Immun gegen toxische Menschen - Lisa Irani - E-Book + Hörbuch

Immun gegen toxische Menschen Hörbuch

Lisa Irani

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Beschreibung

In toxischen Beziehungskonstellationen dominieren Drohungen, Abwertungen, Lügen und Manipulationen den Alltag. Die dahinterstehenden Mechanismen gleichen sich, ob es sich nun um die Beziehung zum den Partner, zu Freunden, den Eltern, Kolleg:innen oder Vorgesetzten handelt. Die Psychologinnen Anna Eckert und Lisa Irani zeigen, woran man dysfunktionale Beziehungen erkennt, wie man sich mithilfe psychologisch fundierter Tools gegen übergriffiges Verhalten wehrt, sich der Manipulation entzieht und aus der Verstrickung löst. Dabei sprechen sie vorrangig über das Thema Narzissmus, betrachten aber auch andere Persönlichkeitsstrukturen, die zu einer toxischen Beziehungsdynamik führen können. Ziel ist es, eine Art "psychologisches Immunsystem" aufzubauen, um auch künftig gegen toxische Beziehungen gefeit zu sein.

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Zeit:8 Std. 48 min

Sprecher:Eva-Maria Damasko
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Impressum

© eBook: 2024 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

© Printausgabe: 2024 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

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Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, sowie Verbreitung durch Bild, Funk, Fernsehen und Internet, durch fotomechanische Wiedergabe, Tonträger und Datenverarbeitungssysteme jeder Art nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

Projektleitung: Nikola Teusianu

Lektorat: Ulrike Schöber, Dortmund

Covergestaltung: ki 36 Editorial Design, Petra Schmidt, München

eBook-Herstellung: Chiara Knell

ISBN 978-3-8338-9337-7

1. Auflage 2024

Bildnachweis

Coverabbildung: Shutterstock

Fotos: Shutterstock; Nail Djelosević

Syndication: www.seasons.agency

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Wichtiger Hinweis

Die Gedanken, Methoden und Anregungen in diesem Buch stellen die Meinung bzw. Erfahrung der Verfasserin dar. Sie wurden von der Autorin nach bestem Wissen erstellt und mit größtmöglicher Sorgfalt geprüft. Sie bieten jedoch keinen Ersatz für persönlichen kompetenten medizinischen Rat. Jede Leserin, jeder Leser ist für das eigene Tun und Lassen auch weiterhin selbst verantwortlich. Weder Autorin noch Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gegebenen praktischen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.

Empfinden wir eine Beziehung als toxisch, heißt das oft, dass der andere narzisstische Züge aufweist. Addiere die Punkte in den Klammern – mehr als 10 Punkte sind ein erster Hinweis auf eine hohe Selbstzentriertheit.

Kann dein Gegenüber bei (zwischenmenschlichen) Problemen differenziert reflektieren und seine eigenen Anteile erkennen? 

Ja (0)Manchmal (1) Nein (2)

Ist die Person in der Lage, Fehler zuzugeben? 

Ja (0)Manchmal (1) Nein (2)

Weist der Lebenslauf der Person zahlreiche Umbrüche auf? 

Ja (2)                 Teils, teils (1)                 Nein (0)

Wirkt ihre Persönlichkeit über das normale Maß hinaus charismatisch? 

Ja (2)                 Teils, teils (1)                 Nein (0)

Hat dein Gegenüber langjährige Mitstreiter und Freundschaften? 

Ja (0)                 Wenige (1)                     Nein (2)

Bringt sie Dinge auch dann zu Ende, wenn sie auf Hindernisse stößt oder ihr Interesse nachlässt? 

Ja (0)                 Manchmal (1)                 Nein (2)

Kann dein Gegenüber auch die Leistungen anderer vollständig würdigen? 

Ja (0)                 Manchmal (1)                 Nein (2)

Entsteht in euren Gesprächen ein echter Dialog, bei dem beide ungefähr gleich viel zu Wort kommen? 

Ja (0)                 Manchmal (1)                 Nein (2)

Einleitung

Warum hältst du dieses Buch gerade jetzt in deinen Händen? Eventuell, weil du in deinem Leben mit toxischen Menschen konfrontiert bist und darüber nachdenkst, wie du dich endlich von ihnen lösen kannst. Oder du möchtest herausfinden, ob es überhaupt möglich ist, in einer Welt zu überleben, in der du ständig an Energiesauger gerätst. Vielleicht beschäftigt dich auch die Frage, wie du deine psychische Widerstandsfähigkeit stärken kannst, weil du in deinem toxischen Umfeld ständig an deine Grenzen gerätst.

Oder könnte es sein, dass du dich manchmal als nicht gut genug, nicht schön genug oder nicht klug genug wahrnimmst? Und deshalb empfindest du dich als nicht liebenswert oder wertvoll? Vielleicht gerätst du auch schon dein Leben lang an Menschen, die dir einfach nicht guttun? Du solltest wissen, dass du mit diesen Unsicherheiten nicht allein bist. Es ist keine Seltenheit, in die Fänge toxischer Menschen zu geraten und das eigene Selbst auf der Reise des Lebens scheinbar »zu verlieren«. Toxische Beziehungen entstehen oft schleichend, man bemerkt zunächst wenig und allzu oft sagt man sich: »Es wird schon wieder.« Wir möchten dazu beitragen, dass dich niemand mehr derart emotional aussaugen oder in die Verzweiflung treiben kann – auch nicht deine engsten Bezugspersonen. Nicht deine Eltern, deine Geschwister, deine Partner, deine Vorgesetzten oder Lehrerinnen. Niemand.

In den sozialen Medien, Beratungsstellen oder psychotherapeutischen Praxen häufen sich Anfragen und Geschichten, die von großem Leidensdruck zeugen, verursacht durch zwischenmenschliche Beziehungen, die als toxisch wahrgenommen werden. Es gibt Momente im Leben, in denen uns bewusst wird, dass es so nicht mehr weitergehen kann. Dann fassen wir den Entschluss, aus dem Teufelskreis auszubrechen – das kann die Entscheidung sein, sich vom Elternhaus zu lösen, eine Beziehung zu beenden oder die Arbeitsstelle zu wechseln. Und genau das ist das Ziel unseres Buchs: Wir möchten dir dabei helfen, aus toxischen Beziehungs-Dynamiken endgültig auszusteigen.

