Internationalisierung der Curricula -  - E-Book

Internationalisierung der Curricula E-Book

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Beschreibung

Das Heft richtet sich an Forschende aus der Hochschuldidaktik, Hochschulforschung, den Bildungswissenschaften sowie der Diversitätsforschung, den Cultural Studies, der Interkulturellen Germanistik und der Interkulturellen Pädagogik. Adressiert sind außerdem Hochschulangehörige, die an der Entwicklung von Curricula oder der Internationalisierung im Allgemeinen beteiligt sind, sowie Lehrende und Studiengangskoordinatorinnen und -koordinatoren. Der Themenschwerpunkt soll die Herausforderungen und Möglichkeiten erkunden, die die Internationalisierung der Curricula im deutschsprachigen Hochschulkontext insbesondere mit Blick auf die unterschiedlichen Disziplinen und Wissenschaftstraditionen mit sich bringt. Es werden daher sowohl theoriebildende Beiträge als auch Arbeiten, deren Fokus in der Überprüfung und Anwendung von Theorien und Modellen liegt, sowie Studien zur Wirksamkeit akzeptiert. Das Heft soll zwei Perspektiven miteinander verbinden: Zum einen sollen theoriegeleitete Berichte aus der Praxis Einblicke in die pädagogisch-didaktische und technische bzw. organisatorische Gestaltung erprobter Internationalisierungskonzepte und deren curriculare Verankerung bieten. Zum anderen sollen Arbeiten die konzeptionellen Ausgangspunkte der curricularen Einbindung globaler Perspektiven und interkultureller Kompetenzvermittlung diskutieren. So soll ein verstärkter wissenschaftlicher Austausch über das Thema initiiert werden.

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Inhalt

Vorwort

Editorial: Internationalisierung der Curricula

Hiltraud Casper-Hehne, Tanja Reiffenrath

Demokratie-Vermittlung global denken

Britta Breser

Good Practice – Blended Learning in der internationalisierten Lehramtsausbildung

Katharina Wedler, Simone Karrie

The Role of Language Tandems in the Internationalization of University Curricula

Tim Dittmann

The Added Value of an Intentional Training

Refiya Scheltinga, Eveke De Louw, Claudia Bulnes

Interactive Serious Games: Communication and Play to Promote Intercultural Competence

Alexandra Schreiber, Dominik Wilhelm

Internationalisierung und Digitalisierung in den Ingenieurwissenschaften

Dominik May, Nina Schiffeler, Tobias R. Ortelt, Frigga Göckede, Sulamith Frerich, Diana Keddi, Valerie Stehling, Anja Richert, Sabina Jeschke, Marcus Petermann, A. Erman Tekkaya

Communication Matters

Elizabeth M. Goering

The missing link in internationalisation

Jos Beelen

Strengthening the Intercultural Competence continuum

Claudia Bulnes, Eveke De Louw

Approaching the Invisible

Angelika Thielsch

Freie Beiträge

Gegenüberstellung von Bildungsstandards und Bedarfsanalyse bzgl. der Mathematikgrundlagen an der HS Stralsund

Paul Wolf, Stefan Friedenberg

Indikatoren für kooperative, online-basierte Lernprozesse: Entwicklung und Erprobung

Elske Ammenwerth, Werner O. Hackl, Michael Felderer, Alexander Hörbst

Vorwort

Als wissenschaftliches Publikationsorgan des Vereins Forum neue Medien in der Lehre Austria kommt der Zeitschrift für Hochschulentwicklung besondere Bedeutung zu. Zum einen, weil sie aktuelle Themen der Hochschulentwicklung in den Bereichen Studien und Lehre aufgreift und somit als deutschsprachige, vor allem aber auch österreichische Plattform zum Austausch für Wissenschafter/innen, Praktiker/innen, Hochschulentwickler/innen und Hochschuldidaktiker/innen dient. Zum anderen, weil die ZFHE als Open-Access-Zeitschrift konzipiert und daher für alle Interessierten als elektronische Publikation frei und kostenlos verfügbar ist.

Die Jahresbesuchszahl liegt in den Jahren 2014 und 2015 bei mehr als 30.000 Besucher/innen pro Jahr. Die Besuche pro Monat zeigen Spitzenwerte von mehr als 3.500 Besucherinnen und Besuchern pro Monat; dies entspricht durchschnittlich mehr als 100 Besucherinnen/Besuchern pro Tag, die Inhalte der Zeitschrift konsumieren. Gleichzeitig hat sich die Zeitschrift mittlerweile einen fixen Platz unter den fünfzig besten deutschsprachigen Wissenschaftspublikationen laut Google Scholar Metrics gesichert.

Dieser Erfolg ist einerseits dem international besetzten Editorial Board sowie den wechselnden Herausgeberinnen und Herausgebern zu verdanken, die mit viel Engagement dafür sorgen, dass jährlich mindestens vier Ausgaben erscheinen. Andererseits gewährleistet das österreichische Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft durch seine kontinuierliche Förderung das langfristige Bestehen der Zeitschrift. Im Wissen, dass es die Zeitschrift ohne diese finanzielle Unterstützung nicht gäbe, möchten wir uns dafür besonders herzlich bedanken.

Bei der Internationalisierung der Curricula geht es nicht (allein) darum, Studiengänge in englischer Sprache anzubieten oder international mobile Studierende zu rekrutieren; im Zentrum steht vielmehr die Öffnung der Curricula. Im ersten Teil der Ausgabe widmen sich die Autorinnen und Autoren unterschiedlichen Zugängen zur Internationalisierung der Curricula. Vor dem Hintergrund, dass diese – für sich genommen – weder ein eigenes didaktisches Konzept darstellt, noch (alleinige) Zielsetzung sein kann, eröffnen die Beiträge einen breiten Instrumentenkasten. Die Beiträge im zweiten Teil nehmen die Rahmenbedingungen und Strukturen in den Blick, die die Internationalisierung unterstützen und begünstigen können, und widmen sich verstärkt der Rolle unterschiedlicher Akteurinnen und Akteure.

Seit der Ausgabe 9/3 ist die ZFHE auch in gedruckter Form erhältlich und beispielsweise über Amazon beziehbar. Als Verein Forum neue Medien in der Lehre Austria freuen wir uns, das Thema „Hochschulentwicklung“ durch diese gelungene Ergänzung zur elektronischen Publikation noch breiter in der wissenschaftlichen Community verankern zu können.

