöglich war ja Puttes Stein schuld daran: Ganz hinten am anderen Seeufer fing es an. Es sah aus, als ob das Wasser eine Beule hätte. Wie eine Glaskugel, die aus dem Wasser ragt, aber auch aus Wasser ist.
»Mamaaaa, was ist das?«, fragte einer von den beiden kleinen Jungen und zeigte darauf.
»Das würde ich auch gerne wissen«, murmelte Taio neben mir und sein linkes Auge fing an zu zucken.
»Mamaaaaa, es kommt näher!«, schrie der andere kleine Junge.
»Argh«, sagte Jacob.
»Uff«, machte ich.
Die Beule sah so unheimlich aus. Und weißt du, was noch viel unheimlicher war? Plötzlich wurde der Himmel schwarz wie Asphalt und riesige Wolken krumpelten sich über dem See zusammen.
Die Einzige, die irgendwie keine Angst hatte, war Putte. Die stand da am Wasser mit leuchtenden Augen und ausgebreiteten Armen. ICH hatte natürlich auch keine Angst, obwohl: Noch war ja nicht klar, ob in der Beule nicht ein Zombie drinsteckte. Vor Zombies habe ich nämlich schon Angst.
Jetzt war die Beule GANZ NAH.
Die beiden Jungen, die Mutter und der Vater drängelten sich aneinander und glotzten. Der Vater hob den Fotoapparat, doch da – pitsch! – spuckte die Beule ihm etwas Wasser auf die Kamera.
»Schade eigentlich. Keine Fotos mehr«, flüsterte Jacob. »Wollen wir nicht lieber abhauen?«
Aber das GING nicht. Es fühlte sich an, als ob meine Füße im Sand festgewachsen wären.
Ah.
AAH.
Genau in dem Moment, als die Beule mit einem riesigen Platschen oben aufplatzte und uns vollspritzte, raste ein Blitz aus den pechschwarzen Wolken herab. Die Familie rannte weg, so schnell sie konnte. Das war voll schade. So konnten sie nämlich nicht mehr sehen, wer da aus der Beule ans Ufer sprang.
Der Blitz krachte ins Wasser. Jemand machte einen erschrockenen Satz in die Luft und schrie wütend etwas nach oben, wo der Blitz herkam. Dieser Jemand war …
Nereide.
Und dann ging die Welt unter.
Nachdem die Blase uns schon von unten nass gespritzt hatte, platzten nun auch noch all die pechschwarzen Wolken über uns auf – wie mega Monster-Wasserballons. Mit offenen Mündern starrten wir Nereide an. Gleichzeitig prasselte der Regen nur so auf uns runter. Und bewegen konnte ich mich IMMER noch nicht. Jacob und Taio neben mir auch nicht.
Aber Putte! »Nereide!«, schrie sie und rannte los. Und mitten in dem ganzen Weltuntergang fing Nereide Putte auf und wirbelte sie durch die Luft, dass ihr grüner Umhang nur so um sie herumflog.
»Mann!«, schrie Jacob durch die Regenflut. »Wir haben dich SO gesucht! Wo, zum Kuckuck, warst du?«
Wenn du jetzt glaubst, Nereide hätte etwas Nettes zur Begrüßung gesagt, dann kennst du Nereide nicht. Sie sah auf und ihre Augen wurden zu schmalen Schlitzen. »Los! Alle zum Tor bei Jacobs Oma! Aber flotti!«, fauchte sie.
»Hey!«, rief ich. »Du hast uns überhaupt nichts zu befehlen!«
»Genau!« Jacob nickte. »Erst lässt du uns unter der Erde einfach mit einem durchgeknallten Drachen sitzen. Und dann, wenn wir die Welt gerettet haben – ich meine: die WELT! Ich meine: WIR! –, dann tauchst du einfach nicht mehr auf! Stattdessen finden wir so einen Wisch von dir, wo draufsteht, dass wir ALLE Elementarwesen sind – und das war’s dann. Und …«
»Und außerdem kleben wir hier fest!« Das war Taio.
Im nächsten Moment verdrehte Nereide ihre rechte Hand, einmal nach links und einmal nach rechts. Ich stolperte und fiel beinahe hin. Wenigstens konnte ich mich wieder bewegen.
»In Jacobs Garten«, sagte Nereide nur. »Oder wollt ihr, dass hier gleich jede Menge Leute auftauchen?«
Als wir wütend hinter ihr und Putte her durch den Regen stapften, knuffte Jacob mich. »Schau mal«, flüsterte er.