Hast du dich jemals gefragt, warum bestimmte Menschen immer wieder in dein Leben treten und warum du dich in Situationen wiederfindest, die dich verletzen oder auslaugen? Vielleicht hast du sogar bereits im Gefühl, dass du von manipulativen Menschen umgeben bist, ohne genau zu wissen, wie du dich dagegen wehren kannst. Um dir diese komplexen psychologischen Fragen zu beantworten und dir neben konkreter Hilfestellung auch den entsprechenden wissenschaftlichen Background mit auf deinen Weg zu geben, haben wir das Buch in drei Teile gegliedert. Im ersten Teil geht es ganz allgemein um toxische Beziehungen. Wir zeigen dir, wie du die Grundlagen und Muster dieser Beziehungen verstehen kannst, um deine eigenen Bindungen und Dynamiken zu durchschauen. Wir beschäftigen uns damit, wie Manipulation und Traumatisierung unser Verhalten beeinflussen und wie wir uns langfristig davon lösen können. Im zweiten Teil tauchen wir tiefer in die Welt der Psychologie und Diagnostik ein. Wir erkunden die Besonderheiten »toxischer« Menschen und Persönlichkeitsstörungen. Dabei klären wir die Frage, welches Verhalten noch als normal gilt und wann es möglicherweise Krankheitswert annimmt. Keine Sorge, wir lassen dich nicht allein in diesem Labyrinth aus menschlichen Emotionen und Verhaltensweisen. Im dritten Teil zeigen wir dir, wie du dich gegen toxische Menschen »immunisieren« und allgemein deine psychische Widerstandskraft stärken kannst – damit du auch in Zukunft gut gegen toxische Menschen geschützt bist. Wir stellen dir hilfreiche Strategien und Tools für den Alltag vor, die dir dabei helfen können, den Umgang mit schwierigen Menschen zu meistern und deine Resilienz weiter auszubauen.

An manchen Stellen überlassen wir dir selbst die Entscheidung, wie tief du beim Lesen in die Psychologie einsteigen möchtest. Manchmal möchtest du es vielleicht genauer wissen – manchmal reicht dir für deinen Alltag auch ein Überblick über bestimmte Themen. Solche tiefergehenden Informationen, die du für einen besseren Umgang mit toxischen Menschen nicht unbedingt brauchst (die wir aber dennoch spannend finden, damit du diese Menschen besser verstehen kannst), haben wir extra für dich gekennzeichnet: Diese Infos findest du auf grau hinterlegten Seiten und in ebenfalls grau hinterlegten Abschnitten.

Schau in dich hinein und überlege ehrlich: Gibt es in deinem Umkreis Menschen, die wiederholt deine Nerven strapazieren? Personen, die ständig im Mittelpunkt stehen müssen, dabei deine Grenzen missachten, dich vor anderen bloßstellen oder für ihre eigenen Zwecke ausnutzen? Vielleicht sind es Menschen, die sich gern in endlosen Monologen verlieren und dabei betonen, wie außergewöhnlich und einfühlsam sie sind? Solche Personen können das Leben ziemlich kompliziert machen.

Wir widmen uns intensiv den verschiedensten Kommunikationsstrategien und zeigen dir, wie man mit Menschen umgehen kann, die möglicherweise von einer narzisstischen, histrionischen, emotional instabilen oder antisozialen Persönlichkeitsstörung betroffen sind. Welche Muster könnten dabei eine Rolle spielen? Vielleicht trägst auch du einen inneren Anteil in dir, der dich immer wieder dieselbe Art Mensch aussuchen lässt.

Als klinische Psychologinnen erläutern wir dir die Zusammenhänge nicht nur aus der professionellen Perspektive, sondern auch anhand von Beispielen aus unserer Beratungspraxis. Wir möchten dir konkrete Lösungsansätze bieten, die sowohl wissenschaftlich fundiert als auch praxiserprobt sind. Selbsttests helfen dir, Bereiche zu erkennen, an denen du weiterarbeiten kannst.

Dieses Buch soll dich auf deiner Reise zu einem stärkeren Selbst begleiten und dir zeigen, wie du deine inneren Anteile erforschen kannst, verborgene Dynamiken enthüllst, dich aus Abhängigkeiten löst. Es soll dir Mut machen, etwas zu verändern. Es soll dir helfen, immun zu werden gegen toxische Menschen und ihre Manipulationstechniken. Das ist nicht immer einfach, aber es klappt. Wir wünschen dir viel Erfolg dabei.

Anna und Lisa

Teil 1 Toxische Beziehungen

Vergiftete Beziehungen

In den Tiefen unseres Bewusstseins, durch all unsere Erinnerungen und Erfahrungen, formt sich unser Selbst. Unsere zwischenmenschlichen Beziehungen spielen dabei eine entscheidende Rolle, weil wir Menschen nun mal höchst soziale Wesen sind. Wir begegnen in unserem Leben vielen Menschen, die in den ersten Augenblicken wie leuchtende Gestirne erscheinen – sei es ein neuer Freund, eine Chefin, ein Partner oder ein Familienmitglied. Häufig erweist sich unsere erste Begeisterung als berechtigt und diese Menschen bereichern und unterstützen uns.

Doch es gibt auch jene Menschen, deren Einfluss uns schadet und unsere mentale Gesundheit belastet. Während gesunde Beziehungen uns stärken und aufblühen lassen, können toxische Beziehungen lang anhaltende Spuren in unserer Psyche hinterlassen. Manchmal, ohne es zu bemerken, verfangen wir uns in Beziehungsdynamiken, die uns mehr abverlangen, als sie uns geben. Eine Freundschaft, eine Liebesbeziehung, die uns zunächst als Paradies erschien, entpuppt sich als Labyrinth, in dem man sich selbst verliert.

