In Unserer Zeit - Mia Montague - E-Book

In Unserer Zeit E-Book

Mia Montague

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Beschreibung

Mitten in der prachtvollen Kulisse des Imperiums setzt sich die Geschichte von Helena und Flavius fort. Ihre Liebe scheint unbesiegbar, doch die Schatten der Vergangenheit lassen sie keinen Frieden finden. Während die beiden noch gegen die Strömungen der Zeit ankämpfen, manifestieren sich neue Herausforderungen. Aus dem Pantheon der antiken Götter erhebt sich eine gewaltige Macht, die Helena und Flavius vor ihre bisher größte Prüfung stellt. Als die dunkle Bedrohung des Götterzorns über die beiden hereinbricht, gerät ihre Liebe in den Fokus eines göttlichen Konflikts, der sie bis an den Rand des Abgrunds führt. Teil 3 der Romantasy-Trilogie, die in eine Welt voller antiker Magie eintaucht, und eine Liebe offenbart, die sich nicht nur gegen politische Intrigen, sondern auch gegen die Mächte der Götter behaupten muss!

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel I: Helena

Kapitel II: FLAVIUS

Kapitel III: Helena

Kapitel IV: FLAVIUS

Kapitel V: Helena

Kapitel V: FLAVIUS

Kapitel VII: Helena

Kapitel VIII: Helena

Kapitel IX: FLAVIUS

Kapitel X: Helena

Kapitel XI: FLAVIUS

Kapitel XII: Helena

Kapitel XIII: Helena

Kapitel XIV: FLAVIUS

Kapitel XV: Helena

Kapitel XVI: FLAVIUS

Kapitel XVII: Helena

I

Helena

»Flavius, wir sind nicht allein!«, flüsterte ich, während seine Lippen meinen Hals hinabglitten und ihn mit unzähligen Küssen bedeckten.

»Die sind mindestens zweihundert Pes von uns entfernt. Außerdem interessiert sich keiner für uns«, raunte Flavius mir zu und sein Atem kitzelte mein Ohr, bevor er sich wieder meinen Hals hinab zu meinem Ausschnitt vorarbeitete. Ich lehnte gegen einen Baum im Schatten, denn es war zur Mittagszeit für Juni bereits ziemlich heiß. Hohe Zypressen und Pinien säumten die Landschaft, während der Duft von Blumen und Kräutern die Luft erfüllte.

»Salve, Helena! Einen schönen Geburtstag!«, hörte ich eine Stimme und einer der Sklaven winkte mir fröhlich zu, während er den Kiesweg direkt neben uns hinunter zu den Ställen lief.

»Danke, Drusus!«, antwortete ich verschämt und schnippte Flavius gegen seinen Kopf, der daraufhin grinsend in meinem Blickfeld auftauchte.

»Benimm dich! Du bringst mich in Verlegenheit!« Sein Grinsen wurde breiter.

»Sehr wohl, ich möchte schließlich diese ehrbare Dame nicht beschämen!«

Ich konnte mir ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen.

»Mittlerweile dürfte hier auch dem Letzten bewusst sein, dass ich das nicht bin. Dafür hast du mich hier bereits an allen erdenklichen Orten entehrt!« Ich versuchte mich an einem vorwurfsvollen Blick, aber Flavius wirkte vielmehr stolz als unangenehm berührt.

»Gerade deshalb interessiert es keinen. Darf ich jetzt weitermachen?«

Ich machte eine großmütige Geste und seine Lippen begannen verführerisch zu zucken, bis er sich schließlich wieder meinem Hals zuwandte und ich genüsslich aufstöhnte.

Der Landsitz war der Wahnsinn. Aus Flavius‘ Erzählungen hatte ich mit einem kleinen Häuschen gerechtet, doch mich hatte ein riesiger Gutshof, der aus verschiedenen Gebäuden bestand, die um einen zentralen Hof herum angeordnet waren, erwartet.

Bedienstete wuselten um uns herum durch die weitläufigen Gärten, um die Pflanzen zu pflegen und landwirtschaftlichen Tätigkeiten nachzugehen. Prachtvolle Skulpturen und Statuen zierten die Gartenanlage, während der Klang plätschernden Wassers aus kunstvoll gestalteten Brunnen für eine entspannte Atmosphäre sorgte.

Es war ein ausgedehntes Anwesen, das sich über eine beträchtliche Fläche erstreckte. Neben dem Hauptgebäude, das uns die letzten Monate über als Wohnsitz gedient hatte, gab es eine Vielzahl kleiner Unterkünfte für die Arbeiter sowie Wirtschaftsgebäude, darunter Scheunen, Lagerhäuser und Stallungen für die Tiere.

Im Zentrum erhob sich die prächtige Villa, umgeben von kunstvollen Säulen und verzierten Fassaden, die den Reichtum der Besitzer und die erlesene Beschaffenheit betonten. Die Villa war von weitläufigen Gärten, Weinbergen und Obstplantagen umgeben und lag nur einen kleinen Fußmarsch entfernt vom Meer. Es war idyllisch und ich genoss die Zeit hier unbeschreiblich.

Es gab keine Zeitpläne, an die wir uns zu halten hatten, niemanden kümmerte, wie wir uns kleideten oder unsere Zeit verbrachten. Auch Flavius war so gelöst, wie ich ihn nie zuvor erlebt hatte. Es fühlte sich wie ein unendlicher Urlaub an. Nach Lust und Laune machten wir lange Ausritte, Picknicke, lagen am Strand oder gaben uns einander und unserer Liebe hin.

Nach dem Mittagessen saßen wir satt und zufrieden in unserem Zimmer, während ich für den Nachmittag plante eine kleine Pause in der Sonne einzulegen.

»Ich gehe gleich mit Pomponia zur hinteren Weide und schaue mir den zerstörten Zaun an. In Ordnung?« Flavius stand vom Tisch auf und warf mir einen fragenden Blick zu.

»Ich werde mich währenddessen etwas bräunen«, sagte ich und streckte mich genüsslich aus.

Er hob skeptisch die Augenbrauen.

»Was ist?«, fragte ich, obwohl mir bestens bewusst war, was ihn an meinem Verhalten verunsicherte.

»Du lässt mich allein gehen? Hast du keine Angst, dass ich hinten auf der Weide über sie herfalle?«, neckte er mich.

Er hatte nicht ganz unrecht. Pomponia war zu Beginn unseres Aufenthalts hier nicht unbedingt mein Fall gewesen. Sie war die Tochter des Verwalters und verfügte über ziemlich hervorstechende Reize, die sie gern mit enganliegenden Kleidern betonte. Sie hatte eine kurvige Figur, mit vollen Brüsten und einem runden Hintern, und vollführte dazu einen Gang, bei dem sie dies alles auf eine beeindruckende Art durch die Gegend schaukelte.

Nicht nur Flavius hatte sabbernd die Luft angehalten, als sie uns begrüßt hatte. Auch mein Mund hatte staunend offen gestanden bei ihrem Auftritt. Eine Zeit lang hatte ich deshalb vermieden die beiden allein zu lassen. Doch das Verhalten war kindisch und ich übte mich darin mich reif und selbstsicher zu benehmen.

