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*** Die Trilogie ist abgeschlossen! ***
Eine romantische SciFi-Fantasy für Jugendliche ab 12
Band 2: Die Fahrt
Auf dem Weg zu Daerens Heimat besucht Isadora verschiedene Welten.
Auf ELuVa, dem Planeten der Vampire und Werwölfe, schließt sie wider Erwarten Freundschaften und bekommt gar eine alte Kette von Charles geheimnisvoller Großmutter geschenkt.
Das traumatische Erlebnis auf Elagua jedoch, erschüttert ihr frisch erworbenes Vertrauen in sie stark und erschwert das Einleben auf dem Überweltenschiff.
Bei den Drachen wiederum gelingt es ihr, sich mit einem jungen Außenseiter zu befreunden, der ihr zum Dank eine äußerst seltene Ehre zuteilwerden lässt.
Nach weiteren Abenteuern auf anderen Planeten landet sie schließlich auf JaRen, wo seine Familie sie mit offenen Armen empfängt. Die Zukunft mit Daeren scheint nun sicher. Doch die Tragödie nimmt bereits ihren Lauf.
Leserstimmen:
Ich liebe das Buch. Das Ende war unerwartet und niederschmetternd schön. Man konnte sich gut in Isadora reinversetzen und ihre Freude und ihre Schmerzen mitfühlen. Das Ende war noch mal das Highlight des Buches.
Sehr schön flüssig und spannend geschrieben! Ich stehe sonst auf Action und Abenteuer aber hier konnte ich wirklich entspannen und ab und zu kamen mir vor Rührung auch die Tränen. Es geht also auch ohne Gewalt und massenweise Leichen!
Oh mein Gott, endlich ist die Fortsetzung da. Ich habe bevor ich Teil 2 und 3 gelesen habe den ersten Teil noch einmal gelesen und konnte nicht mehr aufhören. Wer braucht schon Schlaf oder Essen. Die Reihe Isadora & Daeren ist absolut empfehlenswert. Etwas fehlt noch, ein vierter Teil wäre toll. Das Ende ist noch nicht ganz rund.
Dieses Buch ist einfach super spannend bis zur letzten Seite (Ich bin einige Male fast zu spät aus der U-Bahn gestiegen) Danke.
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Die Begrüßung auf dem Schiff fiel überwältigend aus. Vor uns erstreckte sich unter strahlend blauem Himmel ein riesiger Platz, auf dem sich ein völlig unerwartetes Bild bot.
In der Überzeugung, das automatische Steuerungssystem habe uns auf einen falschen Landeplatz geführt, wandte ich mich ein wenig amüsiert zu Daeren. Ich stutzte. Sein Blick galt nicht wie erwartet mir, sondern war fest nach vorne gewandt und auf seinem Gesicht lag nicht die geringste Spur einer Überraschung. Eher wirkte er stark konzentriert, gar angespannt, wie jemand, der vor einem geplanten Auftritt stand.
Rasch löste er mich aus seiner Umarmung und stellte sich einen Schritt von mir entfernt kerzengerade auf. Dieses ungewöhnliche Verhalten bestätigte auch ohne Worte meine unausgesprochene Frage. Meine Augen weiteten sich.
Langsam drehte ich meinen Kopf dem Platz zu, hoffend, jetzt etwas anderes zu sehen und dass es sich bei der vorherigen Szene um eine optische Täuschung gehandelt oder ich zumindest etwas falsch gedeutet hatte. Das konnte doch niemals unseretwegen sein!
Aber es handelte sich keineswegs um ein Missverständnis. Dieser unglaubliche Empfang galt tatsächlich uns.
Mehrere Einheiten Uniformierter standen in Reih und Glied und bildeten einen breiten, langen Gang. Jede Gruppe umfasste mindestens einige hundert Personen, deren Uniformen jeweils in der gleichen Farbe, weiß, gelb, rot, blau oder schwarz, gehalten waren.
Vorsichtig schweifte mein Blick über den Platz. Die Augen der Anwesenden richteten sich stur geradeaus. Auf keinem der Gesichter zeigte sich eine Regung. Ich schluckte.
Leise trat Laura an meine Seite und nahm meine Hand, woraufhin Daeren die andere losließ. Ängstlich schaute ich zu ihm auf. Das Bild, welches sich vor mir bot, war mir unheimlich. Ich wollte nicht, dass er mich losließ.
Trotz der Anspannung auf seinem Gesicht, lächelte er mir kurz beruhigend zu. Mein Unbehagen ließ nach. Dann trat er mit einem fast unnahbar ernsthaften Gesichtsausdruck aus dem Schatten unseres Schiffes. Unwillkürlich setzte mein Fuß zu einer nachfolgenden Bewegung an, die augenblicklich von Laura unterbunden wurde. Kaum merklich schüttelte sie den Kopf, während der Druck ihrer Hand, die meine festhielt, stärker wurde.
Verständnislos schaute ich Daeren hinterher. Die Ausstrahlung, die ihn umgab, befremdete mich. Sie verstärkte nicht nur meine Verwirrung, sondern auch mein mulmiges Gefühl.
Vor den versammelten Gruppen blieb er aufrecht stehen und straffte seine Schultern. Wie einem unsichtbaren Befehl folgend, wandten sich die Soldaten im exakt gleichen Schritt dem Gang zu. Langsam und erhobenen Hauptes betrat Daeren den leicht schimmernden, mit zahllosen Reihen von Soldaten flankierten Weg.
Gleichzeitig kamen ihm von der gegenüberliegenden Seite des Ganges mehrere Personen in einer Dreiecksformation entgegen, deren Spitze ein Mann in weißer Uniform bildete. Trotz einiger tausend Anwesenden herrschte absolute Stille. Einzig die in erstaunlich gleichem Takt hallenden Schritte Daerens und der ihm entgegenkommenden Gruppe waren zu vernehmen.
In einiger Entfernung blieben sie voreinander stehen. Daeren vollführte eine tiefe Verbeugung vor dem weiß uniformierten Mann, der seinen Gruß mit einem würdevollen Nicken erwiderte.
„Das ist der Admiral aus dem Hause Anun“, flüsterte mir Laura leise ins Ohr.
Außer Daeren verharrten wir übrigen alle noch unter unserem Schiff, das wie gewohnt etwa in fünf Metern Höhe über uns schwebte.
Laura hielt meine Hand fest umklammert, als fürchtete sie, sonst würde ich ihm jeden Moment hinterherrennen wollen. Wahrscheinlich zeigte mein Gesicht zu deutlich, welche Überwindung es mich kostete, ihm bloß mit meinen Augen zu folgen.
Der Admiral und Daeren führten miteinander ein kurzes Gespräch, von dem ich zu meinem Entsetzen kein einziges Wort verstand. Ein in blauer Uniform gekleideter Offizier, der einen Schritt hinter dem Admiral geblieben war, trat hervor und begrüßte Daeren mit einer Verbeugung, die auf gleiche Weise erwidert wurde. Anschließend marschierten sie mit Daeren und dem Admiral an der Spitze den Weg zurück.
Die beiden Flügel eines imposanten Tores glitten geräuschlos zur Seite, um wenige Augenblicke später Daeren und seine Begleiter hinter sich zu verbergen. Die nun sichtbare Oberfläche der bogenförmigen Flügel bestand aus einem mir unbekannten Material, das etwa einer Mischung aus Marmor und Metall ähnelte. Schwach schimmernd zeigte sie in regelmäßiger Abfolge fünf verschiedenfarbige ineinander verschlungene Symbole. Große Säulen, deren Längsrillen mit den gleichen farbigen Symbolen geschmückt waren, umrandeten das Tor an beiden Seiten vollständig.
Mein Blick verharrte auf dem verschlossenen Tor, das sich wie eine ablehnende, unüberwindliche Barriere vor mir auftürmte. Ein aufkeimender, panischer Impuls, ihn gänzlich verloren zu haben, überfiel mich. Nur dank Lauras Hand und äußerster Selbstbeherrschung gelang es mir wenigstens, äußerlich Ruhe zu bewahren.
„Willkommen auf dem Schiff“, sagte eine unbekannte Stimme. Widerstrebend wandte ich mich ihr zu.
Ein Mann in blauer Uniform lächelte mich freundlich an. Seine Augen jedoch musterten mich rasch und abschätzend. Auf einmal fühlte sich mein Mund so ausgetrocknet an, dass ich bloß ein stummes Lächeln als Erwiderung zustande bringen konnte.
Mary und die anderen begrüßten ihn höflich. Aber hier fehlte die Herzlichkeit, die sie stets Ihresgleichen auf der Erde entgegenbrachten. Fast kamen sie mir kühl distanziert vor.
„Wenn Sie mir bitte folgen würden“, forderte er uns kurz auf.
Ohne weitere Höflichkeitsfloskeln schritt er vor uns denselben Gang entlang, den Daeren und sein Empfangskomitee genommen hatten, vorbei an den versammelten Gruppen, die begannen sich aufzulösen. Auch erhoben sich einzelne Stimmen, die bald zu einem stetig wachsenden Geräuschpegel verschmolzen und der bisherigen erdrückenden Stille ein Ende setzten.