Der Einfluss toxischer Beziehungen kann verheerend sein. Unser psychisches Immunsystem (siehe >) wird durch Psychotoxine angegriffen. Als »psychotoxisch« werden in diesem Buch metaphorisch Menschen beschrieben, die sich so verhalten, dass es sich negativ auf die Gesundheit anderer Menschen auswirken kann. »Giftige« Menschen schleichen sich leise in unser Leben und schwächen unser Wohlbefinden. Ein abwertender Kommentar hier, eine erniedrigende Geste dort – die ersten Anzeichen können leicht übersehen werden. Manchmal haben wir Menschen an unserer Seite, deren Einfluss auf unser Leben uns nachhaltig belastet und das innere Gleichgewicht stört.

Was sind toxische Beziehungen?

Toxische Beziehungen sind jene, die von Manipulation, Kontrolle, unlösbaren Konflikten, permanenter Unsicherheit oder mangelnder Unterstützung geprägt sind. Solche Beziehungen hinterlassen destruktive Spuren und bringen unsere Gefühlswelt ins Wanken. Als toxisch manifestieren sie sich durch subtile Zeichen, die manchmal erst mit der Zeit deutlicher werden. Destruktive Beziehungen können unterschiedliche Formen annehmen – sei es innerhalb von Freundschaften, romantischen Partnerschaften, am Arbeitsplatz oder sogar innerhalb von familiären Bindungen.

Diese Menschen können wie eine Art »emotionale Grippe« sein, die das psychische Immunsystem herausfordern und seine Widerstandskraft Stück für Stück schwächen. Die ständigen Konflikte und andauernden emotionalen Turbulenzen in toxischen Beziehungen hinterlassen tiefe emotionale Narben. Diese Narben können das Vertrauen in künftige Beziehungen erschüttern und auch das Selbstwertgefühl eines jeden schwächen. Es beginnt mit einem »emotionalen Schnupfen«, die langfristigen Auswirkungen kommen schleichend und schädlich, bis wir uns ausgebrannt und erschöpft fühlen.

Toxische Beziehungen zeichnen sich gehäuft durch Manipulation und dysfunktionale Verhaltensmuster aus. Oft beginnen sie, wenn Bedürfnisse und Wünsche nicht auf gesunde Weise kommuniziert werden. Ungelöste Konflikte, unterdrückte Emotionen und unausgesprochene Erwartungen legen den Grundstein für eine zunehmend angespannte Atmosphäre. Was zu Beginn wie Harmonie ausgesehen hat, wird allmählich zu einem dissonanten Klang. Kleine Bemerkungen, als Scherz getarnt, oder scheinbar nichtige Handlungen, die das Vertrauen untergraben, setzen sich fest.

Mit dysfunktionalem Verhalten sind Verhaltensweisen gemeint, die das Wohlbefinden einer Person untergraben und sie daran hindern, ihre Ziele zu erreichen. Dazu gehören beispielsweise andauernde Grenzüberschreitungen, übermäßige Eifersucht oder emotionale Gewalt. Das dysfunktionale Verhalten der toxischen Menschen wird zur Norm und die betroffenen Partner, Freunde oder Familienmitglieder geraten in einen Strudel aus Unsicherheit und Selbstzweifeln. Ständige Kritik, emotionale Ausbeutung oder offene Feindseligkeiten sind in toxischen Beziehungen an der Tagesordnung. Der Übergang zur Giftigkeit geschieht selten von heute auf morgen. Giftige Elemente schleichen sich langsam ein, getarnt als isolierte Vorfälle oder vorübergehende Krisen.

Eine toxische Beziehung zu erkennen und womöglich zu beenden erfordert Mut. Den Mut, genau hinzuschauen, bei sich selbst ebenso wie bei anderen Menschen. Doch der Weg zur Heilung beginnt mit der Erkenntnis, dass niemand dazu verdammt ist, in einer schädlichen Bindung gefangen zu sein. Es ist nie zu spät, den Kurs zu ändern und aus dem Schatten einer toxischen Beziehung herauszutreten. Es ist wie das Öffnen von Vorhängen, hinter denen man sich lange Zeit versteckt hat, um das grelle und blendende Licht der Wahrheit hereinzulassen.

Ein erster Schritt zur Heilung liegt darin, sich selbst einzugestehen, dass nicht jede Verbindung gesund ist, die wir zu einem anderen Menschen eingehen. Dann ist es an der Zeit, einen Ausweg aus der Beziehungsdynamik zu suchen, um wieder durchatmen zu können. Das Loslassen von toxischen Menschen oder Beziehungen bedeutet nicht nur Selbstschutz, sondern auch Selbstentfaltung. Es ist ein Akt der Selbstliebe, der neuen Raum für positive Energie schafft. Manchmal ist es notwendig, sich von Menschen, Beziehungen oder Arbeitsstellen zu lösen, um Platz für solche zu machen, die uns dabei unterstützen, aufzublühen und uns zu entfalten. In diesem Prozess des Loslassens und Neuanfangs blüht auch die eigene Resilienz (siehe ab >) auf.

Der Weg aus einer toxischen Beziehung kann sehr herausfordernd sein, führt aber zu einem Ort, der von Freiheit, Selbstachtung und authentischen Verbindungen geprägt ist. Selbstreflexion, klare Grenzen und die Bereitschaft, sich von schädlichen Einflüssen zu lösen, können den Weg zu einer erfüllenden Beziehung zu sich selbst und zu anderen ebnen. Im eigenen Handeln liegt die Kraft.

Indikatoren für dysfunktionales Verhalten

»Ich kann nicht fassen, dass ich schon wieder auf denselben Typ Mensch reingefallen bin.« »Irgendwie werde ich immer von allen enttäuscht.« »Egal, was ich tue, irgendwann entpuppt sich mein Chef immer als Narzisst.« »Am besten bleibe ich für immer allein, ich habe einfach kein gutes Händchen für Menschen.« »Es ist, als würde ich toxische Menschen magisch anziehen.«

Kannst du dich in einer dieser Aussagen wiedererkennen und fragst dich, ob es reiner Zufall oder einfach nur Pech ist? »Toxisch« ist zwar ein chemischer, biologischer oder medizinischer Begriff, bezeichnet aber auch eine ungesunde soziale Beziehung zwischen Menschen. Solche Beziehungen zeichnen sich häufig durch extrem narzisstische Verhaltensweisen aus, eine Kommunikation auf Augenhöhe ist häufig unmöglich. Toxische Beziehungen und dysfunktionales Verhalten gibt es nicht nur zwischen zwei Menschen in ihren Liebesbeziehungen, sondern sie spielen auch immer wieder in Eltern-Kind-Beziehungen, Freundschaften, generationsübergreifenden Konflikten, an Arbeitsplätzen, in der Schule oder im Studium eine Rolle.