Entsprechend kassierte er für seinen Kommentar nur einen drohenden Blick von mir. »Pass auf, dass du nicht wieder über deine eigenen Füße stolperst, wenn sie vor dir herläuft!«, spottete ich und Flavius rückte pikiert seine Tunika zurecht.

Das war nicht aus der Luft gegriffen. Auch wenn er weiterhin behauptete, wegen einer plötzlich kreuzenden Maus gestolpert zu sein, hatte ich genau gemerkt, wo seine Augen in dem Moment geruht hatten.

Zu meinem Leidwesen befeuerte Pomponia meine Eifersucht auch noch, indem sie Flavius dauerhaft über sein Leben in Rom aushorchte. Dabei war sie eigentlich nicht unsympathisch und schien sich nicht absichtlich so zu verhalten.

Er gab mir einen flüchtigen Kuss und verließ unser Schlafzimmer. Beschwingt machte ich mich kurz darauf mit einer Decke unterm Arm auf den Weg an den Strand. Reihen von Olivenbäumen und Weinreben zogen sich sanft über die Hügel rundherum und verliehen der Umgebung eine malerische Kulisse. Es war traumhaft.

Tarquinii lag einen Tagesritt nördlich von Rom entfernt. Das Landgut von Flavius‘ Familie befand sich etwas außerhalb des eigentlichen Ortes, nahe der Küste, sodass man nur einem schmalen Pfad folgen musste, bis man den Strand erreichte. Außer mir war niemand am Wasser und ich breitete meine Decke aus, entledigte mich meiner Tunika und ließ mich entspannt nieder. Mein Magen war voll vom reichhaltigen Mittagessen und ich war müde und schwerfällig vom Nichtstun der vergangenen Monate. Ich schloss meine Augen und lauschte dem Rauschen des Meeres.

Etwas Weiches landete kraftvoll auf meinem Bauch. Ich öffnete abrupt die Augen und setzte mich auf. Meine Tunika! Ich musste eingeschlafen sein.

»Verdammt, was tust du denn hier? Los zieh dir etwas an!«, fauchte Flavius, der nun über mir aufragte. Sein breiter Körper hüllte mich vollständig in Schatten.

Träge folgte ich seiner Anweisung und zog mir meine Tunika über den Kopf. »Hier ist doch niemand«, sagte ich schläfrig. Ständig reagierte er so über.

»Und was ist mit denen?« Er zeigte auf eine Gruppe junger Männer, die in einiger Entfernung am Wasser saßen und nun interessiert zu uns herüberschauten.

»Die sind mindestens zweihundert Pes entfernt«, erinnerte ich ihn grinsend. »Wahrscheinlich schauen die nur so wegen der modernen Unterwäsche!«

Seine Miene verhärtete sich. »Ganz sicher nicht! Los, wir gehen. Ich will nicht, dass dich jemand so sieht.« Er setzte sich bereits in Bewegung.

Genervt rollte ich die Decke ein. Für heute war es tatsächlich genug Sonne. Immerhin hatte ich meinen Vorrat an Sonnencreme fast aufgebraucht. Zum Glück hatte ich keinen Sonnenbrand bekommen.

»Wie war es mit Pomponia?«, erkundigte ich mich, als ich ihn einholte und wir den Weg in Richtung Haus entlangschlenderten.

Er stöhnte unzufrieden. »Der Zaun muss komplett neu aufgebaut werden! Alles ist morsch von der langen Feuchtigkeit im Winter!« Offenbar war auch er etwas schwerfällig geworden von der langen Zeit des Nichtstuns.

Zwar stand er als Cäsars Centurio immer noch auf Abruf bereit und erhielt weiterhin seinen Sold. Doch Cäsars immer noch währender Aufenthalt in Ägypten sorgte dafür, dass er aktuell nicht gebraucht wurde. Wir hätten beide über diesen Umstand nicht glücklicher sein können. Ich nahm seine Hand und er führte sie an seine Lippen, um einen Kuss darauf zu drücken.

»Pomponia wird sich schon darum kümmern, dass die Arbeiter das erledigen«, baute ich ihn auf.

Ihr Vater, der eigentliche Verwalter des Anwesens, hatte sich bereits weitestgehend von seinen Aufgaben zurückgezogen und seiner Tochter die Aufsicht über das Gut überlassen. Anerkennend musste ich zugeben, dass sie alles ausgezeichnet im Griff zu haben schien. Sie war umsichtig, tatkräftig und aufmerksam. Alle Sklaven schienen in gesundheitlich einwandfreiem Zustand zu sein und Haus und Garten erstrahlten in hochherrschaftlichem Glanz. Pomponia war, obwohl sie erst Ende zwanzig sein musste, eine gestandene Frau, die sich gegenüber den Männern um sie herum durchsetzen konnte.

Am Abend führte Flavius mich an der Hand hinaus in den Garten. Er hatte mir bislang nur verraten, dass es sich um eine Überraschung handelte. Mein Magen flatterte aufgeregt.

Die Sterne leuchteten am Nachthimmel, als wir den mit Fackeln beleuchteten Weg entlang in den hinteren Teil des Gartens spazierten. Der Duft von Blumen und Kräutern lag in der Luft. Unter einer alten Eiche stand ein kunstvoll geschmückter Holztisch, umgeben von funkelnden Laternen und sanft flackernden Kerzen.

Eine Tischdecke aus cremefarbenem Leinen schmiegte sich glatt über die Tischoberfläche und wehte leicht im lauen Abendwind. Rosen, Pfingstrosen und Jasminblüten verschmolzen zu einem kunstvollen Strauß, der sich über den Tisch rankte. Der Tisch war bereits fürs Abendessen gedeckt. In der Mitte standen goldene Platten, auf denen ein fantastisches Mahl von anregenden Vorspeisen, bis hin zu verlockenden Desserts angerichtet war.

»Das ist wunderschön«, staunte ich und drückte gerührt seine Hand.

»Alles Gute zum Geburtstag, Helena!« Flavius zog mich zu sich heran, hob mein Kinn mit einem Finger an und gab mir einen langen, sinnlichen Kuss. Ich schlang die Arme um seinen Hals und ließ mich gegen seinen Brustkorb fallen. Das Leben mit ihm war ein Traum. Ich hoffte, ich würde niemals aufwachen. Noch immer ließ jede seiner Berührungen mein Herz beben. Ich konnte einfach nicht genug von ihm bekommen.

»Das Essen ist köstlich«, bemerkte ich wenig später mit vollem Mund. Es war mehr als das. Morgen würde ich mich bei der Köchin für ihre Bemühungen umfangreich bedanken.

Er lächelte als sei er erleichtert über meine Worte. »Es freut mich, dass es dir schmeckt. Ich wollte sicherstellen, dass dieser Abend besonders wird.«

»Du hast alles perfekt hergerichtet« erwiderte ich, meinen Blick über den mit Kerzen beleuchteten Tisch und die Blumen schweifen lassend. Er hatte sich mächtig ins Zeug gelegt. Das war unübersehbar. Ich konnte meine Freude darüber nur schwer zügeln, dass er dies alles für mich tat.

