Immortal Guardians - Düstere Zeichen - Dianne Duvall - E-Book
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Immortal Guardians - Düstere Zeichen E-Book

Dianne Duvall

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Beschreibung

Eine düstere Welt voller Vampire, Unsterblicher und Menschen mit außergewöhnlichen Gaben ... Die Musikprofessorin Sarah rettet einen Unbekannten, der von zwei Angreifern mit Messerstichen gequält wird. Was sie nicht weiß: Der attraktive Roland ist in Wahrheit ein unsterblicher Vampirjäger. Doch die Blutsauger wollen Rache, und Roland ist der Einzige, der Sarah beschützen kann. Schon bald ist nicht nur Sarahs Leben in Gefahr - sondern auch ihr Herz.

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Seitenzahl: 483

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DIANNE DUVALL

IMMORTAL GUARDIANS

DÜSTERE ZEICHEN

Roman

Ins Deutsche übertragen von

Petra Knese

1

Ein durchdringender Schrei zerriss die frühmorgendliche Stille.

Ihr stellten sich die Härchen im Nacken auf, und Sarah Bingham blickte sich um. Der Himmel war inzwischen dunkelgrau, kündete den beginnenden Tag an, doch das Licht durchdrang die Düsternis über den Wiesen nicht. Sie hatte so einige unheimliche Tierlaute vernommen, seit sie vor neun Monaten nach North Carolina gezogen war, doch keiner hatte sich so menschlich angehört.

Unmöglich. Schließlich lebte sie allein hier draußen, weit und breit gab es keine Nachbarn.

Sarah versuchte, das mulmige Gefühl abzuschütteln, und stach erneut mit dem Spaten in die ausgedörrte Erde. Noch einmal und noch einmal, irgendwann würde hier Gemüse wachsen. Trotz der frühen Morgenstunde hatte sich auf ihrer Haut schon ein glänzender Schweißfilm gebildet, denn es war ungewöhnlich heiß für diese Jahreszeit.

Na toll. Nach ein paar Stunden Arbeit würde sie mit Sicherheit vollkommen erschöpft ins Bett sinken. Zum Teufel mit der Schlaflosigkeit! Das Semester war vorbei und ihre Studenten fort. Und wenn sie bis zum Umfallen schuften musste, heute Nacht würde sie endlich schlafen.

Lautes Knurren hallte durch die Luft, begleitet von dem Geräusch knackender, berstender Zweige.

Sarah umfasste den Griff des Spatens fester und starrte mit weit aufgerissenen Augen in das dichte Unterholz.

Da vernahm sie ein unheimliches Rascheln. Ihr Herz schlug wie wild.

Verdammt. Gab es etwa Bären in North Carolina?

Das Dickicht explodierte förmlich, als eine dunkle Gestalt auf sie zuschoss. So schnell, dass sie nichts erkennen konnte.

Vor Schreck schrie sie nicht einmal, sondern ließ einfach nur den Spaten fallen und hob schützend die Hände.

Etwas Schweres stieß sie zur Seite. Sarah flog im hohen Bogen durch die Luft und landete ein paar Meter weiter hart auf dem Rücken. Steine und Zweige schürften ihr die Hände auf. Sie verspürte ein Stechen im rechten Ellenbogen, ein schmerzhaftes Pochen in den Rippen. Sarah rollte sich auf den Bauch und riss den Kopf hoch. Panisch schaute sie sich um, hinter den Bäumen sah sie gerade noch etwas verschwinden.

Stille.

Mit schmerzverzerrtem Gesicht hielt sie sich die Rippen und rappelte sich auf.

Wieder ertönte das Knurren und Knacken, diesmal noch lauter.

Sarah atmete in kurzen Stößen, ihr Puls raste. Mit zitternden Händen griff sie nach dem Spaten und hielt ihn verteidigungsbereit mit der Schaufel nach oben.

Sie hatte keine Ahnung, womit sie es zu tun hatte, aber sollte es zurückkommen, würde sie ihm einen Schlag verpassen, der sich gewaschen hatte.

