In der Maskenzeit - Hanna Fleiss - E-Book

In der Maskenzeit E-Book

Hanna Fleiss

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Beschreibung

Ganz schnell brach die Zeit der Masken an. So manchen warf sie aus der Bahn, nicht jeder kam heil aus den pandemischen Wirren. Die Gedichte führen in unser Nachbarland Tschechien, ein Besuch in Prag wird abgestattet. Friedenslinien in Nordirland kommen in Sichtweite. Der Leuchtturmwärter steigt die Stufen hinauf. Ungelebtes Leben rückt an uns heran, die Ablagerungen nach versagten Freiheiten. In den Büchern stehen die Namen von Königen, vom Scheitern wird zu wenig geredet. Rote Listen wachsen, welche Vögel kommen noch einmal zurück? Göttinnen unter sich zelebrieren ihre Auren. Weltenschach wird gespielt. Die Kompassnadel der Weißen Rose stellt Fragen: Was muss heute Orientierung sein? Glückstage schneiden sich ein, sanfte Umarmungen, Küsse. Die Spinnenverstecke finden sich nach dem Winter.

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„In der Katastrophe nimmt sich das Unheil nur selten die Zeit, um für unser Gesicht die rechte Maske zu liefern.“

Jean Giraudoux

Inhaltsverzeichnis

Peter Frank

Vor der Insel

Gedenkstein in Husum

Friedenslinien

Östlicher Ort

Mutmachende Moritat vom Scheitern

Galater

Umgehungsstraße

Dürre

Leuchtturmwärter

Evros

Regina Jarisch

sprachreise

kipppunkt

ohne zielangabe

verspielter morgen

auf der richtigen seite

herztasche

fehlgriffe

mögliche empörung

Hanna Fleiss

Leben spüren

Verse, warum sie

Das Ungeschriebene

Die Mutter

Die Großmutter

Wohin, Cecilia

Eline Menke

Gut gerüstet

Abwägung

Carsten Rathgeber

Tausch

Erschöpfter Tag

Atem

Begegnung

Ewig gleich

Stille Wut

Klare Kante

träume in unsrem alten raum

Entbindungen

Danach

Alfred J. Signer

Es war einfach da

Herbstliche Gedanken in der Krise

Befreit

Dirk Tilsner

Vorstellung

und du?

Blickwinkel

die Saite

Frühling

Sommer

Herbst

Winter

Fragen keines dahin-Pesenden

Weitsicht

Zoom

Eva Lübbe

Werte in der Krise

Künstler

Auf der Tagung im Juni 2020

Lachmöwen

30 Jahre nach der friedlichen Revolution

Die Glücksbringer

Hatten wir eine Wahl vor 30 Jahren?

Die Wende

Flüchtlingsströme

Spinnen

Telefone der dritten Generation

Franz-Josef Kaiser

Julinka

Edda Gutsche

Bertrámka

Volker Teodorczyk

Erfüllung

Willkommen

Furcht

Sabine Reyher

spaziergang 2.0

schau nach oben

Magnus Tautz

O-Ton Park

Staub. Keine News?

Vom Sagen

Kindheit. Drei Lagen

Angelika Zöllner

blaue stunde

kleine kapelle

Heike Streithoff

Nachtspaziergang

Im Winter das Leben

Die Rast

Willi Volka

Welten

Brückenbau

Trance

Valerie Travaglini

Sicilia

Blau

Letzte Tage

Stilles Versprechen

Rainer Gellermann

Das Haus

Eingekreist

Brennender Frühling

Cov-21

Tagungstraum

Atem

triage

Kriegswinter Leningrad

Pan Wittgensteins Demie

Tanztee mit Wir

Walthers Winterleid

Ingrid Ostermann

Beerdigung

Gerüchte

Sein

Sternenhimmel

Sturmnacht

Verstehen

Weiße Bälle

Weinachten

Elisabeth Arnold

Masken

Sturm des Alltags

Sommernachtstraum

Peter Paul Wiplinger

Der schwarze Engel

Im Veitsdom zu Prag

Wolfgang Rinn

Am Ende

Marko Ferst

Dünne Landzunge

Stille durch Corona

Kleinstadt im Erzgebirge

Unverortet

Dilemma

Herbstlichter

Blaue Zypresse

Lichtland

Spur nach Tilsit

Dämmerlicht

Herbstbögen

Florian Meurer

Aus der Stille

Winterkrieg

Lukas F. Ziegler

An Eure Eminenz M

.