»Ich wollte eine Atmosphäre schaffen, die unserer Beziehung gerecht wird!«, fuhr er fort. Es war mir neu, dass er sich solche Gedanken darüber machte. Doch machte es mich unbeschreiblich glücklich, dass er sich mittlerweile so damit identifizierte, nachdem er lange Zeit solche Panik vor einer festen Beziehung gehabt hatte.

Ich lächelte und legte meine Hand sanft auf seine. »Das hast du geschafft. Es ist traumhaft.«

»Ich genieße es wirklich, hier mit dir zu sein«, gestand er und ich erkannte an seinem Ausdruck, wie sein Herz schneller schlug. Er war alles andere als ein Romantiker und hatte sich hiermit wirklich Mühe gegeben. Sein Einsatz rührte mich sehr.

»Ich auch!«

Er holte ein kleines Holzkästchen hervor und öffnete sie langsam. Das Licht der Kerzen ließ den klaren, funkelnden Stein in dem goldenen Ring erstrahlen. Ich fühlte wie meine Augen feucht vor Tränen wurden und mir ein warmer Schauder über den Rücken lief.

»Gefällt er dir?«, fragte Flavius und wirkte ein wenig unsicher.

Ich nickte ergriffen. Mein Herzschlag pochte aufgeregt in meiner Brust. Behutsam nahm ich den Ring und zog ihn über meinen Finger. Ich betrachtete verträumt meine Hand. Ich hätte auf der Stelle vor Rührung losheulen können.

Doch ich riss mich zusammen. Eine Heulattacke hätte ihn jetzt stark verunsichert. »Wie bist du darauf gekommen? Ihr kennt doch hier keine Verlobungsringe?«

»Dein Bruder hat seiner Verlobten einen geschenkt! Und ich kenne dich mittlerweile gut genug, um deine Miene richtig zu deuten!«

Ich hatte das Gefühl, so viel Glück, wie ich empfand, passte gar nicht in meinen Körper.

Ich ging um den Tisch herum und setzte mich auf Flavius‘ Schoß. Sein zufriedenes Lächeln sorgte dafür, dass in meinem Bauch ein gewaltiges Flattern ausgelöst wurde. Ich küsste ihn innig und ausgiebig und legte all meine Zuneigung für diesen Mann in meine Berührung hinein. Er revanchierte sich mit einem ebenwürdigen Verhalten.

Am nächsten Morgen war ich bereits früh wach und entschied Flavius schlafen zu lassen. Also schlenderte ich einen Moment versonnen über den Hof und betrachtete dabei meine Hand. Ich hielt sie in die Morgensonne und sog in mich auf, wie der Ring daran aus allen Blickwinkeln erstrahlte.

Ich lächelte in mich hinein, nur umgeben von dem Gesang der Vögel und dem sanften Rauschen des Windes.

Jäh wurde die Stille unterbrochen. Pomponia rief meinen Namen und lief mit großen Schritten quer über den Hof zu mir hinüber.

»Guten Morgen«, sagte ich fröhlich.

»Guten Morgen«, erwidert sie ebenso gut gelaunt. »Der Abend gestern war wohl ein voller Erfolg!« Sie folgte dem Blick auf meine Hand.

Ich nickte bekräftigend. »Hast du etwa davon gewusst?«

»Ja«, gab sie leise zu. »Flavius wirkte etwas hilflos.«

Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen. »Danke!«

»Gern geschehen!« Sie klang dabei aufrichtig und ich zweifelte nicht an der Wahrheit ihrer Aussage.

Ich begleitete sie einen Moment, ohne genau zu wissen, wohin sie eigentlich unterwegs war. Aber es spielte auch keine Rolle, ich ließ mich einfach treiben.

»Werdet ihr in Rom weiterhin mit Flavius‘ Familie zusammenleben, sobald ihr verheiratet seid?«, wollte sie wissen.

»Ich habe keine Ahnung«, gestand ich. Wir hatten bisher nicht darüber gesprochen, wie unsere Zukunft in Rom aussehen würde. Dass wir früher oder später dorthin zurückkehren würden, stand fest. Doch wie genau sich unser Leben nach der Hochzeit gestalten würde, wusste ich nicht. Ich hatte auch Hemmungen Flavius danach zu fragen. Auf keinen Fall wollte ich, dass er sich in ein Leben gedrängt fühlte, dass er sich nicht selbst ausgesucht hatte. Ich überließ ihm die Modalitäten, diese Entscheidungen zu treffen. Für mich zählte nur, dass ich mit ihm zusammen war und er mich genauso liebte, wie ich ihn.

»Vielleicht wird Flavius auch hierbleiben wollen?«, hakte Pomponia nach.

Ich zucke ahnungslos mit den Schultern.

»Oder jemand anderes aus der Familie? Die letzten Sommer hat keiner aus der Familie mehr hier verbracht. Früher war das ganz anders.« Ihre Augen wirkten abwesend, als schien sie in Erinnerungen zu schwelgen.

»Möchtest du wirklich, dass sein Vater wieder hierherzieht? Ich meine, mir wäre es durchaus recht«, entfuhr es mir ehrlich. Die Vorstellung zurück nach Rom zu kehren und weiterhin mit seinem Vater dort zusammenleben zu müssen, machte mich nicht sonderlich glücklich. Vielleicht konnten wir einfach unsere Plätze tauschen, ohne uns dabei über den Weg zu laufen. Doch Pomponia wünschte ich seine Anwesenheit natürlich auch nicht. Wobei sie mit ihrer durchgreifenden Art vielleicht besser mit ihm zurechtkam als ich.

»Nein!« Ihr Blick verengte sich sofort. Ich konnte sie in dieser Hinsicht bestens verstehen. Ich studierte ihre energische Miene und langsam eröffnete sich mir ihr Interesse an Flavius und seinem Leben in Rom.

Ich unterdrückte ein Lächeln und ging der Sache weiter auf den Grund. »Ach, aber bei jemand anderem aus der Familie würde es dich nicht stören?«

Sie vermied meinen Blick und ich fühlte mich bestätigt.

»Er ist Mitglied des Senats, er wird wohl kaum aus Rom wegziehen«, sagte ich mitfühlend und bemerkte aus dem Augenwinkel, wie sie fast unmerklich nickte. Diese Wendung hätte ich nicht unbedingt erwartet.

Ihr entfuhr ein tiefer Seufzer. »Die Sommer früher waren so schön, es war so lebendig. In letzter Zeit ist das Leben hier recht eintönig geworden.«

»Ich würde gern dauerhaft hier leben«, ließ ich sie wissen. »Hier draußen fühlt es sich an, als wäre man in einer anderen Welt, weit entfernt von den politischen Intrigen Roms!«

»Wie merkwürdig. Ich würde alles geben, um in Rom zu leben. Ich habe gehört, die Stadt vibriert vor Aufregung. Es ist immer etwas los und wird nie langweilig«, schwärmte sie. Doch sie hatte noch nie dort gelebt und sah die ganze Lebensweise dort wohl etwas verklärt.

»Nach einer Zeit wirst du das Leid sein. Dieser Ort hier ist ein Geschenk. Eine Oase der Zuflucht von den Belastungen unseres Lebens in der Stadt!«

Sie musterte mich von der Seite. Vielleicht musste man die Strapazen des Stadtlebens erst einmal selbst spüren, bevor man den Luxus des römischen Landlebens schätzen und sich seiner Harmonie und Gelassenheit hingeben konnte.