In diesem Sinn wünschen wir Ihnen viel Freude bei der Lektüre der vorliegenden Ausgabe!

Martin Ebner und Hans-Peter Steinbacher

Präsidenten des Vereins Forum neue Medien in der Lehre Austria

Hiltraud CASPER-HEHNE & Tanja REIFFENRATH1 (Göttingen)

Editorial: Internationalisierung der Curricula

Die Hochschulen in Österreich, Deutschland und der Schweiz haben das im Rahmen des Erasmus+-Programms gesteckte Mobilitätsziel für 2020 bereits erreicht und vielerorts auch schon überschritten. Durchschnittlich entscheiden sich zwischen 20 und 30 % der Studierenden für einen studienbezogenen Auslandsaufenthalt; eine größere Zahl wagt daneben im Rahmen von Kurzzeitprogrammen den Schritt ins Ausland (BUNDESAMT FÜR STATISTIK, 2016; STIFTERVERBAND FÜR DIE DEUTSCHE WISSENSCHAFT, 2015; UNGER et al., 2012). Diesen erfreulichen Zahlen entgegen steht jedoch die Tatsache, dass die immer noch überwiegende Mehrheit der Studierenden keinen Auslandsaufenthalt absolviert.

In diesem Zusammenhang stellt sich daher für Hochschulen nicht nur die Frage, wie die Auslandsmobilität zukünftig noch stärker gefördert werden kann, sondern auch, wie all jene Studierenden, denen es aus den unterschiedlichsten Gründen nicht möglich ist, einen Auslandsaufenthalt zu realisieren, interkulturelle Kompetenzen und fundiertes Wissen um internationale Sachverhalte erwerben können. Ein international ausgerichtetes Curriculum an der Heimathochschule kann, wie Jos Beelen und Elspeth Jones argumentieren, Möglichkeiten zum Kompetenzerwerb für alle Studierenden eröffnen (BEELEN & JONES, 2015, S. 7). Gleichzeitig können internationalisierte Curricula, die Rahmenbedingungen für erfolgreiche interkulturelle Aushandlungsprozesse schaffen, Studierenden (erste) Einblicke in andere Kulturen und Hochschulsysteme bieten, den Fremdsprach- und Wissenserwerb fördern und Studierende zu einem (weiteren) Auslandsaufenthalt motivieren.

Daneben treten an der Heimathochschule Herausforderungen in den Vordergrund, bedingt mitunter auch durch die Tatsache, dass aktuell „so viele Menschen an einer Hochschule eingeschrieben [sind,] wie noch nie zuvor“ (ZIEGELE & RISCHKE, 2015, S. 4). Mit einer Vielfalt an Biographien und Lebensentwürfen kommen Studierende heute an die Hochschulen und bringen ganz unterschiedliche Lernstile und -gewohnheiten, Konzepte des Selbststudiums oder Traditionen wissenschaftlichen Arbeitens mit (RÖSCH, 2015, S. 19). Es lässt sich kaum mehr von einer traditionellen, homogenen „deutschen“ Studierendengruppe sprechen, genauso wenig wie von den „internationalen“ Studierenden (cf. CAROLL, 2015, S. 16f.). Eine große Perspektivenvielfalt kommt in unseren Hochschulen zusammen und es ist genau dort, dass die Internationalisierung der Curricula ebenfalls einen wichtigen Platz findet (vgl. ZIEGELE & RISCHKE, 2015, S. 4), indem sie dazu beitragen kann, „internationalen“ Studierenden sowie Studierenden mit Migrationserfahrung Raum für verstärkte Teilhabe im Wissenschaftssystem zu eröffnen. Keineswegs ist es ein Ziel, Homogenität in den Studierendenkohorten herzustellen; vielmehr geht es darum, Vielfalt sichtbar zu machen und als Ressource für die Lehre aufzugreifen, um dabei, wie Olga Rösch schreibt, die Entwicklung einer Gemeinschaft zu unterstützen, die erfolgreich studiert (RÖSCH, 2015, S. 19).

In unserem Verständnis der Internationalisierung der Curricula folgen wir der Definition Betty Leasks, die diese als „die Integration internationaler und interkultureller Dimensionen sowie einer globalen Perspektive in die Inhalte der Curricula, die Lernziele, die Lehr- und Lernmethoden, Assessmentformen sowie Unterstützungsstrukturen eines Studienprogramms“ beschreibt (LEASK, 2015, S. 9; eigene Übersetzung). Hier wird deutlich, dass es nicht (allein) darum geht, Studiengänge in englischer Sprache anzubieten oder international mobile Studierende zu rekrutieren (vgl. JONES, 2017); im Zentrum steht vielmehr die Öffnung der Curricula. Das Überwinden von Grenzen, das die Internationalisierung der Curricula zum Ziel hat, ist dabei zunächst ein inhaltliches Unterfangen, ein Blick über den Tellerrand, der die Frage bedingt, was unterrichtet wird – und warum (vgl. LEASK, 2011, S. 11). National geprägte Inhalte und westliche Sichtweisen können so durch regelmäßige Perspektivwechsel um eine globale Perspektive erweitert werden.

Gleichsam bedeutend wird die Frage danach, wie die Internationalisierung der Curricula umgesetzt werden kann, denn die ohnehin schon dichten Curricula erlauben häufig wenig Raum, um zusätzliche, neue thematische Aspekte aufzunehmen (WINTERSTEINER, 2014, S. 37f.). Damit gibt die Internationalisierung der Curricula Anlass, Möglichkeiten zur Integration internationalisierter Inhalte in bestehenden Lehrveranstaltungen zu prüfen und, damit einhergehend, zu erörtern, welches Potential traditionelle Lernumgebungen für die Internationalisierung bieten und in welchen Kontexten die Implementierung neuer Lehr- und Lernszenarien sinnvoll erscheint. Die Internationalisierung der Curricula verändert so die Lehre maßgeblich (vgl. LEENEN, 2015, S. 25) und wird aktuell in der Hochschulpolitik sowie in der Wissenschaftslandschaft intensiv diskutiert.