»Was denn?«
»Die Tropfen! Guck dir mal die Regentropfen an!«
»Uh«, machte ich. »Das meint deine Oma also, wenn sie sagt, es regnet Katzen und Hunde!«
Tat es aber gar nicht. Es regnete nämlich nicht Katzen und Hunde, sondern winzig kleine Kühe … und Gürteltiere … und Dinosaurier. Manche winkten uns, und manche hielten sich die Augen zu, während sie Richtung Erde rasten. Jacob fing einen Tyrannosaurus rex auf, doch in seiner Hand verwandelte er sich wieder in einen ganz normalen Regentropfen.
»Es regnet übrigens nur um uns herum!«, flüsterte Taio uns zu. »Schaut mal zum See!«
Wirklich: Der See lag jetzt in der Sonne. Nur über uns schüttete sich eine kleine, fiese Wolke aus. Merkwürdige Sorte Regen!
Als wir am Dorfrand angekommen waren und an »Artur Assens absolut abartiger Autowerkstatt« vorbeigingen, machte Nereide wieder so eine Bewegung mit der Hand. Und der Regen hörte sofort auf. Als ob du eine Dusche abstellen würdest.
Das Wasser floss von uns allen nur so runter. Nereide grinste. »Jetzt fällt es nicht mehr auf«, sagte sie.
Da verstand ich: Nereide ist ja ein WWW – ein Wandelbares WasserWesen. Und eigentlich ist sie immer ein bisschen nass. Wenn sie besonders traurig oder wütend oder fröhlich ist, läuft das Wasser ihren Umhang herunter. Jetzt aber waren wir alle so pitschnass, dass keiner mehr sehen konnte, dass Nereide ein Wasserwesen war.
Trotzdem nahmen wir lieber nicht den Weg durch das Dorf, sondern den alten Brombeerpfad, der am Ort vorbeiführt und direkt vor dem Haus von Jacobs Oma wieder rauskommt. Nur zur Sicherheit. Schließlich sieht Nereide auch so schon ungewöhnlich genug aus – mit ihrem Umhang und den vielen Piercings und den blauen Zottelhaaren.
Wenig später quetschten wir uns im Gartenhäuschen von Jacobs Oma auf die Bank zwischen Rechen und Rasenmäher. Kaum saßen wir, zischte Nereide uns an: »Also. Noch mal: Warum habt ihr mir das nicht gleich gesagt?«
Ich wollte gerade zurückzischen, da sagte Taio: »Was haben wir dir nicht gesagt?« Höflich, wie er ja nun mal ist.
»Dass ihr ALLE Wesen aus der Elementenwelt seid!«, antwortete Nereide und starrte uns mit ihren riesigen grünen Augen an. »Ich habe nachgeschaut. Im Verzeichnis. Und da stehen ALLE eure Namen drin! Warum habt ihr das nicht erwähnt, hä?!«
»Äh. Weil wir das nicht WUSSTEN?«, sagte Taio.
»Warum wisst ihr eigentlich nie was?« Nereide warf die Arme in die Luft. »Was bringen die euch eigentlich in der Schule bei?!«
»Mathe?«, schlug Jacob vor.
»Na, praktisch.« Nereide verdrehte die Augen. »Und hat euch Matte unter der Erde geholfen? Wer ist eigentlich dieser Matte?«
Putte prustete los.
Taio seufzte. »In was für einem komischen Verzeichnis hast du unsere Namen denn gesehen?«
Nereide setzte sich ganz gerade hin. »Komisches Verzeichnis? KOMISCH?! Das ist das wichtigste Buch überhaupt, du Krakenfurz!« Sie strich ihren Umhang glatt. »Da sind ALLE Wesen der Elementenwelt verzeichnet. Mit Adresse. Sehr nützlich, wenn du mal jemanden brauchst. Wenn es das ›komische‹ Verzeichnis nicht gäbe«, sie machte mit den Fingern Gänsefüßchen in der Luft und warf Taio einen verächtlichen Blick zu, »hätte ich Jacob damals nicht gefunden, und die Erde wäre … na ja, auseinandergeplatzt. Da siehst du, wie wichtig es ist, du Schlabbermuräne!«
Taio zog die Schultern hoch. »Und was für Elementarwesen sollen wir sein?«
Ich hielt die Luft an. Mann, wie oft hatten wir uns das gefragt nach Nereides Nachricht! Bloß eine Antwort hatten wir nie gekriegt.
Aber jetzt! ENDLICH! Oh, HOOOOOFFFENTLICH war ich ein Luftwesen, das wünschte ich mir so sehr.
Nereide kratzte sich am Kopf. Sie schaute uns alle an. Einen nach dem anderen. Ich platzte fast vor Spannung. »Das … äh … steht da nicht«, sagte Nereide.