Erst auf dem Weg fiel mir ein, dass der Himmel und die Sonne über uns ein künstliches Erzeugnis sein müssten; schließlich befanden wir uns doch in einem Raumschiff! Aufs Neue erstaunten mich ihre technischen Fähigkeiten. Denn einzig und allein das Wissen, mich in einem Raumschiff zu befinden, half mir, diese wärmende Sonne und die leichte Briese um meine Haare als Illusion zu erkennen. Sonst wäre ich niemals auf die Idee gekommen, an ihrem natürlichen Ursprung zu zweifeln. Selbst meine intensive Erfahrung mit ihrem Computerspiel hätte mich nicht vor einer solchen perfekten Täuschung zu bewahren vermocht.
„Warum ist Daeren allein mit den anderen gegangen?“ fragte ich Laura leise flüsternd auf Deutsch.
Sie warf mir einen kurzen Seitenblick zu. Meine Stimme schien meine Enttäuschung verraten zu haben. Ihre klang eindeutig mitfühlend, als sie leise in meiner Sprache antwortete.
„Der Admiral ist sein Onkel.“
Aha, sein Onkel.
Das erklärte die auffallend unterschiedliche Behandlung. Allerdings kam mir die ganze Begrüßungszeremonie etwas übertrieben vor. Wie würde sie bei einer wichtigeren Person ausfallen, wenn schon für den Neffen eines Admirals dermaßen viel Aufwand getrieben wurde?
Kurz bevor wir das Tor erreichten, war die gesamte Gruppe komplett aufgelöst.
Für uns glitt das Tor nicht wie soeben in seiner vollen Größe zur Seite, sondern öffnete nur einen kleinen Durchlass. Hinter ihm erstreckte sich ein weitläufiger, halbkreisförmiger Vorraum, aus dem mehrere, in unterschiedlichen Farben gestaltete Flure hervorgingen. Wie gewohnt bestanden die Wände, die Decke und der gesamte Boden aus spiegelglattem Material.
Unser Begleiter nahm den grünen Flur links vor ihm. In regelmäßigen Abständen säumten den Flur Türen, die einen etwas helleren Grünton aufwiesen als die restliche Umgebung.
Durch die erste Tür, die automatisch zur Seite öffnete, gelangten wir in ein Büro; aufgrund seiner schlichten und unpersönlichen Einrichtung mit einem großen Schreibtisch mit Menüfeldern, einem Stuhl und zwei Grünpflanzen war es nicht sonderlich schwer, dieses als solches zu erkennen. Eine ebenfalls in blauer Uniform gekleidete Frau hieß uns willkommen. Bevor sie sich mit einem höflichen Lächeln zu den anderen wandte, warf sie mir - wenn auch flüchtig - einen eindeutig neugierigen Blick zu.
Trotz höchster Konzentration gelang es mir nicht einmal die Hälfte dessen zu verstehen, was sie mit den anderen besprach. Dafür gebrauchte sie zu viele Formen von Vokabeln, die mir gänzlich unbekannt vorkamen. Zusätzlich erschwerte ihr extrem schnelles Sprechtempo das Ganze. Soweit mit meiner geringen Sprachkenntnis zu verstehen war, handelte es sich um Personalien und irgendwelche Pläne und Zimmerzuweisungen.
Ihre Frage nach meinem Namen und meinem Schlafbedarf schaffte ich noch alleine zu beantworten, aber wegen der weiteren Fragen mussten Mary und Henry für mich einspringen, was nicht gerade eine rosige Kommunikationsaussicht für die nächste Zeit versprach. Zum Schluss wurden sowohl meine als auch Marys und Henrys Hände eingescannt, jedoch zu meiner Verwunderung nicht Toms oder Lauras.
Draußen vor dem Büro umarmte Mary mich. „Es tut mir leid Dora“, begann sie mit ziemlich unglücklicher Miene. „Henry und ich müssen leider zu einer Besprechung …“
„Ach, geht schon. Wenn ihr gleich am ersten Tag zu spät kommt, denken die anderen, ihr hättet durch den langen Aufenthalt auf der Erde verlernt, was Pünktlichkeit heißt“, unterbrach Tom breit grinsend und rieb sich die Hände. „Ihr habt halt Pech und könnt Dora das Schiff nicht zeigen. Das wird bestimmt ein Spaß! Ich weiß jetzt schon, was für ein Gesicht sie machen wird.“
Er riss dermaßen übertrieben weit seinen Mund und seine Augen auf, dass ich trotz des mulmigen Gefühls - es gefiel mir nicht, weitere vertraute Gesichter aus den Augen zu verlieren - lachen musste.
Dankbar lächelte Mary ihm zu, drückte mich noch einmal fest, bevor sie mich widerstrebend losließ. Henry nickte Tom und Laura kurz zu, streichelte wortlos meine Wange, dann verließen sie uns mit eiligen Schritten.
Schweigend schaute ich ihnen hinterher, bis sie aus meiner Sicht verschwanden. Ich unterdrückte einen Seufzer und drehte mich zu Laura und Tom um. Kaum traf mein Blick auf sie, grinsten mich beide auffallend fröhlich an und begannen gleichzeitig lebhaft zu plappern.
Gemächlich schlenderten wir durch das Schiff, dessen unterschiedliche Bereiche durch jeweils eine bestimmte Farbe gekennzeichnet waren. Die Flächen der Wände, Decken und Böden bestanden überall aus spiegelglatten Materialien.
Bald kam die erste für mich unangenehme Überraschung in Form eines Etagenwechsels. Hier existierte nirgendwo eine Treppe oder eine Rampe - sie sprangen einfach in die nächste Etage hinauf oder hinunter!
„Hm, wir müssen für dich eine Lösung finden. Ich habe ganz vergessen, dass es keine Treppen gibt“, sagte Tom die Stirn runzelnd, nachdem Laura mich in die nächste Ebene hochgenommen hatte.
Zunächst begaben wir uns zum Speisesaal. Trotz seiner riesigen, eher an eine Fabrikhalle erinnernden Weite, wirkte er dennoch gemütlich; mannshohe, blühende Pflanzen schirmten unterschiedlich große Tischgruppen so geschickt voneinander ab, dass die dadurch entstandenen kleinen Bereiche durchaus das Gefühl einer abgeschiedenen, privaten Atmosphäre vermittelten.
„Möchtest du etwas essen oder wollen wir zuerst deinen Unterrichtsraum anschauen?“, fragte Tom.
Die Spannung auf all die neuen Dinge gab dem Hunger keine Chance sich zu melden.
„Ich will erst alles sehen“, antwortete ich aufgeregt. Soweit ich vorhin im Büro verstanden hatte, sollte der Unterricht auch bereits morgen beginnen!
Der Raum befand sich zwei Stockwerke tiefer als der Speisesaal. Das Wechseln der jeweiligen Etage funktionierte im Grunde kaum anders als bei uns. Es gab sozusagen ein Treppenhaus ohne Treppenstufen, das dafür über fest eingerichtete Stellen zum Springen verfügte. Die Podeste standen grundsätzlich, je nach Richtung hinauf oder hinunter, versetzt auf den jeweiligen Ebenen. Soweit ich es überblicken konnte, wurden die vorgegebenen Richtungen auch strikt befolgt.
Durch alle Stockwerke führten schnurgerade Gänge, die sich sämtlich wie auf einem Schachbrett kreuzten. Die Grenzen der bestimmten Ebenen oder Bereiche ließen sich dank der deutlich unterscheidbaren Farben leicht erkennen.
Auf der richtigen Etage angekommen, bogen wir bei der zweiten Kreuzung nach rechts ab und folgten einem komplett in heller Sandfarbe gehaltenen Gang. An der ersten Tür, die einen etwas dunkleren Ton als der Boden und die Wände aufwies, hielt Tom an. Wie alle anderen Türen zuvor, öffnete sich auch diese automatisch zur Seite.
„So, Dora, dann hereinspaziert!“, forderte mich Tom grinsend auf, als erste einzutreten.
Die etwa 15 einzelnen Tische mit passenden Stühlen standen in großzügigen Abständen in mehreren Reihen. Von der Tür aus führte ein breiter Gang bis zu einem quer stehenden Tisch; wahrscheinlich für den Lehrer.
Obwohl die Tafel fehlte und das Mobiliar aus einem mir unbekannten Material bestanden, erinnerte mich der Raum insgesamt irgendwie doch an das mir vertraute Klassenzimmer auf der Erde.
Tom nahm aus dem unteren Fach eines Tisches einen metallenen Stift heraus und hielt ihn mir vor die Nase. Seine Stimme klang mitleidig. „Das ist sozusagen der Schreibstift für diesen Monitor. Hier darfst du nichts diktieren, sondern musst alles selbst schreiben, genau wie bei euch.“
„Also, ich habe gerne geschrieben, das macht doch Spaß!“, betonte Laura künstlich pikiert.