Seitdem der Call for Papers für diese Ausgabe im Dezember 2016 veröffentlicht wurde, lässt sich beobachten, dass der Diskurs zum Thema merklich an Dynamik gewonnen hat. In Deutschland veröffentlichte beispielsweise die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) im Mai 2017 eine Empfehlung der Mitgliederversammlung zur Internationalisierung der Curricula.2 Auch europäische Hochschulnetzwerke beschäftigen sich intensiv mit diesem Thema. Leuchtturmprojekte in der Lehre erscheinen mitunter vermehrt eingebettet in und unterstützt von Strukturen einer ‚Internationalisation at Home‘.3 Als Gastherausgeberinnen haben wir uns gefreut, dass uns neben einer Reihe deutschsprachiger Beiträge auch eine recht große Zahl englischsprachiger Beiträge erreicht hat. Diese liefern einerseits wichtige Impulse aus anderen Hochschulsystemen und helfen andererseits, unsere Diskussionen im deutschsprachigen Hochschulraum an internationale Diskurse anzuschließen.

Schließlich erinnern Frank Ziegele und Melanie Rischke daran, dass es bei der Internationalisierung gilt, Balance zu wahren. Sie plädieren für ein ausgewogenes

Verhältnis zwischen „Kreativität und Strategie“ sowie für Ansätze bei der Internationalisierung der Hochschullehre, die „Strukturen und Personen“ stärken, indem die Verantwortlichkeit für die Internationalisierung strukturell zwar von vielen Hochschulangehörigen getragen wird, die Initiativen und Leistungen einzelner Akteurinnen und Akteure jedoch einzeln sichtbar bleiben (ZIEGELE & RISCHKE, 2015, S. 7). Dies veranschaulichen die vorliegenden Beiträge.

1 Maßnahmen zur Internationalisierung der Curricula

Im ersten Teil der Ausgabe widmen sich die Autorinnen und Autoren unterschiedlichen Zugängen zur Internationalisierung der Curricula. Die Projekte und Initiativen, aus denen die Autorinnen und Autoren berichten, sowie die Fragestellungen, die sie erforschen, sind eingebettet in institutionelle Zusammenhänge oder gründen sich in Desideraten verschiedener disziplinärer Kontexte, in denen „das Internationale“ einen jeweils anderen Stellenwert hat und im Curriculum traditionell unterschiedlich stark angelegt ist. Vor dem Hintergrund, dass die Internationalisierung der Curricula – für sich genommen – weder ein eigenes didaktisches Konzept darstellt, noch (alleinige) Zielsetzung sein kann, eröffnen die Beiträge des ersten Teils einen breiten Instrumentenkasten. Sie zeigen, wie Perspektivwechsel und Möglichkeiten zum interkulturellen Kompetenzerwerb auf Modul- und Studiengangsebene systematisch und theoriegeleitet gestaltet werden können und wie die Internationalisierung des formellen und informellen Curriculums dabei eine wechselseitige Stärkung erfahren kann.

Die Frage danach, wie die LehrerInnenbildung stärker internationalisiert werden kann, erscheint als eine dringliche, sehen wir doch künftige Lehrer/innen als wichtige Multiplikatorinnen bzw. Multiplikatoren, die Schüler/innen schon früh auf eine von Globalisierungsprozessen geprägte Lebenswelt vorbereiten. So widmen sich zwei Beiträge der Internationalisierung der LehrerInnenbildung. Britta Breser nähert sich dem Thema aus österreichischer Perspektive. Wie soll Demokratie-Vermittlung gestaltet werden, fragt sie, und skizziert fünf Forderungen, die die in diesem Zusammenhang geforderten Sach-, Urteils-, Methoden- und Handlungskompetenzen für zukünftige Lehrer/innen konkretisieren und so Ansatzpunkte für die Implementierung trans- und internationaler Themenfelder in der LehrerInnenbildung an der Hochschule bieten.

In ihrem Werkstattbericht zur LehrerInnenbildung zeigen Katharina Wedler und Simone Karrie anhand eines Beispiels, wie Studierende im Rahmen einer internationalisierten Lehrveranstaltung herausgefordert werden, eigene Deutungs- und Handlungsmuster im kulturell und sprachlich heterogenen Klassenzimmer kritisch zu reflektieren. Die Autorinnen berichten von ihrem Einsatz des Erklärvideos als Anlass und Instrument, „sich mit dem Anderen intensiv [zu] beschäftigen“ und dabei wissenschaftliche Diskurse mit den potentiellen Herausforderungen des Schulalltags in Dialog zu bringen.

Tim Dittmanns Studie analysiert die Kompetenzentwicklung bei Studierenden, die an einem Sprachtandem-Programm am heimischen Campus teilgenommen haben, anhand quantitativer Daten. Der Autor identifiziert statistisch signifikante Verbesserungen in der Selbstwirksamkeit und kulturellen Intelligenz der Lernenden, die Sprachtandems als eine geeignete Ergänzung bestehender Angebote im Rahmen der ‚Internationalisierung zu Hause‘ erscheinen lassen; darüber hinaus plädiert Dittmann für eine curriculare Verankerung von Sprachtandems in der Hochschullehre.

Auch Claudia Bulnes, Eveke de Louw und Refiya Scheltinga lassen Studierende erworbene Kompetenzen reflektieren, allerdings im Kontext von studiengangsbezogener Mobilität. In ihrer Studie untersuchen sie affektive Elemente interkultureller Sensibilität. Mit Studierenden des „iStart“-Programms, das dabei hilft, studienbezogene Auslandsaufenthalte vorzubereiten, zu begleiten und zu reflektieren, sowie mit einer Kontrollgruppe testen die Autorinnen vier Hypothesen, um Veränderungen in der interkulturellen Sensibilität der Studierenden nach einem Auslandsaufenthalt und die Wirkung eines ins Curriculum integriertem interkulturellen Trainings zu ergründen.

Eine Möglichkeit zum Erwerb interkultureller Kompetenzen auf dem Heimatcampus stellen Alexandra Scheiber und Dominik Wilhelm in ihrem Werkstattbericht vor. Das Serious Game SumMit, welches die Autorin und der Autor gemeinsam mit Studierenden entwickelt und programmiert haben, verbindet Herausforderungen in der Welt des Spiels mit einem Austausch in der Realität der Spielenden. So soll es Studierenden ermöglicht werden, in dynamischen Gruppenkonstellationen mehr über kulturell geprägte Kommunikationsweisen zu erfahren und eigene Kommunikationsmuster zu reflektieren.

Aus dem Kontext des Verbundprojektes „ELLI 2 – Exzellentes Lehren und Lernen in den Ingenieurwissenschaften“ präsentieren Dominik May et al. verschiedene Konzepte für die Internationalisierung der Lehre mittels digitaler Medien. Neben digital unterstützten Kurzzeitprogrammen gehen die Autorinnen und Autoren auf die Nutzung tele-operativer Labore in der Lehre ein. Gerade in der virtuellen, grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der Studierenden sehen die Autorinnen und Autoren ein besonderes Potential, Kompetenzen für die Praxis des Ingenieurberufs integrativ zu vermitteln.

