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Zählen Sie auch zu den Menschen, die sich in der Mitte ihres Lebens befinden? Dies ist genau der richtige Zeitpunkt, einmal Bilanz zu ziehen und auf dieser Grundlage die zweite Lebensphase gezielt in Angriff zu nehmen und seinem Leben eine neue Richtung zu geben. Konkrete Beispiele so genannter "neuer Alter", unzählige Anregungen und Übungen helfen, sich seiner eigentlichen Bestimmung bewusst zu werden. Packen Sie es an!
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Seitenzahl: 184
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Susanne Lötscher
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
Copyright © 2004 by Richard J. Leider und David A. Shapiro All rights reserved Titel des Originals: claiming your place at the fire Aus dem Amerikanischen übersetzt von Susanne Lötscher
Copyright © 2005 der deutschsprachigen Ausgabe bei mvgVerlag, Redline GmbH, Frankfurt am Main. Ein Unternehmen der Süddeutscher Verlag Hüthig Fachinformationen
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Umschlaggestaltung: Coverdesign Uhlig, Bobingen Redaktion: Friederike Waldorf, Bad Nauheim Satz: M. Zech, Redline GmbH Druck: Himmer, Augsburg Bindearbeiten: Thomas, Augsburg Printed in Germany 06235/030501 ISBN 3-636-06235-2
Setzen Sie sich zu uns ans Feuer!
Vorwort
Am Feuer: Die „Neuen Alten“
Einführung
Die vier Flammen des vitalen Alterns
Kapitel 1 Die Flamme der Identität: Wir erinnern uns an unsere Geschichte
Kapitel 2 Die Flamme der Gemeinschaft: Wir finden unseren Platz wieder
Kapitel 3 Die Flamme der Leidenschaft: Wir erneuern unsere Berufung
Kapitel 4 Die Flamme des Sinns: Wir fordern unser Lebensziel zurück
Nachwort
Das Feuer bewahren
Literaturverzeichnis
Stichwortverzeichnis
Über die Autoren
Wenn wir unser Leben mit dem Bild eines Feuers vergleichen, erkennen wir, dass einmal eine Zeit kommt, wo aus den lodernden Flammen eine behagliche Glut geworden ist. Das Feuer brennt auf einer weißglühenden, dicken Kohlenschicht, gibt beständig Wärme ab und wird nicht so bald ausgehen. Es ist genügend Brennmaterial zum Nachlegen vorhanden, aber damit hat es keine Eile. Wir haben die Flammen sorgsam gehütet, sodass sie uns noch lange mit viel Wärme und Licht versorgen können.
Dies ist ein Buch für Menschen, die sich vor – oder bereits in – jener Lebensphase befinden, für die diese Glut typisch ist. Es richtet sich an Leser, die bereit sind, die in der ersten Lebenshälfte erworbene Weisheit leuchten zu lassen, damit sie mehr Licht auf ihr Lebensziel in der zweiten Hälfte des Daseins wirft.
Wir stellen in diesem Buch für genau jene Menschen ein neues Modell für vitales Altern vor. Wir möchten den „Wachstumsaspekt“ des Älterwerdens betonen und hervorheben, in welcher Hinsicht wir uns in der zweiten Lebenshälfte eher auf dem aufsteigenden statt auf dem absteigenden Ast befinden. Unser Ziel ist es dabei, die heutige Vorstellung von Ruhestand „in den Ruhestand“ zu versetzen.
Anspruch auf seinen Platz am Feuer zu erheben, bedeutet, ein zielgerichtetes Leben zu führen. Damit treten wir in den Kreis lebensbejahender älterer Menschen ein, die der Gesellschaft schon seit ewigen Zeiten als Quelle der Weisheit dienen. Wir untersuchen und entdecken neu, wer wir sind, wo wir hingehören, was uns wichtig ist und was unser Ziel ist.
Wir sind überzeugt, dass die zweite Lebenshälfte uns einmalige Gelegenheiten bietet, um vollkommen – und nicht alt – zu werden. Wenn wir Anspruch auf unseren Sitz am Feuer erheben, haben wir die Chance, unser wahres Wesen wirklich zum Ausdruck zu bringen.