Neugierig setzte ich die Spitze des Stifts auf den Tisch. Sofort leuchtete die Platte matt schimmernd auf.
„Willkommen!“ ertönte eine angenehme Stimme. „Identifiziere dich bitte.“
Verdutzt betrachtete ich abwechselnd meine Hand und den Monitor.
„Leg deinen Finger einfach auf den Bildschirm. Somit wirst du registriert und der Lehrer weiß, dass du diesen benutzt hast“, erklärte Laura und drückte meinen Zeigefinger sanft auf die Platte.
„Ah, Isadora Lenz, ein Mensch. Wie interessant! Ich habe zum ersten Mal einen Menschen auf dem Schiff begrüßt!“, ertönte erneut die nette Stimme.
„Wie du siehst, wirst du hier auf Schritt und Tritt verfolgt, weil sämtliche Daten eingespeichert und vernetzt werden“, sagte Tom missbilligend und senkte seine Stimme. „Aber ich kenne eine Menge Tricks, das zu umgehen, falls du deine Arbeiten …“
„Tom!“, unterbrach ihn Laura streng. „Dora braucht solche Tricks nicht. Sie ist gut genug!“
„Natürlich bist du gut“, beteuerte Tom hastig. „Ich meine auch nur, falls … “ Plötzlich hielt er den Mund und starrte zum Eingang.
Eine hochgewachsene, schlanke Frau mit silbernen Haaren trat durch die offene Tür und steuerte zielbewusst auf uns zu. Kurz, aber freundlich lächelnd grüßte sie Tom und Laura, dann wandte sie sich zu mir.
„Hallo, Isadora. Herzlich willkommen auf dem Schiff! Ich heiße Tahna und freue mich sehr, dich kennenzulernen. Ich werde dich in den nächsten Monaten unterrichten“, stellte sie sich betont langsam und deutlich sprechend vor.
Sie kam mir auf Anhieb sympathisch vor.
„Ich freue mich auch, Sie kennenzulernen“, erwiderte ich etwas schüchtern.
Auf ihrem Gesicht breitete sich ein überraschtes Lächeln aus. „Du sprichst ja besser, als ich gedacht habe!“, rief sie erfreut und stellte gleich mehrere Fragen.
Da sie anders als die Frau im Büro langsam und deutlich sprach, verstand ich sie gut und hatte kein Problem, alles alleine zu beantworten. Ermutigt von dem Erfolgserlebnis des Gesprächs erzählte ich ihr ergänzend, nur jeweils eine Siez- und eine Duzform in der Kinderaussprache gelernt zu haben, weil die Menschen unfähig waren, bestimmte Töne wahrzunehmen.
Sichtbar erstaunt hörte sie mir aufmerksam zu. „Aber es gelingt dir doch alles auszudrücken, was du mitteilen möchtest! Damit ist das primäre Ziel eines Sprachstudiums, sich verständigen zu können, bereits erreicht. Und was die verschiedenen Formen angeht, mach dir da keine Gedanken. Diese richtig zu beherrschen, erfordert Zeit. Denn selbst HanJin Kinder haben damit Probleme“, versicherte sie hocherfreut und lächelte mich warm an.
Ich spürte das sichere Gefühl, bei ihr gut aufgehoben zu sein.
Die Anspannung, die die ganze Zeit irgendwie Tom anhaftete, schien sich aufzulösen. Auf seinem Gesicht breitete sich das gewohnte zuversichtliche Grinsen. „Sie hat auch intensiv geübt. Keiner könnte fleißiger sein.“ Seine Stimme klang unüberhörbar stolz.
„Ja, das ist wahr. Sie hat sich unermüdlich bemüht, obwohl unsere Sprache für sie extrem schwer ist“, ergänzte Laura mindestens genauso stolz.
Lehrerin Tahna lächelte uns allen verständnisvoll zu. „Es war eine große Überraschung gewesen, bei der Ausschreibung für diesen Posten zu erfahren, dass es sich erstmalig um eine menschliche Schülerin handelt. Deshalb bedeutete es für mich eine besondere Herausforderung, mich für diese Stelle zu bewerben. Denn es gibt in diesem Bereich keinerlei Erfahrungen, auf die man sich stützen kann“, gestand sie uns und fuhr begeistert fort. „Ich habe mich seitdem gründlich über Menschen informiert und mir auch von mehreren Experten Rat geholt, aber auf eine so gut vorbereitete Schülerin zu treffen, das hätte ich nicht einmal in meinen kühnsten Träumen zu hoffen gewagt.“
Es überraschte mich, welcher Aufwand allein für mich, für eine einzige Person getrieben wurde.
Abschließend bat sie mich, morgen um neun Uhr zur ersten Unterrichtstunde zu erscheinen. „Also, Isadora, ich hoffe, du genießt den ersten Tag auf dem Schiff. Wir sehen uns dann morgen. Ich freue mich darauf.“
Nach dem Verlassen des Klassenraumes trotteten wir einen, wie der Freizeitpark in der Tiefsee, vollständig in Grün gehaltenen Flur entlang.
„Sie macht einen richtig netten Eindruck. Bin ich froh“, räumte Tom beruhigt ein.
„Ja, wem sagst du das“, stimmte Laura ebenfalls erleichtert zu. „Vielleicht funktioniert das Band hier ebenso.“
Erst da wurde mir bewusst, wie sehr die beiden in Sorge gewesen sein mussten, wie ich bei ihnen aufgenommen würde. Selbst eigene Geschwister wären nicht besser als sie, dachte ich dankbar und staunte wieder einmal über diese unerklärliche Zuneigung, die uns dermaßen stark verband.
„Das glaube ich eher weniger, sie deutete an, sie hätte diese Stelle unbedingt haben wollen. Also gehört sie eh zu den Leuten, die ohne Vorurteile anderen Rassen begegnen. Die anderen verhalten sich leider anders“, widersprach er überzeugt.
„Wie kommst du darauf?“, fragte Laura überrascht.
Er verzog das Gesicht. „Ist dir die Frau im Büro nicht aufgefallen? Die war Dora gegenüber ganz schön reserviert, fast überheblich, dafür umso neugieriger.“ Es klang, als ob er sich über sie geärgert hätte.
„Sie war doch ausgesprochen höflich!“, mischte ich mich erstaunt ein.
„Nein, da hat Tom leider recht“, erklärte Laura etwas betrübt. „Sie verhielt sich tatsächlich wenig entgegenkommend. Bei uns sind eigentlich fast alle Leute höflich und benehmen sich korrekt. Vieles läuft im Gegensatz zu euch wesentlich unterschwelliger ab, also muss man feiner differenzieren.“ Sie lächelte mich aufmunternd an, als sie mein verunsichertes Gesicht sah. „Keine Sorge, du wirst bestimmt bald lernen, das jeweilige Verhalten richtig zu deuten.“
Sie wandte sich zu Tom. „Ich würde vorschlagen, ich gehe dann mit Dora zu ihrem Zimmer. Das liegt praktischerweise hier auf derselben Ebene und danach könnten wir uns im Speisesaal wieder treffen.“
„Ja“, nickte er. „Das wird am sinnvollsten sein. Ich erkundige mich inzwischen nach unseren Aufgaben. Mitkommen zu Dora darf ich ja sowieso nicht.“
Ohne auf eine Antwort zu warten, zwinkerte er mir fröhlich zu und marschierte geradewegs zu der Übergangsstelle auf die nächste Ebene zurück.
„Wieso darf er nicht mitkommen?“, fragte ich verwundert, während ich ihm nachsah, wie leichtfüßig er und die anderen mit einem einzigen Sprung die Etagen wechselten. Kein Wunder, dass sie keine Treppen kannten. Bei der körperlichen Voraussetzung wäre solch eine Einrichtung eher hinderlich als nützlich.
Sie seufzte. „Kannst du dich erinnern, dass ich mal erwähnt hatte, hier auf dem Schiff würden die Regeln strenger eingehalten als irgendwo anders?“
Überrascht schnappte ich nach Luft. Die ungute Vorahnung, die mich sofort überfiel, ließ meine Stimme ungewollt ängstlich klingen. „Heißt das etwa, Daeren darf auch nicht in meinem Zimmer bleiben?“
„Ja genau, das hast du aber schnell verstanden“, scherzte sie, aber ihre Augen blickten mich mitfühlend, gar besorgt an.
Enttäuschung breitete sich in mir aus. Wenn das verboten war, würden wir uns ausschließlich in öffentlichen Räumen sehen, wo jegliche Zweisamkeit unterdrückt werden musste. Dabei sehnte ich mich gerade heute nach seiner Nähe stärker denn je.
Energisch versuchte ich, meine Bestürzung zu unterdrücken. Immerhin hatte ich von dieser unerfreulichen Regelung durch Laura erfahren. Somit blieb mir Zeit, mich innerlich darauf vorzubereiten und meine Enttäuschung vor Daeren besser verbergen. Ich wusste ganz genau, wie schlecht es ihm gehen würde, wenn er mich bedrückt sah.
