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Deutschlands Attraktivität verstehen! Menschen aus China und Indien schätzen Deutschland als Urlaubsregion. Grund dafür sind nicht nur die bekannten Stereotypen und Klischees. Vielmehr überzeugt aus der asiatischen Perspektive das positive Image des Landes. Deutschland bietet gleich eine Vielzahl attraktiver Reisemotive. Diese reichen von Bildung über Kultur bis hin zu Shopping. Manuel Vermeer und Felix M. Kempf analysieren den asiatischen Incoming-Tourismus der zwei bevölkerungsreichsten Länder der Erde. Sie stellen Treiber des chinesischen und indischen Tourismus vor und gehen auf Reisezeiten, Reisedauer und Reisegebiete ein. Zahlreiche Infokästen bieten Hintergrundwissen und vertiefen das Verständnis. Das Buch richtet sich an Tourismuspraktiker:innen und Studierende der Tourismuswissenschaft.
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Seitenzahl: 149
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Prof. Dr. Manuel Vermeer zählt zu Deutschlands führenden Kennern Chinas und Indiens. Er arbeitet als Unternehmensberater, Dozent und Autor.
Prof. Dr. Felix M. Kempf lehrt Tourismusmanagement an der IST-Hochschule für Management in Düsseldorf und ist dort Dekan für Tourismus & Hospitality.
Manuel Vermeer, Felix M. Kempf
Tourismus kompakt
Umschlagabbildung: © 75tiks · iStock
Autorenbild Vermeer: © Keskin
Autorenbild Kempf: © IST-Hochschule für Management
Abb. 1: © Kristina Schäfer · Mainz
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
1. Auflage 2021
© UVK Verlag 2021
– ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Internet: www.narr.de
eMail: [email protected]
CPI books GmbH, Leck
ISSN 2701-2212
ISBN 978-3-7398-3087-2 (Print)
ISBN 978-3-7398-8087-7 (ePDF)
ISBN 978-3-7398-0109-4 (ePub)
„Chinesen und Inder werden zu uns kommen, weil sie es wollen und sich leisten können. Das ist eine große Chance, auf die wir vorbereitet sein sollten.“
In der deutschsprachigen Literatur zum Tourismus aus Indien und China wurde vor 10 Jahren bereits bemerkt, dass China weitaus mehr im Mittelpunkt des Interesses steht als Indien1. Das hing und hängt heute sicherlich noch immer mit der höheren Anzahl chinesischer Touristen in Deutschland zusammen. Jedoch verfügen beide, wenn auch auf derzeit unterschiedlichen Niveaus, über ein großes touristisches Potenzial. Zunehmend gilt das auch für Indien, das China in der Bevölkerungszahl schon überholt hat oder dies in den nächsten Jahren tun wird (wirklich verlässliche Einwohnerzahlen liegen für beide Staaten nicht vor). Die neusten Statistiken weisen für beide Staaten jeweils etwa 1,4 Mrd. Einwohner aus, wobei die Zahl für China in Wirklichkeit darunter liegen dürfte, für Indien eventuell schon darüber. Insgesamt entspricht das in etwa 40% der Weltbevölkerung.
Für Angehörige beider Nationen ist eine Reise nach Deutschland und Europa ein interkontinentaler Urlaub, der nicht mal nebenbei unternommen wird. Es ist ein Traumurlaub, auf den gespart wird. Möglich wurden Reisen in weitentfernte Länder für Inder und Chinesen durch die Entwicklungen in ihren Ländern: Der rasche Aufstieg Chinas seit den 1980er-Jahren ermöglichte vielen Chinesen erstmals nicht nur national, sondern sogar international Reisen zu unternehmen. Und auch die neu entstandene indische Mittelschicht, die seit den 1990er-Jahren von der zunehmend prosperierenden indischen Wirtschaft profitiert, nutzt ihr Geld, um die Welt kennenzulernen.
In diesem Buch werden die potenziellen Reisenden beider Nationen bewusst gemeinsam betrachtet. So werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede offensichtlich. Und es tut sich ein bunter Strauß von Möglichkeiten auf, um neue Kundenkreise treffsicher zu bearbeiten und für sich zu gewinnen.
