In der Stille findet das Glück dich leichter - Haemin Sunim - E-Book

In der Stille findet das Glück dich leichter E-Book

Haemin Sunim

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Beschreibung

Immer mehr Menschen haben heute psychische Probleme, weil sie sich innerlich verloren haben. Wir führen zwar ein Leben mit uns, oft aber ohne zu wissen, wer wir sind und was wir uns wirklich wünschen. Unsere Aufmerksamkeit ist hauptsächlich nach außen gerichtet. Haemin Sunim lädt uns ein, die Stille in uns wieder zu entdecken. Werden wir innerlich still, zeigen sich die Dinge, die wir im Trubel unserer Gedanken übersehen haben, klarer.

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Haemin Sunim

In derStille findet dasGlück dichleichter

Aus dem Koreanischen vonHyuk-Sook Kim und Manfred Selzer

Illustrationen von KUSH

This book is published with the support of the Literature Translation Institute of Korea (LTI Korea).

Die Übersetzerin Dr. Hyuk-Sook Kim bedankt sich bei der Academy of Korean Studies für die Unterstützung durch das Seed Programm.

Das eBook einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Nutzer verpflichtet sich, die Urheberrechte anzuerkennen und einzuhalten.

1. eBook-Ausgabe 2020

Copyright © Haemin Sunim 2020

© der deutschen Ausgabe 2020

Scorpio Verlag in Europa Verlage GmbH, München

Umschlaggestaltung: Guter Punkt, München

Umschlagmotiv: KUSH

Lektorat: Dirk Grosser

Layout und Satz: Danai Afrati

Konvertierung: Bookwire

ePub-ISBN: 978-3-95803-310-8

Alle Rechte vorbehalten.

www.scorpio-verlag.de

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

Die Nutzung unserer Werke für Text- und Data-Mining im Sinne von §44b UrhG behalten wir uns explizit vor.

Ansprechpartner für ProduktsicherheitEuropa Verlage GmbHMonika RoleffJohannisplatz 1581667 Mü[email protected]+49 89 18 94 [email protected]

Freiheit bedeutet, keine Furchtvor dem Unvollkommenen zu haben.

– ZEN-MEISTER SENGCHAN

Inhalt

PrologDER WEG, DER ZU MIR SELBST FÜHRT

Kapitel 1PFLEGE DES GEISTES

Wie wir ein gutes, harmonisches Leben führen können

Eine Geschichte vom Meer des Geistes

Die erwachende Stille und das klare Schweigen

Kapitel 2DIE ZEIT, DIE ICH MIR FÜR MICH NEHME

Nein, ich kann das nicht

Zwei Ichs in mir

Horche zuerst in dein eigenes Leiden hinein

Kapitel 3DIE FAMILIE – EIN GESCHENK

Großmutter und ihre Siebensterne

Die Erinnerung, die wie ein warmes Licht für die Seele ist

Meine Eifersucht, meine Schmerzen

Kapitel 4ZAHLREICHE FACETTEN DER FREUNDSCHAFT

Ein Freund, der mir Kraft schenkt

Ein Tag, an dem ich mehr für den anderen als für mich da war

Die Frühlingstage vergehen

Kapitel 5GEDANKEN ÜBER DIE EINSAMKEIT

Warum wir einsam sind

Zeitalter einer neuen Einsamkeit

Was tun, wenn man sich von der Einsamkeit befreien will?

Kapitel 6DAS LEBEN GENIESSEN

Mein kleines, aber sicheres Glück

Der Morgen im Tempel Mihwang (Goldene Schönheit)

Wenn der Geist sein Verlangen loslässt

Prolog

Der Weg, der zu mir selbst führt

BIST DU SCHON einmal alleine und still durch einen Wald mit vielen Bäumen gelaufen? Hast du schon einmal gespürt, wie du vollständig im Hier und Jetzt bist, während du das Handy kurz ausschaltest, den blauen Himmel über den Bäumen betrachtest, dem Wind lauschst, der die Blätter zum Rauschen bringt, und du auch auf deine Schritte auf dem Laub und den Klang deines eigenen Herzens horchst? Ich meine, ob du schon einmal die beschauliche Zeit erlebt hast, das ruhig dahinfließende Wasser eines Baches zu betrachten und einmal die Hände hinein zu tauchen oder deine Aufmerksamkeit vollständig dem Zwitschern der Vögel zu widmen, das um dich herum erklingt? Wenn du langsam und gelassen gehst, wirst du spüren, dass dein Geist stiller und stiller wird und du unerwartet zu deinem ursprünglichen Zustand zurückkehrst. Das ist ein Moment, der sich so anfühlt, als wolle man ein Klavier neu stimmen.