Der Sturm

Alte fiese Dorfhexe

Gerhild Wächter

gnadenzeit

rote paprika

schwarze vögel

meer

muscheln

maus

waldglocken

Erich Pfefferlen

hinter der theke

René Oberholzer

Glückstag

Pandemieblues

Mittagessen

Durchatmen

Die Vollendung

Küchenarbeit

Der letzte Wille

Peter Schuhmann

Vereinsamt

Amour fou

An die Dichter

Schlafes Strand

Was bleibt?

Kornblume

Traumflug

Einödhof

Zwischenzeitlich

Herbstlese

Heinz-Helmut Hadwiger

Wortlos

… u. A. w. g

.

Über den Dächern

Sonett für Nix und wieder Nixen

Windsbraut –verwehte!

Maike Tijsterman

Was wäre wenn?

Quarantäne

Elionore C. Weiss

Das Volk von Belarus/Freiheit

Dieter Nell

An kalten Mauern

Winfried Scholten

Auf dem Radhost

Auf Prag zu

Silvester ’94 . Wenzelsplatz

Helga Thomas

Abtauchen

Ufer

Was ist heute?

Frühlingsgruss

Koordinaten

Jan-Erik Grebe

Lyrik

Zartes Blau

Erst fällt der Schnee

Heute: Kinderlachen

Magnolien

Ähnlich

Thomas Maria Wiesenberg

Frühjahr

Netzwerk

Spaziergang

Herta Andresen

Windstille

Hoffnungslos

Kann sein

Am Nachthimmel

Sie erzählte

Jahresanfang

Jetzt

Harlekin

ungewiss

Zauberwald

Die alte Tanne

Blau

Momentan

Maskenball

Eva Joan

zu leicht

Staub

Eishauch

fremd

Kathrin Ganz

Blühender Sommer

Verehrter Januar

Frühlingstonleitern

Mit dem Herzen lächeln

Helga Schumann

Der alte Mann

Höhenflug

Dahinter

René Gröger

(T)raum

Kristin Hogk

Göttinnen unter sich

Siegesgewandt

Lutz Wascher

Station 20/12

Tierchen

Volker Oslender

Der Gezeitenwanderer

Als du gingst

Die Bläue meiner Lippen

Spuren

Als ich erwachte

Nach zehn

Jakob Hagen

Arcades

Wasted

Intersection

Herbert Reiher

Gebt dem Unrecht keinen Raum

Timo Heidl

Vom Berge Pelion

Die alte Scheune

Alte Mainbrücke

Am Kutterhafen

Falk Andreas Funke

ungern reisen

Jutta Niedergesäß

Erinnerung

Altweibersommer

Abschied vom Sommer

Corona-Frühling

Herbstblatt

Impferfolg

Eheliches Zwiegespräch

Mai

Handy

Reinhard Lehmitz

Die weiße Rose

Da war doch einer

Venceremos

Eine rote Rose

Klimaschutz - Appell an die Vernunft

Peter Wurzer

Corona

Hasenbraten ist passé

Sebastian Bluth

Niederspannungsleuchtstoffglühbirne

Grundsteinlegung

Eine Nacht vor Vollmond

Spielregeln

Made in GDR

Bücherbox

Wahlkrampf

Die Arche

Leontin Rau

Hochalpine Existenz

Vermessenheit?