Um die Zielgruppe richtig ansprechen zu können, sind Kenntnisse über ihre Kultur, ihre Länder, ihre soziale Herkunft wichtig; nur so versteht man, was die potenziellen Kunden erwarten und sich erhoffen und kann spezifisch reagieren. Indische und chinesische Touristen haben völlig andere Voraussetzungen und Bedürfnisse als z.B. amerikanische, und daher räumen wir in diesem Buch auch dem Wissen um diese Voraussetzungen einen breiten Raum ein. Die Leserinnen und Leser erfahren in Kürze all das, was zu einem besseren Verständnis ihrer Zielgruppe erforderlich ist, und müssen nicht zusätzlich weitere Literatur hinzuziehen.
Selbstverständlich ist es nicht möglich, in diesem Rahmen, der durch den Buchumfang begrenzt ist, die chinesische Geschichte oder indische Religionen auch nur ansatzweise angemessen darzustellen. Wir haben daher eine Tour d’Horizon zusammengestellt, die dem Verständnis von chinesischen und indischen Touristen dient. Wir bitten Spezialisten der verschiedenen Gebiete jedoch um Nachsicht, dass Vieles weggelassen wurde, verkürzt oder vielleicht auch aus einem Blickwinkel dargestellt wird, den andere so nicht gewählt hätten. Sinologen und Indologen mögen dies verzeihen; dieses Buch ist nicht für Experten dieser Kulturen gedacht.
Gemeinsam befassen wir uns seit Jahrzehnten mit dieser Weltregion; Manuel Vermeer als Sinologe mit klassischer und moderner Ausbildung und Unternehmensberater mit indischen Wurzeln aus kultureller Sicht und Felix M. Kempf als Tourismusexperte, der eine betriebswirtschaftliche Sichtweise auf die Reisenden beider Länder legt.
Auf die politische, soziale wie kulturelle Situation beider Staaten gehen wir ausführlich im → ersten Kapitel ein. Hintergründe zu den Motiven, die Welt zu bereisen, schildern wir im → zweiten und → vierten Kapitel Das gute Image Deutschlands, das wir im → dritten Kapitel darlegen und begründen, macht unser Land zu einem bevorzugten Ziel dieser neuen Schicht reiselustiger Asiaten.
Wir möchten mit diesem Buch Touristikern die Möglichkeit geben, sich eingehend mit den zukünftig – und das gilt in der Post-Corona-Zeit erst recht – international wohl am stärksten wachsenden Quellmärkten zu beschäftigen und sich zu informieren, wie sie indische und chinesische Touristen zielgruppenspezifisch empfangen, ihren Bedürfnissen entsprechen und somit zum beiderseitigen Vorteil arbeiten können. Für weitergehende Fragen, Hinweise und Unterstützung stehen wir sehr gern zur Verfügung.
Wiesloch und Düsseldorf, im Herbst 2021
Manuel Vermeer und Felix M. Kempf
Hinweis zum Gendern
Im Buch wird in der Regel die männliche Form verwendet. Diese Vorgehensweise dient der leichteren Lesbarkeit und soll keineswegs ein Geschlecht ausschließen.
