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Wilde Gerüchte machen über Ryan Kavanagh, den neuen Besitzer von Valeside Manor, im Dorf die Runde: Ein schamloser Verführer soll der irische Aristokrat sein. Natürlich meidet die hübsche Faye Shawcross ihn, wenn möglich. Schließlich ist sie verlobt! Doch als ihre Schwester verschwindet, ist es der hochgewachsene Ire, der ihr hilft. Und als er sie küsst, ist er unendlich viel zärtlicher als ihr Verlobter, sprechen seine Blicke die Sprache der Liebe. Kann es sein, dass die Gerüchte Lügen sind - und Ryan sein einsames Herz hinter einer Mauer aus Skandalen verbirgt?
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Seitenzahl: 392
IMPRESSUM
HISTORICAL MYLADY erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2017 by Mary Brendan Originaltitel: „Rescued by the Forbidden Rake“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe HISTORICAL MYLADYBand 593 - 2019 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Gisela Grätz
Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 03/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733736828
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Unsere Zusammenarbeit ist beendet, Sir. Ich habe meine Entscheidung getroffen.“
Faye Shawcross stand abrupt auf. Dieser freche Kerl! Er hatte ihr nicht nur geraten, in ein Geschäft zu investieren, das kläglich gescheitert war, er wollte sie auch noch überreden, das Geld, das ihr noch verblieben war, in ein anderes seiner Projekte zu stecken! Als sie am Tag zuvor seine Nachricht bekommen hatte, in der er um ein Gespräch bat, hatte sie geglaubt, er wollte sie um Verzeihung zu bitten, weil er sie so sehr im Stich gelassen hatte. Sie hatte sogar gehofft, dass er von einer Entschädigung sprechen würde. Aber keineswegs! Er hatte sich kaum hingesetzt, da holte er schon ein weiteres Blatt zum Unterschreiben hervor, als wäre sie eine komplette Närrin.
„Ich möchte nicht diktatorisch erscheinen, Miss Shawcross, aber ich bin sicher, Sie werden meinen Vorschlag noch zu schätzen wissen. Ich bin davon überzeugt, dass Ihr Verlobter Ihnen nahelegen würde, mir zuzuhören, wäre er hier.“
„Aber das ist er nicht, und seine Anwesenheit ist auch nicht nötig. Ich brauche weder mehr Zeit noch einen Rat, Sir. Ich habe deutlich gesagt, dass ich meine Entscheidung getroffen und meine Vereinbarung mit Ihnen aufgehoben habe. Auf Wiedersehen.“
Faye hatte bereits die kleine Messingglocke benutzt, die neben ihr auf dem Tisch stand. Ihre Haushälterin war umgehend erschienen und wartete nun auf Anweisungen.
„Mr. Westwood möchte gehen, Mrs. Gideon.“
Ein Hüsteln der Angestellten erinnerte den Mann daran, dass sie bereit war, ihn hinauszubegleiten.
Als Miss Shawcross aufgestanden war, hatte sich auch Westwood erhoben, mit vor Zorn gerötetem Gesicht, weil sie ihn so schroff entlassen hatte. Doch er brachte eine kurze Verbeugung zustande. „Wie Sie wünschen. Aber ich entschuldige mich nicht dafür, dass ich Ihnen helfen wollte, Ihr Vermögen wieder zurückzugewinnen.“
„Vielleicht möchten Sie sich aber dafür entschuldigen, es überhaupt vermindert zu haben“, gab Faye kühl zurück. Ihre grünen Augen blitzten vor Ärger und Ungeduld.
„Ich hatte Ihnen gesagt, dass es dabei ein Risiko gab“, entgegnete er unschuldsvoll.
„Aber Sie haben mir auch gesagt, ich solle mich nicht darum kümmern. Hätte ich geahnt, dass mein Geld innerhalb kürzester Zeit in Ihren Händen verschwinden würde, hätte ich auf nichts von dem gehört, was Sie gesagt haben.“
Westwood fielen fast die Augen aus dem Kopf, aber Faye war von seiner Wut nicht beeindruckt. Mit einem Nicken verabschiedete sie ihn.
Die Salontür hatte sich kaum hinter seinem kerzengerade aufgerichteten Rücken geschlossen, als dieselbe Tür schon wieder aufging und ein Junge über die Türschwelle stürmte.
„Sind wir arm?“
„Natürlich nicht, mein Lieber.“ Faye streckte die Arme aus und zog ihren Halbbruder Michael an sich. „Wir stehen nur nicht mehr so gut da wie vorher.“
„Kann ich immer noch nach Warwick zur Schule gehen?“
„Natürlich kannst du das! Und ich hoffe, von deinem Direktor bessere Berichte zu bekommen, wenn du im Herbst zurückkehrst, junger Mann.“
Bei der Erwähnung seiner Missetaten sah Michael sie treuherzig an. „Ich weiß, ich hätte mich nicht an dem Kampf beteiligen dürfen.“
„Nein, das hättest du nicht – aber du hättest dich von diesen Jungen auch nicht einschüchtern lassen dürfen.“ Faye zauste das blonde Haar ihres Bruders. Sie fühlte sich schuldig, weil Michael von einigen älteren Schülern verspottet worden war, als sich herumgesprochen hatte, dass sein Schulgeld überfällig war. Der Brief des Schulmeisters war ein erster Hinweis darauf gewesen, dass nicht alles in Ordnung war. Sie hatte Westwoods Erklärung geglaubt, nach der er nur etwas übersehen hatte. Wie sehr sie es jetzt bedauerte, so naiv gewesen zu sein!
Aber jetzt, da sie den Vertrag mit dem Anwalt gelöst hatte, würde die Summe, die dieser Scharlatan ihr regelmäßig in Rechnung gestellt hatte, um ihre Investitionen zu finanzieren, wieder für notwendige Dinge zur Verfügung stehen. Sie waren nicht arm – aber sie waren auch nicht reich, nicht annährend so wohlhabend, wie sie einmal gewesen waren. Faye bedauerte es zutiefst, Westwood engagiert zu haben, aber der Mann, den sie heiraten würde, hatte ihn empfohlen, und daher hatte sie dem Anwalt durchaus zugetraut, das zu erfüllen, was er versprach. Jetzt vermutete sie, dass er bestenfalls inkompetent, schlimmstenfalls korrupt war, aber sie hatte keinen Beweis dafür, dass er irgendetwas Illegales getan hatte. Sie hatte die Dokumente freiwillig unterzeichnet und ihm die Kontrolle über die Hälfte des Nachlasses ihres Vaters überlassen. Wenn sie gegen Westwood gerichtlich vorging und verlor, dann würde das zweifellos mit ihrem Niedergang enden. Ihre jüngeren Geschwister verließen sich auf sie, und so etwas konnte sie sich nicht leisten – und Mr. Westwood wusste das zweifellos.
Michael war zwölf und hatte noch viele Jahre in der Schule vor sich, es wurde mehr Geld gebraucht, wenn ihr Halbbruder in Warwick bleiben sollte. Doch sie musste gerecht sein und auch an die Zukunft ihrer Halbschwester denken. Als hätte die junge Dame Fayes Gedanken gehört, betrat sie das Zimmer.