Unten am Fluss

Ode an Bianca

Perdido en el siglo

Heike Lange

Zueinander

Allerheiligentor

Monika Braun

Jahrtausendereignisse

Jubilate

An Robin

Reine Stimmung

Mai-Kantate

Im Garten der Worte

Grete Ruile

Aufschlussreiche Gedanken

Peter Hort

Schneeberg

Illumminati

Einsam

Romy Leininger

Blicke

Traumblueten verwehen

Traummosaik

Traumschatten

Im Nachtblau

Sehnsuchtsbaum

Frühlingsimpressionen

Traumreise

Helga Schumann

Ignoranz

Urlaub im Ich

Die lärmende Elster

Fünf Minuten Quer-Beet im Frühling

Ronja Laura Wagner

Übersetzung

Tränentinte

Kreidefarben

Blindes Lachen

Feuer

Klagelaut

Kleinformat

Atem

Baumgeäst

Raureifkuss

Blinder Passagier

Schwarzes Schaf

Luisa Claire Brambeer

Bunte Kartons

Lieben ohne zu blühen

Nikolaus Luttenfeldner

Mondnacht

Florian Birnmeyer

du und ich

(Gem)einsam

Alles ist möglich

Freundschaft

Du bist

Mairi Besau

Versammlung der Katzen

Mit dir nachts unter dem Sternenhimmel zu tanzen

Könnt‘ ich frei sein

Eileen Egeter

Losgelöst

Zeit

Tatjana Gregoritsch

Ihr – Wir

Sprachbares Land

Nicht aus Duino, aus Wien stamme ich

Ralf Becker

Dichter an den Freund

Poeten-Lamento

Gärung

Hitzewelle

Kleine Zeitphilosophie

Brecht

(Aus-) Gebremst?

Klage des Fortschritts

Wetter-Macher

Kultur und Sprache - Sprachkultur - Kultursprache

Freiheit des Künstlers

Arbeit und Leben

Geschichte der Arbeit

Halb voll - halb leer

Dichters Anregungen

Valentinstag

Meine Sonne

Exzentriker

Seitensprung (Ehe-Stabilisierung)

Sternen-Flug

Abgang

Poeten-Zweifel 2

Drei göttliche Dinge

Erbitten

Überlastung

Über Leben und Tod

Wissenschaft?

Meine Liebe

Drüber stehn

Sehnsucht 2

Nach dem Streit

Ratschlag

Gerard J. Duerschke

Dichterruf

Gedicht ohne Dichter

Nichts als die Ewigkeit

Zur Heimat

Das Ödland

Unitas Oppositorum – Im Schatten meines Schattens

Gedanken über den Ausweg

Nachsinnen am Grabmal Lorenzo de Medici

Preludien der Lyrik

Totenrede der Corona

Im Kontext der Bewegung

Mirko Schlicht

Flucht mit gebrochenen Beinen

Sonntembertag

Lustgewinn im Wasserglas

Tochtergold

Viertel vor zwei a.M

.

Kamineffekt

Joanna Masseli

Marlene

HEF

21 Rue Saint-Guillaume

Amelia Earhart

Paul Busch

Träume

Prüfungstag

Weltenschach

Joe Bennick

Fassade

Ohne Titel

Zu hundert schweigen Bäume

Erika Sonnenburg

Farbenspiel

Das Missverständnis

Inhalt

Autorinnen und Autoren stellen vor

Peter Frank

Vor der Insel

Nach Rio die Fahrt.

Genever die Fracht.

Fremd die Küste,

die Kennung,

der Prismenkorb,

regenschwarz

umrauscht.

Keine Wiederkehr.

Ein letztes Quartier

in der Bake der Nacht.

Manchmal,

im Mahlsand der Zeit,

schimmert die Salzglasur,

der Knochenzug eines

Steinzeugkrugs.

Gedenkstein in Husum

Stein,

die Schrift tragend

durch Jahrhunderte.

Bruder der Moose,

der Flechten,

gelehnt

in die

rote Dämmerung des

alten Gymnasiums,

versunken

zwischen den schwarzen

Adern der Wurzeln.

Stieleiche,

in den Wind gedreht,

Ringe,

Menschen überdauernd,

felsige Furchen,

arid.

Äste,

armgleich ausgestreckt,

sturmgewohnte Finger,

tastend,

als suchten sie einen

Griffel

in der

Lade der Luft,

zu schreiben eine

weitere Stunde

in die Chronik der

Schatten.

Friedenslinien

Im Souvenirshop von

Sinn Féin

blickt

Bobby Sands

aus Postern & Tassen.

Im Geschichtsmuseum

hängen Gewehre,

die Gaddafi

einst lieferte.

Mauern,

versteinerte Echos,

überwältigt von

Gemälden,

Graffiti,

windumtost.

