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Internat Schloss Sommerberg - Fünf Pfoten retten Ferdinand Nuss
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Seitenzahl: 92
Die Erstellung dieses Werks wurde gefördert durch das Stipendienprogramm NEUSTART KULTUR.
Originalausgabe © 2023 Schneiderbuch in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg Alle Rechte vorbehalten
Dieses Projekt wurde gefördert durch ein Stipendium des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg. Cover- und Innenillustrationen: Dagmar Henze Covergestaltung: Frauke Schneider E-Book-Produktion von GGP Media GmbH, Pößneck ISBN E-Book 9783505150944
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1 Vermatscht noch mal!
In den großen Sprossenfenstern von Schloss Sommerberg spiegelte sich das Licht der Morgensonne, dass es nur so blitzte und funkelte. Wie das Dornröschenschloss lag das herrschaftliche Gebäude da und schien noch zu schlafen. Doch der Schein trog. Drinnen hallten Lachen, fröhliches Geplapper und eilige Schritte durch die stuckverzierten Bogengänge. Es wuselte von Mädchen und Jungen unterschiedlichen Alters, Lehrerinnen und Lehrern.
Manche waren auf dem Weg zum Frühstück, andere mussten noch mal eben auf ihr Zimmer oder verschwanden schon in den Klassenzimmern, weil sie noch schnell eine Hausaufgabe erledigen wollten, bevor der Unterricht losging.
Finn saß mit Lili und Anton am Frühstückstisch. Er war genervt. Er hatte verschlafen, weil sein blöder Wecker nicht geklingelt hatte. Eigentlich wollte er längst mit dem Frühstück fertig und draußen sein. Und seine Fingernägel sollte er vor dem Unterricht auch dringend noch mal schrubben.
Finn war am Wochenende bei seinem Papa in der Werkstatt gewesen und hatte mit ihm an einem alten Mercedes geschraubt. Da konnten die Hände am nächsten Tag eben nicht lupenrein sein. Überhaupt! Als ob es darauf ankam. Wenn er die richtige Antwort gab, waren die schwarzen Ränder unter seinen Nägeln doch egal.
Aber wenn Frau Flemming sie entdeckte, würde es einen Anschiss geben. Und das nur, weil er einmal eine mit Öl verschmierte Klassenarbeit abgegeben hatte. Erwachsene machten echt aus allem ein Drama.
»Mathe macht mich weich im Kopf«, stöhnte Lili mitten in Finns Gedanken hinein. Sie schob ihre Lippen nach vorn, zog eine Schnute und rümpfte die Nase. »Wenn ich versuche, es zu verstehen, fühlt sich mein Gehirn voll angematscht an. Ich kann das einfach nicht.«
Finn sagte es zwar nicht, aber er konnte Lili gut verstehen. Er fand Mathe auch schwierig. Wobei es sich für ihn nicht angematscht anfühlte, sondern als hätte er Knoten im Gehirn.
»Ach was, das glaubst du nur«, versuchte Anton, Lili zu trösten. »Es ist gar nicht so kompliziert«, behauptete er. »Und wenn du es verstanden hast, fühlst du dich auch nicht mehr angematscht, sondern viel stärker als vorher.«
Anton hatte leicht reden. Seine Mutter war Physikerin. Er hatte mathematische Logik ganz offensichtlich in den Genen.
»Das werde ich nie erleben«, jammerte Lili und schmierte sich Erdbeermarmelade aufs Brot. Extra dick, als Mathetröster. »Mein Kopf ist nicht für Logik gemacht«, stellte sie fest. Und das wiederum fand sie voll logisch. Immerhin schaffte sie es nicht einmal, rechts und links auseinanderzuhalten, wie sollte sie dann jemals komplizierte Rechenaufgaben verstehen?
Finn hörte Lili und Anton nur noch mit halbem Ohr zu. Hastig kaute er das letzte Stück Toast und spülte den Bissen mit einem großen Schluck Kakao hinunter. Ein kleiner Rülpser, einmal mit dem Unterarm über den Mund gewischt, schon sprang Finn auf und rannte davon.
»Hey, Geschirr!«, hörte er Lili noch hinter sich herrufen. Und dann war er auch schon um die Ecke. Er hatte keine Zeit für Aufräumkram. Bestimmt würden Anton oder Matschbirne Lili sich drum kümmern.
Im Slalom sauste Finn Richtung Ausgang, haarscharf am Konrektor Edelbert Krautmann vorbei. Ausgerechnet! Finn nannte ihn heimlich Unkrautmann oder einfach nur Unkraut statt Krautmann. Er fand, das passte gut zu der meist sauertöpfischen Miene des Lehrers, der immer etwas zu meckern hatte.