Maaaaaannn!
»Woher wusstest du denn dann, dass Jacob ein Erdwesen ist?«, rief ich.
»Das hat mir der Große Krake gesagt.« Nereide senkte den Kopf, machte ein Doppelkinn und brummte mit ganz tiefer Stimme: »Sieh nach beim Brunnen-Tor. Dort lebt ein Erdwesen, das ist gerade frisch erwacht.« Pfff, das sah überhaupt nicht krakig aus! »Brunnen-Tor – das ist natürlich das von deiner Oma«, sagte Nereide wieder mit ihrer normalen Stimme und schaute Jacob an. »Und frisch erwacht, weil du deinen zehnten Geburtstag hattest. Da erwachen die Letzten. Die ALLERLETZTEN. Die meisten haben schon vorher gecheckt, dass mit ihnen irgendwas nicht stimmt.« Sie zuckte die Achseln. »Aber manche begreifen es auch nie.« Sie warf Taio und mir lange Blicke zu.
»Also ich will ein Luftwesen sein! Ich will fliegen können, das wollte ich immer schon!«, platzte ich heraus. Ich tanzte um Taio und Putte herum. »Und was wollt ihr sein?«
»Gar nichts.« Taio schüttelte den Kopf. »Ich will das nicht.«
»Was willst du nicht?«, fragte Nereide ungläubig.
»Ein Elementarwesen sein. Kann von mir aus jemand anders machen.«
»Tja.« Nereide schnaubte. »Dann muss ich dir leider sagen: Die Elementenwelt ist kein Wunschkonzert. Du kannst das Ticket nicht zurückgeben.« Sie streckte Taio die Zunge heraus.
Taio schaute trotzig. Das kenne ich schon von ihm. Wenn Taio etwas nicht will, dann will er nicht. Da hilft es auch nicht, vor Wut in die Tischkante zu beißen. Oder in einen Umhang, wie Nereide es gerade tat.
»Du, Nereide, wie finden wir denn jetzt raus, was wir für Wesen sind?«, fragte Putte.
Nereide lächelte sie an. »Wir probieren es natürlich aus. Durch eine Prüfung. Also: nicht wir, sondern ihr. ICH weiß schließlich, dass ich ein Wasserwesen bin, was die klügsten, schönsten …«
»Jajajaaa …«, unterbrach Jacob sie.
»Ich probiere gar nix aus«, sagte Taio.
»Das werden wir ja sehen.« Nereide grinste fies. »Um Mitternacht am Brunnen.«
Taio biss die Zähne zusammen. Und da wusste ich, dass es heute Nacht aufregend werden würde.
»Cool, du bist ja doch gekommen!«, flüsterte Jacob. Es war so dunkel, dass ich ihn fast nur an seiner Stimme erkannte.
»Konnte euch ja nicht mit Nereide allein lassen«, wisperte Taio zurück.
Ich war total froh, dass Taio auch da war. Er hat immer gute Ideen, wenn es spannend wird. Und dass es wieder spannend werden würde, war sowieso klar, hurra!
»Aber Putte schläft, oder? Die kommt nicht wieder auf so ein gefährliches Abenteuer mit«, sagte ich leise.
»Dohoch«, flüsterte Putte.
So ein Mist! Sie ist doch noch viel zu klein für solche Sachen. Dabei mag ich Putte wirklich gern, fast wie eine kleine Schwester. Die hab ich mir nämlich immer gewünscht – aber bloß Jacob hat eine, und Taio hat wenigstens einen Halbbruder, auch wenn der schon fast erwachsen ist. Und TOTAL anders als Taio. Ich habe gar nichts.
»Putte, willst du nicht lieber hierbleiben?«, fragte ich also.
»Pfffff. Nee, denk mal, das will ich NICHT!«
»WAS willst du nicht, kleine Putte?«
Wir wirbelten herum. Das war Nereides Stimme. Ja genau, ihre STIMME! Aber wo war ihr KÖRPER?
»Wo bist du?«, fragte ich.
»Direkt vor euch. Im Brunnen. Und jetzt flotti – runter hier mit euch!«
»Wie macht sie das bloß immer?«, fragte Jacob und kratzte sich am Kopf.
Wie bei unserem ersten Abenteuer – als wir Nereide kennengelernt hatten – kam ihre Stimme aus dem Brunnen. Aber der schwere Brunnendeckel lag noch drauf.