„Können wir heute Nachmittag ausgehen?“, fragte Claire aufgeregt. „Ich habe die Wagen von meinem Fenster aus gesehen. Die Leute versammeln sich schon auf dem Dorfplatz. Und …“
„Ich habe sie auch gesehen. Dürfen wir?“ Michael unterbrach seine Schwester mit seiner eigenen Bitte, auf den örtlichen Mittsommerjahrmarkt zu gehen. Die Roma kamen jedes Jahr und blieben ein paar Tage, um die Menschen hier zu unterhalten, ehe sie in eine andere Stadt zogen.
„Ja, wir sollten gehen und uns amüsieren, aber für jeden gibt es nur ein paar Pennys zum Ausgeben“, fügte Faye mahnend hinzu. Sie seufzte glücklich, eine Unterbrechung nach dieser unangenehmen Aufregung, die sie alle aus dem Gleichgewicht gebracht hatte, würde ihnen guttun.
Erst vor ein paar Tagen hatte sie beim Frühstück ahnungslos einen Brief von Westwood geöffnet, in dem er endlich die Wahrheit gestand. An ihrem spontanen Ausruf hatten die Kinder gemerkt, dass etwas nicht in Ordnung war. Faye war versucht gewesen, ihnen die schreckliche Wahrheit zu verheimlichen. Aber was hätte es genützt, das aufzuschieben, wenn sie doch sofort wissen mussten, dass gespart werden musste.
„Ich werde meine neue Haube holen und ein Band daran nähen.“ Claire ging zur Tür.
„Bill Perkins wird nicht hingehen, du verschwendest also deine Zeit, wenn du dich für ihn hübsch machst“, meinte Michael.
„Ich interessiere mich sowieso nicht für ihn …“, gab seine Schwester zurück.
„Keine Streitereien bitte“, meinte Faye.
Claire hatte eine Schwäche für Bill Perkins entwickelt, nachdem der junge Farmer sie aus einem Graben gerettet hatte. Nach einem starken Regen hatte sie das Gleichgewicht verloren und war in den Schlamm gestürzt. Der junge Mann war verlobt, kam aber immer vorbei, um ein wenig Zeit mit ihnen allen zu verbringen.
„Ich habe über diese Fahrt in die Stadt nachgedacht, über die wir gesprochen haben.“ Fayes Gedanken waren vom netten Bill Perkins zu einem anderen freundlichen Gentleman gewandert – einem namenlosen, gesichtslosen Menschen, den ihre Schwester hoffentlich noch kennenlernen würde.
„Müssen wir unbedingt nach London für mein Debüt?“, fragte Claire mit einem betonten Mangel an Begeisterung. „Das wäre eine sehr teure Reise, und ich bin nicht sicher, ob ich das will.“ Ein kleines Lächeln umspielte ihre Lippen. „Ich könnte auch hier einen Ehemann finden.“
„Deine Mitgift ist immer noch sicher, und da du so hübsch bist, wirst du nicht viel Aufwand treiben müssen, wie einige der anderen Mädchen.“ Faye versuchte, ihre Schwester mit einer heiteren Bemerkung zu ermutigen. Aber das Lob war gerechtfertigt. Claire war wirklich eine Schönheit und erregte jedes Mal die Aufmerksamkeit der jungen Männer in Wilverton, der kleinen Stadt, die eine halbe Meile entfernt lag. Nie zuvor hatte Claire sich an einem der örtlichen Verehrer interessiert gezeigt. Doch seltsamerweise hatte Faye den Eindruck, ihre Schwester hätte ausgesehen wie die Katze, die gerade den Milchtopf ausgeleckt hat, als sie davon gesprochen hatte, einen Mann in der Nachbarschaft zu finden.
Es hieß, Claire sehe ihr ähnlich, Faye aber glaubte, dass ihre Halbschwester ihr Aussehen von Deborah Shawcross geerbt hatte. Doch sie sprachen nur selten über die zweite Frau ihres verstorbenen gemeinsamen Vaters. Schon ehe Deborah nach Irland gegangen war, um bei ihrem Liebhaber zu leben, war diese Frau nur peinlich gewesen.
„Du solltest deine Saison in London bekommen, weil ich weiß, dass du diese Zeit genießen, einen großartigen Burschen kennenlernen und dich verlieben wirst.“ Fayes zuversichtlicher Tonfall hinderte Claire kaum daran, die Stirn zu runzeln. Aber Michael war amüsiert, und er gähnte übertrieben und hielt sich geräuschvoll die Hand vor den Mund.
„Tante Agatha hat uns eingeladen, bei ihr in Hammersmith zu wohnen“, fuhr Faye fort. „Ich werde ihr schreiben und ihr sagen, dass wir ihre Gastfreundschaft im Frühjahr mit Vergnügen annehmen werden.“
„Ich würde lieber hierbleiben“, warf Michael ein.
„Du wirst in der Schule sein, junger Mann.“
„Darf ich bei Stanley Scott wohnen?“
„Das glaube ich nicht, Michael“, sagte Faye bedauernd. „Die Kosten für eine Reise nach Schottland sind ziemlich hoch.“ Ihr Bruder hatte von den Eltern seines Schulfreundes eine Einladung erhalten, die Zeit bis zum Schulbeginn im Herbst bei ihnen in Edinburgh zu verbringen.
„Soll ich ihn fragen, ob er hierherkommen will?“, fragte Michael nicht sehr optimistisch.
„Du weißt, dass wir nicht genug Platz haben für Gäste.“ Faye lächelte ihren Bruder entschuldigend an. Mulberry House war klein – kein Vergleich zu dem Schloss, in dem die Scotts lebten – aber abgesehen davon hätte es auch eine finanzielle Belastung dargestellt, noch jemanden durchzufüttern. Trotz ihrer Gründe fühlte sich Faye schlecht, weil sie ihrem Bruder das Vergnügen verwehrte, mit einem Freund die Ferien zu verleben.
„Wenn wir noch ein oder zwei Stunden auf dem Jahrmarkt verbringen wollen, dann müssen wir weitermachen.“ Faye klatschte in die Hände. „Ich will die Post abholen, und die Ladenbesitzer in Wilverton müssen bezahlt werden. Mr. Gideon hat gesagt, heute Abend würde es regnen, und ich möchte vorher wieder zu Hause sein.“ Der Ehemann ihrer Haushälterin war bemerkenswert zuverlässig, was seine Wettervorhersagen betraf.
Nachdem sie den Brief an ihre Tante versiegelt hatte, der die Vorbereitungen für Claires Debüt betraf, zählte Faye das Geld ab, das sie den Händlern schuldete, und steckte es in ihr Retikül. Sie war entschlossen, die Rechnungen weiterhin rechtzeitig zu bezahlen. Aber irgendwann würde die Nachricht, dass sich ihre Lage verschlechtert hatte, die Runde machen, und ihr war die Vorstellung zuwider, dass man über sie reden oder sie bemitleiden würde. Die Gideons wussten, was passiert war, und sie waren Faye und ihren Halbgeschwistern gegenüber genauso loyal, wie sie es ihrem Vater gegenüber gewesen waren. Aber es war eine Tatsache – egal, wie sorgfältig vertrauliche Dinge behandelt wurden, Gerüchte machten immer die Runde.