Was Sie vorher wissen sollten
1China und Indien: Geschichte, Wirtschaft und Gesellschaft
1.1China
1.1.1Historie
1.1.1Wirtschaftliche Entwicklung
1.1.2Kultur und Sprache
1.2Indien
1.2.1Historie
1.2.2Wirtschaftliche und gesellschaftliche Lage
1.2.3Kultur und Sprache
1.2.4Religionen
1.2.5Das indische Kastensystem und das Denken in Hierarchien
2Betrachtung des indischen und chinesischen Outgoing-Tourismus
2.1China
2.1.1Die Treiber des chinesischen Tourismus
2.1.2Betrachtung des chinesischen Reisenden
2.1.3Reisezeiten, Reisedauer, Reisegebiete und Reiseform
2.1.4Informationsgewinnung und Buchungsentscheidung
2.2Indien
2.2.1Die Treiber des indischen Tourismus
2.2.2Reisezeiten, Reisedauer, Reisegebiete und Reiseform
Exkurs | Destination Placement in Bollywood-Filmen
2.2.3Reiseinformationsgewinnung und Buchungsentscheidung
3Das Image Deutschlands
3.1China
3.2Indien
4Die Reisemotive der Touristen
4.1China
4.2Indien
5Anreise und Transfers
5.1China
5.2Indien
6Übernachtung und Hotel
6.1China
6.2Indien
7Gastronomie
7.1China
7.2Indien
8Shopping
8.1China
8.2Indien
9Was interessiert
9.1China
9.2Indien
10Bezahlung
10.1China
10.2Indien
11Sonstiges
11.1Stellung der Frau
11.2Fengshui
11.3Handeln
11.4Hygiene
11.5Sprache
12Social Media und Apps
13Schlussbetrachtung: Die Zukunft nach Corona
Quellen
Stichwörter, Personen, Organisationen
Zunächst soll ein Überblick über die Geschichte, Wirtschaft und Gesellschaft gegeben werden. Vor allem das geschichtliche Verständnis differiert essenziell von unserer westlichen Sichtweise. Wer die Grundzüge kennt, kann schon vieles besser einordnen und verstehen. An dieser Stelle sollen daher nur exemplarisch einige wenige Ereignisse dargestellt werden, die so der chinesischen und indischen Historie nicht gerecht werden können, aber die ein Touristiker kennen sollte, um sich in seine Kundschaft hineinzudenken.
Die Anfänge der verschriftlichten chinesischen Kultur werden von Chinesen in eine etwa 5.000 Jahre zurückliegende Zeit datiert. Historisch belegbar sind davon ungefähr 3.000–4.000 Jahre; so alt datieren die frühesten Zeugnisse der sog. Orakelknochen, den auf menschliche Schulterblätter oder auf Schildkrötenpanzern eingravierten Vorläufern der chinesischen Schrift. Die chinesischen Dynastiegeschichten beginnen traditionell mit der Xia- und der Shang-Dynastie (etwa 2.200 v.u.Z bis 1.000 v.u.Z.). Dann findet sich eine Abfolge von insgesamt 24 offiziellen Dynastien bis zum Untergang des Kaiserhauses im Jahre 1911. Die Anzahl ist so nicht wörtlich zu nehmen; es gab mehr als diese 24 Dynastien, aber viele wurden nicht aufgenommen, weil sie zu klein, zu kurz oder zu illegitim waren. Manche, wie die Yuan-Dynastie (1279–1368) oder die Qing-Dynastie (1644–1911) waren im Grunde ohnehin keine chinesischen Dynastien, sondern eigentlich Zeiten der Fremdherrschaft über China.
Mit dem „Ersten Kaiser“, Qin Shi Huang Di, begann 221 v.u.Z. das eigentliche chinesische Reich, da er große Teile dessen, was wir heute China nennen (Ostchina, da die westlichen Provinzen erst später hinzukamen), vereinte, eine einheitliche Schrift festlegte, die Wagenspur normierte etc. Weltbekannt wurden die Terrakotta-Soldaten. Sie sind eine in den 1970er-Jahren nahe der zentralchinesischen Stadt Xi’an entdeckte und teils freigelegte Armee von Tausenden von Soldaten, Pferden, Streitwagen aus einem tonähnlichen Material. Eben dieser Qin Shi Huang Di hatte sich sein Grabmal schon zu Lebzeiten konzipiert. Die Armee diente zu seinem Schutz im Jenseits und kann heute wohl als einer der Top-Reisedestinationen der Welt bezeichnet werden.
Es folgten fast 2.000 Jahre wechselnder Herrscher (und sehr weniger Herrscherinnen), verschiedener Staatengebilde, manchmal mehrere gleichzeitig im Norden und Süden, ständige Kämpfe mit aus chinesischer Sicht unzivilisierten Völkern an den Grenzen und Aufständischen im Innern, die dann oft zur nächsten Dynastie führten. Aber im Gegensatz zu anderen Kulturregionen der Welt gab es tatsächlich über zwei Jahrtausende hinweg ein Staatengebilde, mit einheitlicher Schrift und vielen gemeinsamen Werten, einer erstaunlich widerstandsfähigen Bürokratie, Morallehren und kulturellen Normen, wenn auch in ständig wechselnden Dimensionen und politischen Zusammensetzungen.