Und deshalb laden wir Sie ein, sich zu uns ans Feuer zu setzen und herauszufinden, wie man ein „Neuer Alter“ wird. Wer sich in der zweiten Phase seines Daseins befindet, muss jetzt aufhören, sich immer nur als alt zu bezeichnen. Wir wissen, dass wir alt sind. Neue Alte akzeptieren das, doch sie sind weiterhin aktiv auf der Suche nach einem neuen Leben und neuer Lebenskraft. Und deshalb hoffen wir, dass das Folgende Ihnen, Ihren Lieben und der Welt, in der wir leben, ein neues, lebendiges Vorbild für Alter und Ruhestand bieten kann.
Richard J. Leider Minneapolis, MN
David A. Shapiro Seattle, WA
Diese Erzählung beginnt an jenem Ort, an dem so viele großartige Geschichten beginnen: an einem hell leuchtenden Feuer, unter einem sternenübersäten Himmel, fern der Zivilisation, tief in der Wildnis. Richard hat das so in Erinnerung:
Auf meiner zwanzigsten Wandersafari in Tansania sitze ich mit meinem „Inventure-Team“ – unser Begriff für Menschen, die sich über eine Erfahrung draußen in der Natur auf eine innere Abenteuerreise begeben – und einer kleinen Gruppe von Hadza-Ältesten spätabends ums Feuer.
Die Hadza sind ein Stamm von Jägern und Sammlern, die heute noch so leben wie unsere frühesten Vorfahren. Das Althergebrachte ist für sie in dieser ursprünglichsten aller menschlichen Lebensweisen immer noch lebendig. Sie sitzen in einer fruchtbaren Gegend am Rand eines uralten Waldes aus Affenbrotbäumen um ein Feuer und sind im wahrsten Sinne des Wortes mit der Natur verwurzelt, denn ihr Überleben hängt von ihr ab.
Die Stammesältesten sitzen traditionsgemäß näher am Feuer. Jüngere Mitglieder bilden einen größeren Kreis um sie. Unser Inventure-Team hat die Ehre, bei den Ältesten zu sitzen. Im Feuerschein sehe ich, wie sich die Gruppenmitglieder voller Respekt und Hochachtungnach vorn neigen, um die Worte der Weisheit in sich aufzunehmen.
Der Sprecher heißt Maroba. Er ist ein Hadza-Ältester, der tief mit den alten Traditionen und Geschichten seines Volkes verwurzelt ist. Obwohl er nicht einmal 1,50 Meter groß ist, geht von ihm eine Festigkeit und Kraft aus, die seine geringe Körpergröße vergessen lassen.
Maroba erzählt uns eine Geschichte, die von seinen Eltern und Großeltern, von deren Eltern und Großeltern, ja schon seit undenklicher Zeit weitergegeben wird. Es ist eine Erzählung mit einer Lektion, die den Hadza in Fleisch und Blut übergegangen ist, die über Zeit und Raum hinweg nachklingt.
Wir nennen sie „Das Geschenk des Honiganzeigers“, denn allein schon die Geschichte ist eine Gabe, die über Generationen hinweg nun auch an uns weitergereicht wird. Der Honiganzeiger ist ein kleiner, grau-rostroter Vogel, etwa so groß wie ein Rotkehlchen, der in den riesigen Affenbrotbäumen und Akazien im Land der Hadza von Ast zu Ast fliegt. Maroba erzählt, er habe schon als Kind gelernt, dass dieser Vogel der Freund seines Volkes sei, der den Weg zur Süße des Lebens weise. „Der Honiganzeiger zeigt uns, wo es den süßen Nektar gibt, den wir zum Überleben brauchen. Wir sind angehalten“, so Maroba weiter, „auf all unseren Wegen Augen und Ohren für diesen Vogel offen zu halten. Wenn wir sein ,Wiiit-terr, wiiit-terr‘ hören, müssen wir zurückpfeifen, damit er weiß, dass wir ihn hören. Der Honiganzeiger fliegt daraufhin herbei und macht mit seinen weißen, kurz aufblitzenden Schwanzfedern auf sich aufmerksam. Wir folgen ihm, während wir zurückpfeifen, und er führt uns zu einem Bienenstock, der mit
Honig gefüllt ist. Dann müssen wir nur noch auf den Baum klettern, die Bienen ausräuchern und die Waben mitnehmen.