Eine Fahrt in die Stadt mit Mr. Gideons Einspänner war immer ein Erlebnis. Während sie in ruhigem Rhythmus dahinglitten, führte der ältere Mann mit der Tonpfeife zwischen den Zähnen ein einseitiges Gespräch. Nicht, dass Faye keine Lust gehabt hätte, etwas beizusteuern, es war nur schwer, ein Wort einzuwerfen. Mr. Gideon war bei verschiedenen Nachbarn beschäftigt und wusste alles, was sich in den Dörfern um Mulberry House herum abspielte, wo sich seit mehr als hundert Jahren der Familiensitz der Shawcrosses befand. Als die ältere Stute, die den Wagen zog, vor Wilverton Green anhielt, wusste Faye, dass es eine schlimme Epidemie von Scharlach weiter südlich in Moreton gab, die bisher ein Todesopfer gefordert hatte, und dass im Osten, in Fairley, in der vergangenen Woche Zwillinge zur Welt gekommen waren. Nachdem sie ihre Freude darüber ausgedrückt hatte, dass es den Babys und ihrer Mutter gut ging, sprang Faye etwas benommen auf den staubigen Boden.
„Soll ich auf Sie warten, bis Sie alles erledigt haben, und Sie dann zurückfahren, Miss Shawcross? Es würde mir keine Umstände bereiten.“ Um diese Frage zu stellen, hatte Bert Gideon seine Tonpfeife aus dem Mund genommen.
„Das ist ein sehr freundliches Angebot, aber ich habe Zeit genug, um zu Fuß nach Hause zu gehen, vielen Dank.“ Faye schüttelte ihren leichten Baumwollrock aus, um die Falten zu glätten, und befestigte die Bänder ihrer Haube erneut. Sie blickte hinauf zur Sonne und vermutete, dass es fast Mittag sein musste. Eine Fahrt zurück wäre hilfreich gewesen, hatte sie doch den anderen versprochen, in ein paar Stunden einen Ausflug zu unternehmen, aber sie wollte Mr. Gideon nicht daran hindern, seinen nächsten Auftrag auszuführen.
„Vergessen Sie nicht, dass es bald regnen wird.“ Mr. Gideon wandte sich wieder der Stute zu und schnalzte mit der Zunge.
„Nicht ehe ich vom Jahrmarkt zurück bin, wie ich hoffe“, murmelte Faye, mehr zu sich selbst.
Mr. Gideon hob zum Abschied die Hand, als das Gefährt sich quietschend in Bewegung setzte, und Faye machte sich auf den Weg, ihre Besorgungen zu erledigen.
„Ich wünsche Ihnen einen guten Tag, Miss Shawcross.“
„Den wünsche ich Ihnen auch, Sir. Ich bin gekommen, um meine Rechnungen zu bezahlen und die Bestellung für nächste Woche aufzugeben, Mr. Bullman.“ Hatte sie sich den erleichterten Ausdruck in den Augen des Metzgers nur eingebildet, als er ihr das Geld aus der Hand nahm?
„Ich habe etwas Hammel für ein Stew, vielleicht etwas Abwechslung für Sie, und etwas Rinderfett, das sich vorzüglich für Klöße eignet.“ Mr. Bullman wischte sich die blutigen Hände an seiner Schürze ab, ehe er das Geld einsteckte.
Hatte er anders geklungen als sonst – mitleidiger? Faye sah ihm ins Gesicht, und ja, es schien so, als würde er ihren Blick vermeiden.
„Den Hammel nicht, danke. Ich werde das Übliche bestellen und dazu zwei extra Schweinekoteletts, bitte“, sagte Faye schroff.
„Mr. Collins ist also wieder auf Besuch, ja?“ Der Metzger klang heiter. „Ich erinnere mich, dass Ihr Verlobter gern Koteletts zum Dinner isst.“
„Er wird erst nächste Woche kommen. Ich nehme also die Koteletts und die Nieren. Das passt gut zu frischen Bohnen aus dem Garten und gebackenen Kartoffeln.“
„Natürlich, Miss Shawcross. Ich werde Ihnen die übliche Bestellung und zwei Koteletts extra am Donnerstag bringen lassen.“
Vor dem Laden blieb Faye einen Moment stehen und sprach sich Mut zu. Mr. Bullman war ein guter Mann, und sie war zu empfindlich, weil sie sich schuldig fühlte, Mr. Westwood freie Hand mit ihrem Geld gelassen zu haben. Sie warf einen Blick zurück in den Laden und sah, wie der Metzger sich angeregt mit seiner Frau unterhielt. Daran war nichts Ungewöhnliches, aber die Art und Weise, wie die beiden in ihre Richtung blickten, machte Faye mutlos. Sie seufzte und ging weiter. Die Neuigkeit über ihre Verluste hatte sich also bereits herumgesprochen, aber sie würde dazu keine Fragen beantworten.
Ein paar Minuten später änderte sie ihre Meinung. Ihre Freundin Anne Holly, die Frau des Pfarrers, rief ihr nach und kam dann zu ihr hin gelaufen.
„Oh, meine Liebe, wie geht es dir?“ Anne umarmte sie fest. „Stimmt es, dass du Geld verloren hast?“
„Woher weißt du das, Anne?“ Faye lachte resigniert auf. „Man redet über mich, ja?“
„Nicht bösartig. Ich versichere dir, die Leute fühlen mit dir, und Mr. Westwood ist hart kritisiert worden“, sagte Anne freundlich. „Er hat sich rasch nach London verzogen.“
„Mir wäre es lieber, die Leute würden das Thema fallen lassen. Westwood wird das Gerede nur noch anfeuern, wenn er sich jedes Mal verteidigen muss. Wer hat die Nachricht in Umlauf gebracht?“
„Ich vermute, das stammt aus Westwoods Büro. Ich weiß, dass der Kirchendiener und auch einige andere nach London fahren und mit derselben Kanzlei arbeiten.“
Faye lächelte etwas säuerlich. „Ich hatte nicht gedacht, dass es so schnell gehen würde.“
„Derek wollte heute Nachmittag bei dir vorbeikommen und dir sein Mitgefühl ausdrücken, aber ich habe ihn überredet, das nicht zu tun.“
„Danke“, entgegnete Faye knapp. „In ein oder zwei Tagen werde ich nicht mehr so dünnhäutig sein. Ich komme mir so dumm vor, weil ich mehr Geld haben wollte, als das, was die Bank an Zinsen zahlte, als mein Geld noch sicher in einem Tresor verwahrt wurde.“
„Jeder würde versuchen, den besten Gewinn zu erwirtschaften“, widersprach Anne. „Dein Bruder und deine Schwester sind von dir abhängig, du musst also handeln.“
„Es macht mir nichts aus, für sie zu sorgen.“
„Nun, ich an deiner Stelle würde mich über die Mutter ärgern, die ihre Pflichten einfach so vernachlässigt hat.“ Anne setzte eine entschuldigende Miene auf, wusste sie doch, dass sie zu weit gegangen war.
Faye ärgerte sich etwas über die Worte ihrer Freundin, obwohl sie wusste, dass es stimmte, was Anne gesagt hatte. Da sie nicht streiten wollte, wechselte sie das Thema. „Wir gehen heute Nachmittag auf den Jahrmarkt, dein Mann hätte uns also ohnehin nicht angetroffen. Möchtest du mitkommen? Du kannst gern mit uns Brötchen essen und mit Bällen auf Kegel werfen.“
„Das würde ich gern, aber Dereks Mutter ist zu Besuch gekommen, zusammen mit seiner Schwester und seiner Nichte. Sarah ist ein nettes Mädchen, etwas älter als deine Claire, würde ich sagen. Sie wird im Frühling ihr Debüt haben. Die Familie hat gute Verbindungen, sie kennen einige der Gastgeberinnen des ton. Meine Schwiegermutter ist mit Lady Jersey befreundet, weißt du.“ Anne sagte das voller Stolz.