2 Internationalisierung der Curricula strukturell leiten und unterstützen

Die Beiträge im zweiten Teil der Ausgabe nehmen die Rahmenbedingungen und Strukturen in den Blick, die die Internationalisierung unterstützen und begünstigen können, und widmen sich verstärkt der Rolle unterschiedlicher Akteurinnen und Akteure. In ihrem Werkstattbericht schildert Elizabeth Goering, welche Kommunikationswege und -strukturen notwendig sind, um eine umfassende, aber gleichzeitig kontextspezifische Internationalisierung der Curricula zu entwickeln und in der Hochschule umzusetzen. Ausgehend vom Verständnis der Internationalisierung der Curricula als kommunikativer Prozess entwirft die Autorin einen Werkzeugkasten für die Planung strategischer Kommunikation über das Thema und zeigt in fünf

Schritten Möglichkeiten auf, die Internationalisierung der Lehre von einer „guten Idee“ zur Praxis werden zu lassen.

Betrachtet man die Beiträge dieses Teils gemeinsam, so ist es kaum verwunderlich, dass trotz ihrer Perspektivenvielfalt und trotz der unterschiedlichen Ausgangssituationen, die den Blick der Autorinnen und Autoren leiten, einer Gruppe ganz besonderes Augenmerk geschenkt wird – den Lehrenden. Auf dem Weg in die praktische Umsetzung erinnert Jos Beelen an die entscheidende Rolle, die Lehrende bei der Internationalisierung ihrer Curricula einnehmen. Ihre Weiterqualifikation in Bezug auf die Internationalisierung der Curricula, so argumentiert er, ist derzeit noch ein „missing link“ in Internationalisierungsprozessen. In seinem Beitrag legt er dar, dass traditionelle Weiterqualifizierungsmechanismen wie beispielsweise staff mobilities wenig Aufschluss darüber geben, welche Qualifikationen und Impulse Lehrende tatsächlich erhalten können. Er argumentiert, dass wirksame Angebote zur Unterstützung und Weiterqualifikation der Lehrenden nicht zentral, sondern im konkreten Kontext der jeweiligen Studienprogramme entwickelt werden sollten.

Um den in Beelens Beitrag angesprochenen „missing link“ zu adressieren, stellen Claudia Bulnes und Eveke de Louw in ihrem Werkstattbericht aus dem Kontext des European Studies Programm der The Hague University of Applied Sciences Weiterqualifizierungsmaßnahmen für Lehrende vor. Die Maßnahmen legen Konzepte und Ziele der Internationalisierung der Curricula auf Studiengangsebene offen und unterstützen Lehrende dabei, die internationale Dimension des Studienprogramms zu konkretisieren und diese explizit in den Lernzielen der Veranstaltungen zu verankern. Die Autorinnen berichten, dass diese Art der Unterstützung dazu beiträgt, das Engagement der Lehrenden bei der Internationalisierung der Curricula deutlich zu steigern.

Während diese Beiträge insbesondere Bezug auf die Gestaltung des formellen Curriculums nehmen, schenkt Angelika Thielsch in ihrer Studie dem sogenannten hidden curriculum besondere Beachtung. Aus der Perspektive der kritischen Diskursanalysis nähert die Autorin sich den Erfahrungen ehemaliger Austauschstudierender und legt so Elemente des ‚heimlichen Lehrplans‘ und diskursiver Praxis an der Hochschule offen. Aus diesen Ergebnissen entwickelt die Autorin einen Leitfaden, der Lehrenden zur Reflexion der Werte und Erfahrungen dienen kann, die ihre Lehre leiten, und auch derjenigen Elemente eines Curriculums, die im Internationalisierungsprozess weiterentwickelt werden können.

3 Dank an die Gutachter/innen

Ein herzlicher Dank gebührt den ehrenamtlich tätigen Gutachter/innen aus vielen unterschiedlichen Forschungsbereichen und Praxisfeldern, deren Expertise die Gestaltung des Themenhefts sehr bereichert hat. In alphabetischer Reihenfolge bedanken wir uns bei Taiga Brahm, Elisabeth Brunner-Sobanski, Gottfried S. Csanyi, Robert Coelen, Frederik De Decker, Mònica Feixas, Kerstin Gal, Alexander Gröschner, Petra Hauptfeld, Markus Janssen, Tobias Johannes Jenert, Elspeth Jones, Marcelo Kremer, Catherine Meissner, Amanda Murphy, Chahira Nouira, Milla Ovaska, Dominik Röding, Wolfgang Schatz, Felix Seyfarth, Christian Sitte, Nina Maria Wachendorf, Marco Winzker und Karola Wolff.

Ebenfalls ganz herzlich möchten wir dem ZFHE Editorial Board und Michael Raunig aus dem Redaktionsbüro danken, der das Themenheft in seiner Entstehung begleitet hat.

Wir wünschen nun Ihnen, liebe Leser/innen, mit dieser Ausgabe eine interessante Lektüre.

4 Literaturverzeichnis

Bundesamt für Statistik (2016). Mobilität der Absolventen/innen HS, Entwicklung.

https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/bildung-wissenschaft/bildungsindikatoren/indikatoren/mobilitaet-absolventen-hs.assetdetail.1401656.html, Stand vom 30. November 2017.

Beelen, J. & Jones, E. (2015). Looking Back at 15 Years of Internationalization at Home. EAIE Forum, S. 6-8.

Carroll, J. (2015). Tools for teaching in an educationally mobile world. London, New York: Routledge.

HRK (2017). Zur Internationalisierung der Curricula.

https://www.hrk.de/positionen/beschluss/detail/zur-internationalisierung-der-curricula, Stand vom 1. Dezember 2017.

Jones, E. (2017). Internationalisation of the Curriculum: Challenges, Misconceptions and the Role of Disciplines. In H. Casper-Hehne & T. Reiffenrath (Hrsg.), Internationalisierung der Curricula an Hochschulen: Konzepte, Initiativen, Maßnahmen (S. 21-38). Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag.

Leask, B. (2015). Internationalization of the Curriculum. New York: Routledge.