„Na ja, wir bleiben nicht ewig auf dem Schiff“, sagte ich und lächelte möglichst tapfer.
„Ja, dafür lernst du andere interessante Planeten kennen“, erinnerte sie mich zum Trost. „Das wird sicher aufregend.“
Nach der nächsten Abzweigung erstreckte sich vor uns ein unendlich langer blauer Flur, den zahlreiche, in unterschiedlichen Blautönen schimmernde Türen säumten. Aus einer bestimmten Perspektive schien Bewegung in dieses Schimmern zu kommen, als würde Wasser die Türoberfläche hinunterfließen. Für einen kurzen Moment geriet ich in Versuchung, sie mit meiner Hand zu berühren, um mich zu vergewissern, ob sie eventuell doch nass war.
Ich schüttelte den Kopf über mich. Eigentlich müsste ich langsam wissen, dass die meisten Dinge hier visuelle Täuschungen waren. Aber ihre überragende Technik machte es einem wirklich schwer, sich ständig daran zu erinnern.
Nachdem wir einige Türen passiert hatten, leuchtete plötzlich die nächste Türoberfläche auf. Mein Mund klappte vor Verblüffung auf. Vor uns lächelte mir mitten in der Luft mein eigenes Gesicht in Originalgröße entgegen!
„Ah ja, unübersehbar ist das dein Zimmer“, stellte Laura grinsend fest. „Das ist doch praktisch, wenn der Raum seinen Bewohner erkennt und ihm den Weg zu seinem Eingang weist, findest du nicht?“
„Ja, aber … “, stotterte ich und griff nach meinem Gesicht, das ungerührt weiterhin lächelnd vor uns schwebte. Nach ein paar sinnlosen Versuchen, ließ ich meine Hand sinken und drehte mich zu Laura um, die mich belustigt beobachtete.
Ich räusperte mich. „Und wie findest du dann alleine, ich meine, ohne mich, meinen Raum?“
Denn die anderen Türen, an denen wir bislang vorbeigelaufen waren, hatten derartiges nicht gezeigt.
„Ganz einfach. Ich rufe leise deinen Namen. Dann leuchtet sie genauso auf“, antwortete sie und forderte mich mit erwartungsvoller Stimme auf. „Komm, wir wollen rein. Also leg bitte deine Hand an die Tür.“
Zögernd bewegte ich meine Hand zur Tür. Noch bevor sie diese richtig berührt hatte, schob sie sich geräuschlos zur Seite.
„Es gibt keinen Schlüssel. Solange du auf diesem Schiff unterwegs bist, lässt sich diese Kabine einzig von dir öffnen.“
Gemeinsam traten wir in die Kabine, die für die gesamte Dauer meines Aufenthaltes auf dem Schiff mir zugewiesen worden war.
„Auf jeden Fall hast du es gut. Ein eigenes Zimmer ist schon was Tolles“, meinte sie und schaute sich interessiert um.
„Was? Das verstehe ich nicht. Kriegst du etwa keins?“, wunderte ich mich.
Ihr Lächeln fiel bedauernd aus. „Nein. Eigene Kabinen stehen ausschließlich Verheirateten und besonders Ranghohen oder, wie bei dir, in Ausnahmefällen zur Verfügung. Du musst schließlich schlafen.“
Was für eine Überraschung.
„Wo lässt du dann deine Sachen und wo ziehst du dich um?“, wollte ich erstaunt wissen.
„Jeder bekommt einen Schrank und man zieht sich doch eh im Bad um“, erwiderte sie lachend, als hätte ich eine Selbstverständlichkeit infrage gestellt.
Allmählich verstand ich. Klar, wer keinen Schlaf benötigte, brauchte ebenso wenig einen eigenen Raum, in den er sich zurückziehen konnte. Es war eher ein Privileg, ihn gestellt zu bekommen und wie es aussah, verschaffte der Umstand, schlafen zu müssen, ungeahnte Vorteile.
Auf der rechten Seite der Tür schwebte ein breites Bett, vor dem ein dicker, weicher Teppich lag. Kaum traten meine Füße auf ihn, sanken sie bis zu den Knöcheln ein. Ansonsten bestanden der dunkle Boden und die Wände wie üblich aus völlig glattem Material. Auf der gegenüberliegenden Seite des Eingangs befanden sich zwei Sessel an einem kleinen Tisch, daneben ein Schreibtisch mit einem Bedienfeld sowie ein Stuhl.
Auch wenn einige Gegenstände für mich gänzlich neu waren, wie das in der Luft schwebende Bett mit seinem eingebauten Kopfkissen, das beim Liegen angeblich seine Form dem Benutzer automatisch anpasste, oder der komplett aus einem Bildschirm bestehende Schreibtisch, kam mir das Zimmer insgesamt nicht sonderlich fremd vor. Vielmehr vermittelte es eine vertraute Behaglichkeit. Ich fühlte mich hier wohl.
Neugierig lief Laura zu einer Tür, die automatisch zur Seite glitt. „Das ist beneidenswert, du hast ein eigenes Bad!“, rief sie begeistert und winkte mich zu sich.
Der helle Raum mit spiegelglattem Boden und Wänden stand vollkommen leer. Laut lachend über mein verdutztes Gesicht machte sie mich auf eine dunkle runde Fläche neben der Tür aufmerksam. Als ihre Finger diese berührten, leuchtete sie bläulich auf und zeigte ein Display. Anhand des Menüfeldes begann sie, die Funktionsweise des Bades zu erläutern: Die üblichen Einrichtungen wie Toilette, Spiegel oder Dusche befanden sich allesamt in der Wand. Je nach Bedarf wurden sie einzeln ausgefahren.
„Das Bad in dem Raumschiff von Mary und Henry hatte doch nicht …“, sagte ich verwundert.
Zwar hatte ich das Bad auf deren Schiff weder benutzt, noch richtig angeschaut, weil alle Flüge kurz gewesen waren, aber in meiner Erinnerung stand das Bad keineswegs leer. Derartig Ungewöhnliches wäre mir bestimmt aufgefallen.
„Ja, weil das Schiff dafür zu klein ist“, unterbrach Laura mich aufgeregt. „Das aber erinnert mich daran, dass du unser Bad nie benutzt hast und deshalb gar nichts weißt!“
Eilig kehrten ihre Finger auf das Menüfeld zurück und bedienten es eifrig. Dabei beobachtete sie mich mit gespannter Miene. Plötzlich glitt aus der Wand ein Stuhl, der über Armlehnen verfügte.
„Das ist die Toilette. Sie putzt dich nachher, also brauchst du dich bloß hinzusetzten“, erklärte Laura breit grinsend.
Ich sah sie irritiert an. „Wie, sie putzt mich?“
„Na ja, bei euch benutzt man doch zum Wischen Papier, während bei uns die Toilette diese Aufgabe für dich übernimmt. Eine etwas weiterentwickeltere Form von euren Bidets, könnte man sagen. Außerdem reinigt sie sich selbsttätig. Das gilt übrigens für das gesamte Bad und für das Zimmer.“
Im nächsten Moment fuhr eine komplette Duschkabine aus der Wand heraus. Allein das war beeindruckend, aber ihre Funktionsweise toppte das Ganze. Das klang einfach unglaublich, alles lief vollautomatisch! Sobald man sich in die Duschkabine hineinstellte, maßen die Sensoren die Größe des jeweiligen Nutzers und öffneten die Wasserdüsen in exakt passender Höhe, sowohl horizontal als auch vertikal. Zuerst sprühten sie Wasser, dann wurde Shampoo hinzugemischt, danach folgte wieder Wasser. Besonders bemerkenswert hörte sich an, dass zum Schluss irgendein Trocknungssystem lief, wobei man in kürzester Zeit mitsamt den Haaren trocken wurde.
„Heißt das, es bläst heiße Luft wie ein Fön?“
Ich kam aus dem Staunen nicht heraus. Umso mehr schien Laura Spaß zu machen, mir die Dinge zu erklären.
„Nein, völlig anders. Es trocknet nicht wie bei euch mit heißer Luft, sondern entzieht irgendwie die überschüssigen Wassermoleküle von deinen Haaren und deiner Haut. Dabei versprüht es individuell je nach Bedarf des Nutzers pflegende Substanzen.“
„Kann ich das jetzt ausprobieren?“, fragte ich aufgeregt.
„Jetzt gleich?“, rief sie überrascht und lachte. „Warum eigentlich nicht. Vielleicht ist es sogar eine gute Idee. Falls während des Ausprobierens Probleme auftauchen sollten, bin ich ja dann da.“
Die Dusche begeisterte mich restlos. Meine Haut fühlte sich unvergleichlich schöner an als vorher und die Haare waren in unvorstellbar kurzer Zeit getrocknet und glänzten wie noch nie zuvor.