Hast du die Stille deines Lebens verloren, und fällt dir deswegen alles so schwer, und du bist niedergeschlagen? Der Lärm der Werbung, die uns überall verfolgt und uns laut und pausenlos anschreit, dass wir ihr zuhören sollen; das Getöse der Nachrichten über Unfälle und Verbrechen, die sich ohne Unterlass ereignen; das Hupen von Fahrzeugen, das hier und da ertönt; der Krach von Baustellen, an denen gehämmert oder abgerissen wird; das Gebrüll der Menschen, die uns zu ihrem Glauben zwingen wollen. All das hören wir. Währenddessen klingelt das Handy, das wir Tag und Nacht und überall in unserer Hand halten, und empfängt Nachrichten. Die moderne Gesellschaft scheint unserer Seele keinen Augenblick zu gönnen, sich in der Stille auszuruhen.

Das alles sind die Gründe, warum wir verschiedene psychische Probleme haben, von denen eines die Selbstentfremdung ist. In unserem hektischen Leben wissen wir daher oft nicht, wer wir sind und was wir uns wirklich wünschen. Unsere Aufmerksamkeit ist hauptsächlich nach außen gerichtet, und weil wir allein dadurch schon ausgelastet sind, haben wir keine ruhige Minute, um innezuhalten und nachzusinnen, wie es uns gerade geht, was für ein Leben wir führen möchten und an welchen Werten wir uns orientieren wollen. Weil wir nicht viel Zeit für Selbstbegegnung haben, während wir uns auf die eine oder andere Weise ununterbrochen mit anderen Menschen treffen.

Je intensiver diese Selbstentfremdung wird, desto wahrscheinlicher wird es leider, dass wir nicht mehr unsere eigenen Kriterien für das Leben finden oder definieren können. Tritt dieser Zustand ein, orientieren wir uns gezwungenermaßen an den Kriterien der anderen und an denen der Gesellschaft, die uns vorzuschreiben versuchen, was gut ist und wonach wir ein Bedürfnis haben sollen. Daraus folgend laufen wir schließlich nur den anderen nach und geraten in harten Konkurrenzkampf; wir werden dabei verletzt, sind frustriert und deprimiert. Wir sind allein damit überlastet, die zahllosen Forderungen anderer zu erfüllen, haben nicht den Mut, ein Leben zu führen, das wir für richtig halten, was andere auch dazu sagen mögen; wir haben keine Kraft, die Oberhand in unserem Leben zu bekommen. Wie fühlst du dich damit? Fällt dir dein Leben schwer?

Dieses Buch möchte dir die Begegnung mit der Stille in dir ermöglichen. Wenn du innerlich still wirst, werden die Dinge, die du bisher nicht kanntest, klarer und zeigen sich schließlich. Die Hoffnung, die du in deinem Herzen trägst, das Leben, von dem du wirklich träumst, die Werte, die dir wichtig erscheinen, die Emotionen und sogar die Erinnerungen, die du sehr lange tief in dir vergraben hast, werden lebendig, und erst damit kann auch die Heilung beginnen. Wird der Geist vollkommen still, wird auch das Wesen des Ichs klarer, welches jeder Praktizierende des Buddhismus erkennen möchte.

Die innere Stille ist kein Zustand der Langeweile, in dem nichts existiert, sondern ein Moment, in dem alles allmählich klarer wird, je stiller es wird, und man schließlich seinem ureigenen Geist begegnet. Ich hoffe sehr, dass du zumindest während der Lektüre innerlich still wirst, deine Weisheit klarer wird und du Gelassenheit und Ruhe findest, auf dich selbst zu blicken.