„Da Claire auch nächstes Jahr ihr Debüt hat, können die beiden Mädchen sich vielleicht kennenlernen, ehe Sarah nach Essex zurückkehrt.“
„Ich bin sicher, das würde ihr gefallen …“ Anne unterbrach ihre enthusiastische Bemerkung, kniff die Augen zusammen und spähte über Fayes Schulter hinweg. „Es gibt ein paar Leute, die wirklich angefangen haben zu reden“, flüsterte sie. „Über den da habe ich Geschichten gehört, bei denen sich dir die Haare sträuben.“
Unauffällig drehte Faye sich herum. Ein kleiner Wagen, gezogen von einem Paar Grauschimmel, hatte vor dem Laden des Tuchhändlers gehalten. Der Pferdeknecht nahm die Leinen, während der Kutscher vom Bock sprang und seinem Passagier beim Aussteigen half.
„Wer ist das denn?“ Die ganze Stadt Wilverton war aus dem Häuschen, wenn es um die High Society ging, und das gut aussehende Paar schien zur Spitze derselben zu gehören.
„Das, meine Liebe, ist der neue Herr von Valeside Manor.“ Anne neigte sich näher zu ihrer Freundin und flüsterte: „Und die junge Frau, die bei ihm ist, soll seine Geliebte sein.“
Faye wirkte angemessen entsetzt. „Nun, sie ist sehr hübsch – auch wenn sie kaum dem Schulzimmer entwachsen zu sein scheint, so wie sie aussieht.“ Sie warf noch einen Blick auf die schlanke junge Dame, deren rabenschwarzes Haar ihr in Locken um die Schultern fiel. Selbst aus der Ferne konnte Faye erkennen, dass das Sommerkleid elegant gearbeitet war. Und offenbar ging sie sehr besitzergreifend mit ihrem Beau um, so wie sie sich an seinen Arm klammerte. Aber der Gentleman sah zu Faye hin und schien amüsiert von ihrem Interesse zu sein. Rasch wandte sie sich ab und bedauerte es, ihn so lange angestarrt zu haben.
„Er ist ein Junggeselle und heißt Ryan Kavanagh, ein Ire, aber niemand weiß, wer die Frau ist.“ Anne hielt die behandschuhte Hand vor ihren Mund. „Offenbar hat er an jedem Ende Londons eine Mätresse, und beide sind mit Schmuck behängt und fahren in eleganten Kutschen umher.“
„Dann ist er ein reicher Mann.“ Faye spürte noch immer die Wärme, die der spöttische Blick des Fremden in ihr geweckt hatte.
„Ja, das ist er. Ein reicher Verdammter, so hat ihn Dereks Mutter genannt.“ Anne deutete mit einer Kopfbewegung auf die Neuankömmlinge. „Die junge Lady lebt tatsächlich bei ihm, weißt du, im Herrenhaus.“ Diese skandalverheißende Information gab sie in eindringlichem Flüsterton weiter.
Faye knabberte an ihrer Unterlippe und unterdrückte ein empörtes Lachen. „Vielleicht sollte ich Mr. Kavanagh dankbar sein – im Vergleich zu seinen Affären verdient mein armseliges Leben kaum der Aufmerksamkeit.“
Das Paar hatte den Laden betreten, und Faye drückte zum Abschied die Hand ihrer Freundin. „Ich muss nach Hause, mich umziehen und meine Schuhe wechseln, für den Weg über die Felder.“
„Weiß dein Verlobter von den schlechten Neuigkeiten?“, fragte Anne zögernd.
„Nein – Peter ist in Portsmouth, und er wird erst in einer Woche oder so zu Besuch kommen.“ Faye war sicher, dass ihr zukünftiger Ehemann, der zur See fuhr, die Nachrichten persönlich nehmen würde, wohl wissend, dass der Anwalt, den er ihr empfohlen hatte, versagt hatte. Aber Peter hatte nur getan, was er für das Beste hielt.
Faye winkte und machte sich wieder auf den Weg, auf dem sie gekommen war. Als sie an der staubigen Kutsche vorbeiging, nickte ihr der uniformierte Pferdeknecht höflich zu. Faye ließ den Blick über die schönen Tiere gleiten, dann ging sie rasch weiter. Aus irgendeinem Grund wollte sie Mr. Kavanagh und seine Konkubine nicht wiedersehen. Sie spürte, wie sie ein wenig erschauerte, und ärgerte sich ein wenig darüber, diesen Mann auf so vulgäre Weise angesehen zu haben – und dass er sie daraufhin so vergnügt gemustert hatte.
Sobald sie sich außer Sichtweite der Dorfbewohner befand, raffte sie ihre Röcke und begann, über die Wiese zu laufen. Sie freute sich darauf, die nächsten Stunden auf dem Jahrmarkt zu verbringen, an einem so herrlichen Nachmittag. Der Boden unter ihren eiligen Füßen war an manchen Stellen ausgetreten, da, wo die Dorfbewohner auf dem Weg zu ihren Cottages am Rande Wilvertons Abkürzungen zu nehmen pflegten.
Als sie Mulberry House am Horizont entdeckte, ging Faye langsamer, um den Blick auf ihr schönes Haus zu genießen, und um ihr Seitenstechen zu lindern. Es war ein weiß verputztes Gebäude, das mit rostbraunen Ziegeln gedeckt war. Die schmiedeeiserne Veranda war von scharlachroten Rosen bewachsen, die bis zum Efeu hochgerankt waren. Cecil Shawcross hatte seinen üppig bepflanzten Garten immer geliebt, und auch die duftenden Blumen, die an der Vorderseite des Hauses wuchsen und über die Pergola an der Rückseite des Anwesens wucherten, waren sein Stolz und seine Freude gewesen.
Tränen brannten ihr in den Augen, als sie an ihn dachte. Ihre Halbgeschwister vermissten ihren Vater auch, aber sie waren jünger und hatten seine Gesellschaft nicht so lange genossen wie sie, als er verstorben war. Ihr Vater hatte schwierig sein können, und zweifellos wäre er wütend gewesen, weil die Hälfte seines Besitzes verloren war wegen einer schlechten Investition. Aber er hätte seinen Zorn an Peter Collins ausgelassen. Peter hatte um ihre Hand angehalten, als sie einundzwanzig gewesen war, aber es waren noch zwei weitere Jahre vergangen, ehe ihr Vater sich mit der Verbindung einverstanden erklärt hatte. Es war immer traurig für sie gewesen, dass ihr Vater und ihr Verlobter sich nie recht verstanden hatten.
Sie holte tief Luft und trat durch das Seitentor, auf den Weg der durch den Küchengarten und dann zum Haus führte.
Ah, Sie sind also endlich zurück.“ Mrs. Gideon runzelte die Stirn, als ihre Herrin mit rosigen Wangen die Küche betrat. Sie legte den Teigschaber, den sie gerade in der Hand gehalten hatte, auf den mehlbestäubten Tisch. „Wie ich sehe, sind Sie wieder zu Fuß gegangen.“ Aus einem Krug goss sie ein Glas Limonade voll. „Das wird Ihnen helfen, sich abzukühlen.“
Dankbar nahm Faye das Glas und schloss die Augen, während sie das erfrischende Getränk genoss. „Ich bin gelaufen, und wirklich, das war nicht klug. Es ist sehr schwül heute – vielleicht ist ein Sturm im Anzug.“ Faye schob eine Hand unter die feuchten blonden Locken, die ihr im Nacken klebten.