Nun kommt der wichtigste Teil“, erklärt Maroba. „Bevor wir den Honig verzehren, müssen wir ein Stück von der Wabe abbrechen und es als Dank für den Vogel zurücklassen. Tun wir das nicht, wird er nicht mehr für uns singen, so will es unsere Stammestradition. Oder schlimmer noch, er könnte uns an der Nase herumführen und zum Beispiel singen, wenn wir auf der Jagd sind, und uns so an die Beutetiere verraten, denen wir nachstellen.“
Gebannt lauschen wir den Worten des Hadza-Ältesten und erfahren aus erster Hand, dass diese kein Mythos sind. Nein, wir wissen selbst, dass die Geschichte stimmt. Unsere Inventure-Team hat den Honiganzeiger selbst gesehen. Wir haben mit eigenen Augen und Ohren diese erstaunliche Interaktion zwischen Mensch und Natur mitverfolgt – eine Beziehung, die für beide Seiten von Vorteil ist. Marobas Erzählung erinnert uns wieder an dieses Erlebnis und daran, dass uns das, was wir zum Leben brauchen, zur Verfügung steht – wir müssen nur wissen, wie wir danach suchen. Es genügt schon, sich daran zu erinnern, dass wir das, was im Leben wirklich zählt, erst dann bekommen, wenn wir etwas davon zurückgeben.
Als die Geschichte zu Ende ist, stelle ich bedauernd fest, dass die Fackel der Weisheit und der Legenden in meiner Welt nicht von einer Generation zur nächsten weitergegeben wird. Ich frage unser Team: „Kennt ihr Älteste, wie Maroba, die euch die Richtung weisen?“ Einige antworten betrübt: „Ich weiß es nicht. Egal, wer mir in den Sinn kommt – er spielt entweder eineeingeschränkte oder untergeordnete Rolle. Ich glaube nicht, dass wir noch echte Älteste haben.“
Während wir am späten Abend in die Glut des Feuers schauen, fragt Maroba mich: „Und wer sind in eurem Stamm die Ältesten?“ Ich versuche zu antworten, bin aber ratlos. Mir fällt nichts ein. Mein „Stamm“? Was ist das? Meine Ältesten? Wer sind sie? Mir fällt keine klare Antwort ein. Allein schon der Begriff „Ältester“ kommt mir für unseren Stamm – moderne Männer und Frauen in der westlichen industrialisierten Welt – merkwürdig vor. Und doch ist mir klar, dass Marobas Frage beantwortet werden muss. Am nächsten Tag ziehen wir weiter und die Frage – „Wer sind in eurem Stamm die Ältesten?“ – verfolgt mich und ist Thema bei unseren Gesprächen am Feuer. Wir diskutieren lang und breit darüber, finden auch ein paar Antworten, aber es werden noch mehr Fragen aufgeworfen. Jeden Abend, wenn wir um ein anderes Feuer sitzen, geht es in unseren Gesprächen immer mehr um den Aspekt, was es für uns bedeutet, ein weiser Ältester zu sein. Natürlich schwebt uns nicht das traditionelle Bild vor, das der Hadza-Älteste uns gezeichnet hat, doch es gibt viele Parallelen.
Am wichtigsten ist wohl, dass wir uns unter einem Ältesten etwas anderes vorstellen als einen alten Menschen. Diejenigen von uns, die in unseren Gemeinschaften Älteste sein wollen, wissen um ihre Jahre, aber wichtiger als das Alter sind uns Vitalität und ein Ziel, das Gefühl, noch etwas zu gelten und in unserem Leben und dem anderer Menschen etwas bewirken zu können. Wir streben also ein zielgerichtetes Ich-Gefühl im Alter an.