Laura sah mein strahlendes Gesicht und ermahnte mich in scherzhaftem Ton. „Nun weiß ich, womit du in nächster Zeit oft beschäftigt sein wirst. Übertreibe es trotzdem nicht.“
Gut gelaunt ließ ich mich auf das Bett fallen, das weich und angenehm zurückfederte. Wie versprochen passte sich das Kissen jeder kleinsten Bewegung exakt und bequem meinem Kopf und Nacken an. Spaßeshalber drehte ich mich dauernd hin und her und staunte, wie schnell die Unterlage sich entsprechend der Drehung verformte. Laura setzte sich in den Sessel und beobachtete mich mit einem nachsichtigen Gesichtsausdruck, als betrachte sie ein kleines Kind, das ein neues Spielzeug entdeckt hatte.
„So, wir wollen zur Schneiderei“, forderte sie mich nach einer Weile auf.
„Zur Schneiderei?“, wunderte ich mich und setzte mich auf.
„Weil wir keine eigene Kleidung mitgebracht haben, wird uns welche von hier gestellt. Dafür ist es nötig unsere Größe einscannen zu lassen.“
„Oh, eine Maßanfertigung!“, rief ich begeistert. „Was für ein Luxus! Ist es bei euch üblich?“
Ihr Lächeln fiel zum wiederholten Male nachsichtig amüsiert aus. „Na, als Luxus würde ich eine gewöhnliche Schiffskleidung kaum bezeichnen. Also freue dich nicht zu früh.“
Das Einscannen ging superschnell. Der als Schneiderei bezeichnete Ort entpuppte sich als ein aus einigen durchsichtigen Kabinen bestehender Raum, ohne jegliches Personal. Laura wies mich an, mich in eine Kabine zu stellen und die Arme leicht anzuheben.
„Hast du einen bestimmten Farbwunsch?“ fragte sie mich anschließend.
„Ähm, was für einen Farbwunsch?“, fragte ich irritiert zurück.
„Tut mir leid. Ich vergesse dauernd, dass für dich alles neu ist. Also, du kannst dir die Farbe deiner Kleidungsstücke aussuchen.“ Sie verzog ein wenig ihr Gesicht. „Obwohl es im Grunde ziemlich egal ist, weil sie ohnehin nicht sonderlich hübsch sind.“
Hilflos zuckte ich die Schultern. „Keine Ahnung, ich weiß nicht einmal, wie sie aussehen.“
„Ach, halt Oberteil mit einer Hose, zweckmäßig wie Uniformen …“, sagte sie abwertend und musterte mich kurz. „Ich schlage hellblau vor. Die Farbe stand dir immer.“ Kurzerhand entschied sie für mich, tippte an der Wand etwas ein und fügte als Erklärung hinzu. „Ab morgen wird deine Kleidung in deinem Badschrank liegen. Sobald du sie herausnimmst, wird sie sofort ersetzt, so dass du immer einen Ersatz hast. Und die getragene Wäsche legst du in das untere Fach deines Schranks. Wird automatisch geleert.“
Sie holte ihre Paily aus der Tasche und warf einen Blick darauf. „Tom ist auf dem Weg zum Speisesaal und fragt, ob wir langsam fertig sind. Er hat recht. Wir sollten etwas essen. Hast du Hunger?“
Ich nickte. Vor lauter Aufregung hatte ich heute kaum gefrühstückt. Das auch nur, um Mama und Tante Barbara zu beruhigen. Nun erinnerte mich mein Magen laut, wie leer er war. Was für ein Leben, schoss mir durch den Kopf, während wir durch die blitzblank sauberen Flure liefen. Individuell maßangefertigte Kleidung, die unbegrenzt zur Verfügung stand, mit eingeschlossenem Wäschedienst, das Zimmer mit einem Bad, das sich alleine sauber hielt und dazu das leckerste Essen, das ich kannte. Das alles klang nach einer Fünf-Sterne-all-inclusive-Anlage. Nein, mehr als all inclusive, korrigierte ich mich im Stillen, als meine Hand meine ungewohnt glatte Wangenhaut streifte. So eine Dusche gab es auf der ganzen Erde nicht.
Im Speisesaal wartete Tom bereits auf uns und grinste mich an. „Na, Dora, zu viel auf einmal für dein kleines Hirn, nicht?“
„So klein nun wieder auch nicht“, widersprach ich betont fröhlich und lächelte ihn breit an. „Es ist alles tausendmal spannender und fantastischer, als ich gedacht habe. Und ich habe sogar schon geduscht!“
Neben dem Eingang liefen an der Wand Abbildungen der verschiedenen Gerichte und Getränke durch. Laura riet mir, sie anzuschauen, um welche auszusuchen. Während ich die unzählige, nicht enden wollende Auswahl bestaunte, schilderte sie Tom ausgiebig ihre Erlebnisse mit mir. Dabei ahmte sie meinen verblüfften Gesichtsausdruck nach und bedauerte aufrichtig Tom, meine Begeisterung über die Dusche und andere Dinge verpasst zu haben.
„Die hier werden sich in nächster Zeit wundern, warum plötzlich der Wasserverbrauch sprunghaft steigt“, witzelte Tom belustigt.
„Dora, hast du etwas ausgesucht oder sollen wir es für dich tun?“, fragte Laura, die meine Hilflosigkeit bemerkte.
Ich nickte. „Ja, bitte, ist bestimmt besser, wenn ihr etwas für mich aussucht.“ Zwar sahen die Gerichte auf den Abbildungen alle appetitlich aus, aber wonach und wie sie schmeckten, wusste ich ja doch nicht.“
Tom und Laura tippten leicht auf einige Abbildungen. Danach liefen wir ein paar Schritte weiter zu einer Art Förderband, welches in der Luft schwebte. Nach kurzer Zeit öffnete sich ein Teil der Wand und zwei geschlossene Kästen glitten auf das Band.
Während der Suche nach einem Platz wurde es schier unmöglich, die Blicke zu ignorieren, die mich - an sich seit unserem Eintreffen auf dem Schiff permanent - verfolgten. Unaufhaltsam stieg das mühsam unterdrückte Unbehagen. Ich senkte meine Augen zu Boden und folgte Tom, der zielstrebig auf einen abgelegenen Tisch in der hintersten Ecke des Saals zusteuerte.
Dieser stellte sich als der beste Platz in dem gesamten Saal heraus, um sich vor neugierigen Blicken zu schützen. Denn durch seine Ecklage schirmte er die Blicke der anderen mit zwei Wänden ab und die besonders üppig blühenden Pflanzen taten das Übrige dazu.
Tom und Laura stellten die leeren Kästen in ein Fach unter dem Tisch, das sich durch Berühren öffnen ließ. Kaum standen sie dort, schloss es sich automatisch und sank zu Boden, um wenig später geräuschlos auf seinen ursprünglichen Platz zurückzukehren.
„Das ist ja voll praktisch, da muss man nicht mehr die Sachen extra wegbringen!“, stellte ich begeistert fest.
„Na, du wirst noch genügend andere Dinge toll finden“, prophezeite Laura verständnisvoll lächelnd.
„Ach, so toll ist alles nun wirklich nicht.“ Tom machte eine wegwerfende Geste und forderte mich auf zu essen. „Das müsste dir schmecken.“
Auf meinem Teller lag ein Stück Steak mit Kartoffeln und irgendein grün-gelbliches Gemüse in Sternenform. Zwar schmeckten das Fleisch und die Kartoffeln etwas anders als die mir bekannten, aber absolut lecker, ebenso wie das unbekannte Gemüse. In der Hinsicht war ich mittlerweile fest überzeugt, bei ihnen ausschließlich etwas köstlich Schmeckendes zu bekommen.
Ich trank einen Schluck aus meinem Glas, das eine farblich wie Milch aussehende Flüssigkeit enthielt. „Was ist das? Das schmeckt ja superlecker!“
„Das ist der Saft von einer Pflanze. Sie sondert unaufhörlich Flüssigkeit ab, die direkt vor Ort verarbeitet und abgefüllt wird“, erklärte Laura.
Tom grinste. „So wie bei euch Kühe gemolken werden, melken wir diese Pflanze. Farbe und Geschmack ihres Saftes erinnern mich ziemlich an eure Milch. Deshalb habe ich sie für dich ausgesucht.“
Ich nahm einen weiteren Schluck. Er hatte recht. Tatsächlich schmeckte sie ähnlich wie ein Milchshake, bloß hundert Mal besser.
„Es war recht ordentlich eingerichtet. Ich glaube, es ist ein Zimmer für ranghöhere Besucher“, berichtete Laura Tom und beobachtete zufrieden, wie ich sichtlich guten Appetits aß.
„Hast du ihr vorgeführt, was man da alles verstellen kann?“, wollte Tom wissen.
Laura schaute überrascht auf und stöhnte. „Ich frage mich langsam ernsthaft, wo mein Kopf ist. Das habe ich völlig vergessen.“
„Was hättest du mir zeigen sollen?“ staunte ich wieder einmal. Es war abzusehen, dass meine häufigste Beschäftigung in der nächsten Zeit ständig überraschte Fragen sein würden.