„Im Kessel ist etwas warmes Wasser zum Waschen.“ Mrs. Gideon füllte einen Kupferkrug und holte aus einer Schublade ein Baumwolltuch. „Ihre Schwester ist noch damit beschäftigt, ihre Näharbeit zu beenden, ich nehme an, Sie haben daher Zeit genug für ein Bad, während Sie darauf warten, dass sie mit ihrer Arbeit zufrieden ist.“ Die Frau schüttelte den Kopf. „Miss Claire hat dieses blaue Band schon mindestens dreimal an der Strohhaube befestigt und wieder losgemacht.“
Faye trank noch einen Schluck Limonade und wollte das Glas mit hinauf nehmen und austrinken, während sie sich umzog.
„Hat jemand Sie aufgeregt, während Sie in der Stadt waren, Miss?“
Faye drehte sich herum und stellte fest, dass Mrs. Gideon sehr ernst aussah, während sie mit heftigen Bewegungen den Teig knetete.
„Alle waren sehr höflich, Mrs. Gideon.“ Faye lächelte matt. „Kein Ladenbesitzer hat etwas Unpassendes gesagt, aber ich habe Anne Holly getroffen, und sie war so freundlich, mir offen zu sagen, dass die Leute wissen, was passiert ist.“ Sie löste ihre Haube, ließ sie an den Bändern hinunterbaumeln und fuhr sich mit den Fingern durch ihre dichten blonden Strähnen. Bisher hatten Mr. und Mrs. Gideon nichts zu der Angelegenheit mit Westwood gesagt, Faye befürchtete, sie wären zu freundlich und loyal, um offen zu sagen, was sie insgeheim dachten: Dass ihr Vater sich im Grab herumdrehen würde wegen der Art und Weise, wie sie mit seinem Geld umging. Falls die beiden sich Sorgen machten, was ihre Anstellung in Mulberry House betraf, seit sie so viel Geld verloren hatte, so sprachen sie nicht darüber.
„Ich wollte sagen, Mrs. Gideon, dass es mir nicht so schlecht geht, dass ich Sie nicht weiterbeschäftigen könnte.“
„Oh, ich weiß, Miss Shawcross.“ Die Haushälterin hatte Tränen in den Augen. „Und so gern ich auch sagen würde, dass ich auch jeden Tag kommen würde, egal, ob Sie mich bezahlen oder nicht, so will ich Sie doch nicht damit belasten, indem ich das erwähne.“ Nelly Gideon wischte sich mit dem hochgerollten Ärmel über die Augen. „Auch nicht Mr. Gideon, aber Sie sollen wissen, dass wir kein Wort gegen Sie oder die Kinder hören wollen.“
„Ich weiß, dass ich mich auf Sie beide verlassen kann“, sagte Faye mit belegter Stimme.
Mrs. Gideon nickte heftig und machte sich dann wieder daran, den Teig zu bearbeiten.
Ganz plötzlich fiel Faye etwas ein, das die Atmosphäre vielleicht etwas aufheitern könnte. Mrs. Gideon hatte eine finstere Miene aufgesetzt, während sie den Teig hierhin und dorthin bewegte.
„Anne Holly hat mir erzählt, dass Valeside Manor einen neuen Eigentümer hat.“
„Der!“ Die Haushälterin schnalzte lautstark mit der Zunge. „Die Frau eines Pfarrers hat nicht das Recht, diesen Kerl in einem anständigen Gespräch zu erwähnen!“
„Sie wissen, dass Mr. Kavanagh und seine Freundin in Valeside Manor leben?“ Faye war überrascht.
„Natürlich! Ich hoffe, er reist möglichst bald wieder nach London ab, wo die beiden und ihresgleichen besser aufgehoben sind.“ Mrs. Gideon widmete ihre Aufmerksamkeit wieder den Törtchen, die sie mit schwarzen Johannisbeeren füllte. „Wenn man dazu noch das fahrende Volk nimmt, das gerade hier ist, dann haben wir im Moment mehr als genug Schufte in der Gegend.“
Faye schwieg einen Moment. Der heftigen Reaktion ihrer Haushälterin entnahm sie, dass Anne Mr. Kavanaghs schlechten Ruf nicht übertrieben hatte.
„Offenbar hat er viel Geld. Den Leuten hier könnte es nützen, wenn er hier wohnt.“ Faye verspürte den seltsamen Wunsch, etwas Gutes zu sagen über den neuen Herrn von Valeside. „Das Herrenhaus hat eine ganze Weile leer gestanden, es braucht bestimmt Reparaturen und mehr Personal. Mr. Kavanagh engagiert sicher die Dorfbewohner dafür.“
„Keine anständige Frau würde dieses Haus betreten, ganz egal, was er bezahlt. Die einzigen Frauen, die etwas davon haben könnten, sind die, die in dem Zimmer über dem Dog and Duck arbeiten.“ Die Haushälterin wurde rot und bedauerte es, dass ihre Zunge mit ihr durchgegangen war.
Faye nahm ihr Glas und trank wieder einen Schluck. Sie wusste, dass einige Dirnen Kunden über dem Schankraum des Dog and Duck empfingen. Das Gasthaus lag etwas außerhalb von Wilverton und wurde von anständigen Bürgern gemieden, die stattdessen im White Hart soupierten.
Trotzdem verspürte Faye den Wunsch, Mr. Kavanagh eine Chance zu geben. „Er hat ein sehr schönes Pferdegespann, und sein Diener war gut gekleidet und auch sehr höflich. Als ich vorbeiging, hat der Junge seinen Hut vor mir gezogen.“
„Sie haben sich Mr. Kavanagh genau ansehen können, nicht wahr, Miss?“, fragte Nelly Gordon. „Haben Sie die Narbe in seinem Gesicht bemerkt?“
„Er war zu weit weg von mir, ich konnte nur sehen, dass er ein großer Gentleman mit dunklem Haar ist. Ich sprach auf der anderen Straßenseite mit Anne, und er war mit seiner Begleiterin in dem Tuchladen verschwunden, als ich an seinem Wagen vorbeiging.“
Nelly legte den Löffel hin, der voll war von Fruchtsaft. „Er hat eine Narbe von hier bis hier …“ Sie strich mit dem Finger von ihrem Wangenknochen bis zu ihrer Lippe. „Hat sich wegen einer Frau duelliert, sagt man. Hat dabei einen Mann getötet.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich frage mich, was man noch Schlimmes über ihn hören wird.“
Faye machte große Augen, aber sie wollte nicht zu schnell urteilen. An diesem Tag hatte sie einen Eindruck bekommen, wie es war, wenn man im Mittelpunkt des allgemeinen Geredes stand, und es war kein angenehmes Gefühl. Trotz dessen, was ihre Freundin Anne Holly über das Mitgefühl gesagt hatte, das die Leute ihr entgegenbrachten, würde es bestimmt insgeheim ein paar spöttische Bemerkungen über ihr mangelndes Urteilsvermögen geben.