Als ich wieder ins Haus zurückkehrte, lief mir Flavius in die Arme. Er hielt einen Brief in der Hand, offenbar war gerade ein Bote gekommen. Er sah unzufrieden aus.

»Ist alles in Ordnung?« Seine angespannte Körperhaltung signalisierte mir, dass ich mir die Frage auch hätte sparen können.

»Lucius kommt her!« Er betrachtete den gefalteten Brief in seiner Hand.

»Oh, wenn man vom Teufel spricht!« Ich versuchte ein Kichern zu unterdrücken.

Flavius sah mich verwirrt an.

Ich bemühte mich um eine ernste Miene. »Ich wollte sagen, da wird sich aber jemand freuen! Bist du deshalb so schlecht gelaunt?«

»Nein! Ich muss wieder zurück nach Rom«, sagte er zerknirscht und warf mir einen vorsichtigen Blick zu.

Ich strich ihm sanft über den Arm. »Mir war klar, dass wir hier nicht ewig so sorglos weiterleben können. Aber es war dennoch eine schöne Vorstellung!«, versuchte ich ihn etwas aufzubauen.

»Es gibt Pflichten und Verantwortungen, denen ich mich stellen muss!« Er schien sich vor allem selbst davon überzeugen zu wollen.

»Du musst nicht zurück zur Armee gehen! Es gibt immer noch die Möglichkeit, dass du dort austrittst und wir uns beide andere Jobs suchen.« Ich nahm seinen Arm und führte ihn in den Garten hinaus, um einen kleinen Spaziergang mit ihm zu machen. Es würde sein Gemüt etwas abkühlen. Er ließ sich widerstandslos mitziehen.

»Das ist keine realistische Option!«, murrte er.

»Doch. Du musst nur deinen Stolz ein bisschen runterschrauben.«

Er zischte etwas Unverständliches. »Ich mag es dem Heer anzugehören. Die Lage ist nur gerade schwierig.«

Seit Cäsar in Alexandria war, hatte Marcus Antonius den Oberbefehl über Rom inne. Leider war Rom unter seinem Kommando in ein Chaos geraten. Zudem wurden die Getreidelieferungen knapp, sodass immer mehr Unruhen unter den Bürgern Roms aufflackerten, die Marcus Antonius durch Cäsars Heer hart niederschlagen ließ. Natürlich tat Flavius sich da schwer, so vernichtend gegen seine eigenen Leute vorgehen zu müssen.

»Cäsar wird nächstes Jahr zurückkehren, dann bringt er die Lage in Ordnung!«, versuchte ich ihn zu beruhigen, während wir die geschwungenen Wege zwischen den prächtig angelegten Gärten hindurchschlenderten.

»Wenn ich dich nicht hätte, würde ich wohl durchdrehen. So ein kleiner Blick in die Zukunft ist manchmal eine echte Wohltat.«

War es nicht unbedingt! Die meisten Voraussichten enthielt ich ihm vor. Unter anderem, dass Cäsar keine drei Jahre mehr leben würde. Manchmal war es auch eine Belastung die Zukunft zu kennen und sie nicht aufzuhalten zu dürfen. Ich kannte die Namen der Verschwörer gegen Cäsar, kannte ihre Gesichter, aber würde ihren Plänen seelenruhig zusehen müssen, um nichts am Verlauf der Geschichte zu ändern. Und Flavius würde ich mit diesem Wissen erst recht nicht belasten.

Aber nun galt es erst einmal die nahe Zukunft zu überstehen.

Er legte einen Arm um meine Taille und ich schmiegte mich an seine Seite, während wir den Garten verließen und durch die Felder und Weinberge schlenderten. Es war einfach zu schön hier.

»Wie weit sind die Vorbereitungen für Lucius‘ Hochzeit eigentlich vorangeschritten?«, fragte ich, um das Thema zu wechseln.

»Ich weiß es nicht!« Er wirkte auch nicht sonderlich motiviert, diesen Umstand zu ändern.

»Weißt du, wen er heiraten soll?«

»Er hat es mal erwähnt, aber ich habe es ehrlich gesagt wieder vergessen«, gab er zu und schien sich dabei keiner Schuld bewusst zu sein.

Ich beäugte ihn von der Seite. Er interessierte sich überhaupt nicht für diese gesellschaftlichen Belange.

»Was ist?«, entfuhr es ihm, da er meinen Blick auf sich offenbar gespürt hatte. »Erstmal plane ich doch meine eigene Hochzeit, bevor ich mich um seine kümmere!« Er zwinkerte mir zu und mein Herz schmolz dahin.

Wir hatten über die Hochzeit nicht weiter gesprochen und das war für mich auch völlig in Ordnung. Aber es war süß von ihm, dass er sich offensichtlich Gedanken darüber machte.

Ich drückte mich zufrieden an ihn. »Wenn es nach mir geht, können wir damit wirklich noch warten. Mir reicht allein die Tatsache, dass du mich irgendwann heiraten möchtest!«

»Nicht dein Ernst? So einfach hätte es sein können?« Er konnte ein freches Grinsen nicht unterdrücken. »Verdammt! Ich hätte mir viele Diskussionen ersparen können.«

Ich musste ebenfalls grinsen und nickte bedeutungsvoll. Allein der Umstand, dass er mich heiraten wollte, machte mich überglücklich. Ich brauchte nichts weiter als das Gefühl, dass ich ihm genauso viel bedeutete wie er mir. Und dass er sich eine gemeinsame Zukunft ebenso wünschte wie ich.

»Jetzt reiß dich zusammen, andere könnten es kaum abwarten mich zu heiraten!«, sagte ich in gespielter Entrüstung und drückte ihm meinen Ellenbogen in die Seite.

Er lachte laut auf. »Habe ich da etwas verpasst?«

»Hör auf mit dem Blödsinn! Ich wollte dir damit nur sagen, dass mir dein Wille allein ausreicht!«

»Aber mir reicht das nicht! Nun habe ich mich dafür entschieden, dann will ich es auch durchziehen!« Sein Unterkiefer zuckte verräterisch, während in seinen Augen die pure Entschlossenheit geschrieben stand.

Ich schüttelte verblüfft den Kopf. »Du bist echt nicht zu durchschauen!«

Die Wärme der Sonne streichelte unsere Gesichter. Auch wenn uns die Hektik Roms schnell wieder gefangen nehmen würde, unsere Liebe vereinte uns und würde uns die auf uns zurollenden Hindernisse überwinden lassen. Immerhin war unsere Abreise erst in ein paar Wochen geplant, das gab uns die Möglichkeit noch einige glückliche Momente an diesem Ort zu sammeln.

Ein durchdringendes Klopfen an meiner Zimmertür ertönte. Es war Nachmittag, doch wir waren seit dem Mittagessen irgendwie im Zimmer hängengeblieben.

»Helena? Bist du da?«

»Jetzt nicht!«, rief ich schnell und räkelte mich zurück in die Laken.

Doch schon flog die Tür auf und Lucius kam herein. Erschrocken zog ich mir die Decke bis zum Hals.

»Du liegst im Bett? Es ist Nachmittag!«, fragte er verdutzt.