Die Stadt,

noch immer nackt,

gleich den Gitterkäfigen

hinter den Häusern der

Bombay Street.

An der

meistbombardierten Bar

der Welt

trinken sie

Guinness,

schwarz

wie die Erde des

City Cemetery,

wo eine

unterirdische Wand

die Toten trennt,

weiß

wie die Wolken über

Belfast.

Östlicher Ort

Hier,

unter den großen Sternen,

wo Namen

für immer bleiben,

die Linde

tausendjährig rauscht.

Die hier

in ihren Tagen leben,

der Langsamkeit verwandt,

sprechen nur,

wenn sie etwas zu sagen haben,

lauschen

den Geschichten des Windes.

Wer schrieb sie

in die Weite der Felder?

Vielleicht

wusste es die Melkerin,

die vor langer Zeit über

die Hügel davon ging,

an ihren Händen

den Duft der Frühe.

Mutmachende Moritat vom Scheitern

Am

31. Mai 1811

standen Tausende am

Ufer der Donau.

Sogar

der König von Württemberg

wartete auf die Sensation.

In einem

selbst gebauten Hängegleiter

wollte

Albrecht Ludwig Berblinger

von der Adlerbastei

über den Fluss fliegen.

Lebend

zogen sie den Schneidermeister

aus dem Wasser.

Spott und Alkohol

stürzten ihn ins

Armengrab.

1891

glitt Otto Lilienthal

schwerelos dahin.

1952,

in einem Fachaufsatz über Thermik,

schrieb jemand,

dass es an der Stadtbefestigung von Ulm

keinen Aufwind gibt.

Galater

Begraben

Hals & Armring,

Schwert & Schild.

Unerbittlich der

Sandwind.

Zerschlagen

der Tempel,

die Drehmühle.

Das Mehl,

fortgetragen im

Fell der Ratten.

Versunken

im Grabhügel

der Streitwagen.

Rostbrüchig

der Eisenpflug.

Argwöhnisch die

Krähen.

Gehöft.

Die Hunde

verhungert.

Erloschen

die Herdfeuer,

die Halbmonde der

Sensen.

Hart die Grannen.

Geronnen das Blut

abgeschlagener

Hände.

Verwaist

der Markt.

Vereist

der Kessel.

Leer hängt die Waage.

Die Münzen

Fabel der Moore.

Umgehungsstraße

Der alte Asphalt

wurde brüchig.

Delirien der Disteln.

Leere Bierkästen,

Speisekarten,

ein Ford Transit,

aufgebockt

auf grauen Mauersteinen,

an denen grüne Flammen lecken.

Manchmal

hält ein älteres Paar,

von Erinnerung gelenkt,

blickt in die Fenster des

Gasthofs,

schmale Schattenhand,

braune Stille der Stuhlbeine.

Eine Weile stehen sie noch

in der Umarmung des Windes,

der vom Meer kommt & die

Ähren schwenkt.

Dürre

Sieben Jahre

brannte Durst in den

Mäulern,

die alte Zunge der

Sonne,

versandet

die Schlachtbank,

die Schreie versiegt.

Damals

schlitterten sie in Zinkwannen

über blanke Wiesen,

jetzt blicken die Fischer

auf silberne Flossen in

algiger Brühe.

Was noch lebt,

werfen sie in den Fluss,

stapeln Karpfen, Brassen,

den Gestank der Hechte

ins Kreischen der Kormorane.

Sieben Jahre

lastete die Glut auf

Ästen, Zweigen, Blättern,

Totholz wie Knochen,

bleiche, rissige Trift,

leer der Himmel,

der Messtopf.

Leuchtturmwärter

Die Petroleumkanister

schleppte er 315 Stufen

hinauf.

Wenn die Asche des Tages

über der weißen Dünung wehte,

nahm er die Leinenlaken

von den Laternen &

zündete die Lampe an.

Er lebte hier oben

wie in einer Uhr,

putzte Linsen, Prismen,

das Räderwerk der Sterne,

las Barometer, Gedichte,

zog Schiffe in Flaschen groß,

legte sich in kalte Mauerrund.