Diese Beziehungsmuster entstehen nicht aus dem Nichts. Nach einer schmerzhaften Kindheit, einem belastenden Elternhaus, einer Trennung oder gewalttätigen Beziehung sind wir häufig unbewusst dazu bereit, uns von Menschen in den Bann ziehen zu lassen, die (zumindest anfänglich) offen und freundlich zu uns sind. In der Regel gibt es einen empathischen, verständnisvollen und unterwürfigen Part, der auf einen dominanten und häufig narzisstisch getönten Part trifft. In psychotoxischen Konstellationen gibt es häufig abrupte Wechsel zwischen harmonischen Momenten und plötzlich aggressiven und heftigen Episoden. Warum verharren wir dennoch in diesen Beziehungen? Weil wir die dysfunktionalen und manipulativen Verhaltensweisen häufig bereits aus der Kindheit kennen und sie schnell zur Gewohnheit werden. Immer wiederkehrende Streitereien, Konflikte und gewaltvolle Auseinandersetzungen lassen uns mit der Zeit abstumpfen. Je häufiger wir uns als einsam und hilflos erleben, desto weniger trauen wir uns, nach Lösungen für diese Situation zu suchen. Wir bleiben gefangen und wiederholen immer wieder dieselbe leidvolle Erfahrung.

Zu dem Zeitpunkt, an dem eine Flucht noch möglich wäre, merken wir es meist selber nicht. Viele Menschen erkennen lange Zeit nicht, dass sie in ihrer selbst geschaffenen Falle gefangen sind, und können sich daher nur unter Mühen befreien. Die psychotoxischen Personen wenden so geschickt ihre Manipulationstaktiken an, dass ihr Gegenüber sich schnell in ihrem Geflecht verliert.

Hoffst auch du darauf, dass »dein« toxischer Mensch sich ändern wird und eure Beziehung sich verbessert, weil sie auch zu Beginn so wundervoll war? Oder sind es die Angst und die Gewohnheit, die dich daran hindern, dir selbst zu helfen? Der Unterschied zwischen »toxischem« und »normalem« Verhalten liegt darin, dass Auseinandersetzungen entweder destruktiv das Wachstum beider Beteiligten behindern oder konstruktiv fördern. Frage dich also:

Wie gehen wir beide mit Konflikten um?Kann ein Streit produktiv sein?Können wir Kompromisse finden oder muss einer immer nachgeben?Haben wir beide gute Strategien, die wir kennen und anwenden können?

Mit diesen Fragen kannst du all deine Beziehungen untersuchen, bei denen du manchmal oder oft kein gutes Gefühl hast.

Toxische Menschen und ihre Manipulationstechniken

In den verschiedenen Formen zwischenmenschlicher Beziehungen können psychotoxische Menschen durch ihre manipulativen Fähigkeiten eine giftige Dynamik schaffen. Die Psychologie hinter ihrem Verhalten ist komplex: Psychotoxische Menschen zeigen oft Merkmale wie geringe Empathie, ein hohes Maß an Egozentrik und einen Mangel an Verantwortungsbewusstsein. Mithilfe ihrer manipulativen Verhaltensweisen und subtilen Taktiken, die oft auf der Ausnutzung der Schwächen anderer basieren, gelingt es ihnen, andere zu beeinflussen oder zu kontrollieren, um ihre eigenen Ziele zu erreichen. Die Psychologie der Manipulation umfasst verschiedene Techniken wie Gaslighting, Schuldzuweisung, soziale Isolation oder das Schaffen von Abhängigkeiten. Wenn psychotoxische Menschen diese Methoden geschickt einsetzen, können sie ihre Opfer dazu bringen, an ihrer eigenen Realität zu zweifeln und sich zunehmend machtlos zu fühlen.

Die süße Täuschung der Liebe – Love Bombing

In alten Märchen wie »Schneewittchen« begegnen wir oft Symbolen, die versteckte Botschaften über zwischenmenschliche Beziehungen vermitteln. Denken wir an den vergifteten Apfel, den die böse Königin Schneewittchen anbietet. Diese scheinbar altruistische Geste birgt eine gefährliche Täuschung. Ein ähnliches Prinzip findet sich Beziehungen, vor allem romantischer Natur, wenn wir über »Love Bombing« sprechen. Es gleicht dem nach außen strahlend schönen, aber vergifteten Apfel, der uns von jemandem angeboten wird, der vorgibt, uns bedingungslos zu lieben und zu schätzen. Im Kern besteht Love Bombing darin, einer Person überwältigende Zuneigung, Aufmerksamkeit und zum Teil auch Liebe zukommen zu lassen. Der psychotoxische Partner fegt förmlich wie ein Sturm der Leidenschaft durch das Leben seines Opfers und überhäuft es mit Komplimenten, Geschenken und scheinbar bedingungsloser Hingabe. Das Objekt der Begierde soll sich geschmeichelt, begehrt und einzigartig fühlen – das kann jedoch zu einer tiefen emotionalen Abhängigkeit führen.

Die Enthüllung von Love-Bombing gestaltet sich schwierig, denn auch zu Beginn einer gesunden Liebesbeziehung gibt es die rosarote Verliebtheitsphase, in der sich beide Partner gegenseitig mit Aufmerksamkeit überschütten, viel Zeit miteinander verbringen und eine tiefe emotionale Verbindung miteinander eingehen. Wer würde nicht gerne von jemandem umworben werden, der einem das Gefühl gibt, der wichtigste und begehrenswerteste Mensch auf der Welt zu sein? Wer träumt nicht von einem Partner, der einen auf Händen trägt, die Wünsche von den Lippen abliest und immer an seiner Seite steht? Jemand, der einen bedingungslos liebt und den man nie wieder loslassen möchte. In seiner Gegenwart fühlen wir uns gewollt und attraktiv und das stärkt unser Selbstwertgefühl. Die Sehnsucht nach einem solchen Partner ist tief in einem jeden von uns verwurzelt und die Hoffnung auf die große Liebe bleibt bestehen. Das ist verständlich, denn als Menschen brauchen wir Nähe und Verbundenheit zu anderen. Doch leider ist die Vorstellung der Liebe häufig von Illusionen geprägt, die der Realität nicht standhalten können. Manche Wünsche lassen sich einfach nicht erfüllen.