Das Leben jedes Menschen ist ein Weg zu sich selber hin. Ein Zitat aus Demian von Hermann Hesse, einem meiner Lieblingsromane. Dieser Satz lehrt uns, dass wir letztendlich unser Leben führen, um uns selber zu finden, völlig unabhängig davon, welche Form unser Leben jetzt auch haben mag. Mit dem Wunsch, dass meine Worte dir auf diesem Weg eine kleine Hilfe sein mögen, habe ich dieses Buch geschrieben. Möge jeder Schritt, den du tust, von Frieden und Erleuchtung begleitet sein.

HAEMIN SUNIM

Nach dem Spaziergang durch denSaryoni Wald auf der Insel Jeju

Mögest du dich ausruhen,

mögest du dich ausruhen im Meer,

im Meer der absoluten Geistesruhe.

Kapitel 1

Pflege des Geistes

Wie wir ein gutes, harmonisches Leben führen können

ES IST BEREITS eine Woche vergangen, seitdem ich in den Bongam Tempel eingezogen bin. Ich bin hier, um an der Vassa (traditioneller Rückzug der buddhistischen Mönche während der Regenzeit) im Herbst teilzunehmen. Diesmal haben etwa einhundert Mönche den Weg zum Bongam Tempel gefunden und praktizieren jetzt hier zusammen; es sind ein bisschen mehr als gewöhnlich, vielleicht weil es in diesem Jahr nach dem Mondkalender einen Schaltmonat gibt. Einige der Mönche kenne ich von früher, mit manchen habe ich irgendwann mal in einem anderen Tempel in einem großen Gästezimmer übernachtet, das allen Tempelbesuchern zur Verfügung steht. Über das Wiedersehen freue ich mich. Aber die meisten Mönche sehe ich hier zum ersten Mal. Während der Vassa führen wir zusammen ein Gemeinschaftsleben. Ein Zusammenleben mit jemandem, den man zum ersten Mal sieht, ist anfangs jedem etwas fremd, und man steht unter einer gewissen Anspannung. Dagegen sind auch buddhistische Mönche nicht gefeit. Nach dieser Anfangszeit hat jeder dann seine eigene Methode, wie man mit den anderen gut und harmonisch zurechtkommt und welche Mühe man sich dafür geben sollte. Hierzu habe ich vier Methoden.

MEINE ERSTE METHODE IST: »Beharre nicht zu sehr auf deinen eigenen Kriterien.« Es sind Mönche, die im ganzen Land verstreut gelebt haben. Wenn diese Menschen auf einmal zusammenleben, macht man einige neue Entdeckungen. Beispielsweise erlebt man beim Beten etwas ziemlich Lustiges. Je nachdem, in welchem Tempel man gewohnt hat, unterscheiden sich das Tempo und der Ton beim Beten. Die Mönche aus dem Tempel Songgwang, der sich im Süden Koreas befindet, beten langsam und ruhig, während diejenigen, die in enger Beziehung mit dem Tempel Haein stehen, der auf dem Berg Gaya etwa einhundertsiebzig Kilometer nordwestlich vom Tempel Songgwang entfernt liegt, eher schnell und kraftvoll beten, ähnlich wie das Wesensmerkmal des Berges Gaya. Das bedeutet, der Maßstab für die Geschwindigkeit und den Ton des Gebets richtet sich danach, wo man das Beten zum ersten Mal gelernt hat.

Problematisch wird es jedoch, wenn jeder auf seinen Gewohnheiten beharrt und sich keine Mühe gibt, mit den anderen in Einklang zu kommen. In diesem Fall wird aus dem Gebet ein Gesang, der die Verkörperung von Disharmonie und falschem Takt darstellt und den man nur als Beleidigung für die Ohren bezeichnen kann. Jeder Mensch hat eigene Kriterien, die sich auf natürliche Weise aus der ihm vertrauten Lebensweise herausgebildet haben, daher ist es nicht einfach, wenn nicht sogar unmöglich, ein objektives Urteil über das Kriterium von jemandem zu fällen. Wenn man nicht allein, sondern zusammen mit den anderen etwas unternimmt, ist es notwendig, von sich aus seine eigenen Kriterien etwas hintanzustellen und sich mit denen der anderen zu arrangieren, anstatt von den anderen zu erwarten, dass sie auf ihre Kriterien verzichten.

