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Das Buch beschäftigt sich mit der Interaktion von Fremdsprachenlehrenden in internationalen Videokonferenzen, die im Rahmen einer Lehrendenbildungsmaßnahme stattgefunden haben. Mittels einer multimodalen Interaktionsanalyse werden der Aufbau und die Moderation in diesen Gesprächen, das Erteilen und Rezipieren positiven und negativen Feedbacks unter den Lehrenden und die Bedeutung beruflicher sowie nationaler Kategorien herausgearbeitet. Ziel der Veröffentlichung ist es, einen Beitrag zur empirischen Forschung in der fremdsprachlichen Lehrendenbildung zu leisten. Damit richtet sich das Buch sowohl an Wissenschaftler:innen, da es methodisch wie inhaltlich zahlreiche Anknüpfungspunkte für weitere Forschung bietet, als auch an Fortbildner:innen und Lehrende, die sich an den darin enthaltenen Erkenntnissen orientieren können.
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Seitenzahl: 263
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Sabine Hoffmann
Internationale Videokonferenzen in der Lehrendenbildung
Eine multimodale Interaktionsanalyse
Umschlagabbildung: SDI Productions
DOI: https://doi.org/10.24053/9783381130023
© 2024 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KGDischingerweg 5 • D-72070 Tübingen
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Internet: www.narr.deeMail: [email protected]
ISBN 978-3-381-13001-6 (Print)
ISBN 978-3-381-13003-0 (ePub)
Meinem Lebensgefährten Giolo Fele
Sequenz 1 (27.11.2017, Min. 11:28–11:57)
Sequenz 2 (30.01.2018, Min. 5:32–6:14)
Sequenz 3 (31.01.2018, Min. 2:17–3:10)
Fragment 1
Fragment 2
Sequenz 4 (31.01.2018, Min. 0:00–0:40)
Sequenz 5 (30.01.2018, Min. 8:19–8:33)
Sequenz 6 (31.01.2018, Min. 9:20–9:41)
Sequenz 7 (26.03.2018, Min. 1:13:29–1:13:36)
Sequenz 8 (27.03.2018, Min. 1:07:28–1:07:36)
Sequenz 9 (29.01.2018, Min. 6:10–6:28)
Sequenz 10 (31.01.2018, Min. 6:14–6:48)
Sequenz 11 (28.11.2017, Min. 0:01–1:05)
Fragment 1
Fragment 2
Fragment 3
Sequenz 12 (31.01.2018, Min. 8:18–8:59)
Fragment 1
Fragment 2
Sequenz 13 (26.03.2018, Min. 12:25–12:40)
Sequenz 14 (27.03.2018, Min. 11:05–11:53)
Sequenz 15 (27.11.2017, Min. 57:36–58:33)
Sequenz 16 (28.11.2017, Min. 45:58–47:34)
Fragment 1
Fragment 2
Sequenz 17 (27.03.2018, Min. 12:25–20:22)
Fragment 1
Fragment 2
Fragment 3
Fragment 4
Fragment 5
Sequenz 18 (28.11.2017, Min. 13:02–14:12)
Sequenz 19 (27.11.2017, Min. 13:42–14:38)
Sequenz 20 (31.01.2018, Min. 48:09–50:04)
Fragment 1
Fragment 2
Fragment 3
Sequenz 21 (30.01.2018, Min. 14:53–17:55)
Fragment 1
Fragment 2
Fragment 3
Fragment 4
Fragment 5
Sequenz 22 (31.01.2018, Min. 12:28–13:36)
Sequenz 23 (31.01.2018, Min. 23:52–24:32)
Sequenz 24 (26.03.2018, Min. 8:03–8:43)
Sequenz 25 (26.03.2018, Min. 1:04:01–1:05:45)
Sequenz 26 (30.01.2018, Min. 3:43–4:31)
Sequenz 27 (27.11.2017, Min. 43:03–43:25)
Sequenz 28 (30.01.2018, Min. 16:15–17:55)
Sequenz 29 (27.11.2017, Min. 45:39–46:48)
Fragment 1
Fragment 2
Sequenz 30 (27.11.2017, Min. 7:40–9:41)
Fragment 1
Fragment 2
Fragment 3
Fragment 4
Sequenz 31 (28.11.2017, Min. 1:54‒2:24)
Fragment 1
Fragment 2
Dieses Buch möchte einen Beitrag zur Professionalisierung von Fremdsprachenlehrenden leisten und damit dem Wunsch nach empirischer Forschung in dem Feld entgegenkommen. Der Fokus liegt dabei auf den Interaktionsprozessen in internationalen Videokonferenzen unter Lehrenden der Fremdsprache Deutsch im Rahmen einer blended durchgeführten Aus- und Weiterbildungsmaßnahme.
Die Publikation fußt auf meiner langjährigen Beschäftigung mit der Thematik (Hoffmann 2020, 2022, 2023a/b/c, 2024; Hoffmann / Fele 2024; Hoffmann / Kasper 2021). Die Monografie verfolgt nun das Ziel, diese verschiedenen Stränge zusammenzuführen, um darüber zu einer fächerübergreifenden Auseinandersetzung mit videobasierten Aus- und Fortbildungsformaten in der Lehrendenbildung anzuregen; auch wenn die zugrunde gelegten Daten aus dem DaF-Bereich stammen und daher primär einen empirisch fundierten wissenschaftlichen Beitrag zur Fortbildung von DaF-Lehrenden liefern möchten.