»Verschwinde!« Flavius‘ Kopf tauchte unter der Decke auf. Seine Haare waren völlig verwuschelt und standen wild hoch. »Sofort!«

Lucius starrte uns an und wandte sich schnell wieder ab.

»In einer halben Stunde!«, rief ich ihm entschuldigend nach. Mein Kopf musste knallrot angelaufen sein.

»In frühestens einer Stunde!«, knurrte Flavius.

Scheppernd fiel die Tür ins Schloss.

»Das kann ich mir jetzt noch ewig anhören!« Ich stöhnte in weiser Voraussicht. Flavius schaute ungläubig.

»Du bist seinem Spott ja nicht ausgesetzt!«, machte ich meinen Standpunkt fest.

»Ich kläre das später. Können wir jetzt weitermachen?« Seine Lippen zuckten verführerisch.

»Lass ihn, er hat genug eigene Probleme, sonst wäre er wohl kaum hier!«, beschwichtigte ich ihn.

Doch schon verschwand Flavius wieder unter der Decke und ich hatte auf meiner Wolke des Glücks keine Möglichkeit mehr mir darüber weitere Gedanken zu machen.

Ganze zwei Stunden später klopfte ich an Lucius‘ Zimmertür, als niemand etwas antwortete, trat ich einfach ein. So hielt er es bei mir schließlich auch.

Lucius saß auf dem Bettrand und starrte vor sich hin. Seine Körperhaltung wirkte mächtig verspannt.

»Ich dachte, dein Zimmer liegt direkt neben unserem. Warum bist du jetzt ans andere Ende des Flures gezogen?«, fragte ich erstaunt. Ich hatte in jedes Gästezimmer schauen müssen, um ihn schließlich zu finden.

»Das kannst du dir sicher selbst beantworten!«, erwiderte er gereizt. Das war lächerlich. Als würde ich hier regelmäßig ekstatisch Aufschreien.

Ich funkelte ihn böse an und ließ mich dann neben ihm auf der Matratze nieder. »Geht es dir nicht gut?«

»Werde ich jemals Konsul werden?«, stieß er hervor. Offenbar kreisten seine Gedanken bereits eine Weile um dieses Thema. Ich wollte ihm nicht jegliche Hoffnung nehmen, aber auch keine utopische Illusion erwecken.

Ich kratzte mich an der Stirn. »Vermutlich nicht.«

»Hast du nichts über mich gelesen? In deiner Zeit?« Seine Schultern hingen entmutigt herunter.

Ich schüttelte den Kopf. »Es können immer auch Informationen verlorengehen. Es ist schließlich eine lange Zeit vergangen.«

Er nickte frustriert.

»Aber vermutlich wirst du nicht der nächste Cäsar sein«, sagte ich verkniffen.

»Ich habe mein ganzes Leben für diese Karriere in der Politik gearbeitet. Für nichts!«

»Das stimmt doch nicht. Du hast einiges erreicht.« Ich hätte ihm gern geholfen sein Selbstbewusstsein wieder aufzubauen, doch er war gerade nicht besonders zugänglich.

Er hob die Augenbrauen, als wäre ihm dieser Sachverhalt völlig neu.

»Vielleicht wäre es besser, wenn du dich langfristig umorientierst«, sagte ich behutsam.

»Was meinst du?« Er schreckte regelrecht auf.

Ich musste die Angelegenheit sorgsam angehen. Doch früher oder später, hatte ich dieses Gespräch mit ihm sowieso führen wollen. »Es ist nicht ungefährlich im Umkreis des Senats!«

»Ich sitze den ganzen Tag da und höre mir langweilige Reden an. Es gibt wohl kaum etwas Ungefährlicheres!«

Ganz bewusst bemühte ich mich um einen ruhigen Tonfall. »Das wird nicht immer so bleiben, Lucius. Ehe du dich versiehst, wirst du auf eine Seite gezogen und hängst tief drin in der Verschwörung!« Ich hatte tatsächlich die Befürchtung, er könnte bei dem Komplott gegen Cäsars auf die falsche Seite geraten. Immerhin war seine Familie wohl seit jeher nicht sehr wohlwollend ihrem jetzigen Machthaber gegenüber gesonnen.

»In welcher Verschwörung?«, horchte er auf.

Doch ich würde sicher keine Details preisgeben. »In einer möglichen Verschwörung eben!«

»Verstehe!« Er studierte mich und ich versuchte unter seinem Blick nicht einzuknicken.

Vorsichtig wagte ich mich weiter vor. »Wenn ich dir etwas zu sagen hätte, dann würde ich dich bitten, noch maximal zwei Jahre im Senat zu bleiben und das Umfeld dann komplett zu verlassen!«

Nun starrte er mich aus großen Augen an.

Ich nickte zur Bekräftigung.

»Was denkst du darüber?«, fragte ich, nachdem er eine Zeit lang geschwiegen hatte und meine Aussage auf sich wirken ließ. Ich konnte nicht einschätzen, inwiefern er mir die Geschichte mit meiner Herkunft aus der Zukunft wirklich abnahm. Wir hatten seit meinem Geständnis in Rom keine Zeit mehr gehabt, darüber in Ruhe zu sprechen.

»Dass sich mein Leben nun völlig sinnlos anfühlt! Was wird Vater sagen, wenn ich mein Amt niederlege?«

Ich schluckte bei der Erinnerung an dessen eiskalten Blick. Ich konnte mir die Miene seines Vaters bei der Verkündung dieser Neuigkeit bildlich vorstellen.

»Sag einfach, es ist meine Schuld. Ich kann das verkraften!«, neckte ich ihn. Ein flüchtiges Schmunzeln huschte über sein Gesicht. »Also wirst du meinem Rat folgen?«

»Natürlich!«, entwich es ihm sofort und es rührte mich wie sehr er mir vertraute. Es war keinesfalls selbstverständlich. Ich selbst hätte vor einigen Jahren wohl jemandem den Vogel gezeigt, wenn er mir von solch einer Zeitreisegeschichte erzählt hätte.

Dennoch stellte ihn meine Vorausschau in seine Zukunft nun vor einige Probleme.

»Schmeiß doch zur Ablenkung mal wieder eine Party, so eine Orgie, wie du damals gefeiert hast, als ich ankam!«, versuchte ich seine Stimmung etwas zu heben.

Er seufzte tief, als genieße er die Erinnerung. »Vater ist immer noch in Rom. Damit verderbe ich doch seine sittsame Frau! Selbst wenn sie bei der Feier nicht persönlich anwesend ist!«

»Ah ja richtig, wir sind schlechter Umgang für sie!« Ich kicherte.

Seine Mundwinkel zuckten amüsiert. »Ich glaube, Flavius fände es auch nicht so lustig, wenn du auf einer meiner Orgien dabei wärst!«

»Was er nicht weiß …«, zog ich ihn auf und lachte schallend los, als seine Augen sich schockiert weiteten.

»Nun sei nicht so mürrisch. Jemand freut sich, dass du hergekommen bist!«, wechselte ich das Thema, um ihn weiter aufzumuntern. Er sah verständnislos aus.

»Sie konnte es gar nicht abwarten, dich endlich wiederzusehen«, fuhr ich fort und zwinkerte ihm zu.