Leask, B. (2011). Assessment, learning, teaching and internationalisation – engaging for the future. Assessment, Teaching and Learning Journal, 11 (Sommer), 5-20.

Rösch, O. (2015). Internationalisierung der Hochschule – was sind unsere Ziele?

Die Neue Hochschule, 1(1), 18-24.

Stifterverband für die deutsche Wissenschaft (2015). Hochschulbildungsreport 2020. Jahresbericht 2015: Internationale Bildung. Essen.

http://www.stifterverband.org/medien/hochschul-bildungs-report-2020-bericht-2016, Stand vom 1. Dezember 2017.

Unger, M., Grabher, A., Wejwar, P. & Laimer, A. (2012). Internationale Mobilität: Zusatzbericht der Studierenden-Sozialerhebung 2011.

http://www.equi.at/dateien/Internationale_Mobilitaet_So.pdf, Stand vom 30. November 2017.

Ziegele, F. & Rischke, M. (2015). Profil durch Internationalisierung – sind englischsprachige Vorlesungen genug? Die Neue Hochschule, 1(1), 4-7.

Herausgeberinnen

Prof. Dr. Hiltraud CASPER-HEHNE || Georg-August-Universität Göttingen, Vizepräsidentin für Internationales || Wilhelmsplatz 1, D-37073 Göttingen

[email protected]

Dr. Tanja REIFFENRATH || Georg-August-Universität Göttingen, Abteilung Studium und Lehre || Wilhelmsplatz 2, D-37073 Göttingen

[email protected]

1 E-Mail: [email protected]

2 Das Empfehlungspapier kann unter dem folgenden Link eingesehen werden: https://www.hrk.de/positionen/beschluss/detail/zur-internationalisierung-der-curricula/

3 Zum Begriff der Internationalisation at Home, auch in Abgrenzung zur Internationalisierung der Curricula, vgl. BEELEN & JONES, 2015.

Britta BRESER4 (Graz)

Demokratie-Vermittlung global denken: Wie lassen sich transnationale Demokratie-Kompetenzen anbahnen?

Zusammenfassung

Jahrzehntelang bezog sich die gesellschaftliche Bildung in Österreich fast ausschließlich auf das nationale Politiksystem. Durch die aktuellen curricularen Veränderungen in der Lehrer/innenbildung wird nun eine Internationalisierung sichtbar: „Global Citizenship Education“ oder „Politische Bildung im globalen Kontext“ haben als selbständige Lehrveranstaltungen oder fächerübergreifende Querschnittsmaterien Eingang in den Fächerkanon auf Universitäten- und Hochschulebene gefunden.

Doch wie sollen Demokratie-Kompetenzen für Studierende im Kontext globaler Vernetzung angebahnt werden? Der vorliegende Beitrag diskutiert Herausforderungen für Lehrende in der Lehrer/innenbildung, die aktuelle grenzüberschreitende Entwicklungen ernst nimmt.

Schlüsselwörter

Lehrer/innenbildung, Globalisierung und Internationalisierung, politische und gesellschaftliche Bildung, Demokratie-Vermittlung, transnationale Demokratie-Kompetenzen

Democracy education with a global perspective: How should transnational democratic competencies be developed?

Abstract

For decades, societal education in Austria concentrated almost exclusively on the national political system. However, the current changes to the teacher training curriculum show a trend towards internationalization. “Global Citizenship Education” or “Political Education in the Global Context” have become standalone courses or interdisciplinary entryways into both university and other tertiary level curricula. But how should the process of developing student competencies for democracy be initiated in the context of global interconnection? This paper discusses challenges instructors in teacher training programs face in confronting these transnational developments.

Keywords

Teacher training, globalization and internationalization, political and societal education, democratic education, transnational democratic competencies

1 Einleitung: Politische Bildung überschreitet nationale Grenzen

Politische Bildung5 ist im österreichischen tertiären Bildungswesen vor allem im Lehramtsstudium „Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung“ für die Sekundarstufe verankert. Wenn auch selten als „Politische Bildung“ oder „Citizenship Education“ deklariert, finden sich deren Inhalts- und Zielbereiche mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen auch in anderen Lehramtsstudien – vor allem in den Geisteswissenschaften und im Lehramtsstudium „Geographie und Wirtschaftskunde“. Im Lehramtsstudium für die Primarstufe kommen Inhalte zur Politischen Bildung vorrangig in Lehrveranstaltungen zu bildungswissenschaftlichen Grundlagen, zum Sachunterricht oder im Bereich der Inklusiven Pädagogik vor. Obwohl die Politische Bildung in Österreich seit 1978 als fächerübergreifendes Unterrichtsprinzip für alle Schulformen, Schulstufen und Unterrichtsgegenstände gilt, sind diesbezüglich verpflichtende Ausbildungsmodule für Studierende aller Lehrämter nicht vorgesehen. Allerdings werden an einigen Universitäten und Hochschulen Postgraduate-Lehrgänge zur Politischen Bildung angeboten.

Auch wenn die globale Dimension im österreichischen „Grundsatzerlass“ zur Politischen Bildung von 1978 (ÖSTERREICHISCHES BUNDESMINISTERIUM FÜR UNTERRICHT UND KUNST, 1978) erstmals berücksichtigt wurde, bezog sich die Politikdidaktik auf Universitäten- und Hochschulebene jahrzehntelang fast ausschließlich auf das nationale Politik- und Gesellschaftssystem. Seit den 1990er Jahren wurden im deutschen Sprachraum zwar vermehrt Bildungsansätze zu globalen Fragen aus verschiedenen Blickpunkten bearbeitet (OVERWIEN & RATHENOW, 2009, S. 12). Unterschiedliche inhaltliche Anregungen fanden sich diesbezüglich in entwicklungspolitischen, friedenspädagogischen, ökopädagogischen, interkulturellen Zugängen sowie in der Menschenrechte-Bildung (DIENDORFER et al., 2015). Ihr Niederschlag kennzeichnete sich mitunter durch diffuse Begriffsverwendungen sowie zum Teil einseitige statt kontroversielle Betrachtungsweisen globaler Entgrenzungsprozesse (GRANDITS, 2003, S.10).