Die Professionalisierung von Fremdsprachenlehrenden stößt seit einigen Jahren auf zunehmendes Interesse. So mehren sich Studien, Zeitschriften und Themenhefte sowie Konferenzen zur Professionalisierung von Fremdsprachenlehrenden1 und liefern einen klaren Hinweis darauf, dass sich langsam das noch bis vor Kurzem fehlende Forschungsfeld zur „Fremdsprachlichen Lehrendenbildung“ etabliert (Caspari 2016: 39; Legutke / Schart 2016a: 12). Diese Entwicklung berechtigt darüber hinaus zur Hoffnung, dass die Tendenz auch das Lehren und die Lehrenden verschiedener Fremdsprachen erfasst, denn bislang überwiegt die Forschung zu Englischlehrenden bzw. dem Unterrichtsfach Englisch als Fremd- und Zweitsprache (Caspari 2016: 42; Legutke / Schart 2016a: 10).
Bei der Professionalisierung von Fremdsprachenlehrenden sind schon seit einigen Jahren verstärkt interaktionale Prozesse in den Mittelpunkt gerückt (Legutke / Schart 2016a: 28), d. h., Lernprozesse von Lehrenden werden als ko-konstruiertes Wissen und Können konzeptualisiert. Zu ihrer Erforschung stellen qualitativ explorative Untersuchungen oder auch solche mit einem quantitativen Zugang (ebd.: 13, s. auch Roters / Trautmann 2014) den vorrangigen Ansatz dar.
Neben dem interactional turn kennzeichnen die aktuelle Situation in der Lehrendenbildung noch zwei weitere Tendenzen oder stellen zumindest wesentliche Aspekte hierbei dar: die Internationalisierung und die Digitalisierung. Auf beide soll im Folgenden zunächst kurz eingegangen werden.
Die Internationalisierung der Lehrendenbildung wird als ein „Erfolgsfaktor“ im Professionalisierungsprozess angesehen (Barsch / Mahler 2015: 11). Dabei bezieht man sich vor allem auf die erste Phase der Ausbildung, wo vonseiten angehender Fremdsprachenlehrenden die Bereitschaft zum internationalen Austausch – im Unterschied zu sonstigen Lehramtsstudierenden (Baedorf 2015: 52; Engelhardt / Neubert 2015: 67) – überwiegend vorhanden ist (Gerlach / Lüke 2021: 322). Auch wenn durchaus die Weiterbildung bereits im Lehramt stehender Lehrender mit eingeschlossen wird (Baedorf 2015: 34), stehen Lehrkräften in der dritten Phase hingegen größere Hürden zur Internationalisierung im Wege, wie „strukturelle Zwänge“ und „praktische berufliche Hindernisse“, die deren Mobilität beeinträchtigen (Gerlach / Lüke 2021: 322).
Neben der üblichen Unterstützung der Mobilität an den Hochschulen (ebd.: 328/329) durch die Erasmusprogramme erfüllen hierbei auch die durch die Europäische Kommission geförderten Projekte eine wichtige Rolle, nicht nur in der Aus-, sondern auch in der Weiterbildung von Fremdsprachenlehrkräften:
Due to internationalisation, the engagement in transnational networks and the participation in third-party funded projects and initiatives is becoming steadily more important (European Commission, 2018). The German Academic Exchange Service (Deutscher Akademischer Austauschdienst [DAAD], 2019) points out that education and research are increasingly practised through the commitment to international networks. (Oesterle et al. 2020: 124)
Die hier in diversen Bildungsmaßnahmen entwickelten Lernangebote wirken zwar nicht flächenübergreifend und füllen somit tendenziell eher sporadisch eine Lücke, sie leisten aber einen wichtigen Beitrag zur Internationalisierung von Fremdsprachenlehrenden und geben Impulse auf nationaler sowie lokaler Ebene. Ein Beispiel für eine solche Initiative ist die Schaffung europäischer Hochschulräume, Ziel des Erasmus+-Programms European Universities, das seit 2018 Dutzende von universitären Partnerschaften fördert und sich dabei nicht nur an Studierende, Dozent:innen, Forschende und Hochschulangestellte richtet, sondern eben auch im Schuldienst stehende Lehrkräfte in die Förderung einbindet.2
In diesen Projekten lässt sich in den letzten Jahren, noch beschleunigt durch die Covid-Pandemie, ein Wandel in der Konzeptualisierung von Internationalisierung bemerken: Während Internationalisierung noch vor ein paar Jahren mit physischer Mobilität sowohl auf der Schulebene als auch an der Universität mit dem Austausch von Lehrenden/Dozent:innen und Schüler:innen/Studierenden gleichgesetzt und durch entsprechende Programme gefördert wurde, ist Mobilität heute keinesfalls mehr gleichbedeutend mit einem Auslandsaufenthalt. Internationalisierung at home steht für die Erweiterung des Begriffs um die virtuelle Dimension und möchte denjenigen entgegenkommen bzw. die dazuholen, welche aus verschiedenen Gründen vor Ort bleiben müssen oder wollen. Diese Verzahnung von physischem und virtuellem Austausch liegt heute vielzähligen von der EU geförderten Projekten zugrunde, inklusive derjenigen, die der Lehrendenbildung gewidmet sind bzw. diese miteinbeziehen. Durch die digitalen Kommunikationsebenen können hierbei auch vermehrt bereits im Schuldienst stehende Lehrkräfte eingebunden werden. Die Frage, wie Internationalisierung und Digitalisierung hierbei ineinandergreifen bzw. sich gegenseitig ergänzen und welche Synergieeffekte darüber (nicht nur) für die Hochschuldidaktik entstehen, stellt sicher ein neues und interessantes Forschungsfeld dar (O´Dowd 2021).