„Sie halten sich am besten fern von dem neuen Herrn auf Valeside Manor, Miss“, sagte Nelly über die Schulter hinweg, als sie die Törtchen in den Ofen schob. „Ihr Verlobter wird nicht wollen, dass Sie sich mit einem solchen Schürzenjäger abgeben.“
„Wer ist ein Schürzenjäger?“ Claire war gerade in die Küche gekommen und sah von einer zur anderen. Was sie gehört hatte, hatte ihre Neugier geweckt.
„Der neue Herr auf Valeside Manor“, erklärte Mrs. Gideon ihr mit finsterer Miene. „Mr. Kavanagh mag ein großer, gut aussehender Bursche sein, aber er hat ein schwarzes Herz, also sollten Sie alle sich von ihm fernhalten.“
„Zeig mir deine Haube.“ Faye wechselte das Thema. Sie fand, Mr. Kavanagh war nun schon lange genug Gesprächsthema gewesen.
„Was meinst du?“ Claire hielt die Haube hoch und drehte sie hin und her, sodass die blauen Bänder wie Fahnen flatterten.
„Sehr hübsch …“, sagte Faye und nahm den Waschkrug in die Hand. „Ich bin schnell fertig, dann gehen wir los. Ein Gewitter hat sich für heute Abend angekündigt, und wir wollen ja nicht bei Blitz und Donner unterwegs sein.“
Durch das hohe, säuselnde Gras zu gehen und dabei auf den Schultern die wärmende Kraft der späten Julisonne zu spüren, ist eines der schönsten Vergnügen im Leben. Das dachte Faye, als sie Samenkörner von ihren Baumwollröcken sammelte. Sie beobachtete ihren Bruder und ihre Schwester, die hin und her rannten und sich mit Gras bewarfen. Faye lächelte innerlich, ihre Schwester war noch immer tief im Herzen ein Kind, und es war eine Schande, sie mit einem frühen Debüt zu drängen, erwachsen zu werden.
Erst Mitte nächsten Jahres würde Claire siebzehn werden. Sie hatte schon gesagt, dass sie ihr Debüt gern vor ihrem nächsten Geburtstag haben und nicht noch eine weitere Saison warten wollte. Faye hatte sich gesorgt, dass ihre Schwester mit sechzehn für einen so wichtigen Meilenstein vielleicht noch nicht bereit sein könnte. Aber für sie alle hatten sich die Dinge geändert. Sie konnte es sich nicht länger leisten, so wählerisch zu sein.
Es war nicht zu leugnen, dass Claire vielleicht unter der Fittiche eines Ehemannes besser dran war als unter der ihrer Schwester.
Faye hielt das Gesicht den goldenen Strahlen der Sonne entgegen und seufzte. Dann löste sie ihre Strohhaube, damit ein Luftzug ihre Haut kühlen konnte. Es war leicht, sich von den ländlichen Geräuschen aus Vogelzwitschern und Bienensummen einschläfern zu lassen.
„Dieser Mann starrt dich an. Wer ist das?“
Faye riss die Augen auf und sah ihren Bruder an, der – rot im Gesicht vom Spiel – auf sie zu kam.
„Das ist Mr. Kavanagh“, sagte Faye, ziemlich erschrocken, ihn so schnell wiederzusehen. Und diesmal viel näher. Mrs. Gideon hatte ihn als groß und gut aussehend beschrieben, und tatsächlich hatte er breite Schultern und sah sehr gut aus. Jetzt konnte sie auch die dünne blasse Narbe in seinem gebräunten Gesicht erkennen, von der ihre Haushälterin gesprochen hatte.
„Wir dürfen nichts mit ihm zu tun haben“, flüsterte Claire, als sie bei ihnen war. „Er ist ein Schürzenjäger mit einem schwarzen Herzen, das hat Mrs. Gideon gesagt, und sie weiß alles.“
„Was hat er getan?“, fragte Michael neugierig.
„Dafür bist du noch zu klein“, gab Claire zurück, in der Hoffnung, wissend und geheimnisvoll zu klingen.
„Still, genug Gerede.“ Faye wandte sich unter seinem festen Blick ab. Sie war ziemlich sicher, dass der „Schürzenjäger mit einem schwarzen Herzen“ genau wusste, dass sie über ihn sprachen.
„Vielleicht ist er ein Straßenräuber oder ein Schmuggler“, meinte Michael zu Faye, und seine Augen blitzten dabei. „Vielleicht liefert er nachts Fässer mit Brandy aus oder hat wie Dick Turpin seine eigene Black Bess.“
„Vermutlich ist er in Wirklichkeit ein ziemlich gewöhnlicher Mensch“, unterbrach Faye ihn und versuchte, Michaels Aufregung zu dämpfen. Sie würde ihrem Halbbruder zutrauen, über die Wiese zu rennen und Mr. Kavanagh über seine Abenteuer auszufragen. Aber sie bezweifelte, dass ihre Beschreibung des Mannes als „gewöhnlich“ mehr Gewicht hatte als die fantasievollen Vorstellungen ihres Bruders. Ryan Kavanagh mochte kein wirklicher Schuft sein, aber er war auch kein braver Junge. Sie ging schneller und hoffte, die Kinder würden wieder vorauslaufen und den interessanten neuen Nachbarn vergessen.
„Er muss reich sein“, sagte Michael und zog es vor zu trödeln. Er drehte sich zu dem Mann um, der an einer Eiche lehnte, während neben ihm ein herrlicher schwarzer Hengst angebunden war. „Er hat ein schönes Pferd.“ Der Junge runzelte die Stirn. „Ich erinnere mich, dass Papa ein ähnliches Tier hatte.“
„Er ist das Tier“, flüsterte Claire, entschlossen, ihren jüngeren Bruder zu erschrecken.
„Um Himmels Willen, hört auf, ihn anzustarren – seht nur, da ist ein Jongleur.“ Faye lenkte Michaels Aufmerksamkeit auf den Harlekin, der eine Gruppe von Kindern unterhielt.
Sie waren jetzt beinahe beim Jahrmarkt mit seinen Geräuschen und den köstlichen Düften angekommen, und endlich verloren die Kinder das Interesse an Mr. Kavanagh. Aber nicht so Faye. Der Wunsch, einen Blick über die Schulter zurück zu werfen, ließ sich nicht unterdrücken. Er saß jetzt im Gras, mit dem Rücken an den Baum gelehnt, einen Ellenbogen auf das angewinkelte Bein gestützt. Er rauchte eine Zigarre, wie sie bemerkte, als der schwache Tabakduft zu ihr geweht wurde. Er drehte sich zu ihr um, und Faye wandte sich rasch ab. Sie wollte nicht, dass er sie zum zweiten Mal an diesem Tag dabei erwischte, dass sie ihn anstarrte.
Claire winkte ihrer Freundin Peggy zu, der Nichte ihrer Haushälterin, versprach, gleich wieder da zu sein, und lief davon, um mit Peggy zu sprechen. Michael hatte ebenfalls eine Gruppe von Freunden entdeckt und lief in die entgegengesetzte Richtung. Allein geblieben, spürte Faye, wie heftig ihr Herz unter dem bestickten Mieder schlug. Eine seltsame Spannung durchströmte ihre Adern. Als sich ihre Blicke kurz begegnet waren, schien Mr. Kavanagh zu ahnen, welch beunruhigende Wirkung er auf sie hatte. Sein leichtes Lächeln hatte Faye in demselben Maße geärgert, wie es sie fasziniert hatte. Doch nichts in seinem Verhalten deutete darauf hin, dass er der Schuft war, als der er beschrieben wurde. Sein Benehmen verriet nur seinen Reichtum und seinen Status, und offenbar kümmerte er sich um seine eigenen Angelegenheiten. Aber warum war er überhaupt hier? Der Jahrmarkt schien ihn nicht zu interessieren – tatsächlich wirkte er eher gelangweilt. Und dann sah Faye, warum er dort im Gras saß und wartete. Er wartete darauf, dass seine Geliebte ihren Besuch bei den Jahrmarktsständen beendet hatte.