MEINE ZWEITE METHODE LAUTET: »Nimm dir von Anfang an vor, ein bisschen mehr als die anderen zu arbeiten.« In der Regel findet eine Vollversammlung der Teilnehmer einen Tag vor dem Beginn der Vassa statt, bei der einzelne Aufgaben verteilt werden. Man kann den Küchendienst übernehmen, das Aufräumen der Gebetshalle und anderer Räume, oder sich für die allgemeine Sauberkeit und Sicherheit um den Tempel herum verpflichten und noch mehr; es gibt wirklich unterschiedliche Aufgaben. Für einige Aufgaben ist nur eine Person zuständig, aber die meisten werden von mehreren Personen zusammen ausgeführt. Und im letzteren Fall kann es ganz leicht zu einer Auseinandersetzung kommen, wenn man nicht gut aufpasst. Bereits nach einigen Tagen kann man während der Zusammenarbeit irgendwie den Eindruck haben, dass man selbst mehr arbeitet als die anderen, oder meinen, denjenigen entdeckt zu haben, der seine Aufgabe nicht gut und sorgfältig erledigt, sondern nur halbherzig so tut, als ob er arbeiten würde.

Ist dieser Eindruck berechtigt, oder irrt man sich da? Ich selbst weiß ganz genau, wenn ich gut und fleißig arbeite. Aber wissen das auch die anderen? Nicht immer. Denn sie können es eben nicht sehen, wenn sie nicht in meiner Nähe sind, oder es aus dem Grund nicht mitbekommen, weil meine Arbeit nicht direkt zu sehen ist. Genauso weiß auch ich nicht immer, wie die anderen arbeiten. Ideal wäre es, wenn ich einfach nicht vergleichen würde. Aber für den Fall, dass ich doch auf diese Idee käme, dies zu tun, hätte ich kein Problem und wäre innerlich ruhig, wenn ich mir von vornherein vornehme, ein bisschen mehr zu arbeiten als die anderen.

»AKZEPTIERE die gegebene Situation möglichst optimistisch«, so lautet meine dritte Methode. Vor dem Beginn der Vassa werden die Zimmer aufgeteilt, und dabei richtet man sich normalerweise nach dem Alter. Je älter man ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, ein Einzel- oder Doppelzimmer zu bekommen. Sonst wohnt man mit mehreren Personen zusammen in einem großen Zimmer. In diesem Herbst haben zu meinem Bedauern alle Mönche, die älter sind als ich, ein Einzel- beziehungsweise Doppelzimmer bekommen, und beginnend mit mir haben die anderen eines der großen Zimmer bezogen. Wenn ich in so einer Situation ein bisschen negativ denke, laufe ich Gefahr, während der gesamten Vassa unzufrieden zu sein. Denke ich jedoch rasch um, finde ich leicht die Dinge, die zunächst schlecht aussehen, aber eigentlich gut sind, oder umgekehrt.

Nach kurzer Überlegung fand ich einiges, das für mich vorteilhaft ist, wenn ich mir mit mehreren Mönchen ein Zimmer teile. Erstens kann ich beruhigt einschlafen, weil es ausgeschlossen ist, dass ich wegen Erschöpfung verschlafe und deshalb an dem Gebet um drei Uhr morgens nicht teilnehme. Denn es kann durchaus passieren, dass ich die Schläge auf den Holzfisch nicht höre, die den Beginn des Gebets ankündigen, wenn ich ein Zimmer für mich alleine habe. Aber wenn mehrere Mönche im Zimmer sind, werde ich geweckt. Zweitens kann ich alle Neuigkeiten und Ankündigungen während der Vassa schnell und detailliert erfahren. Drittens bin ich in Sicherheit vor Moskitos. Wenn sie ins Zimmer gelangen würden und ich allein wäre, würden sie höchstwahrscheinlich nur mich stechen, aber nicht, wenn im Zimmer noch weitere Mönche sind. Ich kann also schön sorglos bleiben.