In der westlichen Welt leben wir in einer Kultur, die das Jungsein verherrlicht. Viele Menschen mittlerenAlters, die in der Zeit des Babybooms oder kurz danach geboren wurden, haben ihre Jugend am begeistertsten gefeiert. Aber jetzt stellen wir fest, dass wir – biologisch gesehen – nicht mehr jung sind, und wundern uns darüber, dass so viel Wert auf all das gelegt wird, was neu und unverbraucht ist. Wir fragen uns, wo unser Platz in der Welt ist und was wir aufgrund unserer Lebenserfahrung zu bieten haben.
Immer wieder taucht in den Gesprächen unseres Teams das traditionelle Bild von Stammesgruppen und ihren Ältesten auf, die ums Feuer herum sitzen. Der Ehrenplatz, den die Ältesten in solch einem Szenario einnehmen, steht in krassem Gegensatz zu dem Bild, das unsere Gesellschaft von älteren Menschen oft zeichnet.
Besonders stark fällt uns auch auf, wie viel Achtung den Ältesten in traditionellen Gesellschaften entgegengebracht wird und von diesen auch angenommen wird. Sie werden nicht nur von ihrem Volk anerkannt – das ist selbstverständlich. Nein, sie sehen sich selbst als lebenswichtige Ressource für ihre Gemeinschaft. Ein Ältester zu werden, ist für sie ein Schritt, den man bewusst macht und der auch beinhaltet, dass man Anspruch auf eine einflussreiche Position erhebt. Wir sehen das deutlich an dem Platz, den die diese Menschen traditionell am Feuer einnehmen. Wer den Flammen am nächsten sitzt, muss etwas Wertvolles zur Gemeinschaft beitragen und auch die Initiative dazu ergreifen. Auf diese Weise erhebt er oder sie Anspruch auf einen solchen Respektsplatz.
Diese Idee, das Recht auf seine Position am Feuer einzufordern, belebt unsere Diskussionen. Für uns ist der Schritt, sich zur eigenen Macht zu bekennen, der Teil, der bei der Rolle der Ältesten in unserer Gesellschaft fehlt. Wir erkennen, dass wir – zumindestin gewisser Hinsicht – das Bild verinnerlicht haben, das unsere Kultur vom Älterwerden zeichnet. Uns wird klar, dass es Zeit für uns ist – sowohl als Individuen wie auch als Gruppe von Menschen in der zweiten Lebenshälfte –, eine neue Vorstellung von vitalem Altern zu entwerfen. Es ist Zeit, Anspruch auf unseren eigenen Platz am Feuer zu erheben.
Aus unseren Diskussionen geht eine neue Sprache hervor. Wir nennen uns jetzt „Neue Alte“. Neue Alte sind Menschen, für die die zweite Lebenshälfte eine leere Leinwand, ein unbeschriebenes Blatt Papier, ein Klumpen Ton ist, die mit einem Ziel vor Augen gestaltet werden soll. Es sind Menschen, die sich immer wieder neu erfinden.
Für Neue Alte sagt die Vergangenheit zwar etwas über die Zukunft aus, bestimmt diese aber nicht. Typisch für diese Menschen ist ihre Lebendigkeit und Vitalität, die sie aus ihrer Zielstrebigkeit schöpfen.
Als Beispiel für Neue Alte, die in der Welt etwas bewirken, fallen uns Jimmy und Rosalynn Carter ein. Sie unterrichten an der Sonntagsschule, bauen kostengünstige Wohnungen für die Organisation „Habitat for Humanity“, setzen sich für Versöhnung in jungen Demokratien ein und haben sich damit verpflichtet, sich durch Geben und Wachsen immer wieder neu zu erfinden. Die Carters setzen die große Weisheit, die sie sich in ihrem langen Leben erworben haben, in die Praxis um. Sie erleben ein Gefühl von Befreitsein, das sich nur einstellt, wenn wir herausgefunden haben, wer wir wirklich sind und wie wir dies am besten zum Ausdruck bringen können.