Das bedeutet aber auch, dass es nie so etwas wie Demokratie gab und auch keine Aufklärung. Es bestand fast immer eine Zentralmacht, die bis in die letzten Winkel des jeweiligen Reiches hineinregieren konnte und das teils mit erstaunlicher Konsequenz tat.
Schon immer wusste jeder Einwohner des Reiches, dass er bzw. sie unter der Kontrolle der jeweiligen Obrigkeit stand. Und das ist heute mehr denn je der Fall. Diese Besonderheit des chinesischen Reiches ist wichtig; Revolutionen, im Chinesischen als „ge ming“, wörtlich „das Mandat des Himmels ändern“ bezeichnet, dienten letztlich der Errichtung eines neuen Kaiserhauses, einer neuen Dynastie, aber nicht der Etablierung einer völlig neuen Regierungsform. Für einen chinesischen Touristen bedeutet der Besuch eines westlichen Parlaments daher nicht das ehrfürchtige Staunen vor politischer Willensbildung und der Herrschaft des Volkes, sondern zunächst nur das Betreten eines Gebäudes, von welchem staatliche Macht ausgeht.
Während der großen und bekannten Dynastien, z.B. der Tang oder der Song im 7. bis 13. Jhd., erreichte das chinesische Reich eine Blütezeit, die es über alles stellte, was zeitgleich in anderen Teilen der Welt bestand. Im 10. Jhd. hatte die Hauptstadt Chinas, damals Chang’an, das heutige Xi’an, über 1 Mio. Einwohner, Kunst und Kultur blühten, es entstanden noch heute bewunderte Gedichte und Malereien; Islam, Buddhismus wie auch daoistische und konfuzianische Morallehren existierten friedlich nebeneinander, während London oder Paris schmutzige Dörfer waren und der Papst in Rom die Gläubigen aufforderte, um des wahren Glaubens willen auf Kreuzzügen Jerusalem zu befreien.
Chinesen hatten schon im 1. Jhd. u.Z. das Papier erfunden, später das Papiergeld, das Schießpulver, den Kompass, das Gießen von Eisen (800 Jahre vor dem Westen), den Buchdruck mit beweglichen Lettern etc. Der Stolz auf diese frühen technischen Erfindungen ist bis heute zu spüren und wird allen Kindern auch in der Schule nachhaltig vermittelt.
Chinesische Touristen reisen daher sehr gern nach Mainz ins Gutenberg-Museum; voller Stolz verweisen sie dann auf die eigenen diesbezüglichen Errungenschaften. Das gilt ebenso für das Tourismusziel Meißen; das Porzellan hatten die Chinesen schon lange vor Böttger erfunden (die genaue Datierung ist aufgrund unterschiedlicher Bezeichnungen und Zusammensetzungen schwierig; vermutlich spätestens in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten, vielleicht auch deutlich früher, spricht man von professioneller Produktion) und in große Teile der bekannten Welt, vor allem nach Südostasien, exportiert.
Im 15. Jhd. fuhren chinesische Seefahrer mit der größten Flotte, die die Welt je gesehen hatte, auf Entdeckungsfahrt; vermutlich fast 30.000 Mann waren auf riesigen Schiffen (fünfmal so groß wie die Santa Maria des Kolumbus) unterwegs und erreichten den Vorderen Orient, Afrikas Ostküste und eventuell auch Australien.
Wissen! Chinesen und Handel
Aber im Gegensatz zu den meist gewalttätigen europäischen Eroberern und Kreuzfahrern waren die Chinesen nicht primär auf Missionierung oder Ausdehnung ihres Machtbereiches mit militärischer Gewalt aus, sondern schlicht auf neue Geschäftsfelder.
Kriegerische Auseinandersetzungen wie in Südasien dienten der Etablierung von Handel, nicht der Landeroberung.