MEINE LETZTE METHODE LAUTET: »Stell dir die Frage ›Bist du jetzt auf deine Aufgabe konzentriert?‹, falls du möglicherweise unzufrieden mit jemandem bist oder gar einen Streit mit jemandem anfangen willst.« Wenn die Kōan-Praxis gut läuft, ist man damit beschäftigt, in seinen eigenen Geist zu horchen, und kann sich deshalb nicht in fremde Angelegenheiten einmischen. Wenn wir nicht richtig auf unsere eigenen Dinge konzentriert sind, dann werden wir auf die Fehler der anderen aufmerksam. Mit anderen Worten ist der Fehler der anderen auch unser eigener Fehler, den wir im Spiegel unseres Geistes wiederfinden. In solchen Situationen ist es dringend ratsam, zum Anfang zurückzukehren, an dem der Geist voller Ehrfurcht war, und unbeirrt und still seine eigene Aufgabe zu erledigen, so wie man es sich anfangs fest vorgenommen hatte.

Es scheint zwei Arten des Lernens zu geben.

Man lernt, indem man ein Buch liest oder

die Worte anderer hört und das Gelesene

oder Gehörte mit dem Verstand analysiert.

Oder man lernt, indem man sich selbst bewegt

und Schwierigkeiten erträgt und überwindet.

Der Mensch, der mit dem ganzen Körper,

seinem ganzen Leben gelernt hat,

kommt uns ohne einen triftigen Grund

vertrauenswürdig vor, auch wenn er nichts sagt.

In einem Gespräch mit ihm spüren wir

die Tiefe seiner Worte, sie sind konkret

und zugleich pragmatisch.

Wir haben Verständnis für die Taten eines Menschen,

wenn derjenige uns sympathisch ist.

Dann können wir dieser Person auch verzeihen.

Aber wenn uns jemand unsympathisch ist oder wir mit ihm

in keinerlei Beziehung stehen, entdecken wir in seinen

Handlungen lauter Fehler und können ihm nicht verzeihen.

Unser Geist ist manchmal wirklich kurios.

Ein Mann darf nur so sein,

und eine Frau darf nur so sein.

Eltern dürfen nur so sein, und

Schüler dürfen nur so sein.

Politiker dürfen nur so sein, und

religiöse Menschen dürfen nur so sein.

Wir sehen Menschen nicht, wie sie sind,

sondern beurteilen sie nach den Kriterien,

die wir selbst festgelegt haben.

Stimmt ein Mensch mit diesen Kriterien

überein, wertschätzen wir ihn.

Möchtest du, dass sich deine Beziehung

zu jemandem verschlechtert?

Halte zunächst deine Kriterien für allgemeingültig,

messe dann die betreffende Person

ausschließlich an deinen Kriterien und

sage ihr anschließend unaufhörlich,

sie solle sich ändern.

Dein Erfolg ist garantiert!

Wenn du nur darauf achtest,

immer Recht zu haben, versäumst du zu sehen,

dass du durch dieses Rechthaben andere tief verletzt.

Ich bete für dich, dass dir das nicht passiert.

Es ist wahrscheinlicher, dass der andere

seinen Standpunkt verteidigt, statt sich zu ändern,

wenn wir ihn kritisieren.

Wenn wir ihn wirklich ändern möchten,

sollten wir ihn zunächst loben und

ihm erst danach mit Wärme und Freundlichkeit sagen,

woran er bei sich arbeiten könnte.

Sonst wollen wir uns nur überlegen fühlen,

während wir ihn kritisieren.

Fühlst du dich anderen oft überlegen,

dann, weil du ein tiefes Minderwertigkeitsgefühl

mit dir herumschleppst.

Wer sich selbst mag, weiß andere zu schätzen.

Ein geringes Selbstwertgefühl

verstärkt den Stolz.