Manchmal im Herbst

fielen Krammetsvögel,

die von Kristall nichts wussten,

lichtsüchtig, nebelschwer,

ins Kuppelgrab.

In der Eisenpfanne,

buttergebräunt,

schmeckten sie ihm gut.

Evros

Nur

der Fluss,

Forensiker,

kennt

die Namen der

Toten,

die

er täglich ins

Schilf legt,

blau, gedunsen,

Blätter, Larven

in den Kehlen,

eine

letzte Anschrift,

denen er lässt,

was

der Schlamm

verschmäht,

eine Uhr,

ein Amulett,

eine Gebetskette,

eine

achtstellige Nummer

in einem Kühlfach.

Niemand

sucht die Gräber

unter den Dornen.

Blicke, Münder,

die Dörfer,

still wie Tabak.

Regina Jarisch

sprachreise

worte wandeln sich

mischen im zeitraum

sprachgespinste

geistgebilde

ins jenseits

verschoben verrauscht

sprachräume

verlieren sich

aus der zeittiefe

tauchen kopien auf

verkürzt die zeit

knappst

wir kopieren weiter

kipppunkt

schlaflos wandern schwer müde

fällt die zeit aus den himmeln

wasser steigen der atem geht flach

das leben pausiert im tunnel

niemand hört das gern am tisch der

geselligkeit zählt nur die lächelnde

zuversicht erzählt in geschichten

die wie fettaugen über dem tag

schwimmen wir mit halber lunge

zum roten sonnenuntergang

fahren ins dunkel ins ahnen

die masken fallen

zerschlissen die haut gefangen

im welken tasten wir nach baldrian

vergessen das fallen das steigen

in verschwiegener angst am rand

stirbt die täuschung

ohne zielangabe

hochgestapelte versprechen

verstolperte verheißungen

züge ohne zielangabe

verpassen den bahnhof

ich suche den fahrplan

finde das schwarzbuch deutsch:

schlamassel und seelenkunde

neben sonntagsfahrverbot

im sessel plüschgedanken

ohne stoff und grund

gedanken und visionen

fallen aus der linken hand

die rechte umkrampft den löffel

das chaos dampft im kopf

der klare überblick

lässt sich nicht halten

verspielter morgen

über sofakissen gefallen

aus erwartungen

den strick gedreht

knie knicken

das kissen fängt

schmerzen bleiben aus

im spiegelblind

tage ticken

wünscheverstrickt

die weisheit verspielt

in kissen schlachten

federn nebeln

nur das theater

erlaubt helden

die utopie

auf der richtigen seite

nicht kurzfristig zu klären

wer die worte und sätze

errichtet und schichtet

ich verantworte meine deutung

laufe das koordinatensystem ab

in alle möglichen richtungen

lese verlese verliere mich in der

halbwertzeit kurzbeiniger werte

decke ich die zwiefalt der worte auf

im gerede schieben sie den sätzen

die schuld zu die taten fressen

die sprache auf

mir schwindelt

herztasche

unterm kirschbaum schaukelt das kind

im hofviereck

hält ein birnbaum das indianerzelt

eine reife birne auf der wiese

daneben ein becher malzkaffee

kinderwelt unterm federschmuck

die weite

im erwachsensein verlassen

im umzäunten land

gehören die indiander ins kino

in begrenzter sicht verwelken träume

vor dem blühen fallen blätter

unbeschrieben auf den tisch

gedeckt mit brot äpfel und butter

vergessen die gelbe birne

in der dämmerung flüstert der mond

ins kleine fenster und

unterm bett spuken gespenster

ins nachtschwarz

ruft der ferne kirschbaum

über alle zäune hinweg unsichtbar

kitzeln die federn im bunten traumland

packt das herz aus

fehlgriffe

hände halten auf abstand

abgewehrt die fremde erwartung

nur die eigene

wuchert weiter in den vier wänden

aus der tür tritt

unerfülltes verlangen

züngelt mit worten

zündelt mit satzschlingen bis

die haut an den händen

brennt

im dickicht der irrtümer

steigt rauch auf

mögliche empörung

zukunft

bleib mir ewige

gegenwart greif uns

was zu greifen ist saug auf

was wir nicht loslassen

wollen ist eine frage

in auflösung

zahlen und räume

verlieren sich und

vergänglich liegt

die zukunft

Hanna Fleiss

Leben spüren

Leben immer nur Traum,

hin zu den Meeren, den Bergen

im Schnee, zum stillen See

in verschwiegener Landschaft,

in die Ebenen weit.