Unter dem zauberhaften Deckmäntelchen des Love Bombing lauert die Dunkelheit der Manipulation. Das Love Bombing durch psychotoxische Menschen kann sowohl bewusst als auch unbewusst zum Einsatz kommen und hat dabei mehrere Funktionen. Zunächst soll es den Partner emotional abhängig machen. Zudem wird es dazu verwendet, die in der Zukunft folgenden problematischen Verhaltensweisen und bevorstehenden Manipulationsversuche der psychotoxischen Person zu bagatellisieren. Wer uns so mit Zuneigung überschüttet hat, muss uns schließlich wohlgesonnen sein. Das mit der Manipulation ist bloße Einbildung, oder? Zeitgleich erzeugt es bei den Betroffenen das Gefühl, in der Schuld der manipulierenden Person zu stehen.

Die Love-Bombing-Opfer werden also sowohl im Hinblick auf die wahre Natur ihres Partners als auch auf ihre Beziehung systematisch verwirrt. Das Selbstwertgefühl, die Selbstwirksamkeit und auch die Selbstsicherheit der Betroffenen werden dadurch zunehmend untergraben. Wenn psychotoxische Menschen erst einmal die Emotionen ihrer Opfer kontrollieren können, gewinnen sie nach und nach Macht und Kontrolle über die gesamte Beziehung und können diese dominieren. 

Pauline, eine alleinstehende Frau in ihren späten Dreißigern, hat schon eine Reihe von enttäuschenden Beziehungen hinter sich. Sie sehnt sich nach Liebe und Geborgenheit, als sie eines Tages in einem Café Alex kennenlernt. Alex ist charismatisch, attraktiv und scheint genau auf einer Wellenlänge mit Pauline zu sein. Von Beginn an haben beide die perfekte Verbindung zueinander und Alex überschüttet sie mit Komplimenten und Aufmerksamkeiten. Er überrascht Pauline auf der Arbeit, kauft ihr gigantische Blumensträuße, schreibt liebevolle Nachrichten und verbringt jede seiner freien Minuten mit ihr.

Pauline fühlt sich wie im siebten Himmel und kann ihr eigenes Glück kaum fassen. Vorher ist sie immer an Männer geraten, die sie nach dem Treffen geghostet, sich nicht mehr gemeldet haben oder die noch an ihren Exfreundinnen hingen. Endlich scheint sie jemanden gefunden zu haben, der sie respektiert und auf Händen trägt, ganz ohne Vorbehalte und Zweifel. Sie erzählt ihren Freundinnen von Alex und verbringt zunehmend mehr Zeit mit ihm. Alex erfüllt bis dato alle ihre Bedürfnisse und Pauline kann nicht anders, als sich Hals über Kopf in ihn zu verlieben. Das erste Mal in ihrem Leben fühlt sie sich vollständig geliebt und angenommen. Seine intensive Zuneigung gibt ihr das Gefühl, etwas Besonderes zu sein, und verstärkt ihre Gefühle und emotionale Abhängigkeit gegenüber Alex.

Durch die übermäßigen Liebesbekundungen und Geschenke hat Pauline das Gefühl, Alex nicht dasselbe zurückgeben zu können, was er ihr gibt, und sie fühlt sich schuldig. Mit der Zeit zeigen sich jedoch subtile Veränderungen in Alex’ Verhalten. Seine Besuche bei der Arbeit haben nicht mehr nur einen romantischen, sondern zunehmend auch einen kontrollierenden Charakter. Er beginnt damit, Paulines Zeit einzuschränken, und äußert Unmut, wenn sie sich ohne ihn mit ihren Freundinnen trifft. Doch Pauline, von den intensiven Liebesbekundungen (»Du bist meine Seelenverwandte«, »Ich würde mein Leben für dich geben«, »Nichts und niemand wird uns jemals trennen können«) geblendet, bemerkt diese Veränderungen zunächst nicht. Alex nutzt Paulines bedürftige Situation und die durch seine Manipulation erzeugten Schuldgefühle aus, um Macht über sie zu gewinnen. Je tiefer Pauline in ihre Paarbeziehung verstrickt ist, desto schwieriger wird es für sie, die zunehmende Kontrolle und die Manipulation von Alex zu erkennen. 

Alex spielt das Love-Bombing-Spiel geschickt, indem er sofort Paulines Sehnsüchte und Bedürfnisse erkennt. Die Kunst seiner manipulativen Verführung bildet den Kern ihrer Beziehung. Love Bombing ist dabei nicht nur ein Mittel, um Nähe zwischen ihnen zu schaffen und Pauline für sich allein zu gewinnen, sondern auch ein Instrument, um Macht über sie auszuüben, Abhängigkeit zu schaffen und gleichzeitig selbst autonom zu bleiben. Alex schenkt Pauline Träume, die ihr Bedeutung verleihen, ihren Selbstwert steigern und ihr Selbstbild aufpolieren. Sie kann der Faszination ihres Märchenprinzen oder einer romantischen Sommerliebe im Sonnenuntergang nicht widerstehen. In ihrer Überzeugung glaubt sie, dass Alex alles aufrichtig meint. Endlich jemand, der sie versteht, schätzt und sich wirklich für sie interessiert. 