»Wasserwesen. Sickert wahrscheinlich durch die Ritzen.« Taio zuckte mit den Schultern. »Los, helft mir mal.«
Als wir den Deckel runtergehoben hatten und über den Rand schauten, war da nur ein tiefes Glucksen, das in pechschwarzen Schatten lag.
»Kommt ihr jetzt endlich?«, schallte es von unten.
»Hallooo, WIR sind aber keine Wandelbaren WasserWesen!«, protestierte Jacob.
»Und woher wollt ihr das wissen?«, kam Nereides Stimme aus dem Brunnen.
»Jacob ist doch der Erdprinz!«, sagte ich und warf meine Dreadlocks zurück.
»Erdprinz, Schnerdprinz. Loslos. Erst ein Bein, dann das andere und dann … hopp!«, klang es ganz leise aus der Tiefe. »Luft holen, springen und nicht gucken. Hört ihr? LASST. DIE. AUGEN. ZU!«
Putte kicherte. Sie legte sich mit dem Bauch auf den Brunnenrand. Und bevor einer von uns was sagen konnte, ließ sie sich fallen.
»Putte!«, zischte Jacob entsetzt.
Wir starrten in die Tiefe. Nichts passierte. Fast nichts. Ziemlich lange nicht. Bis es Platsch machte und der Brunnen rülpste. Ja, echt!
»Putte!«, schrie Jacob. Wir sahen uns an. »Hat der Brunnen sie jetzt gefressen, oder was?« Er klang richtig panisch.
Da ließ ich mich auch fallen. Ich wollte Putte retten. Und ich hatte keine Angst. Aus dem Augenwinkel sah ich noch, wie Jacob und Taio sich über den Brunnenrand beugten. Taio hielt sich die Nase zu und beide hatten die Augen fest zugepresst. Da tauchte ich unter. Und es war merkwürdig: Obwohl ich doch unter Wasser war, konnte ich atmen.
Aber kennst du das? Wenn jemand wie Nereide dir sagt, du sollst NICHT gucken, auf gar keinen Fall – dann tust du genau das Gegenteil? Du kannst gar nicht anders?
Kaum war ich unter Wasser, riss ich also die Augen auf. Um mich herum sah ich die Brunnenwand und überall leuchtete ein grünliches Licht. Schatten huschten vorbei – dünn wie Papier und grau und schwarz, Schatten von Bäumen und Pferden und Menschen und Stühlen und Tischen und … keine Ahnung. Ich schaute und schaute.
Als sich eine Schattenschlange von links anschlich und mir ins Gesicht sah, hätte ich FAST geschrien. Aber da hatte ich die ANDERE Schlange auf der rechten Seite noch nicht gesehen.
Jacob und Taio und meine Mama sagen immer, ich hätte vor nichts in der Welt Angst. Aber: doch. Vor Tunnelrutschen und Zombies habe ich schon Angst. Und … äh … vor Schlangen. Besonders, wenn sie so GRUSELIGE Köpfe haben wie diese: Der Kopf der linken Schlange sah aus wie eine Lokomotive. Und der von der rechten wie eine Bratpfanne. Und dann das ganze Gezische!
»Ssssssssssssstuhl oder Tisssssssssssssch – Fleissssssssssch oder Fissssssssssssssssch?«
Stuhl oder Tisch? Fleisch oder Fisch? War das ein Rätsel? Jedenfalls kamen die Schlangen immer näher und näher und …
»Tisch … äh … Fisch!«, keuchte ich.
Die Schattenschlangen nickten zufrieden.
»Ssssssssssssssssssssauer oder sssssssssssssüüüssssss – Ssssssssssssssssssssunge oder Füssssssssssssssssss?«
Hä? Sauer oder süß, Zunge oder Füß? »Ähm … Füße?«
Wieder Nicken.
»Wassssssssssssssssssssssssser oder Grasssssssssssssss – Hasssssssssssss oder Spassssssssssssssss?«
»Spaß natürlich – hör sofort auf, an meinem Ohr zu knabbern!«
Ich wollte nach der Schlange schlagen, aber das ging nicht … und da machte es plllllotsch und ich fiel runter und landete auf etwas Weichem, Grünem. Igitt – irgend so ein Brunnenschleim. Darunter war ein Steinboden. Das wusste ich, weil sich ein spitzer Stein jetzt in meinen Rücken bohrte. Also war ich auf dem Grund des Brunnens angekommen. Hier war es komischerweise trocken. Das Brunnenwasser schwebte über mir wie eine Decke. Es sah von unten aus wie von oben – schwarz, glatt und spiegelnd. Als wenn ich auf der anderen Seite der Welt herausgefallen wäre und alles wäre verkehrt herum.