Die Ausbreitung der virtuellen Dimension wird einmal durch die rasante Weiterentwicklung von digitalen Tools und der damit einhergehenden Erweiterung der technischen Möglichkeiten beschleunigt; zum anderen wächst parallel zu den zunehmenden Angeboten auch generell die Bereitschaft, digitale Formate auszuprobieren und sich darauf einzulassen. Dabei ist ihr Potenzial durchaus noch nicht ausgereizt. Als Beispiel seien hierfür die MOOCs (Massive Open Online Courses) erwähnt, deren Einzug in die Universitäten vor circa 15 Jahren begann (Hochschulrektorenkonferenz 2014). Als ein schwerpunktmäßig asynchrones Aktivierungsformat videobasierter Lehre werden sie allerdings letztendlich für die curriculare Lehre sowie für die Lehrendenbildung bisher nur eingeschränkt in Betracht gezogen (O´Dowd 2021: 213), obwohl sie speziell Seminare im Fremdsprachenbereich in vielfältiger Weise unterstützen können (z. B. Monje / Bárcena Madera 2014) und asynchrone Veranstaltungen keinesfalls auf Ablehnung bei den Studierenden stoßen (Will / Kurtz 2022: 36). Tendenziell scheinen hingegen synchrone Lehrformate, d. h. Videokonferenzen oder Webinare unter Einsatz diverser Plattformen und Videokonferenztools, größere Zustimmung und immer häufigeren Einsatz zu finden. Die Kombination mit Präsenzveranstaltungen mutet dabei besonders vielversprechend an (O´Dowd 2021: 212; Will / Blume 2022: 99). So lässt sich in den letzten Jahren eindeutig ein Anstieg derartiger Lehr- und Lernangebote mit den sie begleitenden Erfahrungsberichten und Reflexionen zu deren Durchführung verzeichnen (z. B. Beiträge in Elsner et al. 2020; s. auch Kemmerer et al. 2021; Knaus et al. 2021; für DaF/DaZ z. B. Ersch / Grein 2021; Reiche 2023). Sicher machen die Möglichkeiten, mehr oder weniger zeitgleich video-, audio- oder textbasiert zu chatten sowie Dokumente oder Materialien verschiedener Formate in einem geschützten Raum zu speichern und sie vor, während und nach der Lehrveranstaltung miteinander zu teilen, die videobasierte Lehre und Ausbildung zu einer mehrkanaligen und damit hochkomplexen Form digitaler Interaktion.
Parallel zu dem steigenden Angebot von Online-Veranstaltungen ist, nicht zuletzt infolge der Covid-Pandemie, auch die Anzahl empirischer Studien, die sich mit der Interaktion im virtuellen Lehr- und Lernkontext beschäftigen, deutlich in die Höhe geschnellt (u. a. Feick / Rymarczyk 2022; Schwab / Hoffmann 2024; Will et al. 2022). Während anfänglich hierbei die Ermittlung des Mehrwerts im Vergleich zu Präsenzveranstaltungen im Mittelpunkt stand, geht es mittlerweile zunehmend darum, die vielschichtigen Vorgänge und Interaktionsabläufe zwischen den analogen und digitalen, Face-to-Face- und Online-Ebenen zu ergründen und zu bestimmen (Balaman / Pekarek Doehler 2022). Das wachsende Interesse an dem Gegenstand lässt erwarten, dass sich auch die noch spärliche Forschung in der digitalen Lehrendenfortbildung verbessert, denn bisher mangelt es grundsätzlich an Studien, die sich mit dem virtuellen Austausch von Fremdsprachenlehrenden untereinander befassen (Benitt / Schmidt 2016: 260). So stellten Lewis und O´Dowd (2016: 48, 64) in ihrer Übersicht über Studien zur virtuellen interkulturellen Dimension beim Fremdsprachenlernen und -lehren aus den Jahren 1990 bis 2015 fest, dass sich einmal erstaunlich wenige empirische Untersuchungen mit synchroner Kommunikation befassen und dass zum anderen die Aufmerksamkeit dabei ausschließlich auf dem Lernenden liegt (ebd.: 49): In dem untersuchten Zeitraum ließ sich nur eine Veröffentlichung3 finden, die Fremdsprachenlehrende zum Gegenstand hatte. Die verstärkte Digitalisierung von Forschung und Lehre in den letzten Jahren hat dann die Zahl der Untersuchungen zwar deutlich ansteigen lassen (die Übersicht in O’Dowd 2021 ist allerdings auf den universitären Kontext bezogen), nichtsdestoweniger bleiben dabei aber die Lehrenden immer noch deutlich unterbeleuchtet und weite Teile der Professionalisierung, speziell in DaF/DaZ, noch unerforscht (vgl. Hoffmann 2023a). Vor allem fehlen weiterhin Studien dazu, wie die fremdsprachlichen Lehrendenbildungsprozesse ablaufen, d. h., wie Lehrende ihr Wissen und Können aufbauen, wenn sie untereinander interagieren (Wipperfürth 2015: 17, 19, 2016).
Zur Vernachlässigung der dritten Phase bzw. der Weiterbildung trägt auch das Fortbestehen international uneinheitlicher Professionalisierungsphasen bei. Die großen Unterschiede bezüglich der für die Weiterbildung zuständigen Institutionen bestätigen, dass es bisher noch keine Gesamtidee in der europäischen Lehrerbildung gibt (Doetjes et al. 2024;4 Gerlach / Steininger 2016: 198; s. auch Kricke / Kürten 2015).
Dies soll am Beispiel der drei Länder exemplifiziert werden, die an dem LEELU-Projekt (s. u.) teilgenommen haben, das die Datengrundlage für die vorliegende Untersuchung lieferte: der Niederlande, Ungarns und Italiens. Dem vorangestellt sei kurz im Vergleich dazu das deutsche Dreiphasenmodell, das zunächst den Erwerb von theoriegeleiteten Kompetenzen im Rahmen einer grundständigen universitären Ausbildung zu DaF/DaZ-Lehrenden vorsieht und dabei durch Praktika eine erste Einsicht in den Lehrberuf liefert. Dieser ersten Phase folgt eine fachdidaktische Ausbildung im Vorbereitungsdienst (ehemals Referendariat), in der die Lehramtsanwärter:innen in den Beruf eingeführt werden. Die dritte Phase der beruflichen Weiterbildung von DaF/DaZ-Lehrenden übernehmen diverse Institutionen und Verbände (Roche 2010).