Hier das Häusergrau,

die Hektik des Straßenverkehrs,

das Pseudodasein im Großraumbüro,

die ehernen Marktgesetze,

seltsam fremd fühlst du dich.

Du trittst neben dich,

begreifst das Irrationale des Heute,

dein ungelebtes Leben, bohrend

der Verdacht, dass die Welt

dir etwas vorenthält.

Du vergräbst dich in die Suche,

ahnst etwas von der Größe und der

Kleinheit des Lebens, grübelst

und kommst zu keinem

Ergebnis.

Erst der Schatten

eines herbstlichen Ahornwalds

belehrt dich, und schmerzhaft

erinnerst du dich der Abendsonne, rot

wie deine Sehnsucht ins Freie.

Verse, warum sie

Lasst die Wörter fliehen

aus den Gedichten, zu müde die Welt,

zu traurig, Verse ertragen zu können,

wir wollen nicht Glanz noch

Licht auf allen Dingen.

In großem Dunkel

betreten wir die großen Winter,

wir sind Realisten, wohlwollende

Statisten, unerklärlich die Welt, und wir

als Beipack mittendrin.

Wir sind unser eigenes

Stillleben in marmornen Särgen,

wenn die Zeit kommt, kommt Rat

für Erkennen und Klagen -

so man uns lässt.

Das Ungeschriebene

Ein Durst oftmals,

das Gedicht zu schreiben, das dem

Wesen der Welt ins Innere blickt.

Mich von Schmerzen befreien,

die mir den Leib umgraben

wie der Pflug die Erde.

Ja, ich weiß, der Hunger

nach Wahrheit ist variabel verteilt.

Und wer gäbe sich nicht lieber mit den

kleinen oder großen Lügen zufrieden,

wenn‘s ans Bezahlen ginge, sobald er

sie kenntlich machte?

Ich, wissend darum,

schaue dem Wolkenmeer nach,

das geruhsam hinterm Dächergrau

verschwindet.

Die Mutter

Ich kam aus ihr, ungelegen,

die geerbten Gesten verraten mich,

was ich meinen Verstand nenne,

das halbe Glück im Unglück.

Woher der Gedanke an sie,

so anlasslos, fern vom Grab.

Ich höre ihre Stimme noch,

sehe sie sitzen, breit, mich musternd

mit schwachen Augen, als käme ich

fremd in ihre Welt, als stelle

sie mir ungern die Frage

nach dem Woher.

Ohne Zutun die Zeit vergangen,

versteint die Lust an Welt, an Leben,

ich sah die tauben alten Hände.

Wortlos ging sie, wie selbstverständlich,

es gehörte sich so, ein Seufzer.

Da war nichts mehr offen.

Die Großmutter

Als sie dem Alten, deinem Otto,

endlich Arbeit gaben nach

sieben Hungerjahren, zog kleines Glück ein

in die Arme-Leute-Stube.

Da gab es wieder einen Happen im Magen,

sonntags auch Kuchen mit Sahne, mal rausfahren

an den Wannsee, Damenwahl beim Ball verkehrt,

das neue Nadelstrichkostüm, die Bluse

mit Rüschen.

Durch die Arbeiterstraßen marschierten

Proleten in braunen Uniformen.

Dir taten sie nichts zuleide, du

warst keine wie die Goldsteins von nebenan,

du warst ja eine von ihnen, von

deutscher Rasse, von deutschem Blut.

Im neuen Radio bellte der Führer.

Du fragtest dich nichts,

deine Welt war in Ordnung.

Und der Alte, immer noch

mit seiner Drückebergerstelle bei Borsig,

brachte Geld ins Haus.

Es hätte so schön sein können.

Wäre da nur nicht

der Krieg, der verfluchte Krieg! gewesen.

Und als sie euch den Brief schickten,

der Sohn gefallen an der Ostfront,

weintest du nicht, du warst

eine stolze Mutter.