Er stand offensichtlich auf dem Schlauch. »Von wem redest du?«

»Von Pomponia natürlich!«

Seine Wangen erröteten. »Ich habe sie seit drei Jahren nicht mehr gesehen!«

»Das spielt keine Rolle. Es scheint sie auch nicht sonderlich zu interessieren, ob du jemals Konsul wirst.« Ich warf ihm einen vielsagenden Blick zu.

Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen.

»Willst du sie nicht begrüßen gehen?« Ich erhob mich und machte eine ermutigende Geste, dass er es mir gleichtun sollte. Er schien mit sich zu ringen.

Schließlich stand er entschieden auf. »Ich muss mich erst umziehen«, murmelte er und ich überließ ihn seinen Vorbereitungen.

»Du warst Stunden bei Lucius!«, brummte Flavius, als ich in unser Zimmer zurückkehrte.

»Du hättest hier nicht warten müssen! Er brauchte ein wenig Unterstützung!« Ich setzte mich neben ihn und streichelte über seinen Rücken die Wirbelsäule entlang.

»Und jetzt ist er genug unterstützt?«, spottete er.

»Nein, jemand anderes übernimmt nun! Ich glaube, wir werden in den nächsten zwei Tagen nicht viel von Lucius sehen!« Ich warf ihm einen bedeutungsvollen Blick zu.

»Wieso das?«

»Weil Pomponias Vater so lange wegen der Getreidelieferung unterwegs ist und sie das Haus nur für sich haben!«

Er wirkte verwirrt und ich schlang ihm meine Arme um den Hals, sodass sich unsere Gesichter fast berührten.

»Tut mir leid, wenn das dein Ego jetzt verletzt. Aber Pomponias Interesse galt die ganze Zeit über deinem kleinen Bruder!«, säuselte ich und er senkte seine Lippen langsam auf meine, als wolle er den Moment voll auskosten. Die Berührung unserer Lippen war sanft und dennoch leidenschaftlich.

»Das wusste ich bereits. Ich wollte dich nur etwas ärgern!« gab er dann zu, als er seine Lippen zögerlich löste. »Seit Lucius dreizehn Jahre war, haben wir die Sommer hier allein verbracht, während Vater in der Stadt blieb! Damals war Pomponia weniger dezent in ihren Absichten!« Seine Augen funkelten amüsiert.

»Ach, und während Lucius sich damals mit Pomponia vergnügte, hattest du deinen Spaß mit wem?«, neckte ich ihn. Meine Neugierde war keinesfalls gespielt. Es interessierte mich wirklich sehr, wie Flavius gelebt hatte, bevor wir uns kannten.

»Thyra durfte uns jeden Sommer begleiten und häufig war auch Maximus dabei. Außerdem hatten wir einen Hauslehrer und Unterricht!« Er schien nicht begeistert mir davon berichten zu müssen. Aber freiwillig geriet er leider nie ins Plaudern.

»Dann weiß ich jetzt mit wem sich Thyra vergnügt hat, aber über dich habe ich immer noch nicht mehr herausgefunden!«

Doch er zierte sich mir mehr zu verraten. »Es waren viele Bekannte aus Rom in der Nähe, die ihre Sommer hier auf dem Land verbracht haben!«, murmelte er schließlich.

»Und die hatten sicherlich ihre Töchter dabei. Du hast hier also über die Sommer hinweg ein Mädchen nach dem nächsten vernascht?« Ich kringelte mich bereits vor Lachen.

Er zischte, während er die Luft einsog und strich sich die Locken aus dem Gesicht. »Vernascht?«

»Du weißt, was ich meine. Und du tust so, als hätte ich ein ausschweifendes Leben geführt?« Ich schüttelte zum Spaß den Kopf. »Mal im Ernst, erzähl mir doch etwas über dich, ich kenne dich immer noch kaum. Wie waren ihre Namen?«

»Ich kann mich nicht erinnern!« Sein Blick streifte meinen flüchtig und blieb dann an dem Ausblick hinter dem Fenster hängen.

Ich zog die Augenbrauen zusammen. So leicht würde er mich nicht abwimmeln.

»Soll ich mir Namen ausdenken, damit du beruhigt bist? Ich konnte mich bereits am Ende des Sommers nicht mehr an ihre Namen erinnern.« Nun sah er mir direkt in die Augen. Trotz schimmerte darin.

Ich verzog das Gesicht. Vielleicht wollte ich doch nicht mehr darüber wissen. Da hatte jemand wohl einen ziemlichen Verschleiß an jungen Damen gehabt.

Seine Augen fixierten mich bewegungslos und leuchteten so herrlich tief türkis, dass ich darin versinken wollte.

»Ich würde mich trotzdem freuen, mehr von dir kennenzulernen. Was ich von dir weiß, weiß ich von anderen. Zum Beispiel von Thyra. Und Cäsar hat mir ein paar Dinge erzählt.«

Ich dachte darüber nach, dass wenn ich nicht hier gewesen wäre, die Beziehung zwischen Flavius und Cäsar wohl noch enger geworden wäre. Flavius wäre mit ihm nach Ägypten gegangen und bald zurück nach Rom gekehrt. Das wäre nicht gut gewesen in Hinblick auf die Feinde Cäsars. Dann flackerte plötzlich die erschreckende Erkenntnis auf, dass wenn ich nicht da gewesen wäre, Flavius bereits seit über zwei Jahren tot wäre. Ein Schaudern lief meinen Rücken hinab.

»Das ist also das nervige Verhalten, von dem dein Bruder meinte, ich könnte in Versuchung geraten dich vor die Tür zu setzen!« Er wollte mich nur aufziehen, doch die Erwähnung meines Bruders versetzte mir einen weiteren Stich.

Ich sprach mit Flavius nicht darüber, wie sehr mir meine Familie fehlte, da ich ihm kein schlechtes Gewissen einreden wollte. Doch sie fehlten mir jeden Tag. Ich ließ meinen Blick aus dem Fenster in die Ferne schweifen und hielt mir vor Augen, dass meine Entscheidung richtig gewesen war.

»Du weißt weit mehr über mich als jeder andere!«, sagte Flavius dann ernst und legte seine Arme von hinten um meine Taille. Bei seiner Verschlossenheit vermutete ich leider, dass das wirklich stimmte.

II

FLAVIUS

Mein Herz raste, als ich mitten in der Nacht aufschreckte. Kurz musste ich mich orientieren, ich hatte noch immer den Geruch von Blut in der Nase und hörte im Hintergrund das Schreien der Soldaten.

Hektisch sah ich mich um. Das Schlachtfeld war ein Meer aus Chaos und Gewalt. Verschwommen nahm ich die Umrisse der Männer in einem Strudel aus Staub und Blut wahr.

Mein Atem ging unruhig - schneller und flacher als gewöhnlich.

Helenas Kopf tauchte über mir auf. Ein leises Keuchen verließ meine Lippen, als ich versuchte mich zu beruhigen und die Erinnerungen aus meinem Geist zu verbannen. Ich fühlte, wie ihr warmer Körper sich an mich schmiegte. Das machte sie immer, wenn mich nachts meine Vergangenheit verfolgte. Sie legte sich auf mich und ihr Gewicht erdete mich augenblicklich. Kurz flammte in mir die Angst auf, nicht die Geschehnisse eben, sondern Helena könnten der Traum gewesen sein.