»Hey, pass doch auf!«, schimpfte der Konrektor prompt. »Kein Rennen in den Gängen.«
»Entschuldigung«, rief Finn. Unkraut am Morgen bringt Kummer und Sorgen, dachte er.
Da Finn keinen Ärger wollte, bremste er kurz ab. Sobald er aus dem Blickfeld des Konrektors war, rannte er wieder los. Er hatte keine Zeit für Temporegeln, denn er wusste, dass er vor der Tür bereits sehnsüchtig erwartet wurde.
Und wirklich – Sponschdog saß vor dem Schloss und ließ das Portal nicht aus den Augen. Der Goldendoodle gehörte der Köchin Lieselotte Sorgenfrei. Mit ihr lebte er in einem kleinen Häuschen gleich hinter dem Schloss, direkt neben dem großen Kräutergarten.
Lieselotte Sorgenfrei liebte es, Menschen zu umsorgen. Sie kochte und backte tagein, tagaus so köstlich für die Bewohner von Schloss Sommerberg, dass alle sich die Finger schleckten. Ihre Haferkekse mit Kokos und Schokolade waren legendär. Und ihr mit Holundersirup durchzogener Vanillepudding zum Dessert fand immer reißenden Absatz. Da mussten die Schleckermäulchen schnell sein, um eine Portion zu erwischen.
Sponsch hatte sein Frauchen bis zur Küchentür begleitet und war dann weitergetrottet zum Vordereingang des Schlosses, um dort wie jeden Morgen auf seinen Freund zu warten.
Endlich öffnete sich die Tür. Finn trat heraus. Weil er es heute so eilig gehabt hatte, standen seine Haare kreuz und quer vom Kopf ab. Er sah beinahe so wuschelig aus wie sein Hundefreund.
2 Frühlingsluft und Gänseblümchen
Kaum hatte der Hund ihn entdeckt, sprang er auf und begrüßte ihn mit wildem Schwanzwedeln und freudigem Fiepen. Sponsch tapste und sprang um Finn herum und schleckte ihm über die Hände. Es war immer das gleiche Spiel. Sponsch benahm sich bei jedem Treffen, als hätten sie sich wochenlang nicht gesehen.
»Hey Sponsch, alles klar?«, grüßte Finn gut gelaunt.
Seit Finn auf das Internat gekommen war, hatte der Goldendoodle sein Hundeherz an den Jungen gehängt. Und Finn ging es umgekehrt genauso. Obwohl Sponsch für Finns Geschmack etwas trottelig und sehr gutmütig war. Wenn es nach ihm ginge, dürfte sein neuer Freund ruhig etwas cooler werden. Deshalb trainierte Finn bei jeder Gelegenheit mit ihm. Er versuchte, aus dem tollpatschigen Wuschel einen perfekt trainierten Superdog zu machen. Vielleicht konnten sie beide irgendwann zu einem Team der Rettungshundestaffel gehören, das wäre cool. In Finns Fantasie sah er sich schon mit Sponschdog zusammen in eingestürzten Häusern nach Überlebenden suchen und Menschen retten. Aber wenn er das fiepende Fellbündel so ansah, wusste er, dass es bis dahin noch ein weiter Weg war.
»Schon gut, Kumpel«, versuchte Finn, den Hund zu beruhigen. »Ich freu mich ja auch, dich zu sehen.«
Er wischte sich die vollgesabberten Hände an der Jeans ab und kraulte Sponsch am Kinn.
Seufzend sah Finn zum blau strahlenden Himmel hoch.
Es war der erste schöne Tag nach zwei nassen und ungemütlichen Matschwetterwochen. Die Frühlingsluft, die ihm über das Gesicht strich, lockte ihn. Das Wetter war viel zu schön, um gleich im Klassenzimmer vor sich hin zu stauben. Vielleicht … Finn sah auf seine Uhr. Wenn er sich beeilte, konnten er und Sponsch noch eben zum Waldrand spurten und ein bisschen trainieren.
Oder aber – die Idee war noch besser! Sie hatten gleich Sachkunde bei Frau Flemming. Heute wollten sie über Amphibien und Reptilien sprechen. Vielleicht konnte er eine Kröte fangen und in den Unterricht mitbringen. Dann würde ihm die Lehrerin ein paar Minuten Verspätung sicher nicht übel nehmen.
Eine sehr leise Stimme in Finn meldete Bedenken an dieser optimistischen Einschätzung. Erstens war es fraglich, ob er so schnell eine Kröte finden würde. Und zweitens war es noch fraglicher, ob Frau Flemming ihm so einen unerlaubten Ausflug tatsächlich durchgehen lassen würde. Aber die Vorfreude auf ein bisschen draußen Toben mit Sponsch übertönte Finns leise Zweifel.