»Wo sind sie hin?«, rief jemand atemlos.

Sarah fuhr zusammen und beobachtete das Gehölz.

»Da lang! Geradeaus! Nicht aus den Augen verlieren!«

SchemenhafthobensichzweiGestaltenvondemdichtenBuschwerkabundbewegtensichflinkindieRichtung,inderdasDingverschwundenwar.DanntauchtendieMännerauchschonwiederimDickichtderBäumeunter,diebeidenhattensieoffenbarnichtbemerkt.InihremlangärmligengrünenHemd,dassieübereinemschwarzenTrägertoptrug,undderschwarzenTrainingshosewarsie wohl gut getarnt.

Das Knurren verstummte, ebenso das Rascheln.

Vorsichtig trat Sarah einen Schritt zurück. Dann noch einen.

»Alter!«, ertönte eine der Stimmen wieder. »Ich glaube, ich kotz gleich!«

»Komm schon, du Schlappschwanz«, erklang die zweite.

Was ging da vor sich? Waren diese Typen hinter einem Bären her?

Es musste doch wohl ein Bär sein!

»Warum erledigst du ihn nicht endlich?«, fragte der zweite Mann.

»Lasst das ruhig die Sonne besorgen«, höhnte ein weiterer Kerl mit tiefer Stimme.

»Und was sollen wir dabei tun?«, entgegnete der zweite.

»Bleibt, bis es vorbei ist, und bringt mir dann seine Überreste«, befahl der dritte, dessen Worte durch einen britischen Akzent etwas an Schärfe verloren.

Sarah trat vorsichtig den Rückzug an und versuchte dabei möglichst kein Geräusch zu verursachen, um die Aufmerksamkeit der Männer ja nicht auf sich zu ziehen.

Wen sollte man noch gleich anrufen, wenn Wildtiere gequält wurden? Die Polizei? Den Tierschutzverein?

»Ist er weg?«, fragte der erste Typ beklommen.

»Ja«, antwortete der zweite.

»Sicher?«

»Ja, Mann. Der ist weg.«

»Alter! So was hab ich noch nie gesehen. Ist ja abgefahren.«

»Hab ich’s dir nicht gesagt?«

Wer Tiere quälte, brachte bestimmt auch Leute um.

»Hey, was machst du denn da?«, fragte der erste.

»Ich schneid ihm die Klamotten vom Leib.«

Sarah erstarrte, ihr gefror das Blut in den Adern. Seine Klamotten?

»Bist du schwul oder was?«

»Ich bin nicht schwul, du Loser. Ich will nur sehen, was die Sonne bei ihm anrichtet.«

»Ach so. Cool.«

»Zieh du ihm mal die Schuhe aus.«

Ein Mann? Es konnte doch unmöglich ein Mann gewesen sein, der sie umgerissen hatte. So groß und schnell war kein Mensch, zudem hatte er geknurrt.

Dennochhörteessichsoan,alswäredasOpfergarkeinMensch, sondern ein Tier.

Und offenbar waren sie mit ihm noch nicht fertig.

Rasch drehte sie sich um und wollte eigentlich ins Haus eilen, um von dort aus die Polizei zu rufen.

»Hey, Bobby«, sagte der zweite Kerl, »hast du schon mal jemanden erstochen?«

Sarah blieb stehen.

»Nein.«

»Zieh dir das mal rein.«

Ein dumpfer Aufprall.

Stöhnen.

»Alter!«

Verdammt! Sarah machte auf dem Absatz kehrt und schlich so schnell und lautlos wie möglich über die Wiese. Ihre Handflächen brannten, als sie den Spaten noch fester umklammerte, und Schweißperlen standen ihr auf der Stirn. Mit klopfendem Herzen tauchte sie ins Dickicht.

Das ist doch Wahnsinn, völliger Wahnsinn.

Schließlich war sie Musikprofessorin und keine Polizistin!