»Ist schon gut«, hörte ich in diesem Moment ihre schläfrige Stimme und spürte, wie sie ihr Kinn auf meiner Brust ablegte und mich betrachtete. Sie war mein Licht, das jede Dunkelheit besiegen konnte.

»Du weißt hoffentlich, dass ich dich nie vor die Tür setzen werde?«, flüsterte ich heiser.

»Nur deshalb darfst du darüber Scherze machen!« Sie gähnte geräuschvoll.

»Ansonsten könnte ich mir auch gleich mein Herz herausreißen«, gab ich in einem Anflug von Tragik zu. Ich hörte ein zufriedenes Schnauben und wurde mit einem heißen Kuss belohnt. Ihr Körper fühlte sich warm und gemütlich auf mir an und ich ließ meine Hände ihren Rücken hinabgleiten, um sie auf ihrem Hintern abzulegen. Sie zuckte kurz zusammen und auch mich überlief ein wohliges Schaudern bei jeder unserer Berührungen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das je anders sein würde.

Ich streichelte über ihren Körper, fühlte, wie sie sich unter der Berührung wandte, und mein eigenes Verlangen nach ihr immer größer wurde. Offensichtlich ging es ihr ebenso, denn schon stöhnte ich auf, als sie sich mit einem süßen Seufzer auf meiner Mitte niederließ. Alles um mich herum fühlte sich an wie ein himmlischer Traum und ich war mir nicht sicher, ob ich vielleicht längst wieder eingeschlafen war. So unglaublich waren die Empfindungen, dass sie eigentlich nicht real sein konnten. Ich umfasste ihre Hüften und zog sie dichter an mich heran. Immer tiefer rutschte ich in diese göttliche Ekstase, bis ich spürte, wie ihr Schoß sich immer enger um mich zusammenzog und sie laut aufstöhnte.

Ich kratzte am Rande der völligen Entrückung, völlig verloren in dem weichen Körper, der mich umfing. Intensive Lust trieb mich weiter, bis sich mein Körper aufbäumte und ich von Seligkeit durchdrungen wieder zurück in die Kissen sank. Eine schwere Trägheit überkam mich. Ich wollte Helena zu mir heranziehen und in meine Arme schließen, doch sie sprang plötzlich auf und rannte hinüber zum Waschtisch. Es war fast komplett dunkel in unserem Zimmer und ich konnte ihre Umrisse nur erahnen, aber hörte Wasser plätschern und Helena vor sich hin fluchen.

»Ist alles in Ordnung?«, murmelte ich vor mich hin. Meine Muskeln fühlten sich entspannt und geschmeidig an und ich streckte meine Arme zu beiden Seiten aus.

»Flavius, du hast nicht aufgepasst, verdammt!« Ich hörte sie hektisch hantieren. Langsam dämmerte mir was passiert war. Etwas fiel zu Boden und zerbrach mit einem lauten Klirren, wahrscheinlich der Wasserkrug, denn es ertönte auch ein plätscherndes Geräusch. »So ein Mist, was soll ich denn jetzt machen?«

Ich hielt kurz inne. »Lass das Waschen und komm wieder ins Bett. Das bringt jetzt auch nichts mehr, sonst hätten es schon viele vor uns probiert!« Ich wunderte mich selbst, wie entspannt ich blieb. Ihr schien es ebenso zu gehen, denn es herrschte einen Moment absolute Stille, bevor ich ihre Füße über den Boden tapsen hörte und ich ihren warmen Körper wieder neben mir spürte. Ihre Füße waren eiskalt und ich zog sie eng an mich heran. Sie sagte nichts mehr und auch ich fiel schnell wieder in einen tiefen Schlaf.

Am nächsten Morgen war Helena nicht mehr im Zimmer. Als mein Blick auf den Waschtisch fiel, kehrte die Erinnerung zurück, doch da alles akkurat aufgeräumt war, war ich mir tatsächlich nicht mehr sicher, was genau nun wirklich passiert war und welche Teile der gestrigen Nacht nur in meinem Traum stattgefunden hatten. Einen kurzen Moment fühlte ich mich ohnmächtig. Nun war es für Reue zu spät.

Ich zog mich an und stieg hinab ins Erdgeschoß, um nach Helena zu suchen. Im Haus war sie nicht zu finden, also verlegte ich meine Suche in den Garten. Als auch hier jede Spur von ihr fehlte, wurde ich schrittweise nervöser.

»Helena ist bei Pomponia«, informierte mich Drusus, der gerade eine Schubkarre voll Heu transportierte.

Ich blickte ihm skeptisch nach, denn das Verhalten passte nicht zu Helena. Gestern hatte sie mir noch befohlen, Lucius und Pomponia in den nächsten Tagen in Ruhe ihre Zweisamkeit genießen zu lassen, und heute morgen schlug sie schon in aller Frühe dort auf. Ich versuchte es dennoch und klopfte zaghaft an der Tür des kleinen Häuschens unseres Verwalters. Kraftvoll wurde die Tür aufgerissen und ich wich erschrocken einen Schritt zurück.

»Was willst du?«, fuhr Lucius mich an. Er trug nur eine zerknitterte Tunika und sah übermüdet aus.

Ich achtete nicht weiter darauf. Seine Angelegenheiten gingen mich nichts an. »Ist Helena hier?«

»Sie ist schon wieder verschwunden! Wie hast du es geschafft, sie bereits so früh am Morgen aufzuregen?«

Pomponia drängelte sich an Lucius vorbei und schob ihn mit ihrem Arm wieder nach hinten ins Haus hinein. Er ließ es sich anstandslos gefallen und verschwand aus meinem Blickfeld.

»Hier, gib das Helena! Es hat jetzt lange genug durchgezogen.« Sie reichte mir einen Becher mit einer warmen Flüssigkeit, in der ein Haufen Kräuter schwamm.

Ich starrte verwirrt auf die grüne Flüssigkeit und sah dann wieder zu ihr auf. »Was ist das?«

»Na, der Kräutersud! Ich kann aber nicht dafür garantieren, dass es jetzt noch etwas hilft!«, sagte sie und beäugte mich dabei vorwurfsvoll.

»Was hat Helena denn zu dir gesagt?« Unsicher sah ich zwischen ihr und dem Becher hin und her.

»Dass euch ein kleiner Unfall passiert ist! Sie war ziemlich aufgelöst, vielleicht versuchst du sie etwas zu beruhigen! Sie wollte hinunter an den Strand«, antwortete Pomponia noch und schloss dann wieder die Tür.

Ich starrte auf die massiven Holzbretter vor meiner Nase und atmete tief durch. Es hatte keinen Zweck sich jetzt aufzuregen, die Sache war bereits gelaufen und offensichtlich war Helena ruhelos genug für uns beide.

Immerhin kannte Pomponia sich mit Kräutern sehr gut aus.

Mit dem Becher in der Hand lief ich den Weg hinunter zum Strand. Das frühe Morgengrauen schenkte dem Himmel ein zartes Rosa, während die ersten Sonnenstrahlen über den Horizont brachen.