Tom schüttelte den Kopf. „Laura war doch zu lange auf der Erde. In dem Raum gibt es allerhand Möglichkeiten, ihn nach deinem Geschmack zu gestalten Da wären zum Beispiel die Wände deines Zimmers, die verschiedene Motive zur Auswahl bieten. Ebenso lassen sich das Licht und die Raumtemperatur unterschiedlich einstellen, je nachdem wo und wie du es hell oder warm haben willst. Außerdem müsste ein Multientertainmentsystem - das ist so eine Mischung aus Computer, Fernseher, Musikanlage und Kommunikationsmittel - installiert sein.“
„Ich kann an den Wänden unterschiedliche Motive aussuchen?“, wiederholte ich verblüfft.
Ein auffallend nachsichtiges Lächeln breitete sich über Toms Gesicht aus. „Natürlich. In allen Schiffsräumen funktionieren die Wände wie Monitore. Das heißt, wenn du möchtest, lässt sich dein Bad oder dein Zimmer in jede beliebige Landschaft verwandeln, beispielsweise in eine Frühlingswiese, eine Schneelandschaft oder eine der dir unbekannten Welten.“
Eine jederzeit wechselbare Wandgestaltung, was für eine erstaunliche Erfindung! Es war alles weit aufregender und interessanter, als ich mir jemals vorgestellt hatte. Wenn Daeren jetzt bei mir säße, wäre das Glück perfekt. Auch wenn ich bislang versucht hatte, es den anderen zu verheimlichen, fehlte er mir die ganze Zeit schrecklich.
Ihn hatte ich seit der Ankunft auf dem Schiff nicht mehr zu Gesicht bekommen. Dabei befanden wir uns mittlerweile mindestens seit einem halben Tag hier. Mir hatte schon des Öfteren die Frage nach ihm auf der Zunge gelegen, was ich im letzten Moment jedoch immer hinuntergeschluckt hatte. Wenn sie etwas wüssten, hätten sie mir längst Bescheid gegeben.
Ich unterdrückte einen Seufzer und ließ meinen Blick ziellos über die blühenden Pflanzen um mich herum schweifen. Durch die Lücken des bunten Blätterwerks trafen mich die Blicke einiger neugieriger Augen, die hastig wegschauten. Auch ich lenkte meinen Blick zurück und richtete ihn auf die Wand neben mir.
Auf der glatten Oberfläche spiegelte sich mein Gesicht. Ein Gesicht, das auf der Erde nie besonders aufgefallen war, weder negativ noch positiv. Aber jetzt … Auf einmal fiel extrem auf, wie unansehnlich es im Gegensatz zu dem der anderen war, die ausnahmslos makellos wunderschön aussahen. Mich überkam das Gefühl, ein hässliches Entlein unter schönen Schwänen zu sein. Mein Unbehagen, das bislang relativ erfolgreich ignoriert wurde, meldete sich laut, unüberhörbar.
Meine Hände umklammerten das Glas vor mir. Ich versuchte, alles andere um mich auszublenden, und konzentrierte mich auf den Geschmack des milchigen Getränks, das irgendwie seine süßlich erfrischende Note verloren hatte. Es rann nun leicht bitter meine trockene Kehle herunter.
Laura deutete in Richtung der Tür. „Dora, Daeren kommt.“
Mein Kopf schoss selbstständig in die Höhe, da stand er bereits bei mir.
In seiner Miene spiegelte sich eine Mischung aus Besorgnis und schlechtem Gewissen wider. „Komm, mein Onkel möchte dich kennenlernen“, forderte er mich mit einem gequälten Lächeln auf, das er mir sicher verbergen wollte, aber nicht ganz unterdrücken konnte. Er reichte mir seine Hand. Beinahe wie eine Ertrinkende ergriff ich sie und sprang hastig auf.
Er drückte mich an sich und flüsterte mir leise ins Ohr: „Es tut mir leid.“
Meine Augen füllten sich mit Tränen, die sich nur mit Mühe wegblinzeln ließen. Das Gefühl der Verlassenheit, das die ganze Zeit an mir genagt hatte, schien deutlich stärker gewesen zu sein, als ich es mir eingestanden hatte.
Ich schluckte und verzog meinen Mund so weit es ging in die Breite, um ein Lächeln hervorzuzaubern. „Es ist alles unheimlich interessant und fantastisch“, bemühte ich mich meine Stimme möglichst fröhlich klingen zu lassen, was mir halbwegs gelang.
„Sie hat sogar schon die Dusche ausprobiert!“, verriet Laura lebhaft. „Weil sie davon sooo begeistert war.“
Er lächelte ihr und Tom kurz zu und sagte entschuldigend: „Ich muss gleich mit Dora zu meinem Onkel.“
„Ist klar. Dann viel Spaß“, erwiderte Tom leichthin. In seiner Stimme jedoch schwang weiterhin die Besorgnis mit, die seit unserer Ankunft auf dem Schiff nicht mehr von ihm weichen wollte gewichen war.
„Ja, bis dann“, sagte Laura und lächelte mir aufmunternd zu.
Daeren nahm meine Hand fest in seine und warf mir einen kurzen, dafür umso intensiveren Blick zu. Schlagartig breitete sich ein Gefühl, getröstet worden zu sein, wärmend in mir aus, während sich ein glückliches Lächeln von selbst auf meine Lippen stahl.
Beim Durchqueren des Saals bemerkte ich trotz der gesenkten Augen wie die Köpfe der Anwesenden sich leicht nach uns umdrehten.
„Ich hatte vergessen, wie streng die Protokolle sind. Es war unmöglich früher zu kommen“, bedauerte er flüsternd. Seine Augen waren genau wie meine stur zu Boden gerichtet.
„Wir hatten sowieso jede Menge zu tun. Ich habe ein Zimmer bekommen, auf das Laura sogar neidisch ist“, erzählte ich betont munter und schaute zu ihm auf.
Ich war so froh, ihn überhaupt zu sehen, dass alles andere nebensächlich wurde. Selbst die uns folgenden Blicken auf den Gängen störten mich kaum.
„Wir werden wenig Zeit füreinander haben“, gestand er und mied es, mich direkt anzuschauen, was im Normalfall nie geschah - er konnte sich an mir, genauso wie ich an ihm, nie sattsehen.
Es war eine vertraute Geste. Eine die ausschließlich unterlassen wurde, wenn ihn ein schlechtes Gewissen plagte und er sich mir gegenüber schuldig fühlte. Sogar extrem schuldig …
Es tat mir weh, ihn dermaßen bedrückt zu erleben. „Ach, ich habe einen vollen Stundenplan bekommen und muss eh ganz viel lernen. Leider ist es wirklich nötig. Ich verstehe einfach noch zu wenig“, versuchte ich ihn aufzumuntern und zog grinsend seine Hand näher zu mir; eine stumme Aufforderung mich anzusehen.
Er wandte sich zu mir und lächelte zurück. Dennoch ließ sich seine Niedergeschlagenheit schwer verstecken. „Ich hatte gehofft, dir dabei helfen zu können.“
Ja, das war auch meine Hoffnung gewesen, dachte ich enttäuscht. Aber seine schuldbewusste Miene half mir, mich besser zusammenzureißen. Er litt unter der Situation nicht minder. Warum sollte er sich dann zusätzlich mit unnötigen Schuldgefühlen belasten. Schließlich konnte er genauso wenig dafür, dass die Regeln hier strenger eingehalten wurden als irgendwo anders.
„Wie ist dein Onkel? Muss ich vor ihm Angst haben?“, fragte ich, um das Thema zu wechseln.
„Angst? Nein, keineswegs.“ Sichtlich verwundert versicherte er in ernstem Tonfall. „Man muss ihm zweifelsohne mit dem nötigen Respekt begegnen, aber Angst brauchst du bei uns vor keinem haben.“
Ich lächelte ihn unschuldig an. „Ich dachte, er ist ein Admiral.“
Irritiert zogen sich seine Brauen zusammen. Im nächsten Augenblick wurde sein Lächeln ein wenig unbeschwerter. „Jetzt hast du geschafft mich aufzuziehen“, sagte er ganz warm und drückte meine Hand kurz fester.
Ich fühlte mich besser. Solange er da war, würde mir nichts, aber auch gar nichts etwas ausmachen. Er begann zu erklären, dass eine richtige Verbeugung meinerseits bei der Begrüßung und beim Abschied der Form entsprechen würde und ich am besten stets erst nach einer Aufforderung handeln sollte.
„Wir werden gemeinsam eine Kleinigkeit essen. Warte, bis er das Besteck genommen hat. Danach darfst du. Also, merk dir einfach, ihm grundsätzlich den Vorrang zu gewähren.“
Ich wusste, dass die Regeln kompliziert waren und vor allem eine bedeutsame Rolle in ihrer Gesellschaft spielten. So prägte ich mir seine Ratschläge gut ein und spürte, wie meine Anspannung wuchs.