Die Reform der Curricula im Zuge der neuen Lehrer/innenbildung in Österreich seit 2015 stärkt nun die Internationalisierung der Politischen Bildung und macht deutlich, dass Politik und Gesellschaft auch über nationalstaatliche Grenzen hinaus gedacht werden müssen. Auf Grundlage des überarbeiteten „Unterrichtsprinzips für die Politische Bildung“ (ÖSTERREICHISCHES BUNDESMINISTERIUM FÜR BILDUNG, 2015) als Leitlinie haben die neuen Curricula in den vier österreichischen Entwicklungsverbünden Schwerpunkt-Verlagerungen politischgesellschaftlicher Lehrveranstaltungen von der nationalen auf die transnationale Ebene vorgenommen. Speziell im angelsächsischen Bildungssystem, in dem der Begriff „Global Education“ bereits früher entwickelt war, hat man Impulse gefunden (OVERWIEN & RATHENOW, 2009, S. 12):

Eigenständige Lehrveranstaltungen

mit den Bezeichnungen „Politische Bildung im globalen Kontext“, „Bildung für nachhaltige Entwicklung und globales Lernen“ oder „Global Citizenship Education“ wurden sowohl in Lehramtsstudien für den Primar- als auch den Sekundarbereich eingeführt (BUNDESMINISTERIUM FÜR BILDUNG, 2017a).

Querschnittsmaterien

, die in Lehrveranstaltungsmodulen als übergreifende inhaltliche Bezugspunkte behandelt werden sollen, umfassen ebenfalls politisch-gesellschaftliche Themenfelder – z. B. „Global Citizenship Education“, „Diversität“, „Inklusion“, „Digitale Medien“ (BUNDESMINISTERIUM FÜR BILDUNG, 2017a).

Ein

Master-Universitätslehrgang

„Global Citizenship Education“ (sechs Semester) sowie zwei

Hochschul-Lehrgänge

„Globales Lernen – Pädagogik für WeltbürgerInnen“ (drei Semester) bzw. „(Hochschul-)Didaktik Global Citizenship Education. Politische Bildung für die Weltgesellschaft“ (vier Semester) wurden als Fort- und Weiterbildung implementiert (BUNDESMINISTERIUM FÜR BILDUNG, 2017b).

2 Aktuelle Bestandsaufnahme: Demokratie- Vermittlung im Kontext von Globalisierung

Was Weidenfeld als demokratische „Krisenkomplexe“ globalisierter Gesellschaften aufgrund transnationaler Entgrenzungsprozesse beschreibt, zeigt sich europaweit gerade in eklatanter Weise: Migrationsbewegungen, EU-Austrittsbegehren, Brexit-Verhandlungen, umstrittene transnationale Konzerne und internationale Handelsverträge führen vor Augen, dass politische Probleme unübersichtlicher werden, Abhängigkeiten größer, Handlungsspielräume enger, das Vertrauen in die politische Handlungsfähigkeit abnimmt und die Distanz zu demokratischen Institutionen wächst (WEIDENFELD, 1996, S. 10). Transnationale Zusammenarbeit macht die Grenzen demokratischer Prozesse in ihren bekannten historischen Formen der Nationalstaaten deutlich. Die Internationalisierung von Politik stellt bisher als selbstverständlich vorausgesetzte Systembedingungen von Demokratie – „ihre Stabilisierung und Entfaltung in einem staatlich fixierten territorialen und gemeinschaftsbildenden wie gemeinschaftsprägenden Rahmen“ (MASSING, 2009, S. 29) – in Frage. Die Schwächen repräsentativer Demokratie in einer global vernetzten Gesellschaft führen zu Unzufriedenheit hinsichtlich demokratischer Institutionen. Traditionelle Formen politischer Beteiligung verlieren an Zustimmung (EUROSTAT, 2015), neue Optionen demokratischer Mitbestimmung sind im Entstehen.

In einem demokratisch-liberalen Gemeinwesen zählt Demokratie-Vermittlung zu den Kernaufgaben eines Bildungssystems, es gilt deshalb auf diese Entwicklungen zu reagieren. Fokussiert man die österreichischen Curricula auf Universitäts- und Hochschulebene, so ist festzuhalten, dass eine wesentliche Komponente politischgesellschaftlicher Bildung in einem global vernetzten Gemeinwesen – die transnationale Demokratie-Vermittlung – bislang unterbelichtet bleibt. Zwar wird die Entwicklung von Kompetenzen zur gesellschaftlichen Teilhabe, zur Mitgestaltung und Mitverantwortung in der globalen Gesellschaft hervorgestrichen. Dass sich die Vermittlung demokratischer Mitgestaltung an die Bedingungen entgrenzter Nationalstaaten anpassen und somit auch neu ausrichten muss, wird jedoch nur unzureichend deutlich gemacht.

Doch wie soll Demokratie-Vermittlung gestaltet werden, um auf grenzüberschreitende Entscheidungsprozesse zu reagieren? Welches Wissen und welche Kompetenzen braucht es, damit Studierende auch in global immer unübersichtlicher werdenden politischen Konstellationen demokratische Handlungsspielräume einnehmen und diese auch weitergeben können?

Diese Fragen ziehen deutliche Veränderungen in der Lehrer/innenbildung nach sich: Transnationale Politik erfordert demokratisches Handeln über nationalstaatliche Grenzen hinaus. Demokratie muss daher auch aus transnationaler Perspektive vermittelt werden. Politische Bildung muss sich vom nationalen Rahmen lösen, indem sie den angehenden Lehrpersonen die Perspektive erweitert und demokratische Handlungs- und Reflexionskompetenzen in transnationalen Räumen entwickelt.

Perspektivenerweiterung und Perspektivenwechsel sollten in den Curricula-Inhalten genauso im Zentrum stehen wie bei der praktischen Anbahnung politischer Kompetenzen: „Internationalization of the curriculum is the incorporation of international, intercultural and/or global dimensions into the content of the curriculum as well as the learning outcomes […]” (LEASK, 2015, S. 209)

Im Unterschied zur schulischen Bildungspraxis kann für den tertiären Bildungssektor festgestellt werden, dass sich wesentliche Grundvoraussetzungen für die Anbahnung transnationaler Demokratie-Kompetenzen bei den Studierenden im Vorfeld bereits entwickelt haben. Durch internationale Mobilitäten – nicht zuletzt im Rahmen der tertiären Ausbildung – ist damit zu rechnen, dass sich mitunter rein nationale Zugehörigkeiten aufgebrochen, transnationale Strukturen und Beziehungen sowie Diskurs- und Aktionsräume im Alltag der Studierenden zumindest ansatzweise etabliert haben (SHULTZ, 2011, S. 22).