In den Niederlanden5 dauert ein vollständiges akademisches Bachelor- und Masterstudium der deutschen Sprache und Kultur vier Jahre. Anschließend kann eine einjährige oder zweijährige universitäre Lehrendenausbildung absolviert werden, in der die Lehrberechtigung für die Sekundarstufe (I und II) erworben wird (Sars / Jentges 2018: 737/738; vgl. auch Jentges / Sars 2017; Tammenga / Jentges 2016). Während ihrer universitären Ausbildung absolvieren die Studierenden diverse Praktika, die in unterschiedlicher Form in das Studium integriert sind, z. B. verbringen die Studierenden wöchentlich zwei Tage an der Universität und drei Tage an der Schule; oder die Praktika werden im Block angeboten und wechseln sich im 6-bis 8-wöchigen Rhythmus mit der universitären Lehre ab. Ein Vorbereitungsdienst entfällt. Für die Fortbildung der Fremdsprachenlehrenden ist z. B. das Goethe-Institut zuständig, aber auch die Universitäten, Fachhochschulen sowie andere Organisationen bieten Veranstaltungen an.
In Ungarn6 besteht seit 2022 ein fünfjähriger einstufiger Studiengang für die Ausbildung von Lehrenden für die Sekundarstufe I und II. Mit dem abschließenden Staatsexamen erhalten die Studierenden die Lehrberechtigung. Während der universitären Ausbildung sind diverse Praktika vorgesehen. Fortbildungsveranstaltungen für Lehrkräfte werden von verschiedenen Institutionen organisiert; damit die Teilnahme und die dabei vergebenen Kreditpunkte anerkannt werden, müssen diese akkreditiert sein (vgl. dazu Feld-Knapp 2009, 2015; Perge 2023).
Der italienische Bildungsweg für angehende DaF-Lehrende im Gymnasialbereich vollzieht sich schwerpunktmäßig im Rahmen von Masterstudiengängen im Bereich Moderne Sprachen und Literaturen sowie Sprachwissenschaft. Diese sind allerdings nicht nur auf die Ausbildung von Lehrkompetenzen ausgerichtet, sondern bereiten auch auf die Ausübung anderer Berufe vor. Schulpraktika stehen zur Wahl, sind aber nicht zwingend. Ein Vorbereitungsdienst ist nicht vorgesehen, aber ab 2024 haben zukünftige Lehrende im Anschluss an das Studium zusätzliche Kurse an der Universität zu belegen, womit sie die Lehrberechtigung erhalten. Für die dritte Phase ist für DaF im Schulbereich das Goethe-Institut zuständig, während der DAAD mit diversen Förderprogrammen die berufliche Fort- und Weiterbildung von DaF-/DaZ-Lehrenden im Hochschuldienst unterstützt. Des Weiteren organisieren Verbände wie Lend (Lingua e Nuova Didattica) oder ANILS (Associazione Nazionale Insegnanti Lingue Straniere), aber auch Lehrbuchverlage sowohl DaF-spezifische als auch sprachenübergreifende Weiterbildungsveranstaltungen. Ein wesentlicher Unterschied zu den anderen erwähnten Ländern besteht in der Möglichkeit, sich an den meisten italienischen Universitäten ohne jegliche vorherige Sprachkenntnisse in den Studiengang für Fremdsprachen und Literatur einschreiben zu können, d. h., dass die Studierenden die Sprache, die sie in Zukunft unterrichten (wollen), erst während ihrer universitären Ausbildung lernen. Des Weiteren fällt im Unterschied zu anderen Modellen für die Lehrerausbildung der geringe oder mangelnde Praxisbezug auf.
Dieser – wenn auch nur partielle – Einblick lässt vermuten, dass in den europäischen Ländern einige Lehramtsanwärter:innen für DaF während ihres Studiums in fachspezifische und fachdidaktische Thematiken eingeführt sowie dafür sensibilisiert werden und ggf. bereits im Unterricht Erfahrungen sammeln konnten, während sich andere damit weder theoretisch auseinandergesetzt noch sie sich in der Praxis angeeignet haben, und daher mit unterrichtsinhärenten Fragen erst im Beruf und in der Weiterbildung konfrontiert werden (vgl. auch in Bezug auf Japan Schart / Ohta 2018). Das zeigt sich z. B. generell an der Feedbackkompetenz. Auch wenn diese nunmehr seit Jahren länderübergreifend zur Professionalisierung und Kompetenzentwicklung von Lehrenden gehört und explizit für die Fremdsprachenpädagogik sowohl in European Profile for Teacher Education: A Frame of Reference (Kelly et al. 2004) als auch in Europäisches Portfolio für Sprachlehrende in Ausbildung (Eposa) (Newby et al. 2007) Erwähnung findet, bestehen weiterhin große Unterschiede bei ihrer Implementierung und Umsetzung. Somit ist es keinesfalls in allen Ländern Europas als Normalfall vorauszusetzen, dass theoriegeleitete Kompetenzen zum Feedback im Klassenzimmer während der universitären Ausbildung zu DaF/DaZ-Lehrenden oder im Rahmen von Zusatzqualifikationen erworben werden. Wohl noch weniger ist davon auszugehen, dass eine Reflexion dazu, wie kollegiales Feedback im Anschluss von Unterrichtsbeobachtung erteilt und rezipiert werden kann, in allen EU-Ländern während der fachdidaktischen Ausbildung (im Vorbereitungsdienst oder in Praktika) stattfindet. Auch die der Herausbildung und Schulung dieser Kompetenzen dienliche Mentor:innentätigkeit ist bisher weder im Schuldienst noch an den Hochschulen in allen Ländern die Regel (Gerlach / Steininger 2016: 210–212).