Aber es würde zu lange dauern, bis die Polizei käme. Von der nächstgelegenen Stadt bis hierher hatte sie einen weiten Weg vor sich …

»Willst du’s mal versuchen?«

»Werden die nicht sauer, wenn wir ihn aufschneiden?«

»Nö, Hauptsache, er lebt noch, wenn ihn die Sonnenstrahlen treffen. Und wenn nicht, auch egal, wer soll das schon nachprüfen?«

Die Bäume standen nicht so dicht, wie sie angenommen hatte. Nach nur wenigen Schritten gaben sie schon den Blick auf die benachbarte Wiese frei. Mit ein wenig Glück würden die Äste Sarah noch genug Deckung bieten.

Ein widerlicher Schweißgeruch schlug ihr entgegen.

Ein Stück weit von ihr entfernt befanden sich drei Männer. Einer lag auf dem Boden, das Gesicht abgewandt, und soweit sie erkennen konnte, war er nackt. Seine Arme lagen zu den Seiten ausgebreitet, und man hatte sie mit etwas am Boden fixiert, das vom hohen Gras verdeckt wurde. Die Beine waren mit einer Art Seil zusammengebunden. Mehr konnte sie nicht erkennen, doch das Zucken der Muskeln deutete darauf hin, dass er auch an den Fußgelenken am Boden festgemacht war.

Ein blonder Typ in ausgeblichenen Jeans und gelbem T-Shirt setzte sich rittlings auf den nackten Mann. Neben ihm stand sein Freund, ein braunhaariger Kerl, und gaffte.

Obwohl Sarah die Gesichter der Angreifer nur flüchtig sah, schätzte sie die beiden auf Anfang zwanzig. Beide kehrten ihr nun den Rücken zu.

Plötzlich riss der Blonde die Hände über den Kopf und stieß dann mit einem Taschenmesser zu.

Der Mann am Boden zuckte und stöhnte vor Schmerz.

Der Braunhaarige rief begeistert: »Alter! Abgefahren!«

Vor Angst und Entsetzen zitterte Sarah am ganzen Leib, dennoch pirschte sie sich lautlos an die Männer heran und schwang den Spaten.

Der Blonde sah zu seinem Komplizen auf: »Willst du auch …«

Klonk.

Der Typ im gelben Shirt sackte zur Seite und blieb reglos am Boden liegen.

Wie betäubt starrte der Braunhaarige auf seinen leblosen Freund, dann drehte er sich zu Sarah um … Gerade hatte sie erneut ausgeholt.

Klonk.

Genau zwischen die Augen.

»Auu!«

Au weia.

Heftig fluchend taumelte der Kerl rückwärts, blinzelte dann ein paarmal irritiert und schaute sie schließlich böse an.

Klonk.

Damit war es um ihn geschehen. Er verdrehte die Augen und sank zu Boden wie eine Gummipuppe.

Als Sarah sich dem nackten Mann zuwandte, drehte sich ihr der Magen um.

Man hatte ihn richtiggehend an den Boden gepflockt. Die Füße waren mit einem groben Tau gefesselt, die Knöchel schon blutig gescheuert. Ein T-förmiger, daumendicker Pflock, der zwischen seinen Füßen in den Boden getrieben worden war, verhinderte jegliche Bewegung, zudem hinterließ er tiefe Furchen in seiner Haut. Durch seine Handflächen hatte man ebensolche Metallstücke gebohrt, sodass der Mann auch die Arme nicht bewegen konnte.

Alles erweckte den Anschein, als hätten sie ihn kreuzigen wollen, im letzten Moment aber den Mut verloren und ihn stattdessen auf den Boden genagelt.

»Verdammt«, entschlüpfte es ihr.

Als wären die Pflöcke nicht schon schlimm genug, zierten auch noch zwei Stichwunden seinen Bauch. Das ging auf das Konto des Blonden. Zudem hatte das Opfer tiefe Schnitte an Armen, Beinen und Brust, die stark bluteten.