Eines Abends sitze ich noch spät allein am Feuer und starre in die Glut. Da habe ich ein Erlebnis, durch dassich alles zusammenzufügen scheint. Es ist eine eigenartige, fast schon mystische Erfahrung, die zweifellos durch die Umgebung, in der sie stattfindet, ausgelöst wird: eine sternenklare Nacht, ein Wald aus Affenbrotbäumen, ein leuchtendes Feuer. In der Dunkelheit, die mich umgibt, blitzen die Augen vieler wilder Tiere.
Während ich am Feuer sitze, gehen mir vier Fragen durch den Kopf, die uns in den Diskussionen über Neue Alte immer wieder beschäftigt haben: „Wer bin ich?“ „Wo gehöre ich hin?“ „Was ist mir wichtig?“ Und: „Was ist mein Lebensziel?“ Die Antworten auf diese Fragen sind zwar schwer fassbar, scheinen aber entscheidend zu sein für den, der ein Ältester werden will. Wenn wir sie beantworten könnten, würden wir alle neue Möglichkeiten entdecken, wie wir die Neuen Alten werden, die wir sein wollen.
Ich blicke ins Feuer und sehe plötzlich nicht nur eine einzige Flamme, sondern vier: eine für jede der vier Fragen. Die erste ist die Flamme der Identität – „Wer bin ich?“ Es ist die Flamme unserer eigenen Geschichte. Durch die Rückbesinnung auf die Vergangenheit können wir uns in der zweiten Lebenshälfte wieder entdecken und neu erfinden. Die zweite ist die Flamme der Gemeinschaft – „Wo gehöre ich hin?“ Es ist die Flamme unseres Platzes in der Welt. Wenn wir ihn wieder finden, können wir in der zweiten Phase unseres Daseins ein Gefühl von Vertrautheit erfahren. Die dritte Flamme ist die der Leidenschaft – „Was ist mir wichtig?“ Wenn wir unsere Berufung erneuern, bleiben wir mit der Welt in Verbindung und sind Mentoren für jene, die nach dem Rechten sehen, wenn es uns nicht mehr gibt. Die vierte Flamme ist die des Lebensziels – „Warum bin ich hier?“
Es ist die Flamme, die Licht auf den Sinn unseresDaseins wirft. Wenn wir uns ein neues Ziel suchen, können wir zu einer kreativen Ausdrucksweise finden und im Leben unserer Mitmenschen etwas bewirken.
Die vier Flammen unterscheiden sich nicht voneinander. Sie tanzen zu zweit, zu dritt, zu viert miteinander. Und doch wird mir, je länger ich sie betrachte, klar, dass wir uns systematisch mit den Fragen beschäftigen und sie beantworten müssen, wenn wir wirklich Neue Alte werden wollen.
Und so ist aus jenen Flammen dieses Buch entstanden. Ein Buch über ein zielgerichtetes Leben in der zweiten Hälfte unseres Daseins.
Als Belohnung dafür, dass wir noch leben, haben wir jetzt die Freiheit, wir selbst zu werden.
Um auf Marobas Frage zurückzukommen: „Wer sind die Ältesten in eurem Stamm?“ Das sind wir – vorausgesetzt, wir erheben wie Maroba Anspruch auf unseren Platz am Feuer.
In einem unserer früheren Bücher, Lass endlich los und lebe, entwickelten wir eine Definition des „guten Lebens“, zu dem vier Komponenten gehören: Ort, Menschen, Arbeit und ein Ziel. „Lebe an einem Ort, wo du hingehörst, mit den Menschen, die du liebst, tue die Arbeit, die dich erfüllt, mit einem Ziel vor Augen.“ Diese Definition bezieht sich in diesem Fall zwar auf Menschen in der ersten Lebenshälfte, doch wir finden, dass sie ebenso gut auf jene zutrifft, die an der Schwelle zur zweiten Hälfte ihres Daseins stehen.
In dieser Phase kehren unweigerlich die Fragen wieder, die unsere Vorstellung von einem guten Leben in der ersten Hälfte bestimmen: Wer bin ich? Wo gehöre ich hin? Was ist mir wichtig? Was ist mein Lebensziel? Erst jetzt haben wir die einmalige Gelegenheit, unsere eigene Geschichte zu gestalten. Wir haben die Chance, sie umzuschreiben, statt einfach nur die erste Lebenshälfte zu wiederholen.