3 Herausforderungen an eine transnationale Demokratie-Vermittlung

Was Sander als „Anstiftung zur Freiheit“ (SANDER, 2013, S. 43) bezeichnet, gehört zu einem wesentlichen Denkansatz zeitgemäßer Demokratie-Vermittlung, die bereits im sozialen Lernen beginnt. Ziel ist es außerdem, sich mit Gesellschaft, Politik und Wirtschaft eigenständig auseinanderzusetzen, selbstbestimmt und selbstwirksam zu handeln sowie dies nachvollziehbar rechtfertigen zu können – Kritikfähigkeit eingeschlossen (AUTORENGRUPPE FACHDIDAKTIK, 2016, S. 15).

Die Vermittlung transnationaler Demokratie hat darüber hinaus noch weitere spezifische Funktionen und Facetten zu beachten, die sich durch globale Vernetzungen ergeben. Speziell drei Herausforderungen sollten bei der Konzeption von Demokratie-Vermittlung im Kontext internationaler Verflechtung als auch bei einer Weiterentwicklung transnationaler Demokratie-Konzepte nicht aus den Augen verloren werden (BRESER, 2016b):

3.1 Globalisierung als Streitpunkt

Globalisierungsprozesse ordnen nach Angiletta „die Verhältnisse zwischen der individuellen Lebenswelt, der Arbeitswelt und den globalen Entwicklungen neu“ (ANGILETTA, 2002, S. 47). Neue Formen politischer Bürgerschaftsbildung unter den Bedingungen politischer Mehrebenensysteme sind im Entstehen (EIS, 2010). Diese Veränderungen rufen gesellschaftliche Kontroversen, mitunter auch heftige Skepsis und Kritik gegenüber Globalisierung hervor. Politische Bildung sollte nicht in die Gefahr kommen, sich als „Legitimationsmaschine“ (SANDER, 2015, S. 42) für globalisierungsfreundliche oder globalisierungskritische Politik zu verstehen. Eine Mittelweg-Rolle zwischen blinder Globalisierungsgläubigkeit und unkritischer Gegnerschaft ist anzustreben.

Es ist Aufgabe Politischer Bildung nach dem „Beutelsbacher Konsens“ (WEHLING, 1977, S. 179f.), die Rolle der Demokratie in globalen Zusammenhängen in ihrer Kontroversität darzustellen. Multiperspektive Betrachtungsweisen gegenwärtiger demokratischer Gegebenheiten in einer globalen Gesellschaft sind zu entwickeln. Obwohl die institutionellen Rahmenbedingungen transnationaler Demokratie bisher nur unzulänglich ausgeformt sind, muss die Perspektive offengehalten werden. Darüber hinaus braucht es Kompetenzen für aktive Bürger/innen, die fähig sind, an deren Korrektur und Weiterentwicklung zu arbeiten (OVERWIEN & RATHENOW, 2009, S. 15).

3.2 Partizipation im Umbruch

Demokratische Modelle der Nationalstaaten lassen sich nicht vollständig auf die „mehrdimensionalen Entscheidungssysteme“ (HALLER, 2008, S. 473) internationaler Formen der Zusammenarbeit übertragen. Die Verlagerung international verflochtener Politik in „dezentrale Prozesse der Entscheidungsfindung in deliberativen Arenen“ (SCHMALZ-BRUNS, 1999, S. 188) – auch „network governance“ bezeichnet – benötigt spezielles Wissen und spezifische Kompetenzen, um demokratische Handlungsspielräume wahrnehmen zu können. Zusätzlich haben sich vor allem auf globaler Ebene – unterstützt durch soziale Medien – neue Formen von direkter Demokratie und dialog-orientierten Prozessen entwickelt. Das Internet als politisches Partizipationsinstrument spielt im Kontext von Globalisierung eine herausragende Rolle (COLEMAN & BLUMLER, 2009). Nicht zuletzt wird es auch mit der Hoffnung verbunden, vor allem junge Menschen wieder vermehrt in politische Entscheidungsprozesse zu inkludieren.

Eine Erweiterung nationalstaatlicher Perspektiven wird für die Vermittlung neuer Demokratie-Formen auf globaler Ebene vorausgesetzt. Veränderte Orte und Zeitpunkte demokratischer Partizipationsmöglichkeiten müssen kommuniziert und neue Beteiligungsformen eingeübt werden. Da Entgrenzungsprozesse im Internet auch eine Pluralisierung von Öffentlichkeiten in demokratischen Verfahren mit sich bringen, ist es auch notwendig, Kompetenzen für den Umgang mit heterogener werdenden Interessen zu entwickeln.

3.3 Komplexe und unübersichtliche politische Informationen

Politische Information gilt als konstituierender Faktor in partizipativen Entscheidungsprozessen (MEYER, 2009, S. 151): „The citizens need knowledge in order to participate politically.“ (DAHLGREN, 2009, S. 108) Es besteht ein Abhängigkeitsverhältnis der Bürger/innen zu Medien, um an demokratischen Verfahren teilnehmen zu können (MEYER & PEINTINGER, 2013, S. 179).

Nationale Politik-Akteurinnen/-Akteure haben mitunter kaum Interesse, transnationale Entscheidungsprozesse zu kommunizieren. Es gilt also, die Recherche nach politischen Informationen grenzüberschreitend anzulegen. Studien zeigen allerdings, dass sich Bürger/innen gerade aufgrund der Unübersichtlichkeit an Informationen und des immer leichter werdenden Informationszugangs nicht hinreichend informiert fühlen, um politische Entscheidungen zu tätigen (FOWLER & MARGOLIS, 2013): „Increasing the amount of political information available […] does not necessarily contribute to higher levels of civic engagement.” (LUTZ, 2006, S. 25) Im Umbruch befindliche Gesellschaften in transnationalen Gebilden mit sich stets verändernden Problemen, welche zum Teil spezialisiertes Fachwissen verlangen, verursachen, dass Politik für die Bürger/innen mitunter undurchschaubar und unzugänglich bleibt (RICHTER, 2011, S. 141).

4 Transnationale Demokratie braucht spezifische Kompetenzen

Nach dem österreichischen Kompetenzmodell für die Politische Bildung gehören politische Sach-, Urteils-, Methoden- und Handlungskompetenzen zu den Kernaufgaben der Politischen Bildung (KRAMMER, 2008). Ihre Aufgabe ist es, Lerngelegenheiten zum Erwerb und zur Verbesserung von politischen Kompetenzen anzubieten und Lernangebote bereitzustellen, die in längerfristige Prozesse der politischen Sozialisation intervenieren – ohne jedoch die politische Freiheit der Lernenden zu beschneiden (SANDER, 2013, S. 72f).