In Afrika oder Australien gab es jedoch keine interessanten Möglichkeiten, der Handel mit Indien und Südostasien war lange etabliert, und da diese Reisen den Staatshaushalt übermäßig belasteten, stellte der Kaiserhof sie schließlich ein und China untersagte jeglichen Kontakt zum Ausland bei hoher Strafandrohung.
Das chinesische Reich kapselte sich ab, und in den folgenden Jahrhunderten waren es die Europäer, die wesentliche Erfindungen machten und ihren Machtbereich in alle Welt ausdehnten. Im 19. Jhd. eroberten zunächst die Briten (Hong Kong), später auch die Franzosen, die Russen, Japaner und schließlich auch die Deutschen nicht nur große Teile Asiens, sondern auch Gebiete entlang der chinesischen Ostküste.
Das 19. Jhd. sollte als das Jahrhundert der Demütigung Chinas in Erinnerung bleiben. Auch aus diesem Grund drängt China heute zunehmend den ausländischen Einfluss in China zurück und zeigt weltweit seine Dominanz, geriert sich aber auch anderen Entwicklungsländern gegenüber auch als „Bruderland“, das, selbst einst kolonialisiert, nun anderen schwachen Staaten hilft, sich zu entwickeln.
Heute gehört auch die Stimulation von touristischen Aktivitäten dazu. Es werden für Chinesen Anreize geschaffen, in diese Länder zu reisen.
Im Unterschied zu anderen Kolonialmächten beuteten die Deutschen in ihrer Schutzzone Qingdao („Tsingtau“, genau genommen war Qingdao nur die Hauptstadt der deutschen Kolonie Kiautschou) die Chinesen nicht nur aus, sondern bildeten sie auf ihren Werften auch aus. Zusammen mit der Errichtung einer Kanalisation, einer strikten Quarantäne anlässlich einer Epidemie und anderem (Gründung der „Germania“ Brauerei, die noch heute, unter dem Namen Qingdao Brewery, ein weltweit bekanntes Bier gemäß dem deutschen Reinheitsgebot braut!), hat sich daher schon früh ein recht positives Deutschlandbild etabliert, das auch heute noch vorherrscht.
Nach dem Niedergang des chinesischen Kaiserreiches, der 1911 mit einer Revolution offiziell vollzogen wurde, stolperte China in einen Bürgerkrieg, der sich bis 1949 hinziehen sollte. Auf der einen Seite standen die Nationalisten um Jiang Jieshi, in der uns vertrauteren Schreibweise Chiang Kaishek, und auf der anderen Seite die Kommunisten um Mao Zedong.
Die Kommunistische Partei Chinas war 1921 mit sowjetischer Hilfe gegründet worden (und feiert daher 2021 ihren 100. Geburtstag!).
Das Karl-Marx-Haus in Trier zählt nach wie vor zu den beliebtesten Reisezielen der Chinesen in Deutschland! Auch wenn China heute alles andere als kommunistisch ist, so gilt der Begründer dieser Lehre doch nach wie vor als offizielles Vorbild und selbst junge Chinesen eilen für das obligatorische Foto nach Trier.
Die zunächst sehr kleine und finanziell schlecht ausgestattete Truppe der Kommunisten hatte gegen die von den USA unterstützen Nationalisten keine Chance. Sie mussten sich in den 1930er-Jahren schließlich in die unwegsamen Lößhöhlen Zentralchinas zurückziehen, eine Flucht, die später als der „Lange Marsch“ in ein Heldenepos umgedeutet wurde. Erst als durch den 2. Weltkrieg die USA der Kuomintang des Chiang Kaishek ihre Gelder entzogen, gelang es den Kommunisten, die den größeren Rückhalt in der Bevölkerung genossen, wieder vorzurücken und Stadt um Stadt zurückzuerobern. 1949 schließlich musste Chiang nach Taiwan fliehen, wo er die „Republik China“ ausrief, während der Anführer der Kommunisten, Mao Zedong, am 1. Oktober 1949 in Beijing auf dem Tiananmen, dem Platz des Himmlischen Friedens, die „Volksrepublik China“ ausrief.