Während Sarah noch mit der Übelkeit kämpfte, sah sie ihm ins Gesicht.

Der Mann war vielleicht Mitte dreißig, und trotz des schmerzverzerrten Gesichts sah er gut aus. Er hatte kurzes, rabenschwarzes Haar, dunkle Brauen, eine gerade Nase und durchdringende braune Augen, mit denen er sie nun fixierte.

Mit zusammengebissenen Zähnen beobachtete Roland die Frau, die nun neben ihm kniete, den Spaten in Reichweite.

Er hatte sie schon kommen gehört, war aber davon ausgegangen, dass es sich um einen weiteren Handlanger der Vampire handelte. Innerlich hatte er gerade die ihm noch verbliebenen Kräfte gesammelt, um den Jungen durch Gedankenübertragung dazu zu bringen, sich beim nächsten Mal selbst zu stechen. Doch auf einmal war der Junge umgekippt und hinter ihm war diese Frau mit der Bugs-Bunny-Cap aufgetaucht.

Sie war klein und wog bestimmt auch mit nassen Sachen nicht mehr als fünfzig Kilo. Als sie mit den Stofffetzen seines T-Shirts versuchte, seine Blutungen zu stillen, spürte er, wie sie zitterte.

Wer war diese Frau?

Und warum hatte sie ihr Leben riskiert, um ihm zu helfen?

»Danke«,pressteermühsamhervor,obgleichihrVersuch,ErsteHilfezuleisten,ihmnurnochmehrSchmerzenbereitete.

Sie nickte und sah ihn mit ihren großen grünbraunen Augen an. »Ich … Ich sollte den Krankenwagen rufen«, sagte sie mit bebender Stimme. »Haben Sie ein Handy dabei?«

»Nein.« Die Vampire, die hinterrücks über ihn hergefallen waren, hatten es ihm abgeknöpft, genauer gesagt, die Überlebenden unter ihnen.

Sie warf einen Blick auf die beiden Bewusstlosen. »Vielleicht hat einer von denen eins dabei. Wenn nicht, lauf ich schnell nach Hause und ruf von da aus an. Ich bin sofort wieder …«

»Dafür bleibt keine Zeit mehr«, fiel er ihr ins Wort, der Morgen brach bald an. »Ich leide unter extremer Lichtempfindlichkeit.«

Stirnrunzelnd fragte sie: »Ist das so eine Art Sonnenallergie?«

»Ja. Wenn ich bis Sonnenaufgang nicht von hier weg bin, werden sich meine Schmerzen verhundertfachen.«

Sie schaute zum Horizont, wo sich das Dunkel zu lichten begann. Bestürzung machte sich auf ihrem schönen Gesicht breit. »Sie wollen mich doch auf den Arm nehmen, oder?«

»Nein.«

Ihre Blicke trafen sich. »Sie meinen es wirklich ernst?«

»Und wie. So schwach, wie ich jetzt bin, wird mir die Sonne den Rest geben.«

»Aber … Sie sind … Was soll ich denn machen?«

»Befreien Sie mich.«

»Wie? Ihre Hände sind von Pflöcken durchbohrt.«

»Ziehen Sie sie raus.«

Sie wurde weiß wie ein Laken. »Was?«

Er verstand ihr Zögern nur zu gut. Ihn selbst begeisterte die Aussicht auf die Schmerzen auch nicht gerade, aber das war immer noch besser, als in der Sonne zu rösten. »Bitte. Ich habe es selbst schon versucht, aber allein schaffe ich es nicht.«

Entsetzt blickte sie auf seine Handflächen.

»Das ist die einzige Möglichkeit.«

Sie schluckte einmal schwer, kniete sich dann aber hin und beugte sich über seine Hand.

Roland wappnete sich innerlich für die Tortur. Die Frau versuchte, ihre Finger zwischen das T-förmige Ende des Pflocks und seine Hand zu schieben. Selbst bei dieser leichten Berührung schoss ihm der Schmerz bis in den Arm. Er hatte gehofft, sie würde es nicht bemerken, doch sie entschuldigte sich prompt.