Des Weiteren darf auch nicht übersehen werden, dass der Sprachstand der DaF-Lehrenden in den europäischen Ländern keinesfalls einheitlich ist. Mag das in der Regel geforderte Sprachniveau für Lehrende nach dem Europäischen Referenzrahmen auch bei C27 liegen, so gibt es in der Praxis doch erhebliche Schwankungen. All diese Unterschiede kommen in internationalen Lehrendenbildungsmaßnahmen zum Vorschein, fließen in den Diskurs unter den Lehrenden ein und bauen ihn mit auf.
Kommen wir nun zu dem Erasmus+-Projekt LEELU (Lehrkompetenzentwicklung für den extensiven Leseunterricht, 2016–2019, http:/www.leelu.eu), einem Beispiel für eine im Blended-Learning-Format konzipierte und durchgeführte internationale Lehrendenbildungsmaßnahme, die dem Grundgedanken folgte, dass die Lehrenden ihre Kompetenzen primär in kollegialer Kooperation herausbilden (Dawidowicz et al. 2019: 13).9 Gerahmt von einer in Präsenz durchgeführten einwöchigen Einführungs- und einer dreitägigen Abschlussveranstaltung trafen sich während des Schuljahrs 2017/2018 achtzehn DaF-Lehrende (jeweils drei Deutschlehrende der Sekundarstufe II und drei Lehramtsstudierende an den Standorten Utrecht, Budapest und Palermo) in unterschiedlichen Zusammensetzungen mit einer Projektmitarbeiterin zunächst an den jeweiligen Schulen (ein Lehrendentandem, bestehend aus einer erfahrenen und einer in der Ausbildung stehenden Lehrkraft) und dann vor Ort (drei Lehrendentandems) auf nationaler Ebene. Dies galt als Vorstufe für die Diskussion, die im Anschluss auf der Online-Lernplattform edubreak zusammen mit der Moderatorin (in der Mehrzahl der Fälle der Projektleiterin) und einer Projektmitarbeiterin (von den diversen Standorten) über ausgewählte Ausschnitte des eigenen Unterrichts geführt wurde (internationale Ebene: ein Lehrendentandem pro Land). Dieser dreifache Durchlauf bei der Besprechung der Videosequenzen verfolgte das Ziel des Perspektivwechsels: „Auf nationaler und internationaler Ebene werden die wichtigsten Ergebnisse dieser Lernprozesse zur Diskussion gestellt, um das jeweils zu zweit konstruierte Wissen durch die neuen Außenperspektiven zu erweitern“ (Dawidowicz et al. 2019: 33). Es handelt sich hierbei um eine phasenübergreifende Bildungsmaßnahme, in der Lehrkräfte mit Lehramtsanwärter:innen zusammenarbeiten (vgl. dazu auch Dillard 2016; Will / Blume 2022) und die auf den Prinzipien eines kollaborativen und partizipativen Wissensaufbaus fußt. Trotz ihres großen Potenzials stellen derartige Projekte bisher noch eine Seltenheit in der Professionalisierung von Lehrkräften dar (Will / Blume 2022: 98/99). Inwieweit es sich – wie bei dem in Will und Blume (2022: 99/100) beschriebenen TEFLkollab-Projekt – bei LEELU auch um eine virtuelle bzw. digital gestützte community of practice handelt, soll zum Abschluss der vorliegenden Abhandlung (3.4) besprochen werden.
Die dritte Ebene, also die internationalen Videokonferenzen, wurden von den Lehrendentandems dahingehend vorbereitet, dass sie die Besprechungspunkte zuvor in ein gemeinsames Arbeitsprotokoll auf der Lernplattform eintrugen und die anderen Gesprächsteilnehmenden zur Kommentierung der Videos aufforderten. Das Protokoll lag daher allen vor und strukturierte den Ablauf der Diskussionsrunde (Dawidowicz et al. 2019: 34). Die Sitzungen fanden zu einer vorher vereinbarten Zeit auf der Plattform edubreak statt und wurden von der jeweiligen Projektmitarbeiterin mit Zustimmung der Teilnehmenden aufgezeichnet. Diese Aufzeichnungen bilden die Datengrundlage der in diesem Buch analysierten Videosequenzen.
Die vorliegende Untersuchung setzt nun an dem in der Evaluation hervorgehobenen Bedarf an einer „vertiefenden interaktionsanalytischen Studie, die auf den Transkripten der entsprechenden Videokonferenzen beruht“ (Dawidowicz et al. 2019: 42/43), an und gründet auf der Mikroanalyse ausgewählter Sequenzen aus den internationalen Videokonferenzen. Sie basiert auf den im Projekt erhobenen Daten, die aus acht Videokonferenzen von einer Gesamtdauer von neun Stunden und vier Minuten bestehen, die von November 2017 bis März 2018 aufgezeichnet wurden; die vorliegende Untersuchung war aber nicht Teil des LEELU-Projekts. In Bezug auf das Datenmaterial sei angemerkt, dass nicht davon auszugehen ist, dass alle Teilnehmenden den gleichen Bildschirminhalt vor sich hatten. Für alle galt: Die Mitte des Bildschirms war durch die Videosequenzen, die Tagesordnung oder andere Dokumente ausgefüllt, während die Gesichter und Oberkörper der Teilnehmenden je nach Einstellung in unterschiedlicher Größe in einer Leiste am rechten Bildschirmrand oder am oberen Rand erschienen.