Der Admiral war nicht nur ein ranghoher Offizier, sondern Daerens erstes Familienmitglied, den ich treffen würde. Deshalb war es für mich umso aufregender und wichtiger, möglichst einen guten Eindruck zu hinterlassen und keinen Fehler zu begehen.
Vor einer auffallend mit reichlichen Ornamenten verzierten Tür stoppte Daeren und warf mir einen warmen, aufmunternden Blick zu. Während ich tief Luft holte, glitt sie zur Seite.
Der Admiral lehnte sich an einem dunklen hölzernen Tisch. Ich blieb ein paar Schritte vor ihm stehen und verbeugte mich tief, so wie Daeren ihn bei der Empfangszeremonie begrüßt hatte. Als ich mich aufrichtete, begegnete mir ein freundlich lächelndes Gesicht.
„Du beherrscht das Begrüßungsritual bereits wie ein HanJin, Isadora. Ich freue mich dich kennenzulernen. Unsere Familie und ich schulden dir großen Dank für die Rettung seines Lebens“, sprach er unerwartet auf Deutsch, kam auf mich zu und umarmte mich kurz, dennoch fest.
Verblüfft warf ich schnell einen Blick zu Daeren. Über sein Gesicht huschte Überraschung, vermischt mit Erleichterung.
Der Admiral lächelte verständnisvoll. „Ich verbrachte ebenfalls einige Zeit auf der Erde, so wie Daeren. Nur ist es etwas länger her, weshalb ich mich kurz in die moderne deutsche Sprache einweisen lassen musste.“
Da fiel mir ein, dass der Aufenthalt auf der Erde ihrer Familientradition entsprach. Meine Anspannung wich etwas. Für mich bedeutete es eine enorme Erleichterung, das Gespräch im mir vertrauten Deutsch führen zu dürfen. In dem Fall bestand, anders als in ihrer extrem komplizierten Sprache, das um ein Vielfaches geringere Risiko, Fehler zu begehen. Er forderte uns auf Platz zu nehmen. Ich entsann mich an Daerens Rat und wartete, bis er sich zuerst hingesetzt hatte, bevor ich mich vorsichtig auf den Stuhl sinken ließ.
Aus einer außergewöhnlich schöngeformten Kanne mit herrlichen Verzierungen aus verschiedenen Materialien, die schwer zu bestimmen waren, goss er etwas in meine ebenso gestaltete Tasse, dann in Daerens und zum Schluss in seine ein. In zartblauer, dampfender Flüssigkeit schwammen zahlreiche goldene Partikel, die wie Sterne am Himmel funkelten.
„Probiere ihn“, ermunterte er mich und nahm seine Tasse in die Hand. „Es ist etwas Kostbares. Und lass dir Zeit, bis der Geschmack sich in deinem Mund entfaltet.“
Behutsam mit beiden Händen führten er und Daeren ihre Tassen an die Lippen. Ich tat es ihnen gleich und ließ die Flüssigkeit vorsichtig in meinen Mund fließen.
Vor Überraschung weiteten sich meine Augen. Mir fiel kein Wort ein, das diesen Geschmack annähernd hätte beschreiben können. Es war ein Geschmackserlebnis ohne jeglichen Vergleich, die geballte Ladung eines Feuerwerks der Sinne. Bislang fand ich ihr Essen ungewöhnlich gut schmeckend, aber das hier übertraf alles andere. Unvergleichlich, einmalig! Sie beobachteten mein Mienenspiel mit einem wohlwollenden Lächeln.
„Er heißt Shan. Ihr Menschen würdet es als eine Art Tee bezeichnen“, erklärte der Admiral.
Aber kein Tee auf der Erde, nein, wahrscheinlich im gesamten Universum, könnte jemals derartig Einmaliges bieten. Da war ich mir sicher. Vorsichtig nahm ich einen weiteren Schluck. Erneut fand eine unbeschreibliche Geschmacksexplosion in meinem Mund statt, die auf eine unbekannte Weise meine Sinne belebte.
Anschließend wurde das Essen von einem Unteroffizier aufgetragen. Diese Gerichte sahen vollkommen anders aus als die, die im Speisesaal abgebildet waren, absolut exotisch. Auch schmeckten sie zwar ausgezeichnet, aber gleichzeitig dermaßen fremd, dass ich nicht einmal sicher war, ob es sich bei dem, was ich gerade kaute, um Fleisch oder etwas Vegetarisches handelte. Während wir aßen, achtete ich sorgfältig darauf, mir stets nach seinem Onkel etwas von den großen Platten zu nehmen
„Wie es scheint, hat Daeren dir äußerst eindringlich unsere Tischsitten beigebracht. Du meisterst diese wie ein richtiger HanJin“, lobte mich der Admiral zufrieden.
Dieses unerwartete Lob half, meine Anspannung etwas zu lösen. In plauderndem Tonfall begann er mich über das Leben auf der Erde, über meine Familie und meine Interessen zu befragen. Mit der Zeit verlor ich weitgehend meine Hemmung, sodass das Gespräch entspannter fortgesetzt wurde. Zum Schluss bedankte er sich noch einmal nachdrücklich für die Rettung Daerens und nach einer Abschiedsverbeugung war ich entlassen.
„Es ist doch gut gelaufen, oder?“, fragte ich draußen auf dem Flur.
„Natürlich“, entgegnete er überzeugt. „Aber das war doch klar, oder? Wer könnte dich nicht gernhaben?“
„Daeren, dein Onkel sieht mich mit seinen eigenen Augen und nicht mit deinen“, korrigierte ich ihn kopfschüttelnd.
„Das wäre wohl kaum wünschenswert“, konterte er grinsend. „Da müsste er sich ja in dich verlieben.“
Ich gab auf. „Wo gehen wir nun hin?“
Abrupt verschwand das Lächeln aus seinem Gesicht. „Ich bringe dich zu deinem Zimmer“, antwortete er leise.
Es war mehr als hilfreich, vorher Bescheid gewusst zu haben. Ansonsten hätte ich mich niemals so zusammenreißen können. Auf keinen Fall durfte er mich enttäuscht sehen. Die Regeln waren nun mal, wie sie waren. Das hätten wir wissen müssen. Er litt ohnehin genug. Und dieses Wissen gab mir die nötige Kraft.
Trotz seiner Mühe um Selbstbeherrschung schwankte seine Stimme leicht, als er weiter ansetzen wollte. „Es ist …“
Ich kam ihm zuvor. „Ich weiß, du darfst nicht in mein Zimmer“, sagte ich in lockerem Ton. „Laura hat doch oft genug erzählt, wie streng die Regeln hier sind.“ Ich zuckte die Schultern. „Schade, aber nichts zu machen. Außerdem bin ich eh müde und die Fahrt dauert ja glücklicherweise nicht ewig.“
Leider hellte sich seine Miene kein bisschen auf. Also blickte ich ihn fest an und zog meine Mundwinkel weit nach oben. Wie erhofft, lächelte er zwar zurück, aber seine Augen blieben dennoch davon unberührt. Ein weiterer Beweis dafür, wie sehr er unter der Situation litt.
Ich begann ihm Fragen über das Schiff zu stellen: Das versprach einen doppelten Erfolg. Denn jedes Mal, wenn er mir etwas erklärte, bekamen seine Augen einen lebendigen Glanz. Zudem liebte ich es, ihm zuzuhören. Seine Stimme und seine Art, mir etwas zu erläutern, hatten schon immer die Macht besessen, mich zu trösten, die Welt um mich zu erhellen. Selbst früher in meinem unglücklichsten Moment, in dem ich fest an den Abschied geglaubt hatte, verfehlte sie ihre Wirkung nie. Genau wie jetzt.
Trotz allem fiel es mir unendlich schwer, ihn loszulassen, als er mich vor meiner Kabinentür viel zu früh aus seiner ungewöhnlich festen Umarmung entließ. Meine Selbstbeherrschung fing an zu bröckeln. Entschlossen öffnete ich die Tür und trat hastig ein, während sie noch zur Seite glitt. Der Abschied musste so schnell wie möglich hinter sich gebracht werden, sonst lief ich Gefahr, ihm meine Angst doch zu enthüllen.
Nun standen wir uns gegenüber, nur einen Schritt voneinander entfernt, bemüht, dem anderen ein Lächeln zu schenken. Die Tür schob sich vor seine Schulter, die Hälfte seines Gesichts, dann die andere Hälfte und verbarg ihn schließlich ganz.
Meine Kehle schnürte sich zu. Ich schloss die Augen und horchte mit angehaltenem Atem an der Tür, hinter der keine erhofften Schritte ertönten. Erst als seine Schritte zögernd, dann immer rascher werdend sich entfernten, stieß ich langsam die Luft aus und öffnete meine Augen. Auf einmal erschien mir das Zimmer riesig, während ein bleiernes Gewicht meinen Körper zu erdrücken drohte. Schwerfällig schlurfte ich zum Bett, um mich dort kraftlos sinken zu lassen.