»Es tut mir leid, wirklich.«

Er schüttelte den Kopf. Selbst das tat schon weh. »Ziehen Sie einfach.«

Tapfer nickte sie, obwohl sie ein wenig grün im Gesicht wirkte, und zog dann.

Das Metallstück bewegt sich nicht.

Mit zusammengepressten Lippen unternahm sie einen weiteren Versuch. Der Pflock ließ sich vielleicht zwei oder drei Zentimeter herausziehen, dann ging es nicht weiter.

Sie hielt inne und blickte besorgt hinauf zu den Baumwipfeln, die schon im goldenen Licht glänzten. »Er sitzt zu fest!«

»Probieren Sie es einfach weiter«, ermutigte er sie und versuchte dabei, eine Ruhe auszustrahlen, die er selbst gar nicht empfand. Wenn er gut in Form war, konnte er das sanfte Licht des Morgens ohne bleibende Schäden überstehen. Doch im Moment besaß er keine Kraft mehr, er hatte zahlreiche Verletzungen und viel Blut verloren, das in den ausgedörrten Boden gesickert war. Derartig geschwächt, wäre selbst ein wenig Sonne vielleicht schon tödlich für ihn.

Nun ging sie in die Hocke und hoffte, auf diese Weise die Kraft aus den Beinen holen zu können.

Als sich der Pflock schließlich Millimeter für Millimeter nach oben bewegte, litt Roland Höllenqualen. Dennoch half er mit, so gut er konnte, spannte die Armmuskeln an, um den Pfahl nach oben zu pressen. Dabei klemmte er ihre Finger zwischen dem Metall und seiner blutig zugerichteten Hand ein.

Endlich löste sich der Pflock aus der Erde, sodass die Frau fast das Gleichgewicht verlor.

Ungläubig starrte sie darauf. Das Teil steckte noch immer in seiner Hand, es war gut und gern einen halben Meter lang, Erde und Wurzelwerk hingen daran.

Er deutete auf seine Beine. »Ich ziehe den zweiten raus; wenn Sie sich um meine Beine kümmern könnten?«

Sie nickte und suchte fieberhaft den Boden um den blonden Kerl herum ab.

»Es liegt hier neben meinem Becken.«

Sie ließ ihren Blick zu seiner Hüfte wandern, dann zu seiner Leistengegend und wieder zurück. Ihre bleichen Wangen verfärbten sich, dann nahm sie das Messer und machte sich eilig an seinen Füßen zu schaffen.

Wären seine Schmerzen nicht so groß gewesen, hätte Roland jetzt gelächelt. Insgeheim war er froh, noch etwas zu haben, das einer Frau die Röte ins Gesicht trieb. Als der blonde Junge ihm die Kleider aufgeschnitten und mit dem Messer über ihm gehangen hatte, war seine Befürchtung gewesen, kastriert zu werden.

Während die Frau sich an seinen Knöcheln zu schaffen machte, rollte er sich auf die Seite, seiner gepfählten Hand zu. Obwohl Knochen, Muskeln und Sehnen verletzt waren, verschränkte er die Finger beider Hände und gab sich dem quälenden Versuch hin, den zweiten Pflock loszubekommen.

»Ich habe darüber schon mal was im Fernsehen gesehen«, sagte die Frau hörbar angespannt. »Über Kinder, die eine ähnliche Erkrankung hatten wie Sie. Einmal in der Woche haben sie sich abends im Dunkeln auf dem Spielplatz getroffen, damit sie auch mal draußen mit anderen toben konnten.«

Nur mit Mühe konnte Roland ihrem Redefluss folgen, denn er war mehr auf den Pflock konzentriert. So schwach hatte er sich schon seit … seit seiner Verwandlung vor neunhundert Jahren nicht mehr gefühlt.