Dieses Buch möchte dazu beitragen, die aufgezeigten Forschungslücken in der Lehrendenbildung langsam zu füllen, indem es Videokonferenzen im Rahmen einer Professionalisierungsmaßnahme von Fremdsprachenlehrenden als eine besondere Form beruflicher Zusammenkünfte untersucht. Diese finden in einem bestimmten, in dem Projekt vorgesehenen Zeitraum statt und sind dadurch gekennzeichnet, dass es sich um Besprechungen unter Personen mit dem gleichen Beruf, nämlich Lehrkräften von Deutsch als Fremdsprache, in Anwesenheit einer Moderatorin und einer Projektmitarbeiterin, handelt. Sie zielen auf die Professionalisierung der in der Aus- und Weiterbildung stehenden Lehrenden in drei unterschiedlichen Ländern. Dabei sollen die hier hervortretenden Gesprächspraktiken offengelegt werden, um darüber Merkmale der dort stattfindenden virtuellen Interaktion abzuleiten. Der Forschungsgegenstand positioniert sich damit nicht in der Unterrichtsforschung, da er sich nicht mit dem Lehrenden-Lernenden-Diskurs befasst, sondern siedelt sich im Schnittpunkt zwischen Professionsforschung und der Angewandten Interaktionalen Linguistik (Imo / Lanwer 2019: 295–300) an, wobei sich die untersuchten virtuellen Meetings10 der Lehrkräfte dem breit gefächerten Forschungsspektrum „Talk at Work“ zuordnen lassen (Arminen 2005; Arminen et al. 2016: 2/3). Den Gegenstand dieser Studien bildet schwerpunktmäßig die institutionelle Interaktion, wie sie von Drew und Heritage (1992: 22) definiert wurde und seither die Grundlage für die Erforschung beruflicher Gespräche liefert:
1 Institutional interaction involves an orientation by at least one of the participants to some core goal, task or identity (or set of them) conventionally associated with the institution in question. In short, institutional talk is normally informed by goal orientations of a relatively restricted conventional form.
2 Institutional interaction may often involve special and particular constraints on what one or both of the participants will treat as allowable contributions to the business at hand.
3 Institutional talk may be associated with inferential frameworks and procedures that are particular to specific institutional contexts.
Bei derartigen Zusammenkünften wird tendenziell davon ausgegangen, dass sie asymmetrisch angelegt sind. Dies erweist sich allerdings auf der Gesprächsebene als deutlich vielschichtiger. Hier können sich die Teilnehmenden je nach Situation und Gegenstand im Wechsel sowohl asymmetrisch als auch symmetrisch zueinander positionieren, z. B. in Bezug auf deren Wissensstand oder Expertise (ebd.: 47–53). Institutionelle Gespräche weisen formale Aspekte (ebd.: 25–33) auf, wie das Vorhandensein einer Tagesordnung, bestimmte Praktiken bei der Eröffnung sowie Beendigung der Sitzungen, die Anwesenheit eines/einer Moderator:in, einen vorgegebenen Zeitrahmen und Ort der Besprechung sowie die Aufgabenorientierung (ebd.: 40, 43). Des Weiteren sind sie durch einen vorsichtigen Umgang miteinander gekennzeichnet (ebd.: 45–47), der sowohl in den verbalen als auch in den verkörperlichten Handlungen sowie in der Abfolge, dem Wechsel der Redebeiträge und in der Organisation der Gespräche hervortritt (ebd.: 28/29).
Vor diesem forschungstheoretischen und -methodischen Hintergrund entwickelte sich das Forschungsgebiet der „Workplace Studies“ (Luff et al. 2010; vgl. dazu Imo / Lanwer 2019: 295/296), das Knoblauch und Heath (1999: 164) wie folgt umreißen:
Die Workplace Studies können grob als ethnographische, naturalistische Untersuchungen von Arbeitsvorgängen bezeichnet werden, die sich von der analytischen Orientierung der Ethnomethodologie, der Konversationsanalyse und der „socially distributed cognition“ (Engeström und Middleton 1997) leiten lassen.
Schon von Beginn an spielte die technische Komponente bei den konkreten Arbeitsvorgängen eine herausragende Rolle. Diese wird bei den Workplace Studies in Verbindung zum sozialen Handeln gesehen, d. h., der Fokus liegt darauf, wie Menschen bei der Arbeit beim Einsatz neuer Technologien miteinander interagieren. Die erste Studie, die diesen Bezugsrahmen auf Meetings anwendete, ist die von Boden (1994), womit sich dieses neue Forschungsfeld eröffnete (Oittinnen 2020: 34). Die Arbeiten, die sich virtuellen beruflichen Besprechungen widmen, verorten sich in diesem breit gefächerten Forschungskontext und spiegeln dabei die schon von Meier (2000: 197) hervorgehobene Interdisziplinarität des Gegenstandes wider.