Der Strand war menschenleer. Ich suchte die helle Sandfläche nach ihr ab und entdeckte dann ein weißes Stück Stoff am Wasser liegen. Schnell bewegte ich mich näher und ließ meinen Blick über das Meer gleiten. Es war ruhig und kräuselte sich sanft.

Prustend tauchte Helena auf und winkte mir zu, als sie mich erspähte. Ich zog meine Tunika über den Kopf und rannte zu ihr ins kristallklare Wasser. Es war kalt und ich tauchte einmal schnell unter, um mich daran zu gewöhnen. Mit ein paar Schwimmzügen war Helena bei mir und ich zog sie zu mir heran, um ihr einen zarten Kuss zu verpassen. Ihre Lippen waren so schön warm und weich.

»Ich konnte nicht mehr schlafen«, sagte sie entschuldigend und strich sich die nassen Haarsträhnen aus der Stirn.

Ein schuldbewusster Schauder ging durch meinen Körper. »Ich weiß, ich habe einen Kräutertrank von Pomponia für dich.«

Sie verzog leicht den Mund. »Hört sich nicht lecker an!«

»Sieht auch nicht lecker aus!«, bestätigte ich und rang mir ein gequältes Lächeln ab. Ihre Anspannung schien sich etwas zu lösen und wir stapften zusammen aus dem Wasser und setzten uns in den warmen Sand. Eine sanfte Meeresbrise umgab uns. Helena begutachtete das Getränk angewidert und kippte dann in einem Zug alles hinunter.

»Das war widerlich!« Sie wischte sich über den Mund. »Hoffentlich bringt es den erhofften Erfolg!«

Ich ahnte, dass sie von mir erwartete etwas zu sagen, aber ich fühlte mich hilflos und selbst zu verunsichert, um irgendetwas Vernünftiges über die Lippen zu bringen.

Kaum merklich schüttelte sie den Kopf, wandte sich ab und starrte wieder aufs Wasser. Das Geräusch der Wellen mischte sich mit ihren leisen Atemzügen. Eine Weile saßen wir schweigend da, dann sie sich aus ihrer Starre.

»Ich werde den Geschmack nicht los, ich hole uns schnell etwas zu essen, dann können wir hier am Strand frühstücken.«

Ohne mir noch einen weiteren Blick zuzuwerfen, stand sie auf und zog sich ihre Tunika über. Ich sah ihr nach wie sie hinter den Dünen verschwand, und blickte dann wieder aufs Meer. Meine Gedanken rasten, auch wenn ich äußerlich wohl ruhig wirken mochte. Das war wirklich unglücklich gelaufen.

Obwohl mir eine vernünftige Stimme mitzuteilen versuchte, dass es keine Katastrophe war, merkte ich, wie es sich genauso anfühlte und mein Inneres mit ohnmächtiger Panik reagierte.

Ich stand auf, um mich noch einmal im Wasser abzukühlen und ein paar Züge zu schwimmen, bis Helena zurückkehrte. Der Himmel färbte sich allmählich in warme Goldtöne und die Weite des Meeres beruhigte mich zusehends.

Als ich kurz darauf aus dem Wasser auftauchte, fühlte ich mich bereits etwas gefasster. Ich wollte an Land gehen und bemerkte zwei Frauen, die neben meiner Tunika standen und mir zuwinkten. Wollten sie mir etwas mitteilen?

Als ich näherkam, bemerkte ich, dass mir ihre Züge vage bekannt vorkamen. Ich hatte sie früher bereits getroffen, als ich in meiner Jugend meine Sommer hier verbracht hatte. Wie waren noch gleich ihre Namen?

»Flavius, wir haben dich hier ja ewig nicht gesehen!«, flötete die dunkelhaarige Frau. Ihre runden, rehartigen Augen musterten mich freudig.

»Bleibst du den Sommer über?«, fragte die andere, etwas Kleinere mit hellbraunen hochgesteckten Haaren und einer Stupsnase. Ich kannte diese Frauen definitiv von früher.

»Nur noch ein paar Tage«, sagte ich schnell und strich mir die nassen Haare aus der Stirn.

»Wie schade, aber vielleicht schaffst du es noch zu unserem Sommerfest morgen Abend!« Die Augen der Dunkelhaarigen strahlten mich an.

»Oh ja, das wäre fantastisch!«, steuerte ihre Begleiterin sichtlich aufgeregt bei.

»Ich werde sehen, was ich tun kann. Wie ist die Adresse?«, erkundigte ich mich beiläufig. Mit Gewissheit würde ich dort nicht hingehen, doch es wäre wohl nicht angemessen, ihnen das so dreist ins Gesicht zu sagen.

»Du Witzbold, als ob du dich nicht mehr erinnerst, wo ich wohne!« Sie lachte hell auf und ich lachte mit, um nicht zuzugeben, dass ich überhaupt keine Ahnung hatte, wer diese Frauen waren. Sicherlich wohnten sie hier in der Nähe und wir waren uns in der Vergangenheit auch schon einige Male auf Gesellschaften begegnet. Doch die Gegend war durchzogen von Villen der römischen Oberschicht.

Dann fiel mir mit Schrecken auf, dass ich keine Tunika trug und zudem eine schwarze Boxershorts, die ziemlich befremdlich wirken musste, denn die Blicke der beiden wanderten immer wieder dorthin.

»Suchst du die hier?« Helena tauchte neben mir auf und drückte mir meine Tunika mit Wucht gegen den Bauch. Ihre Miene war angesäuert. Schnell streifte ich mir die Tunika über.

»Möchtest du uns nicht vorstellen?«, forderte sie schroff, ihre Augen auf die beiden Frauen mir gegenüber gerichtet. Mit einem kurzen Blick versuchte ich ihr zu verdeutlichen, dass das ungünstig war, doch sie verstand mich offenbar nicht, denn sie schaute mich nun auf eine strenge Weise mit deutlicher Aufforderung in den Zügen an.

»Ja, natürlich!«, fügte ich mich also ihrem durchdringenden Blick. »Das ist Helena und das sind …« In meinem Kopf ratterte es, aber ich wusste, dass es hoffnungslos war. Vielleicht hatte ich irgendwann einmal gewusst, wie diese Frauen hießen, aber ich konnte noch so lange überlegen, ich würde im Leben nicht mehr darauf kommen.

»Ich bin Julia«, sagte die Dunkelhaarige verkniffen.

»Faustina«, stellte sich die Kleinere vor. »Wir müssen dann auch weiter!«

»Ich werde sehen, was ich wegen morgen machen kann«, wiederholte ich und schaute ihnen erleichtert hinterher, als sie sich in Bewegung gesetzt hatten.

»Das war peinlich!«, bemerkte Helena, als sie außer Hörweite waren. Sie stellte ihr Körbchen ab und breitete eine Decke auf dem warmen Sand aus.

»Das kann man wohl sagen«, stöhnte ich und strich mir erschöpft die feuchten Haare nach hinten.

»Ich vermute, die beiden gehören zu diesen namenlosen Frauen aus deiner Jugend!« Ihre Augen funkelten belustigt. »Ich fasse es nicht, dass du dich wirklich nicht an die Namen erinnern kannst!« Sie beobachtete mich aufmerksam.

Ich hasste es so durchleuchtet zu werden. »Habe ich dir doch gesagt!«