Uns ist klar geworden, dass man, wenn man ein Neuer Alter werden will, das gute Leben wiedererwecken muss. Wir müssen aus der Weisheit schöpfen, die wir uns zuvor erworben haben.
Mit den vier Komponenten des guten Lebens im Hinterkopf konnten wir bei jenen „gereiften“ Mitmenschen, die gerade Neue Alte werden, vier gemeinsame Prinzipien ausmachen.
Diese kristallisierten sich heraus, als wir unser Augenmerk auf Anzeichen in unserer Umgebung richteten. Leider haben wir nicht wie die Hadza einen Honiganzeiger, der uns den richtigen Weg weist. Doch wir hatten das Glück, dutzende Neue Alte – unsere eigenen Honiganzeiger – live zu erleben. Anhand ihrer Entscheidungen, ihres Verhaltens und der Art, wie sie durch die Welt gehen, konnten wir auf „die vier Flammen des vitalen Alters“ schließen – die Schlüsselkomponenten für ein zielgerichtetes Leben in der zweiten Phase unserer Existenz.
Diese Neuen Alten haben das gute Leben in ihr Dasein integriert. Sie haben ihr inneres Feuer geschürt und geben seine Wärme und sein Licht an andere ab.
Die Feuermetapher ist dabei nicht zufällig gewählt. Sie ergibt sich ganz automatisch aus der fortwährenden Beschäftigung mit der Frage, was wahres Menschsein bedeutet. Immerhin war die Entdeckung des Feuers eine der wichtigsten Errungenschaften der Menschheit. Das Feuer verbindet uns zutiefst mit dem Kern unseres Menschseins, der uns allen gemeinsam ist. Das Überleben unserer frühesten Vorfahren hing von diesem Element ab; unsere entferntesten Nachfahren werden es, wie wir, in der einen oder anderen Form benutzen, um zu leben. Die Beherrschung des Feuers ist eines der Dinge, die Menschen von Tieren unterscheiden. Dieser Umgang bedeutet gleichzeitig, dass wir die lebenswichtige Rolle dieses Elements, das bei Naturvölkern zahlreiche Mythen und Geschichten hat entstehen lassen, für die Menschheit verstehen.
„Sich das Feuer bewahren“ ist eine bekannte Redewendung im Zusammenhang mit Vitalität. Aus diesem Grund – und auch weil Feuer bei der Verbindung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft immer eine Rolle spielen wird – ergibt sich diese Symbolik in unserem Buch über die Neuen Alten ganz von selbst. Jedes der vier Schlüsselprinzipien dieser Menschen wird durch ein typisches Merkmal dieses Elements verkörpert. Wenn wir als Neue Alte Anspruch auf unseren Platz am Feuer erheben, erheben wir gleichzeitig auch Anspruch auf jeden dieser Aspekte.
1. Die Flamme der Identität: Wir erinnern uns an unsere Geschichte
Prinzip: Weisheit
Zündende Frage: Wer bin ich?
Neue Alte ernten die Weisheit der ersten Lebenshälfte und übertragen sie in die Gegenwart. Sie kennen die wichtigen Erzählungen ihrer Kultur, egal, welcher sie angehören. Joseph Campbell sagt dazu: „Die erste Voraussetzung bei jeder Gesellschaft ist, dass ihre erwachsenen Mitglieder die Tatsache erkennen und repräsentieren sollten, dass sie es sind, die Leben und Sein der Gesellschaft bestimmen ... und dass ebendiese Gesellschaft sich auf sie verlassen muss, wenn sie überleben will.“ Alte Menschen lehren anhand einer Geschichte. Aber das heißt nicht, sich einfach an „die guten alten Tage” zu erinnern. Man muss vielmehr fähig sein, das Leben und die gelebte Erfahrung anderer durch selbst Erlebtes so zu berühren, dass über die Vergangenheit die Gegenwart lebendig wird.
2. Die Flamme der Gemeinschaft: Wir finden unseren Platz wieder
Prinzip: Vertrautheit
Zündende Frage: Wo gehöre ich hin?