Wenn jemand sich nicht ändert, wie oft wir ihm

unseren Standpunkt auch mitteilen mögen,

dann sollten wir uns zunächst danach erkundigen,

was er sich jetzt wünscht.

Mit einer permanenten Wiederholung

unseres Standpunktes erreichen wir nichts.

Wenn wir wirklich mit ihm gemeinsam eine Sache

klären wollen, sollten wir haargenau erkennen,

was er sich wünscht, und ihn anschließend überzeugen,

warum sein Wunsch und unsere Forderung

nur in dieser Form vorteilhaft für beide sind.

Das Leben ist Leiden,

weil ich mich nicht ändere

und mir stattdessen wünsche,

dass die Welt sich meinem Geist

entsprechend ändert.

Du bist derjenige, der am meisten leidet,

wenn du jemanden hasst.

Diesen Hass kannst du überwinden,

indem du diesen Menschen im Stillen segnest,

dass »er glücklich sein möge«.

Sprich diese Worte des Segens einfach mal aus,

auch wenn du es absolut nicht so meinst.

Der Hass in deinem Geist schmilzt langsam

durch die segensreiche Energie dahin,

die deine Worte beinhalten.

Wäre dieser Mensch glücklich, würde er nicht

so handeln, dass du ihn hassen müsstest.

Wird Hass mit Hass vergolten,

wird er niemals enden, und das Leid dauert an.

Das Verständnis und die Liebe, nur sie können

den Kreislauf des Hasses durchbrechen.

Vor dieser schlichten, aber tiefsinnigen Wahrheit,

die seit Jahrtausenden weitergegeben wird,

verbeuge ich mich in tiefer Ehrfurcht.

Die Wut in unserem Herzen

kehrt zu uns als Karma zurück,

wenn wir sie verbal zum Ausdruck bringen.

Und wir werden krank, wenn wir sie unterdrücken.

Betrachten wir die Energie dieser Wut in Ruhe,

verändert sie sich selbst in eine andere Form

und schwindet sogleich.

Beobachte, woraus das Leid besteht,

wenn dein Herz leidet.

Du wirst erkennen, dass dein Leid

aus deinen Gedanken besteht.

Die Gedanken sind jedoch

wie auf Wasser geschriebene Schrift,

manifestieren sich kurz und schwinden gleich dahin,

ohne eine Spur zu hinterlassen.

Leide nicht, indem du dich an deinen Gedanken

festklammerst und diese immer und

immer wieder wachrufst,

denn deine Gedanken verschwinden

doch gleich wieder.

Kommt ein falscher Gedanke auf, ziehen riesige Sorgen

und Befürchtungen wie schwarze Wolken herauf.

Zieht ein falscher Gedanke vorbei, zeigt sich

der Himmel des Herzens schön sorglos und blau.

Sowohl der Himmel als auch die Hölle

entstehen aus einem Gedanken.

Schenke dem falschen Gedanken kein Vertrauen,

lasse ihn los.

Ein Gedanke hat auch Brennmaterial.

Dieses Brennmaterial heißt Emotion.

Ist diese Emotion ausgeschöpft,

hat man diesen Gedanken nicht mehr.

Wenn du an etwas nicht mehr denken möchtest,

dann bringe die Emotion, die hinter

diesem Gedanken steht, beim Malen, Tanzen

oder in einem therapeutischen Gespräch

zum Ausdruck, statt sie zu unterdrücken.

Der Himmel ist von Natur aus eins und

kennt kein Nord, Süd, West und Ost.

Mit unseren Gedanken unterteilen wir ihn aber

in Nord, Süd, West und Ost

und streiten, wer Recht habe und wer nicht.

Auch unser Geist ist von Natur aus nicht geteilt,

sondern eins. Mit unseren Gedanken

klammern wir uns aber an das Bild des »Ichs«

und streiten gegen zahlreiche andere Ich-Bilder

in der Welt, das sei richtig und das sei falsch.

Spricht ein buddhistischer Mönch über die Gesellschaft,

nennt man ihn Scharlatan, sagt ihm,

er solle auf einem Berg meditieren und sich

bloß nicht in die weltlichen Dinge einmischen.