Die rosige Zukunft – Future Pacing

Future Pacing (zu Deutsch etwa »Vorwegnehmen der Zukunft«) beschreibt den Manipulationsversuch einer psychotoxischen Person, durch gezielte Handlungen, Worte oder Versprechungen eine rosarote Zukunftsvision zu skizzieren. Auch dabei liegt eine der zentralen Facetten in der Kunst der Illusion. Häufig werden gezielt besonders positive Zukunftsbilder eingesetzt, um eine scheinbare Harmonie innerhalb der zwischenmenschlichen Beziehung vorzugaukeln. Dadurch wird das Opfer im Verlauf der Beziehung in einem schier endlosen Kreislauf aus Hoffnung und Enttäuschung gefangen gehalten. Future Pacing greift tief in die emotionale Dynamik der Beziehung ein, indem es die Erwartungshaltung des Partners geschickt manipuliert. Dies geschieht durch Versprechen, die den Anschein von Veränderung, Engagement oder Verbesserung erwecken. Die manipulative Person schafft eine verzerrte Form der Realität (»positive Illusion«), um die Kontrolle über die Beziehung zu behalten und die Strippen zu ziehen. Das funktioniert, weil fundamentale menschliche Bedürfnisse ausgenutzt werden, denn fast jedes Individuum sehnt sich nach Sicherheit, Liebe und Stabilität innerhalb seiner engen Beziehungen. Was ist schöner als eine gemeinsame Zukunft mit der Person, die man über alles liebt? 

Paul arbeitet seit zwei Jahren in einem kleinen Unternehmen und ist ein engagierter Mitarbeiter. Sein Chef, Herr Anton, lockt ihn immer wieder mit der Aussicht auf eine Beförderung oder Gehaltserhöhung, um ihn zu motivieren. Herr Anton gibt sich gerne als »Kumpeltyp«, lacht viel und gibt Paul das Gefühl, ein wichtiger Teil des Teams zu sein. Doch jedes Mal, wenn Paul nachfragt, wann die Gehaltserhöhung kommt, gibt es eine Ausrede oder Verschiebung der Frist. Trotzdem setzt Paul sich weiterhin jeden Tag voll ein, macht Überstunden und bringt Höchstleistungen, in der Hoffnung, dass sein Einsatz endlich gesehen und belohnt wird. Doch die Beförderung bleibt aus. Paul ignoriert sein ungutes Bauchgefühl und traut sich nicht, seinen Chef zur Rede zu stellen. Einerseits möchte er seine Zukunft in dem Unternehmen nicht gefährden, andererseits fürchtet er, die freundschaftliche Beziehung zu seinem Chef zu verlieren.

Herr Anton ist wiederum sehr zufrieden, denn er kann weiterhin seine Karriere verfolgen, hat engagierte Mitarbeiter und setzt seine persönlichen Bedürfnisse durch. Damit ihm das dauerhaft gelingen kann, nutzt er immer wieder Future Pacing und malt Paul eine positive Zukunft in seinem Unternehmen, wodurch er die finanzielle und emotionale Abhängigkeit von Paul verstärkt. Er gibt ihm die Hoffnung auf eine »bessere Zukunft«, die jedoch nur durch Pauls stetiges Bemühen erreicht werden kann. Paul beginnt, sich zunehmend mehr und mehr auf die Arbeit und seine Leistungen im Unternehmen zu konzentrieren und dabei seine Bedürfnisse zurückzustellen. Das Future Pacing erweist sich für Herrn Anton als wertvolles Instrument, um die Kontrolle über die Arbeitsbeziehung, seine Wünsche und Vorstellungen zu behalten. Er kreiert die Vorstellung eines idealen Arbeitsplatzes, der aber in der Zukunft liegt und nichts mit dem aktuellen realen Arbeitsalltag der beiden zu tun hat (der immer häufiger von Ausbeutung, Dominanz und unterschiedlichen Vorstellungen in Sachen Autonomie überschattet wird). Es entsteht eine emotionale Abhängigkeit. Die Situation belastet Paul zunehmend, aber er findet keinen Weg, sich aus diesem Teufelskreis zu befreien. Er fragt sich, wie lange er noch auf die leeren Versprechungen seines Chefs hereinfallen soll und ob es überhaupt eine Möglichkeit gibt, seine berufliche Zukunft zu sichern, ohne dabei die Beziehung zu seinem Chef zu gefährden. Er ist bereit, gegenwärtiges Leid zu ertragen, um die verheißungsvolle Zukunft am Arbeitsplatz erleben zu können.

Das Future Pacing hilft Herrn Anton dabei, seine Verantwortung für die gegenwärtigen Schwierigkeiten am Arbeitsplatz zu verschleiern, und sorgt zugleich dafür, dass Paul sich seine Arbeitsbeziehung schönredet. Diese Form der Manipulation ist nicht nur auf berufliche Verhältnisse beschränkt, sondern kann in verschiedenen Umgebungen wie Freundschaften, romantischen oder familiären Beziehungen auftreten. Die Unstimmigkeit zwischen den Versprechungen der rosigen Zukunft und der Realität führt häufig zu einem Zustand der Verunsicherung und zur emotionalen Erschöpfung der Betroffenen.

Im Nebel der Manipulation – Gaslighting

Anastasia bemerkt nach und nach, dass sie sich zu Hause in einem Strudel aus Verwirrung und Selbstzweifeln wiederfindet, kann jedoch keinen Auslöser dafür ausmachen. Sie überlegt sich vermehrt, ob sie vielleicht an Depressionen oder einem Burn-out leiden könnte. Eines Tages kommt ihr Vater Thomas von der Arbeit nach Hause und scheint sehr verärgert und gereizt zu sein. Er ist schweigsam und distanziert. Anastasia macht sich Sorgen, denn sie kann sein Verhalten nicht einordnen, und fragt ihn, was mit ihm los sei. Thomas’ Antwort ist nicht das, was Anastasia erwartet hat. Er sieht sie ernst an und beschwert sich: »Du hast mir mal wieder nicht richtig zugehört, du weißt genau, dass ich keine Nudeln mag.« Anastasia ist überrascht, schockiert und verletzt. Jeden Abend kocht sie für sich vor und packt ihrem Vater eine kleine Portion für die Arbeit ein, weil er seit der Trennung von Anastasias Mutter nur schwer allein zurechtkommt. Seine mangelnde Selbstständigkeit und das andauernde Aussprechen von Kritik waren auch einige der Gründe, wieso sich ihre Mutter von Thomas getrennt hat. Anastasia fühlt sich schuldig, weil sie ihrem Vater Nudeln für die Arbeit mitgegeben hat, kann sich jedoch nicht daran erinnern, jemals von ihm gehört zu haben, dass er keine Nudeln mag. Ihr Vater fährt fort, sie mit Vorwürfen zu bombardieren: »Du machst immer alles falsch«, »Du hörst nie richtig zu« oder »Hätte ich mich lieber auf mich selbst verlassen«. Anastasia findet sich plötzlich in der Verteidigungssituation wieder und versucht verzweifelt, Thomas zu erklären, dass sie ihm sehr wohl zuhört und sich immer bemüht, alles richtig zu machen. Sie beginnt zu weinen, woraufhin Thomas sie mit weiteren Anschuldigungen konfrontiert: »Du bist so emotional, das ist jetzt einfach nur lächerlich.« Anastasias Vater lässt nicht locker und beharrt darauf, dass sie falschliegt. Thomas erklärt ihr mehrfach, dass sie ein massives Problem mit ihrer Erinnerung und emotionalen Stabilität hat – genau wie ihre Mutter.