Neue Alte wissen, wo ihr Platz in der Welt ist, sie haben ein starkes Ortsempfinden – woher sie kommen, wo sie gerade stehen und wohin sie gehen. Also sind sie für die bevorstehende Reise auch in der Lage zu bestätigen, wer sie sind; und da ihre erste Lebenshälfte reich an Erfahrungen war, sind ihnen die Herausforderungen der zweite Hälfte voll bewusst.
3. Die Flamme der Leidenschaft: Wir erneuern unsere Berufung
Prinzip: Auf Wesentliches achten
Zündende Frage: Was ist mir wichtig?
Es gibt wohl keine größere Herausforderung für Menschen in der zweiten Hälfte ihres Daseins als die, mit ihren Gaben etwas Sinnvolles und Wertvolles anzufangen. Neue Alte stellen sich dieser Herausforderung, indem sie mit ihren Talenten junge Menschen und die Gemeinschaft im weiteren Sinne unterstützen. Neue Alte kümmern sich engagiert um jene, die in ihre Fußstapfen treten. Es befriedigt sie zutiefst, ihre Gaben so weiterzugeben, dass sie auch anderen nützen anstatt nur ihnen selbst. Und sie akzeptieren dies als entscheidende Verantwortung im Alter. Folglich geht es Neuen Alten immer darum, etwas herzugeben.
Sie wissen, dass ein Mensch nicht durch das stark wird, woran er festhält, sondern durch das, was er loslassen kann. Sie sind nicht unbedingt freigebige Philanthropen, wenn es um Geld geht; gemeint ist vielmehr, dass sie in der Regel mit Ratschlägen, Beratung und Unterstützung sehr großzügig sind. Neue Alte mögen wichtige Positionen im Leben einnehmen, doch sie wissen, dass wahre Macht von der Bereitschaft und Fähigkeit herrührt, sie mit anderen zu teilen. Sie betrachten Weisheit als etwas, das jedem angeboren ist, und tragen, wie der griechische Philosoph Sokrates, leidenschaftlich gern dazu bei, dieses Wissen ihrer Umwelt näher zu bringen.
4. Die Flamme des Sinns: Wir fordern unser Lebensziel zurück
Prinzip: Sinn des Lebens
Zündende Frage: Was ist mein Erbe?
Neue Alte wissen, „warum sie morgens aufstehen“, und das nicht nur, weil der Wecker klingelt. Im Gegenteil, das laute Schrillen, das sie so viele Jahre lang aus dem Bett geworfen hat, ist immer leiser geworden. Frei von auferlegten Zwängen genießen sie jetzt die Möglichkeit, ihren eigenen Zeitplan zu erstellen. Und mit dieser Freiheit begrüßen sie begeistert jeden neuen Tag und sind ganz begierig darauf, endlich etwas tun zu können. Von diesen Neuen Alten geht ein Leuchten aus: Sie haben ein neues Lebensziel. Ihr Strahlen hat eine große Kraft. Wenn sie sich, motiviert durch ihr Ziel, auf den Weg machen, erhellen sie den Pfad in die Zukunft.
Die vier Flammen für vitales Altern stellen die Entscheidungsmöglichkeiten dar, die wir alle haben. Wir können diese Wahl unabhängig von unserem Alter oder unserer aktuellen Lebensphase treffen. Doch obwohl sie naturgegeben eher die Entscheidungen betreffen, die Menschen in der zweiten Hälfte ihrer Existenz zu fällen haben, sind wir Neue Alten keinesfalls „alt und gebeugt“. Vielmehr hindert uns, wie wir vielleicht feststellen werden, oft das Älterwerden – beziehungsweise die Angst davor – daran, jemals wirklich Älteste zu werden.
Heutzutage benötigen wir mehr denn je Neue Alte unter uns. Sie sind natürliche Ressourcen, die von der Familie, der Gemeinschaft, der Firma und der Erde gebraucht werden. Wir können nicht warten, bis diese Weisen kommen. Wir selbst müssen zu Neuen Alten werden. Wir sind es uns selbst, den uns Nahestehenden und der Welt insgesamt schuldig, Neue Alte zu werden.