Spricht ein buddhistischer Mönch nicht

über die Gesellschaft, nennt man ihn

einen egoistischen Mönch, sagt ihm,

er sehe das Leid der Menschen nicht.

In diese Zwickmühle geraten,

zerbrechen Mönche sich täglich den Kopf.

Der Wind bläst durch einen lichten Bambushain,

so bleibt doch kein Geräusch zurück,

wenn er weitergezogen ist.

Eine Wildgans überquert einen kalten See,

so bleibt doch keine Spur zurück,

wenn sie weitergezogen ist.

Der Geist eines edlen Menschen manifestiert sich

erst mit dem Aufkommen von etwas,

so wird er doch wieder leer,

wenn dieses Etwas vorbeigezogen ist.

AUS DEM CAIGENTAN

Wenn wir wirklich ruhen,

ist unser Geist so still, als gäbe es ihn gar nicht.

Aber wenn wir arbeiten, erwacht dieser Geist,

und es sprudeln neue und frische Ideen aus ihm hervor.

Wir sehen also, dass ein ruhiger Geist alles andere

als tot ist, sondern vielmehr das unendliche Potenzial

aller menschlichen Weisheit in sich birgt.

In einem völlig leeren Raum steht ein Stuhl.

Wir erkennen gewöhnlich nur den Stuhl,

der eine Gestalt hat, wir erkennen aber nicht den völlig

leeren und großen Raum, der keine Gestalt hat.

Doch der Stuhl kann nur existieren,

weil der völlig leere Raum existiert.

Ein Gedanke erscheint im Geist,

der wie ein völlig leerer Raum ist.

Erscheint ein Gedanke,

erkennen wir nur den Gedanken,

aber nicht den völlig leeren Geist.

Doch der Gedanke kann nur erscheinen,

weil der leere Geist es ermöglicht.

Die eigentliche Natur zu erkennen,

bedeutet nicht das Umwandeln

eines negativen Gedankens in einen positiven.

Die eigentliche Natur zu erkennen,

beginnt mit dem Wahrnehmen, dass es einen

völlig leeren und stillen geistigen Raum gibt,

in dem ein Gedanke erscheint und entschwindet.

Kommt der Geist in der Gegenwart an,

entschwindet der Gedanke, und der Geist wird still.

Diese Stille ist völlig leer und leuchtend,

ihre Tiefe ist endlos und ohne Grenzen,

da sie gestaltlos ist.

Alle Gedanken manifestieren sich bloß kurz

aus diesem tiefen Geist, wie die Wellen

aus dem tiefen Ozean nur kurz anhand ihrer Gestalt

von außen sichtbar werden.

Kein Gedanke hat jemals den tiefen

und reichhaltigen Ozean verlassen.

Ein Gedanke geht zu Ende,

ein neuer Gedanke kommt auf,

dazwischen ist der Raum des Geistes

völlig leer, aber lebendig.

Spürst du diesen Raum?

Eine Geschichte vom Meer des Geistes

ES WAR EINMAL ein kleiner Fisch, der in der Mitte des pazifischen Ozeans wohnte. Sein Kopf war rundlicher als bei den anderen Fischen, deshalb nannten ihn alle »den Runden«. Der Runde interessierte sich kaum für die Suche nach Futter und auch nicht dafür, bei seinen Freunden beliebt zu sein. Schon seit seiner Kindheit galt sein Interesse ausschließlich dem Kennenlernen des großartigen und heiligen Wesens, das man »Meer« nennt. Den Runden hatte sein Großvater großgezogen und ihm auch vom Meer erzählt. Er hatte ihm gesagt, dass das Meer alles, was der Runde sehe, erschaffen habe. Auch allerlei Nahrung erschaffe das Meer und ernähre damit alle Lebewesen. Dennoch stelle sich das Meer niemals in den Vordergrund oder prahle mit seinen Fähigkeiten. Es sei immer barmherzig, unterscheide nicht zwischen den Lebewesen und liebe nicht den einen mehr und den anderen weniger, sondern alle gleichermaßen. Das Meer, sagte der Großvater, umarme alle Wesen herzlich.