Die reizende junge Dame war direkt vor ihr, sie kaufte etwas bei einem Händler und reichte die Päckchen ihrer Zofe. Ja, nicht eine, sondern sogar zwei Bedienstete kümmerten sich um sie, während ihr Beau geduldig in einiger Entfernung darauf wartete, dass sie fertig wurde.
Einen Moment lang konnte Faye den Blick nicht von Ryan Kavanaghs Geliebter abwenden. Das feine und recht exotische Aussehen der jungen Frau faszinierte sie. Ihr dunkles Haar und die dunklen Augen wurden von dem goldbraunen Tageskleid betont, das perfekt an ihr saß. Eine breite Haube schützte ihre klare olivbraune Haut vor der Sonne, und eines ihrer Dienstmädchen hielt einen spitzenbesetzten Sonnenschirm hoch, während sie selbst sich hin und her bewegte. Als Faye klar wurde, dass sie stehen geblieben war und starrte, ging sie schnell in die entgegengesetzte Richtung, entschlossen, alles über den neuen Herrn von Valeside und seine Entourage zu vergessen.
„Soll ich Ihnen die Zukunft vorhersagen, Mylady?“ Die Stimme hatte einen angenehmen Akzent. Ein wettergegerbtes Gesicht mit scharfen dunklen Augen wandte sich Faye zu. Die aufgesteckten Zöpfe der Frau erinnerten an eine schwarze Schlange, und sie streckte eine Hand aus, um Fayes zu ergreifen.
Faye schüttelte den Kopf. „Danke, aber ich bin nicht sicher, ob ich tapfer genug bin, das zu erfahren.“
Die alte Frau lächelte, sodass ihre Zahnlücken sichtbar wurden, und nahm Fayes Finger, die diese ihr nicht entziehen konnte. Bei der abrupten Bewegung tanzten ihre Ohrringe. „Dies ist nicht die Hand eines Feiglings, obwohl Sie zweifellos einige Hindernisse vor sich haben. Sie sind offenbar im heiratsfähigen Alter, aber Sie sind noch ledig.“ Die Frau grinste. „Und das weiß ich nicht von ihren nackten Fingern, denn die habe ich noch gar nicht gesehen.“ Sie zog den Baumwollhandschuh von Fayes rechter Hand und untersuchte die Handfläche. „Aber Sie werden geliebt werden und glücklich sein und Ihrem Mann diese Gefühle erwidern. Hier ist zu lesen, dass Sie heiraten werden und Kinder haben.“ Sie strich mit ihrem schmutzigen Fingernagel über eine Linie in Fayes weicher Haut. Dann hielt sie inne, runzelte die Stirn und sah Faye schließlich mit ihren mandelförmigen Augen an. „Und der Mann, den Sie lieben werden, ist heute ganz nahe. Er ist hier bei Ihnen – ein guter Mann …“
Faye krümmte die Finger, um ihre Handfläche zu verstecken, und riss sich los. Rasch gab sie der Frau ein paar Münzen aus ihrer Tasche. Gewöhnlich hätte sie über solchen Unsinn gelacht, und es überraschte sie, dass sie das jetzt nicht tat. Rasch setzte sie ihren Weg fort, behielt ihre Geschwister im Auge, die sich mit ihren Freunden vergnügten. Aber die Worte der Frau gingen ihr nicht aus dem Kopf, und sie drehte sich um. Die alte Frau beobachtete sie immer noch, und sie nickte auf eine seltsam träumerische Weise. Als Faye danach Ausschau nach ihren Geschwistern hielt, stellte sie fest, dass beide noch immer mit ihren Freunden beschäftigt und offenbar bester Stimmung waren.
Faye war entschlossen, sich zu amüsieren, ging zu einer Bude und kaufte ein Stück zitronengelbes Band und Perlenknöpfe für ein geliebtes, aber abgetragenes Kleid, das etwas aufgehübscht werden musste. Sie ging weiter, versucht, einen Fleischkuchen zu kaufen von einer Frau, die ein Tablett mit Pasteten trug. Der Duft war verlockend, aber sie beschloss zu widerstehen und zu warten, bis die Kinder zurück waren, sodass sie alle zusammensitzen und ein Picknick genießen konnten. Sie begutachtete ein paar Kleinigkeiten bei einem anderen Stand und suchte dann einen Perlmuttkamm aus, von dem sie meinte, er könnte Claire gefallen. Ein Tintenfass aus Zinn fiel ihr auch noch ins Auge, und das kaufte sie ebenfalls, für Michael, wenn er wieder in der Schule war. Sie steckte die Dinge gerade in ihr Retikül, als sie spürte, wie sich jemand über sie beugte, und dann spürte sie eine schwere Hand auf ihrem Arm.
„Mrs. Gideon hat gesagt, ich würde dich hier finden …“
Beim Klang des vertrauten Baritons wirbelte Faye herum und schrie vor Überraschung und Freude auf.
„Peter! Ich wusste nicht, dass du kommen würdest! Warum hast du nicht geschrieben und mir gesagt, wann ich dich erwarten kann?“ Sie lachte leise. „Hättest du mir eine Nachricht geschickt, dann hätte es Schweinekoteletts zum Abendessen gegeben, weißt du. Jetzt schickt der Metzger sie erst am Donnerstag.“
Peter nahm ihre ausgestreckte Hand und hob sie sich an die Lippen. „Ich wollte dich überraschen, meine Liebe.“
„Das ist dir absolut gelungen.“ Sie hielt inne. „Auch wenn mir gerade aus der Hand gelesen wurde und die Frau gesagt hat, dass mein Liebster ganz in der Nähe ist – ich hielt das für Unsinn.“
„Das ist Unsinn“, meinte Peter und verzog das Gesicht. „Solche Leute solltest du meiden.“
„Das ist leichter gesagt als getan auf einem Jahrmarkt.“ Faye lachte leise. „Bleibst du und isst nachher mit uns zu Abend?“ Sie lächelte in seine haselnussbraunen Augen.
„Natürlich. Mit Vergnügen, ob mit oder ohne Schweinekoteletts.“
Wieder streifte er mit seinen Lippen ihre Finger. „Ich wohne im White Hart in Wilverton, für ein paar Tage.“ Peter zog Faye ein wenig abseits des Trubels, sodass sie sich besser unterhalten und dabei ein wenig spazieren gehen konnten.
Sie schob ihre Hand in seine Armbeuge und drückte ihn heimlich, seltsam erleichtert und auch glücklich in seiner Gesellschaft. Aber etwas nagte an ihr – sie hatte erwartet, dass er sie vor seiner Ankunft benachrichtigte, sodass sie Zeit gehabt hätte, sich zu überlegen, wie sie ihm von ihrem Treffen mit Westwood erzählen könnte. Sie wollte nicht, dass Peter sich schuldig fühlte, weil er sie mit dem Anwalt zusammengebracht hatte, doch er musste sich enttäuscht fühlen, dass der größere Teil ihrer Mitgift verloren war. Die Familie Collins hatte gute Kontakte, aber Peter hatte ihr erzählt, wie seine Mutter darüber geklagt hatte, dass sie arm seien wie die Kirchenmäuse.