Der methodische Zugang erfolgt dabei in Anlehnung an die ethnomethodologische (multimodale) Konversationsanalyse, ein mikroanalytisches Vorgehen, dessen Anwendungsschwerpunkt im Bereich der institutionellen Kommunikation liegt. Dieser Zugriff auf authentische Sprache wurde zur Erforschung mündlicher Kommunikation in den 1960er Jahren von Harvey Sacks, Emanuel Schegloff und Gail Jefferson (Sacks et al. 1974) entwickelt und zielt darauf, die Regelmäßigkeit bzw. die Systemhaftigkeit von Gesprächen sowohl im Alltag als auch im institutionalisierten Kontext (z. B. Klassenzimmer, Arzt-Patient-Gespräche, Notrufzentralen usw.) offenzulegen. Letzterer weist besondere Merkmale auf:
[…] institutional interactions are more constrained and take place in settings with specific activity-related goals and institution-relevant identities. This involves orienting to certain institutional practices, such as those characterizing classroom or doctor-patient interaction. As proposed in the literature (Arminen 2005; see also Drew & Heritage 1992), studies on institutional interaction aim to reveal specialized uses of language and other resources, while at the same time tracking down the “fingerprint” of a given institutional practice. (Oittinen 2020: 28)
Das Ziel dieses Vorgehens liegt also darin, die Kommunikationsstrukturen im lokal situierten Geschehen aufzuzeigen und darüber das zutage tretende Verständnis nachzuweisen, wobei Vor- oder Hintergrundinformationen zu den Kommunikationspartner:innen hierbei nur begrenzt miteinbezogen werden, da es nicht um die Herausarbeitung von individuellem Verhalten geht. Als methodischer Zugang zur videobasierten beruflichen Kommunikation wird meist die multimodale Konversationsanalyse eingesetzt, die sich als Weiterentwicklung der Konversationsanalyse versteht und sich speziell zur Erfassung von videobasierter Kommunikation eignet (u. a. Deppermann 2018; Mondada 2014, 2016; Schmitt 2005). Dieser Zugriff auf Gespräche definiert Interaktion als das Zusammenspiel diverser Modalitäten und betont damit die Ganzheitlichkeit des Kommunikationsprozesses:
Multimodale Kommunikation bezeichnet eine Konzeption, die Kommunikation als einen ganzheitlichen und letztendlich von der Körperlichkeit der Beteiligten nicht zu trennenden Prozess begreift. Ganzheitlich ist der Prozess insofern, als er immer aus dem gleichzeitigen Zusammenspiel mehrerer Modalitäten besteht, die jeweils spezifische Möglichkeiten zur Verfügung stellen, sich in kommunikationsrelevanter Weise auszudrücken, Handlungsziele zu erreichen und soziale Bedeutung zu konstituieren. Zu diesen Modalitäten zählen beispielsweise: Verbalität, Prosodie, Blickverhalten, Mimik, Gestik, Körperpositur, Körperkonstellation und Körperbewegung. (Schmitt 2005: 19)11
Dabei wird das der Konversationsanalyse zugrunde liegende Prinzip der Sequenzialität beibehalten, aber um die zusätzliche Simultaneität von Handlungen erweitert (Deppermann / Streeck 2018). Videokonferenzen bauen sich danach im Zusammenspiel von verbalen und verkörperlichten Modalitäten auf (Asmuß 2015), wobei der Fokus auf unterschiedlichen Aspekten liegen kann (s. 1.1).
Die Konversationsanalyse stellt den vorherrschenden Zugang in der angloamerikanischen Unterrichtsforschung bzw. in Bezug auf das Fach Englisch dar (u. a. Kunitz et al. 2021; Schwab 2009; Walsh 2013; Übersicht über diskursanalytische Auswertungsmethoden für die Unterrichtsinteraktion s. Schwab / Schramm 2016), fasst aber in den letzten Jahren auch im deutschsprachigen Kontext in DaF/DaZ langsam Fuß (u. a. Huth 2023; Schwarze et al. 2014; Skintey 2022; Spiegel 2006). Aktuell findet der Ansatz ebenso im Rahmen der Lehrendenbildung in Deutschland explizit Beachtung (z. B. Glaser et al. 2019; Kupetz 2018; Liebscher / Marsh 2019):
In the framework of recent projects on the improvement of teacher education in Germany (e.g. in the context of the Qualitätsoffensive Lehrerbildung launched by the Federal Ministry of Education and Research), the potential of conversation analytic work for the training of prospective teachers has been increasingly highlighted. For instance, Sacher (2018; forthcoming) points out how CA findings and CA-oriented ways of working with videos and transcripts of classroom interaction can be employed in raising teachers’ awareness of the characteristic features of classroom interaction, be it in terms of sequential structure, of participant roles, or of language-in-interaction etc. (Glaser et al. 2019: 3)
Studien, die dieses mikroanalytische Verfahren im Rahmen von Fortbildungsveranstaltungen auf den Lehrenden-Lehrenden-Diskurs anwenden, sind mir allerdings nicht bekannt. Eine Ausnahme bilden lediglich die Gespräche zwischen Mentor:innen und mentees im Englischen, auf die im Kapitel zum Feedback eingegangen wird (2.1). In diesem Sinne hat die vorliegende Untersuchung explorativen Charakter. Es soll an dieser Stelle noch hinzugefügt werden, dass – auch wenn das methodische Vorgehen aufgrund der gewählten Perspektive dem Gegenstand angemessen ist – es keinesfalls den einzigen Zugang zum interaktiven Geschehen in Meetings darstellt: „CA provides, of course, only one avenue for the exploration of how individuals manage themselves in meetings“ (Raclaw / Ford 2015: 270).
Zum Abschluss sollen die drei Kapitel des vorliegenden Buches kurz vorgestellt werden. Das erste Kapitel zu „Aufbau und Gesprächsführung in beruflichen Videokonferenzen“ zielt darauf, empirisch zu untersuchen, ob und wie sich die Merkmale institutioneller (virtueller) Interaktion in der LEELU-Bildungsmaßnahme nachweisen lassen. Dazu werden nach einer Übersicht über den Forschungsstand zu Meetings und den zentralen Fragestellungen sowie der Einbettung des Gegenstands als eine besondere Form professioneller Begegnungen (1.1) anhand ausgewählter Sequenzen aus dem LEELU-Korpus zunächst die technische Dimension dieser Zusammenkünfte (1.2) und danach deren Aufbau und Organisation untersucht (1.3). Anschließend folgt die für diese Treffen typische Nutzung anderer mobiler Endgeräte (1.4). Der letzte Abschnitt befasst sich mit dem Vorkommen formaler und informeller Elemente (1.5).