»Auf dem Weg dorthin trugen die Kinder Schutzanzüge und Helme, denn selbst die Scheinwerfer anderer Autos waren eine Gefahr für sie. Ist Ihre Haut auch so lichtempfindlich?«

»Ja«, sagte er knurrend, und endlich löste sich der Pfahl.

Keuchend lag er einen Moment da und versuchte, den Schmerz auszublenden.

Sie rutschte mit dem Messer ab und schnitt ihm ins Fleisch. »Tut mir leid«, sagte sie sofort.

Er schüttelte den Kopf. Es war nicht ihre Schuld, die Taue waren so fest geschnürt, dass selbst er Probleme damit gehabt hätte.

Der Druck um seine Knöchel ließ nach. Die Frau warf das Messer ins Gras und zerrte so lange an dem Pflock, bis Roland seine Füße herausziehen konnte.

Sobald er sich aufgesetzt hatte, brannten die Stichwunden an seinem Bauch wie Feuer. Er rang nach Luft. Alle paar Sekunden sah seine Retterin unruhig zum Himmel hinauf.

Roland umklammerte einen der Pflöcke und wollte ihn sich aus der Hand ziehen.

Doch sie packte sein Handgelenk. »Lieber nicht. Wenn Sie den jetzt herausziehen, kommen Dreck und Bakterien in die Wunde. Außerdem verhindert er vielleicht, dass es blutet. Überlassen Sie das lieber den Sanitätern.«

Auf einmal presste sie das Gesicht an seine Brust und schlang die Arme um ihn.

Vor lauter Überraschung brauchte Roland eine Weile, bis er begriff, dass sie ihm aufhelfen wollte.

Das war natürlich ein hoffnungsloses Unterfangen, denn er wog doppelt so viel wie sie. Dennoch berührte ihn die Geste.

Als er sich mühsam aufrichtete, spürte er, wie sich ein Schmerz durch seine Knöchel (wie auch seinen restlichen Körper) zog. Sobald er stand, schlüpfte sie an seine Seite und legte sich seinen Arm um ihre schmalen Schultern. Ihre Bugs-Bunny-Kappe reichte kaum bis zu seinem Kinn.

»Können Sie laufen?«

Er nickte müde und ließ sich von ihr zu den Bäumen führen.

Die schattige Kühle war eine willkommene Abwechslung zu dem Brennen, das er bereits auf der Haut verspürt hatte. Trotz aller Eile achtete seine kleine Retterin darauf, dass ihn keine Zweige trafen und er nicht mit den Pflöcken gegen irgendetwas stieß. Sie warnte ihn sogar vor spitzen Stöcken oder anderen Hindernissen auf dem Boden, auf die er mit seinen bloßen Füßen hätte treten können.

Als Roland die freie Wiese vor sich erblickte, fluchte er.

Die Frau biss sich auf die Unterlippe und warf ihm einen entschuldigenden Blick zu. »Ich wohne auf der anderen Seite. Sollen wir außen herum im Schatten der Bäume gehen oder den kurzen Weg über die Wiese nehmen?«

Verdammt. Er musste schleunigst aus der Sonne, bevor er noch zusammenbrach. »Die Wiese.«

Sie zögerte keine Sekunde, widersprach ihm nicht, sondern schob ihn einfach nur vorwärts, stützte ihn, wenn er ins Stolpern geriet, und trieb ihn zur Eile an, bis sie fast schon einen Dauerlauf hinlegten.

»Täusche ich mich, oder werden Sie schon langsam rosa?«

»Sie täuschen sich nicht.« Nicht mehr lange und auf seiner Haut würden sich Blasen bilden.

Endlich hatten sie die Hecke erreicht, dahinter erblickte Roland ein kleines Holzhaus mit Veranda und einem sehr schattigen Garten.

»Wir haben es fast geschafft«, sagte sie atemlos und drückte ihn aufmunternd.