„Was ist los?“ Peter sah sie an, und sein Lächeln verschwand, als er ihre finstere Miene bemerkte.
„Oh – nichts, was nicht bis später warten könnte. Amüsieren wir uns, so lange die Sonne scheint. Mr. Gideon sagt, dass es nachher noch ein Gewitter gibt.“
„Wo sind die Gören?“, fragte Peter und meinte damit Fayes Geschwister.
„Oh, sie sind bei ihren Freunden“, erwiderte Faye, während sie Arm in Arm dahinschlenderten. Sie deutete mit einer Kopfbewegung zu der Stelle, wo Michael und einer seiner Freunde Bälle auf Kegel warfen. Noch aus der Ferne konnte sie die Jubelschreie der Jungen hören.
„Und wo ist Claire?“ Peter drehte sich um und suchte nach dem Mädchen.
Faye blickte ebenfalls umher. Sie blieb stehen und drehte sich einmal um sich selbst, konnte aber nirgendwo eine Haube mit blauen Bändern entdecken. Ihr fiel auf, dass es eine Weile her war, seit sie ihre Schwester zuletzt gesehen hatte.
„Vorhin hat sie mit Mrs. Gideons Nichte geplaudert. Ich nehme an, sie haben einen schattigen Platz zum Hinsetzen gefunden. Es ist sehr heiß …“ Trotz ihrer Erklärung verspürte Faye ein unbehagliches Gefühl. Claire hatte gesagt, sie würde nur kurz weg sein. „Michael weiß vielleicht, wohin sie gegangen ist.“
„Da ist sie!“ Peter zeigte dorthin, wo Claire und Peggy zwischen zwei bunt bemalten Wagen hervortraten.
Faye entzog Peter ihren Arm und eilte auf die beiden Mädchen zu. Ihr Herz schlug schneller. Sie war beunruhigt. Claire sah aus wie jemand, der bei etwas ertappt worden war, das er besser nicht getan hätte.
„Ich habe dich gesucht. Wo bist du gewesen?“
Claire fuhr mit einem schuldbewussten Ausruf herum und wurde rot dabei. „Ich – wir haben uns nur die Ponys angesehen.“
Claire blickte dorthin, wo einige Ponys angebunden waren und friedlich grasten. „Du hättest sagen sollen, dass du abseits der Wege gehen willst.“ Sie hatte nicht ernsthaft geglaubt, dass Claire an diesem sonnigen Nachmittag etwas hätte zugestoßen sein können, aber sie hatte immer noch ein ungutes Gefühl. Als sie zu Peggy sah, mied das Mädchen ihren Blick, dann entschuldigte sie sich und lief zurück zu den Ständen. Das feuerrote Haar wehte hinter ihr her.
„Ich sehe, dass Lieutenant Collins gekommen ist.“ Claire war nicht begeistert von dem Wiedersehen mit ihrem zukünftigen Schwager. Faye wusste, dass Michael ähnlich reagieren würde. Peter hatte kein enges Verhältnis zu ihren Halbgeschwistern, er hielt sie für Hindernisse auf dem Weg zu ihrer Hochzeit. Aber Faye wollte nichts davon hören, dass ihr Bruder und ihre Schwester abgeschoben wurden, ehe sie alt genug waren, um selbstständig zu sein.
„Ich nehme an, du hast genug vom Jahrmarkt, wenn du dich gelangweilt genug fühlst, um zu den Ponys zu gehen.“ Faye hakte sich bei Claire unter. „Gehen wir nach Hause. Während wir darauf warten, dass Mrs. Gideon das Essen fertig hat, zeige ich dir, was ich heute gekauft habe.“
„Du hast mir ein Geschenk gekauft?“ Claire klang begeistert. Dann wurde ihre Miene wieder traurig. „Kommt Lieutenant Collins mit uns?“
„Natürlich! Er wohnt in Wilverton. Aber er wird zuerst mit uns essen.“
Faye ging mit Claire voraus über den schmalen Pfad, über den man nach Mulberry House gelangte. Ihr Verlobter bildete zusammen mit ihrem Bruder den Schluss, und sie waren kaum mehr als zehn Minuten unterwegs, als sie sahen, wie Mr. Kavanagh und seine Begleitung den Hügel hinunter in Richtung Wilverton strebten.
„Wer ist das bei Mr. Kavanagh?“, flüsterte Claire und machte große Augen beim Anblick der reizenden jungen Frau, die auf dem schwarzen Hengst ritt. Die beiden Dienstmädchen gingen links und rechts neben dem schönen Tier, das von seinem Herrn geführt wurde.
„Äh – ich glaube, die junge Dame ist eine Freundin von ihm“, sagte Faye diplomatisch und wandte sich dann um, um einen Blick zu Peter zu werfen. Auch er hatte die Leute bemerkt, die auf das Tal zuhielten und sich dabei parallel zu ihnen bewegten.
„Kennst du diesen Burschen?“ Peter hatte bemerkt, dass der Gentleman in ihre Richtung blickte.
„Wir wurden einander nicht vorgestellt. Ich habe aber von der Frau des Pfarrers gehört, dass er der neue Herr auf Valeside Manor ist – ein Ire, glaube ich.“ Faye stellte fest, dass die beiden Männer einander ansehen, wie Männer das taten, wenn sie einen Gegner abschätzen wollten.
„Mrs. Gideon hat gesagt, er ist ein Schürzenjäger mit einem schwarzen Herzen.“ Auf diese Erklärung ließ Claire ein belustigtes Lächeln folgen. „Aber er sieht ziemlich gut aus.“
„Tut er das?“, war alles, was Peter dazu sagte. Dann ging er voraus und schlug das hohe Gras mit einem Zweig, den er auf dem Boden gefunden hatte.
Faye blickte über die Wiese, aber Kavanagh und seine Gruppe war in dem Tal verschwunden, hinter dem Wilverton lag.
Ich habe das Hühnchen und das Gemüse auf den Esstisch gestellt, Miss Shawcross. Ich werde bei Bertram in der Küche sein und stopfen. Läuten Sie einfach, wenn Sie mich brauchen.“
„Danke, Mrs. Gideon.“
Faye und Peter hatten im Salon gesessen und auf das Abendessen gewartet, während sie ihre Mitbringsel vom Jahrmarkt betrachteten.
„Mrs. Gideon und ihr Mann können jetzt gern nach Hause gehen, da das Essen ja fertig ist“, flüsterte Peter ganz nah am Ohr seiner Verlobten, während er ihr den Stuhl zurechtrückte. „Ich helfe mit Vergnügen dabei, das Geschirr wegzuräumen, wenn ich dafür länger mit dir allein sein darf.“
„Du kennst Nellys Schwäche für Etikette“, flüsterte Faye zurück und faltete ihre Serviette auseinander. Die Haushälterin scheute keine Mühen, dafür zu sorgen, dass der Ruf ihrer Herrin nicht gefährdet war, selbst wenn das bedeutete, erst dann nach Hause zurückzukehren, wenn die Besucher gegangen waren. Mr. Collins mochte Miss Shawcross’ zukünftiger Ehemann sein, aber Nelly Gideon war der Meinung, dass man sich an die Regeln zu halten hatte, bis das Gelübde gesprochen war.