Viele für die Demokratie wesentliche Kompetenzen, die bislang mithilfe dieses Konzeptes formuliert wurden, sind nicht als Widerspruch zu den aktuellen Veränderungen in einem Curriculum mit globalen Bezugnahmen anzusehen. Eine transnationale Politische Bildung kennzeichnet sich jedoch vor allem dadurch, dass sie sich auf grenzüberschreitende Fragen, Interdependenzen auf multiplen Ebenen sowie auf multiperspektivische Denk- und kontroverse Handlungsweisen fokussiert. Für die Demokratie-Vermittlung im transnationalen Kontext lässt sich das Modell daher folgendermaßen aktualisieren (vgl. auch BRESER, 2017):

Sachkompetenz

: transnationales politisches Wissen im Sinne von „Verstehen“, Fähigkeit zur Orientierung in komplexen politischen Zusammenhängen, Politikbewusstsein über nationale Grenzen hinaus, Sensibilität für globale gesellschaftliche Probleme in verschiedenen Politikfeldern und deren Interdependenzen

Urteilskompetenz:

multiperspektivische Anschauungsweisen erarbeiten, eigene begründete Urteile zu grenzüberschreitenden Politikprozessen fällen, andere Urteile anhand rationaler Maßstäbe bewerten und deren Interessens- und Standortgebundenheit feststellen

Methodenkompetenz:

analytische Fähigkeiten, um sich selbst politische Sachverhalte auf globaler Ebene erschließen zu können (u. a. kritische Medienanalyse) sowie kommunikative Fähigkeiten, um in einem grenzüberschreitenden Diskurs teilnehmen zu können

Handlungskompetenz:

mit Heterogenität, Ambivalenzen und Interessenskonflikten angesichts grenzüberschreitender Probleme konstruktiv umgehen können, bewusst und reflektiert eigene Entscheidungen treffen und Kompromisse schließen, transnationale demokratische Instrumente und Institutionen nutzen können sowie Kooperation, Toleranz, Fairness, Solidarität, Zivilcourage zeigen

5 Verankerungen in der Entwicklung von Lehr- und Lerninhalten

Nach Scharpf trägt Politische Bildung zur Demokratisierung transnationaler Räume bei, wenn sie Kompetenzen anbahnt, welche die Artikulation und das Einbringen von Interessen in grenzüberschreitende politische Entscheidungsprozesse unterstützen (Input-Orientierung). Darüber hinaus sollte sie einen Beitrag zur kritischen Analyse transnationaler demokratischer Verfahren und zur Implementierung ihrer Ergebnisse leisten (Output-Orientierung) (SCHARPF, 1999). Dazu werden im Folgenden fünf Forderungen für eine transnationale Demokratie-Vermittlung angeführt, die oben genannte Kompetenzen für die Lehrer/innenbildung unter dem Gesichtspunkt fortschreitender Globalisierung, Internationalisierung und Entgrenzung konkretisieren und erweitern (vgl. auch BRESER, 2017).6 Sie dienen als Ansätze für eine Implementierung trans- sowie internationaler Themenfelder in der universitären und hochschulischen Lehre:

5.1 Politik als mehrdimensionalen Prozess beschreiben und Zuständigkeiten erläutern

Demokratisches Regieren auf globaler Ebene besteht aus einer großen Anzahl von Entscheidungsträgerinnen/Entscheidungsträgern, Entscheidungszentren und undurchsichtigen Hierarchien zwischen diesen Zentren, die wiederum in komplizierten Netzwerken stecken. (BENZ & PAPADOPOULOS, 2006, S. 2f). Dies ist ein Auftrag an die Politische Bildung, sich mit den unterschiedlichen Ebenen transnationaler Politik sowie mit der vielfältigen Landschaft an Top-down- und Bottomup-Beteiligungsmöglichkeiten im transnationalen Rahmen auseinanderzusetzen und neue Formen einzuüben – nicht zu vergessen: E-Democracy-Tools und Protestkulturen in Social Media.

Um politische Einflussmöglichkeiten und Partizipationschancen auch tatsächlich wahrnehmen zu können, streicht Detjen vor allem das Wissen um politische Zuständigkeiten hervor, das in diesem mehrdimensionalen System benötigt wird: „Der Bürger [die Bürgerin] muss zu diesem Zweck Kenntnisse über administrative Zuständigkeiten und rechtliche Verfahren besitzen.“ (DETJEN, 2010, S. 10)

5.2 Langfristige politische Entwicklungen rekonstruieren und darstellen

Entgegen medialer Vermittlungstechniken, die sich an den Nachrichtenwertfaktoren orientieren und sich auf kurzfristige Geschehnisse und plötzlich auftretende Ereignisse konzentrieren, kennzeichnet sich Politik auf globaler Ebene durch lange Prozeduren und unterschiedliche Phasen. Die Vermittlung transnationaler Politik muss dementsprechend prozessorientiert angelegt werden und sollte vermeiden, sich nur auf einmalige politische Ereignisse zu konzentrieren (DAHLGREN, 2009, S. 184). Sander beschreibt diesbezüglich das Konzept der unterschiedlichen „Zonen des Politischen“, mit dem die langfristigen Tiefenschichten des Politischen betreten werden können (SANDER, 2008, S. 178).

Zusätzlich zu einer kritischen Analyse medialer Darstellung von Politik ist für eine effektive Partizipation in Politikformulierungs- und Umsetzungsprozessen auf transnationaler Ebene vor allem Wissen über den richtigen Zeitpunkt einer politischen Beteiligungshandlung im Rahmen langfristiger Prozesse notwendig (KOHLER-KOCH, 2011, S. 262).

5.3 Sich mit transnationalen Demokratie-Verfahren auseinandersetzen und das Potenzial neuer demokratischer Instrumente bewerten

Die Krisenhaftigkeit demokratischer Prozesse im transnationalen Kontext muss in der Politik-Vermittlung adäquat zur Debatte gebracht werden. Eine kontroverse Darstellung ihrer Ausprägungen und die kritische Reflexion ihrer medialen Vermittlung sind essentiell, um Mündigkeit zu entwickeln. Im Speziellen sollte auch die Abbildung der Interessen marginalisierter oder benachteiligter Personengruppen in transnationalen Entscheidungsprozessen berücksichtigt werden.