Anastasia ist am Boden zerstört und beginnt, an sich selbst zu zweifeln. Sie spürt, dass sie wieder ein Stück verunsicherter ist, fühlt sich hilflos und hinterfragt sich in ihrer Rolle als Tochter. Immer wieder kommt dabei der Gedanke auf, dass ihre Stimmungsschwankungen durch ihre depressive Verstimmung zustande kommen. Thomas hat es geschafft, sie dazu zu bringen, an ihrer eigenen Wahrnehmung und ihrem Verstand zu zweifeln. Gaslighting hat seinen destruktiven Tribut gefordert. 

Gaslighting, ein überaus hinterhältiges manipulatives Verhalten, kann verschiedene Formen annehmen. Stell dir vor, dein Gegenüber beschuldigt dich, »verrückt«, »übermäßig emotional« oder »einfach nicht klug genug« zu sein. Das sind direkte Angriffe auf dein Selbstwertgefühl. Dabei ist niemand um dein Wohlbefinden besorgt. Das ist Gaslighting, eine Manipulationsmethode, bei der ein psychotoxischer Mensch versucht, dein Selbstvertrauen und deine Sichtweise zu erschüttern.

Diese Taktik ist besonders giftig und schädlich, weil sie das Opfer systematisch in einem ständigen Zustand des Zweifels, der Verwirrung und Unsicherheit hält und dadurch oftmals in eine starke Abhängigkeit manövriert. Thomas gelingt es, geschickt Zweifel bei Anastasia zu säen, indem er negative Andeutungen über ihr Verhalten macht und wiederholt Situationen schafft, die darauf hindeuten, dass sie nicht vernünftig und rational handelt. Sobald sie sich aber traut, ihren Vater mit seinem eigenen Verhalten zu konfrontieren, dreht er den Spieß um. Erneut lenkt Thomas das Gespräch und vermittelt Anastasia das Gefühl, dass sie sich inkorrekt verhalten hat.

Gaslighting lässt sich wie ein schleichender Nebel beschreiben, der das klare Denken und die eigene Realität eines Menschen langsam verschleiern kann. Mit subtilen Lügen und Manipulationstechniken wird langsam, aber sicher Anastasias Sicht auf die Realität getrübt. Immer dann, wenn sie versucht, die Klarheit wiederzuerlangen und sich auf ihren inneren Kompass zu verlassen, wird der Nebel durch Thomas weiter verdichtet. Ihm gelingt es immer wieder, sie davon zu überzeugen, dass sie sich irrt und ihre eigenen Gedanken, Grundsätze und Gefühle falsch sind. In diesen Situationen wird sich Anastasia weiterhin für Dinge entschuldigen, die eigentlich nicht ihre Probleme oder Fehler gewesen sind. Ganz im Gegenteil: Thomas ist deren Verursacher! Trotzdem fügt er dem Nebel stetig neue Schichten hinzu, bis seine Tochter sich in einem undurchdringlichen Gewirr aus Unsicherheit und Verwirrung wiederfindet.

Das dunkle Labyrinth des Gaslighting

Gaslighting, das von jemandem mit psychotoxischer Natur ausgeht, kann die mentale Klarheit und das Selbstvertrauen eines Menschen langsam, aber sicher aushöhlen. Der Betroffene findet sich in einem Labyrinth aus Zweifeln und Unsicherheit wieder, weil die manipulative Person die Realität verzerrt und zunehmend verdreht. Der Begriff Gaslighting geht auf das Theaterstück Gas Light zurück, das vor allem durch eine Verfilmung mit Ingrid Bergmann Mitte der 1940er-Jahre Bekanntheit erlangte. Es erzählt die Geschichte eines Mannes, der durch gezielte Lügen und Täuschungen die Wahrnehmung seiner Frau derart manipuliert, dass sie zunehmend an ihrer Zurechnungsfähigkeit zweifelt.

Die kalte Schulter zeigen – Silent Treatment

Kommunikation ist das Herzstück jeder zwischenmenschlichen Beziehung. Die Art, wie Menschen miteinander sprechen und kommunizieren, beeinflusst maßgeblich, wie sie sich fühlen und miteinander interagieren. Doch in manchen Beziehungen, besonders in denen, die von Gaslighting geprägt sind, kann das Fehlen von Kommunikation selbst eine Rolle spielen. »Cold Shouldering« oder »Silent Treatment« ist nicht unbedingt eine Sonderform von Gaslighting, hat jedoch ähnliche Auswirkungen. Auswirkungen, die Beziehungen massiv beeinträchtigen können. Opfer neigen dazu, ihr eigenes Verhalten infrage zu stellen, anstatt zu erkennen, dass es sich hier um eine Manipulationstechnik handelt. Das sogenannte Silent Treatment wird häufig als stumme Waffe eingesetzt. Es dient vor allem dazu, das Gegenüber einzuschüchtern und ihm das Gefühl zu vermitteln, dass es aktuell nicht in der Nähe der psychotoxischen Person erwünscht ist. Diese Nicht-Kommunikation wird häufig manipulativ eingesetzt, um das Opfer zu bestrafen, zu kontrollieren und seine Gefühle abzuwerten. Das Schweigen drückt emotionale Kälte aus, die den Betroffenen isolieren und entmachten soll. Durch das Schweigen wird dem Gegenüber jegliche Möglichkeit genommen, den emotionalen Kontakt wiederherzustellen oder Klarheit über die Gesamtsituation zu erlangen. Dieser Mangel an Kommunikation führt nicht nur zu Frustration, sondern auch zu einer schmerzhaften Unsicherheit über den Stand der Beziehung zueinander. 