Sie liefen über den Rasen, die Treppe hinauf. Auf der Veranda blieben sie kurz stehen, während die Frau die Schlüssel aus der Bluse fischte und aufschloss. Dann zwängten sie sich in eine sehr kleine Waschküche und schlossen die Tür hinter sich.

Beinahe gleichzeitig seufzten beide erleichtert auf.

»Wie heißen Sie?«, hörte er sich fragen.

»Sarah Bingham. Und Sie?«

»Roland Warbrook. Danke, dass Sie mir das Leben gerettet haben.«

2

Sarah führte ihn in eine kleine, blitzblanke Küche, noch immer stützte sie ihn. »Wer waren diese Leute? Warum haben die Ihnen das angetan?«

Der Holzboden fühlte sich angenehm kühl unter seinen wunden Füßen an. Roland entschloss sich, ihr nicht zu antworten, und warf stattdessen einen Blick in das angrenzende Wohnzimmer.

Der Raum war weder besonders groß noch besonders klein und in zwei Hälften unterteilt. In der einen standen Fitnessgeräte: ein Bauchmuskeltrainer, ein Laufband, ein Heimtrainer und eine Hantelbank. Die andere nahmen ein schwarzes Futonsofa mit roten und weißen Kissen sowie ein gläserner Tisch und eine dazu passende Schrankwand ein. Daneben ragte ein hohes schwarzes Regal voller Bücher, Videos und DVDs empor. Vor den Fenstern hingen schwarze Vorhänge, die das morgendliche Sonnenlicht nicht hindurchließen, und die weißen Wände zierte moderne Kunst, die ihm auf Anhieb gefiel. Riesige Pflanzen in schmiedeeisernen Blumenständern verliehen dem Raum Farbe und sorgten für Gemütlichkeit.

Sarah schlüpfte an ihm vorbei in ein winziges Badezimmer und kehrte mit einem Stapel Handtücher zurück.

Bis auf eines warf sie alle auf den Futon. Das letzte, ein großes weißes, entfaltete sie und trat damit auf ihn zu. Sie sah ihm in die Augen, blickte dann aber schnell wieder weg, als sie erneut rot wurde. Sie schlang ihm das Handtuch um die Hüften und machte die Enden wie bei einem Sarong fest.

»Danke.«

»Kein Problem.« Besorgt schaute sie zu ihm auf, fasste ihn sacht am Arm. »Setzen Sie sich.«

Roland ließ sich von ihr zum Sofa führen und sank in die überraschend weichen Polster. Er bekam hämmernde Kopfschmerzen.

»Ich rufe jetzt die Polizei an«, sagte sie und machte sich auf den Weg zum Telefon. »Danach versuche ich dann …«

Roland packte sie am Handgelenk, er stöhnte auf, als Schmerz seine verletzte Hand durchzuckte.

Sie fuhr zu ihm herum. »Was ist denn?«

»Das dürfen Sie nicht.«

Sie runzelte unter ihrer Kappe die Stirn. »Was darf ich nicht?«

»Die Polizei rufen.«

Argwöhnisch betrachtete sie ihn, befreite ihren Arm aus seinem Griff und trat ein paar Schritte zurück. »Warum nicht? Werden Sie etwa von der Polizei gesucht?«

»Nein.«

Verdammt. Was sollte er ihr bloß sagen? Er hatte schon so lange keinen Kontakt mehr zu Menschen gehabt, vom Kassierer im Supermarkt einmal abgesehen, dass ihm keine gute Ausrede einfiel.

Die Wahrheit konnte er ihr ja schlecht sagen. Übrigens, ich bin ein Unsterblicher, der bei der Jagd auf einen Vampir in einen Hinterhalt geraten ist. Sie würde ihn für verrückt halten.

Aber irgendeine Erklärung musste er ihr schließlich liefern.

Marcus hatte doch für solche Situationen immer irgendeinen Blödsinn parat.

»Ich arbeite für die CIA.« Genau, das war es. »Wenn Sie jetzt die Polizei verständigen, machen Sie vier Jahre verdeckte Ermittlungsarbeit zunichte.«

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