Im zweiten Kapitel steht das „Kollegiale Feedback im digital gestützten Diskurs“ im Mittelpunkt und wie dieses in den LEELU-Sitzungen ausgehandelt wird. Der Begriff wird zunächst im Rahmen der Forschung zur Lehrendenbildung definiert und als Gegenstand eingeordnet, dem folgt dessen Konzeptualisierung im LEELU-Projekt (2.1). Vor dem Hintergrund konversationsanalytischer Studien zu Feedback und assessment erfolgt dann die Analyse positiver (2.2) sowie negativer oder kritischer Rückmeldungen (2.3) mit speziellem Augenmerk darauf, wie Kritik zurückgewiesen (2.3.1) oder nach Reformulierung angenommen wird (2.3.2).
Das dritte Kapitel „Identitätsstiftende Kategorien in der videobasierten Lehrendenbildung“ beschäftigt sich damit, wie und welche Kategorien in den im Rahmen der internationalen Bildungsmaßnahme LEELU stattgefundenen Videokonferenzen hervortreten. Dabei wird zunächst in die Forschung zu Kategorien in beruflichen Settings eingeführt (3.1). Vor diesem Hintergrund erfolgt anschließend die Herausarbeitung von Unterscheidungsmerkmalen zwischen Pre- und In-service-Lehrenden, womit der Fokus auf den lokalen LEELU-Tandems liegt (3.2). Im nächsten Schritt geht es dagegen darum, wie diese (nationalen) Teams in den internationalen Meetings sichtbar werden. Hierbei liegt der Fokus auf den Toponymen, d. h., welche Funktion sie bei deren Herausbildung erfüllen (3.3). Im letzten Unterkapitel richtet sich der Blick schließlich darauf, wie in transnationalen und zeitlich befristeten communities Normen und Verhaltensweisen (neu) ausgehandelt werden (3.4). Die Schlussfolgerungen bringen die Ergebnisse der einzelnen Kapitel zusammen und heben die Merkmale derartiger Bildungsmaßnahmen hervor, mit dem Ziel, Einblick und bessere Kenntnis von dieser besonderen Form virtueller Interaktion in beruflichen Settings zu gewinnen und darüber hinaus dazu beizutragen, dass deren Durchführung zum größtmöglichen Erfolg führt.
Die Aufbereitung der Redebeiträge erfolgte in Anlehnung an die Basisversion von GAT 2 (Selting et al. 2009), für andere multimodale Praktiken wurde Mondada (2022) verwendet. In den hier folgenden Transkriptionskonventionen befinden sich die Erklärungen der Abkürzungen und Sonderzeichen.
Palermo, im August 2024
In Anlehnung an die multimodalen Transkriptionskonventionen von Mondada (2022) werden folgende Sonderzeichen benutzt:
Das Teilnehmendensigle in Großbuchstaben steht vor der verbalen Handlung. Die Kleinbuchstaben indizieren eine verkörperlichte Handlung.
Agnese (AGN/agn),
Christine (CHR/chr),
Doris (DOR/dor),
Erika (ERI/eri),
Gisela (GIS/gis),
Hannelore (HAN/han),
Ilse (ILS/ils),
Jakob (JAK/jak),
Jessica (JES/jes),
Katrin (KAT/kat),
Lena (LEN/len),
Mareike (MAR/mar),
Markus (MAK/mak),
Melissa (MEL/mel),
Projektmitarbeiterin (MIT/mit), wenn namentlich im Diskurs erwähnt: Mira,
Moderatorin (MOD/mod),
Ornella (ORN/orn),
Renate (REN/ren),
Silke (SIL/sil),
Stella (STE/ste).
Die Sonderzeichen indizieren den Anfang und das Ende von den in den Transkripten vorkommenden verkörperlichten Handlungen, wie Blickrichtung und
-bewegung sowie Gestik und Körperbewegung.
Von Katrin, Markus, Melissa und Ornella wurden keine verkörperlichten Handlungen in den Transkripten vermerkt.
agn © ©
chr ε ε
dor & &
eri ⸾ ⸾
gis ƒ ƒ
han ƍ ƍ
ils ^ ^
jak ˅ ˅
jes ꬹ ꬹ
len ¿ ¿
mar ® ®
mit * *
mod + +
ren §§
sil ~ ~
ste % %
Handlung zieht sich über mehrere Zeilen hin.
---->
Ende der Handlung
---->+
Handung geht über die Sequenz hinaus weiter.
---->>
Beginn der Handlung vor dem Beginn der Sequenz
>>
Vorher begonnene verkörperlichte Handlung geht weiter, eine andere kommt hinzu (hier z. B. Lachen)
---->lacht---->
Noch 2009 beklagten Asmuß und Svennevig (2009: 4/5), dass es einen Mangel an Untersuchungen von (beruflichen) Videokonferenzen gebe. Obwohl sicher noch weiterhin Forschungsbedarf besteht (Oittinen 2020: 17), hat sich die Situation angesichts der wachsenden Anzahl an Studien zu dem Thema deutlich verbessert. Neben den bereits in der Einführung erwähnten Workplace Studies sind hier Beiträge aus der Unternehmenskommunikation im Rahmen der Angewandten Linguistik, der Diskurspsychologie und den Kommunikationswissenschaften zu nennen (für einen Überblick s. Asmuß / Svennevig 2009: 3–5). Alle genannten Wissenschaftsdisziplinen bereichern und konstituieren das mittlerweile breit aufgestellte Forschungsfeld zu „Meeting Science“ (vgl. Allen et al. 2015; Cooren 2007), vor dessen Hintergrund heute berufliche Videokonferenzen erforscht werden.