Unter der Oberfläche der Mutter-Sohn-Beziehung von Claudia und dem 15-jährigen Nicolas brodelt etwas Dunkles, das Nicolas allmählich zu ersticken scheint. Eines Tages bricht seine Mutter Claudia mal wieder ein Versprechen, dass sie Nicolas gegeben hat. Sie hatte ihm schon vor Wochen zugesagt, dass sie am Abend mit ihm ins Kino gehen wird, und Nicolas hat sich die ganze Woche darauf gefreut. Nicolas, von Natur aus empathisch, geduldig und nachsichtig, ist dennoch verärgert und enttäuscht von dem Verhalten seiner Mutter. Er fühlt sich verletzt und missachtet. Aber anstatt sofort mit seiner Mutter darüber zu sprechen und emotional zu reagieren, beschließt er, sich Zeit zu nehmen, um seine Gefühle zu sortieren, sich zu beruhigen und die Situation zu reflektieren.

Als er schließlich bereit ist, das Gespräch mit Claudia zu suchen, spürt er eine drückende Anspannung in der Luft. Seine Hände zittern leicht, als er die Worte formuliert, die ihm auf dem Herzen liegen. Er erzählt seiner Mutter von seinem Ärger und seiner Enttäuschung über ihre wiederholt gebrochenen Versprechen. Claudias Reaktion ist jedoch nicht die, die Nicolas erwartet hat. Sie sieht ihn mit kalten, emotionslosen Augen an und erwidert knapp: »Du hattest vorhin die Chance, darüber zu sprechen, und hast sie nicht genutzt.« Dann wendet sich seine Mutter von ihm ab, zeigt ihm die kalte Schulter und ignoriert ihn für den Rest des Abends. Das Schweigen, das zwischen ihnen liegt, ist erdrückend. Nicolas fühlt sich gedemütigt, nicht wertgeschätzt und hilflos. Er versuchte, seine Gefühle auf eine gesunde Art und Weise auszudrücken, aber anstatt auf sein Anliegen einzugehen, hat seine Mutter ihm das Recht auf Kommunikation komplett entzogen. In ihren Worten und ihrer Ignoranz liegt die subtile, aber zerstörerische Botschaft, dass Nicolas unrecht hatte, sich Zeit zu nehmen, um die Situation zu verarbeiten. 

Der Schmerz, den manipulatives Schweigen in toxischen Beziehungen verursacht, spielt sich auf verschiedenen Ebenen ab. Die Anerkennung und Bestätigung der eigenen Existenz ist ein grundlegendes menschliches Bedürfnis, das gerade in den innigsten zwischenmenschlichen Beziehungen von großer Bedeutung ist. Durch Schweigen, also Silent Treatment, untergräbt Claudia die Bedürfnisse ihres Sohnes und lässt Nicolas in schmerzlicher Unsicherheit zurück. Das Ausbleiben von emotionalen Reaktionen kann die Bindungssicherheit des Gegenübers bedrohen. So entsteht in der ohnehin toxischen Mutter-Sohn-Beziehung für Nicolas ein zerstörerischer Kreislauf, in dem das Schweigen seiner Mutter nicht nur als Mittel zur Kontrolle dient, sondern auch weitere Konflikte in Nicolas auslöst. Claudias Verhalten bringt Nicolas durcheinander und verursacht Selbstzweifel und Schuldgefühle. Er versteht nicht, was er falsch gemacht hat – und kann sein Verhalten auch gar nicht auf mögliche Fehler hin überprüfen, da seine Mutter ihm ein klärendes Gespräch verwehrt.

Eiskalte Zurückweisung

Die kalte Schulter zu zeigen kann, ähnlich wie Gaslighting, die gesamte Kommunikation einer zwischenmenschlichen Beziehung sabotieren und das Gegenüber daran hindern, seine Gefühle und Bedürfnisse auszudrücken. Es ist eine Form der Bestrafung, die erniedrigend ist und die Betroffenen in Unsicherheit und Schweigen hüllt. Das beeinflusst ihre Psyche nachhaltig. Das Ziel liegt darin, das Verhalten der Opfer zu kontrollieren.

Du bist schuld – Schuldumkehr

Ganz gleich, was in eurer Beziehung schiefläuft, die Schuld liegt immer bei dir – nicht nur gelegentlich, sondern immer. Auch in Situationen, in denen du nur den passiven Part übernimmst, bist letztlich du schuld. Dein psychotoxisches Gegenüber reflektiert sein Verhalten nicht, sondern schiebt die Verantwortung immer dir zu und erklärt dir, was bei dir nicht stimmt. Es scheint, als hätte dieser Mensch keine Erinnerung an die zahlreichen Male, in denen ihr über die gleichen Vorfälle gesprochen habt. Streitereien, die außer Kontrolle geraten sind, Unzuverlässigkeit, mangelnde Erreichbarkeit, übermäßiger Alkoholkonsum – aus der Perspektive der psychotoxischen Person trägst du am Ende die Schuld für das Scheitern. Dabei wissen toxische Menschen meist ziemlich genau, dass ihr Verhalten irrational, inakzeptabel, verletzend und extrem unangemessen ist. Sprichst du sie darauf aber an, haben Sie komischerweise nie Erinnerungen an ihre massiven Beleidigungen, das andauernde Kritisieren, die Seitensprünge – nichts davon darf jemals zur Diskussion stehen und niemals werden sie die Verantwortung für das eigene Handeln oder Unterlassen übernehmen. Reflexion findet nicht statt. Stattdessen kehren sie die Schuld um: Nicht die psychotoxische Person hat sich falsch verhalten, sondern du hast nicht korrekt gehandelt. Sie projiziert die Schuld für alles, was schiefgeht, auf dich.