Beide Seiten betrachten sich im Grunde als die legitimen Nachfolger des chinesischen Reiches, und auch wenn de facto Taiwan inzwischen ein unabhängiger Staat ist, so wird das von Beijing nach wie vor kategorisch bestritten und eine möglicherweise tatsächlich verbal ausgeführte Unabhängigkeitserklärung Taiwans sogar als Kriegsgrund genannt.
Mao herrschte von 1949 bis zu seinem Tode 1976 mit eiserner Hand und einer Politik, die nach Schätzungen zwischen 30 und 70 Millionen Todesopfer forderte. Erst nach seinem Tod wurden mit dem unter Mao gestürzten, jedoch in den 1980er-Jahren starken Mann Chinas, Deng Xiaoping, Reformen möglich, die China wirtschaftlich in bis dahin unvorstellbare Höhen bringen sollten.
Wissen! Chinas Wachstum
Aus einem der (noch zu Beginn der 1980er-Jahre) ärmsten Länder der Welt wurde, mit jährlichen Wachstumsraten des BIP von bis zu 10%, bis 2020 die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt.
Aber das ging keineswegs mit politischen Reformen einher, wie sich der Westen das erträumt hatte; der absolute Führungsanspruch der Kommunistischen Partei war nie in Frage gestellt worden und wird es auch heute nicht. Vielleicht abgesehen von den Demonstrationen auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989, die in der Niederschlagung dieser Demokratiebewegung durch die Truppen der Volksbefreiungsarmee endeten. Das Datum ist ebenso wie die ganze Thematik in China absolutes Tabu und sollte daher auch im Umgang mit chinesischen Touristen nicht angesprochen werden. In China selbst findet keinerlei Gedenken statt und die Ereignisse werden in keinem Geschichtsbuch erwähnt.
Selbst subtile Konnotationen wie ein Weinpräsent aus dem Jahrgang 1989 oder vergleichbare zeitliche Zusammenhänge sollten vermieden werden.
Mit der Machtübernahme durch Xi Jinping ab 2012 festigte die Kommunistische Partei ihre Macht weiter. Es wurden die wenigen Lockerungen der Meinungs- und Pressefreiheit, die China tatsächlich zugelassen hatte, wieder zurückgenommen und die staatliche Überwachung verstärkt.
Politisch ist China heute, 2021, ein sehr stark auf die Person Xi zugeschnittener Einparteienstaat sozialistischer Prägung. Marktwirtschaft ja, aber stets mit starker staatlicher Kontrolle durch die Partei.
Die Kommunistische Partei Chinas (KP) zählt etwa 90 Mio. Mitglieder. Sie ist das eigentliche Machtzentrum Chinas. Das Parlament, mit etwa 3.000 Mitgliedern das größte der Welt (danach folgt übrigens das deutsche), wählt das Zentralkomitee, dieses wiederum das Politbüro, dieses den Ständigen Ausschuss des Politbüros. Die Wahlen sind nicht mit Wahlen in demokratischen Staaten gleichzusetzen. An der Spitze des Staates (als Staatspräsident) und der Partei (als Generalsekretär der KP, hier liegt die wahre Macht) und in Personalunion auch des Militärs steht Xi Jinping.
Seine Gedanken sind im Parteistatut verankert, die zeitliche Beschränkung seiner Machtpositionen hat er aufheben lassen. Seit Mao Zedong war kein Parteiführer so mächtig wie Xi. Er postulierte bei seinem Machtantritt, dass die Partei entweder die Zügel anziehen musste oder, wie die russische Kommunistische Partei, zum Untergang verurteilt war. Er bekämpfte die Korruption, stärkte die KP in allen Bereichen und sorgte gleichzeitig dafür, dass es den Menschen im Land dabei materiell besser ging als je zuvor. Er trug somit aktiv zur wachsenden Mittelschicht bei, also den Menschen, die wir heute als Touristen bei uns begrüßen.
Trotz aller Einschränkungen, trotz aller Überwachung (Stichwort: Social-Credit-System), trotz Einschränkungen der Meinungsfreiheit