»Los, Sponsch. Komm!«, rief er auch schon und jagte los. Der Hund sah ihm einen kurzen Moment verdutzt hinterher, dann setzte er mit fliegenden Ohren nach.
»Hey, Finn, was machst du? Der Unterricht geht in zehn Minuten los«, rief Dalena, die gerade um die Ecke kam.
»Kümmere dich um deinen Kram, Gänseblümchen«, kam es prompt von Finn.
»Ich heiße nicht Gänseblümchen, du Blödmann«, schimpfte Dalena.
Aber Finn lachte nur. Das tat er immer. Je mehr Dalena sich ärgerte, desto mehr Spaß machte es ihm, sie zu foppen. Er konnte doch nichts dafür, dass ihr Nachname Daisy war. Das war Englisch und bedeutete nun mal Gänseblümchen.
Dalena sah Finn und Sponsch kopfschüttelnd hinterher. Dann zuckte sie mit den Schultern, drehte sich um und marschierte zum Schlossportal. Sie jedenfalls hatte keine Lust, zu spät zu kommen.
Als sie am Walnussbaum vorbeikam, kletterte gerade ein Eichhörnchen behände den Stamm hinauf. Dalena war entzückt. Sie liebte Eichhörnchen und beobachtete sie oft beim Klettern. Manchmal setzten sie und Lili sich neben den Baum ins Gras. Lili strickte und Dalena legte sich Nüsse auf die Hand und wartete. Eichhörnchen waren zwar scheu, aber auch sehr neugierig. Und sie liebten Nüsse. Ein paarmal hatte Dalena so schon Eichhörnchen direkt aus der Hand füttern können. Sie träumte davon, eines Tages Freundschaft mit so einem Tierchen zu schließen. Das würde dann immer den Stamm hinuntergesaust kommen, um Dalena zu begrüßen. Ganz so wie Sponsch bei Finn, nur eben in klein.
Dalena legte den Kopf in den Nacken. Ziemlich weit oben sah sie ein Baby-Eichhörnchen, das auf einem dicken Ast herumturnte. Das war so niedlich, am liebsten wäre Dalena stehen geblieben und hätte die Tiere eine Weile beobachtet. Aber jetzt musste sie sich sputen, sonst würde sie doch noch zu spät kommen.
Sie beschloss, in nächster Zeit Ausschau zu halten. Vielleicht würde sie den rotbraunen Zwerg noch öfter sehen und konnte miterleben, wie er größer wurde.
Während Dalena zu ihrem Klassenzimmer ging, überlegte sie, was Finn wohl vorhatte. Wieso streunte er draußen herum, wenn doch gleich der Unterricht losging? Das würde bestimmt Ärger geben. Als sie das Klassenzimmer erreichte, schob sie den Gedanken an Finn weg. Es gab wirklich Wichtigeres als doofe Jungs.
Die beiden Ausreißer hatten inzwischen den Waldrand erreicht. Finn hob einen Ast auf. Er holte weit aus und warf mit aller Kraft. Sponsch das Apportieren beizubringen, stand schon einige Zeit auf dem Trainingsplan. Bisher klappte es nur, wenn Finn mit ihm zu dem Stöckchen lief.
»Sponsch, bring!«
Finn blieb stehen und streckte zusätzlich zu dem Befehl die Hand aus. Doch Sponsch dachte gar nicht daran, ohne Finn loszulaufen.
»Oh Mann, Sponsch. Jetzt mach schon.«
Finn schnaubte genervt. Was sollte er denn noch tun, damit dieser Hund verstand, worum es ging? Sponsch zeigte sich vollkommen unbeeindruckt und stand schwanzwedelnd vor seinem Freund. Entweder er verstand wirklich nicht, was er tun sollte, oder er hatte keine Lust. Stattdessen versuchte er, an Finn hochzuspringen.
»Hey, lass das! Du sollst jetzt nicht rumkaspern, sondern das Stöckchen zu mir bringen.«
Schon als er es aussprach, musste Finn grinsen. Sonst hörte er immer von den Lehrern, dass er nicht rumkaspern und sich konzentrieren sollte. Aber genau wie bei ihm selbst half das Schimpfen auch bei Sponsch nicht viel.
»Wuff!«
Der Hund ging mit den Vorderbeinen auf den Boden und streckte den Po in die Höhe. Sein Schwanz wedelte wild hin und her. Es war ganz klar, dass ihm nicht der Sinn nach Training stand. Er wollte toben.
»Also gut, dann los!« Finn gab sich geschlagen. »Lass uns mal im Unterholz nachsehen, ob wir eine Kröte finden.«