Erst passierte nichts. Dann tauchte Nereides Gesicht über mir auf. Sie sah SEHR sauer aus. »Was hatte ich gesagt?«, fauchte sie.
Ich versuchte, mit den Schultern zu zucken. Doch das funktionierte nicht. Meine Arme waren weg!
Jacobs Gesicht erschien neben Nereides. Er prustete los. »Lili, du siehst aus wie ein grüner Fisch mit Füßen dran!« Waaaas?! Ah … deshalb hatte ich wohl keine Arme mehr.
Nereide warf ihre Hände in die Luft. »WAS HABE ICH GESAGT, HÄ? NICHT DIE AUGEN AUFMACHEN! Aber – ph! – da können wir jetzt auch nichts machen, wir müssen weiter. Kommt sie eben als grüner Fußfisch mit, selber schuld.«
Ich strampelte und strampelte und schaffte es, auf meine Fischfüße zu kommen. »Ich WILL aber kein Fisch sein!«, schnaufte ich.
»Wer nicht hören will, muss fühlen!« Nereide zog die Augenbrauen hoch.
»Das sagt meine Oma auch immer«, flüsterte Jacob.
»Warum machen die das denn, die Schlangen? Und woher kamen die ganzen Schatten im Brunnen?«, schimpfte ich. Zum Glück konnte ich wenigstens noch reden.
»Fragenfragenfragen!«, fauchte Nereide.
Von irgendwoher kam ein ganz leises Kichern. Ich glaube, aus meinen Schuppen.
»He, was ist das denn?« Jacob fasste mir unter die Flosse, und bevor ich etwas sagen konnte, hatte er etwas kleines Schwarzes in der Hand. Es kicherte immer noch.
»Schaaabernack«, sang es mit hoher Stimme. »Uuunsinn, Blööödsinn, Quatsch mit Soooße!« Es wriggelte sich aus Jacobs Hand heraus und landete auf dem Boden.
»Ein Eichhörnchenschatten!«, rief Taio. »Aber … mit einem Pferdeschwanz?« Er schüttelte verwundert den Kopf.
Nereide seufzte. »Unnützes Gewimmel!«, schimpfte sie.
»Nereide, was ist denn das?« Putte zog sie am Umhang.
»Das sind Schatten«, antwortete Nereide. Putte antwortete sie ja IMMER. »Schatten, die auf der Oberwelt von ihren Körpern losgerissen wurden. Entweder weil sie nicht aufgepasst haben oder weil sonst was passiert ist.«
Sie seufzte. »Und wenn sie nicht wieder mit ihrem Körper verbunden werden, irren sie in der Gegend herum und haben keine Arbeit mehr.« Sie zuckte mit den Schultern. »Dann treffen sie sich an bestimmten Orten – hier im Brunnen zum Beispiel. Und machen NUR Unsinn. Tauschen irgendwelche Körperteile aus, verkleiden sich … schaut euch Lili an!« Sie zeigte mit dem Zeigefinger auf mich.
»Aber ich bin kein Schatten!«, rief ich.
»Bist du niiicht?«, kam wieder die hohe Stimme des Eichhörnchenschattens.
»Nein!«
Der Schatten wollte sich ausschütten vor Lachen. »Oh, oh. Oh, oh, oh, oooh … was für ein Schaaabernack«, stöhnte er und kicherte immer weiter.
In diesem Moment schlängelte sich aus der Decke über uns – also aus dem Brunnenwasser – ein langer, langer Schwanz heraus.
»Ein Chamäleon«, stellte Taio fest.
Der Schwanz zeigte auf das Eichhörnchen. Das ließ den Kopf hängen. »Ich muss zurüüück«, piepste es.
Es hopste Richtung Chamäleonschwanz. Als es an mir vorbeikam, blieb es stehen.
»Tschüss«, sagte ich.
Es kam ganz nah heran, sodass ich sogar seine kleinen weißen Schattenaugen sehen konnte. Und plötzlich spuckte es mir ins Gesicht.
»Heee!«, rief Jacob.
Mir aber wurde total schwindelig. Ich hörte Jacob noch einmal »Heeeeeeeeeeeee!« rufen. Dann lag ich auf dem Rücken und es wurde schwarz vor meinen Augen.
In meinem Kopf drehte sich alles, wie bei einem superschnellen Kettenkarussell. Mir wurde schlecht. Aber gerade als ich dachte, ich müsste mich übergeben, hörte es plötzlich auf.
Das Erste, was ich sah, als ich die Augen aufschlug, waren diesmal gleich vier Gesichter, die mich ALLE anstarrten.
»Puh«, machte Jacob.
»Interessant«, sagte Nereide.