Manchmal fragte die Enkelin

nach dem Vater. Das ging vorüber.

Sein Foto mit Stahlhelm und Hakenkreuz

stand auf dem Vertiko – der Held

der Familie.

Und während der Alte schlief,

wühltest du dich aus dem Bett, fielst auf die Knie,

rangst die Hände: Der Junge, mein Gott!

Womit hattest du DAS verdient?

Wohin, Cecilia

Brot und Rosen,

Arbeit und Brot. Wohin, Cecilia,

zogen die Wolken? Wie flog

dein Haar.

Kalt wehte es in den Straßen.

Es kam die Nacht, die alles verschlang,

den Mann, die Kinder, das Brot

und die Rosen. Kalt blitzten

die Bajonette.

Sie legten

die Rose dir aufs Grab, die eine,

die blutige Rose. Wohin, Cecilia,

zogen die Wolken?

Eline Menke

Gut gerüstet

Lautstark puste ich

einen freien Streifen

in meine Gedanken.

Der Laubbläser des Nachbarn

liegt gut in der Hand.

Wo nichts wächst

bringe ich Luft zwischen

die Worte. Das Lektorat hat

mir spontan einen

Vertikutierer geliehen.

Den Wildwuchs

der Verse halte ich mit

einem Kantenschneider

in Schach. Eine Anschaffung

aus dem letzten Jahr.

Abwägung

Am Kirschbaum

Blüten wie Schlagrahm

aber die Tage sind nicht süß

sie krähen wie Hähne.

Mit scharfem Schnitt

trenne ich Hühnerhälse

klimpere mit Messern

auf dem Küchenklavier.

Abends grase ich

in der Ferne

stelle Milchkannen

auf die Waage der Zeit.

Carsten Rathgeber

Tausch

Im zedernartigen Kahn

Liegen grünliche Taschen

Mit Brot, Wein, Metallen

Nah zur dunklen Nacht

Löst ein Mann den Kahn vom Steg

Treibt zur See

Rudert durch dunkle Wälder

Hört Vögel zur ersten Sicht

Kehrt zurück mit Frau und Kind

Und Fischen in den Taschen

Erschöpfter Tag

Den erschöpften Tag

Ausgestreckt auf dem Sofa

Tröstet die Nacht

Bedeckt ihn mit Wörtern

Silbrigen Adjektiven

Atem

Spät sah ich dich kommen

Allein zum gelben Haus

Keiner wird uns kennen

Hinter den alten Türen

Entlang der weißen Wände

Bedenke ich hier dein Sein

Stumm bleiben meine Fragen

Du kennst das Verborgene

Könnt ich doch hörn dein Wort

Verstehn die Geschichten

Es brechen in der Stille

Im Flur meine Sätze

Begegnung

Ein Fenster flattert

Im Takt der Musik

Du öffnest die Tür

Lächelst verlegen

Zu Bildern der See

Vom Meer erzählen

Bei Kaffee und Tee

Knarrende Möbel

Ein zärtlicher Blick

Die Tür, sie klappert

Ewig gleich

Durch die Tür kommt die Katze

Schaut in alle Richtungen

Schnuppert in Flur und Küche

Leckt ihr Fell, auch die Pfoten

Und geht stolz zurück zur Welt

Ich wähle das grüne Rad

Überprüfe den Luftdruck

Lege Decken in den Korb

Auch Handtücher, Obst und Brot

Fahre durch Wiesen zum Meer

Ein Drachen steigt zum Himmel

Ewig möchte er fliegen

Am Horizont eine Jacht

Mücken tanzen mit dem Licht

Zeitlos dösen die Tage

Stille Wut

Leichte Luft strömt im Licht

Am Meer entlang durch Dünen

Auch die Gräser wissen

Dänemark ist ein Gedicht

Nachts träume ich helles Blut

Es tropft in meiner Angst

Wird dunkel, kalt und fest

Begehrt auf in seiner Wut

Tags darauf stürmt das Meer

Bricht laut in die stille Schlei

Schaumbedeckt das Leben

Ermattet voller Schuld

Schweigsam, so demütig

In sich schuldlos verkehrt

Klare Kante

An einem Sonntag beim Regen

Sortiere ich mein Dienen und Meinen