Wahrscheinlich wären die Tränen doch geflossen, wenn nicht nach kurzer Zeit etwas gesummt hätte. Irritiert schaute ich mich um. Die obere Hälfte der Tür leuchtete grün. Verwundert lief ich zu ihr und öffnete sie zögernd.
Draußen stand Laura lächelnd. „Ich dachte, ich bleibe, bis du eingeschlafen bist, damit du mich fragen kannst, wenn etwas unklar ist.“
Ein großer Stein fiel mir vom Herzen. Seufzend fiel ich ihr um den Hals. „Oh, Laura, wie lieb von dir!“
Selten hatte ich mich so erleichtert gefühlt. Meine Angst, die erste Nacht in der fremden Welt mutterseelenallein zu verbringen, musste viel größer gewesen sein, als ich es je zugegeben hätte.
Laura half mir den Wecker zu stellen, der auf fantastische Art und Weise funktionieren sollte. Sie versprach, am nächsten Morgen mich zeitig abzuholen, und blieb tatsächlich, bis ich eingeschlafen war.
Als der Wecker mich am nächsten Morgen aus dem Schlaf riss, blickte ich mich zunächst völlig verdattert um. Alle Wände des Zimmers hatten sich in einen Monitor verwandelt und die Landschaft, die ich am Abend zuvor zum Aufwachen ausgesucht hatte, füllte in 3D den gesamten Raum.
Es war, als befände ich mich mitten in einer Frühlingslandschaft. Unzählige Schmetterlinge flogen über Wiesen voller bunter Frühjahrsblumen, durch die sanft plätschernd ein Bach floss. Fröhliches Vogelgezwitscher bevölkerte die Luft, die sogar nach Blumen und Gras duftete. Dazu wehte ein lauer Wind, der meine Haare leicht in Bewegung brachte. Eine schönere Art geweckt zu werden, konnte ich mir kaum vorstellen.
Eine Weile genoss ich die zauberhafte Landschaft im Bett, das übrigens tagsüber automatisch gelüftet und gereinigt wurde – hatte Laura mir erklärt, denn das ganze Zimmer musste man nie selber putzen. Als die Bilder zu verblassen begannen, fiel mir die neue Kleidung ein, die ab heute für mich bereitliegen sollte. Gespannt sprang ich vom Bett hinunter und eilte zum Badezimmerschrank. Dort fand sich tatsächlich ein hellblauer Zweiteiler - die allererste maßangefertigte Kleidung in meinem Leben.
Nach dem Duschen, das einfach nur zum Begeistern war, zog ich die für mich erste HanJin-Kleidung an, die aus einer relativ schmalen, gerade geschnittenen Hose und einem hüftlangen Oberteil, einer Mischung aus Bluse und Jacke, bestand.
Der Stoff fühlte sich auf der Haut geschmeidig wie Seide an. Obwohl er extrem elastisch war und das Oberteil eine überaus exakte Passform hatte, engte er weder ein, noch zeichnete sich stark der Körper ab. Die Kleidung saß leicht locker und wirkte, als bestünde sie aus einem wesentlich festeren Material.
Wenn Laura nicht bereits gestern davor gewarnt hätte, dass es keine Unterwäsche gab, wäre ich jetzt sehr überrascht gewesen. Wobei sie rein vom Tragegefühl her nicht einmal fehlte. Vielleicht, weil die Kleidung ungewöhnlich genau passte.
Auf meine verblüffte Frage, ob sie überhaupt welche kennen würden, klagte Laura, dass bei diesen uniformartigen Kleidungen einzig auf die praktische Seite Wert gelegt wurde und kein bisschen auf Aussehen oder Wohlbefinden. Das hieß, sie wurde ohnehin am Tag mehrmals gewechselt, weshalb Unterwäsche als überflüssiges Utensil ausgespart wurde. Auf jeden Fall versicherte sie mir, bei ihnen gäbe es wunderschöne Dessous in riesiger Auswahl.
Die Schuhe bestanden aus festem Material. Sie passten sich sofort meinem Fuß an, als ich sie anzog und fühlten sich leicht und elastisch wie Strümpfe an, welche natürlich ebenfalls fehlten. Was mich am meisten begeistert hatte, war, wie die Zähne gepflegt wurden. Zur Reinigung genügte, ein kleines Plättchen in den Mund zu legen. Damit wurden sie nicht nur absolut gründlich gereinigt, sondern auch mit einer Schutzschicht versehen. Hinzu kam, dass sie danach blendend weiß glänzten.
Meine Zähne, um die alle anderen auf der Erde mich beneidet hatten, glänzten von Natur aus hell – das einzige Besondere an mir gegenüber anderen - aber das war kein Vergleich mehr. Nun blitzten sie dermaßen blendend weiß, als bestünden sie aus einem anderen Material. Und das alles mit einem einzigen Plättchen!
Eine weitere Neuheit im Bad war für mich, dass dort weder Waschbecken noch Wasserhähne oder dergleichen existierten. Im Grunde benötigte man sie nicht unbedingt, da die Toilette einen reinigte und keine Zähne geputzt oder die Hände gewaschen werden mussten - für diesen Zweck lagen überall feuchte Tücher bereit. Dennoch fehlte mir die Möglichkeit, wie auf der Erde mal schnell das Wasser übers Gesicht zu spritzen, doch irgendwie.
Dafür gefiel mir die Nutzungsart des Bades umso besser. Es diente zusätzlich als perfektes Ankleidezimmer, in dem nichts fehlte; angefangen von einem in der Wand integrierten Kleiderschrank, welcher sich automatisch mit neuen Kleidungsstücken füllte, sobald das Getragene dort abgelegt wurde, bis zu mehreren mannshohen Spiegeln, die den Betrachter aus allen erdenklichen Perspektiven zeigten.
Ich schaute mich kritisch von allen Seiten im Spiegel an. Die Kleidung saß perfekt und meine Haare glänzten wie noch nie zuvor. Die Pflegesubstanzen der Dusche schienen hervorragende Dienste zu leisten, denn auch meine Haut fühlte sich wesentlich glatter an. Objektiv betrachtet sah ich eindeutig hübscher aus als auf der Erde. Dass ich mir gestern trotzdem hässlich vorgekommen war, lag wohl ausschließlich an dem zu perfekten Aussehen der anderen.
Ich zuckte die Schultern. „Also, was soll’s. Auf der Erde gab es ebenfalls genügend Menschen, die hübscher waren als ich“, erinnerte ich mich leise zu meinem Spiegelbild gewandt und grinste mich breit an.
Es summte. Vor der Tür stand Laura, die um ein Vielfaches schöner aussah als vorher - genau wie auf den Bildern, die sie mir mal vorgeführt hatte, einfach perfekt.
Sie lächelte vorsichtig. „Na, Dora, hast du gut geschlafen?“
„Oh, Laura“, sagte ich nach dem unleugbar ersten Schock. „Ich hätte dich beinahe nicht wiedererkannt. Du siehst … echt toll aus.“
„Aber ich bin dieselbe Laura, die du kennst, und werde es immer bleiben“, erwiderte Laura, seit wir uns kannten zum ersten Mal vollkommen ernst, als müsste sie mich erinnern, dass unsere Zuneigung keineswegs von unserem Aussehen oder sonst irgendwelchen anderen Faktoren abhängen würde.
Ich fühlte mich getröstet. Sie wusste genau, was in mir vorging. Sicherlich gab es im Leben wesentlich Wichtigeres als das Äußere. Dennoch, wenn es in meiner Macht stünde, wenn es irgendwie machbar wäre, wäre ich gerne ebenso schön wie sie … Andererseits, kein anderer wurde in seinem Leben mit einer derartigen Unmenge an Glück überhäuft wie ich. Da sollte ich mich wirklich nicht beklagen.
„Das weiß ich doch. Dieses Grün steht dir ausgezeichnet, aber ich finde mein Blau sieht auch gut aus, meinst du nicht?“, sagte ich fröhlich und grinste sie breit an.
Wortlos schloss sie mich in ihre Arme. „Ach, Dora, du bist wirklich etwas ganz Besonderes“, flüsterte sie anschließend. „Ich bin so froh, dass wir uns gefunden haben.“
Ja, sie war in der Tat die beste große Schwester der Welten.
Erst auf dem Weg zum Speisesaal bemerkte ich, wie unglaublich schnell die Leute hier liefen – das schien ihr Grundtempo zu sein. Wenn ich mit ihnen Schritt halten wollte, müsste ich ständig rennen. Nun verstand ich, was Laura einst mit langsam kriechen meinte, als sie auf der Erde war.
Das Frühstück wurde als Büffet angeboten, so wie es bei uns in den Hotels üblich war. Die Auswahl fiel beeindruckend üppig aus. Äußerlich kamen mir die meisten Dinge bekannt vor. Angefangen von Brötchen und verschiedenen Brotsorten bis hin zu Säften und Müsli. Ich wählte ein Glas Saft, ein Brötchen mit Belag und ein wenig von dem Obstsalat. Jedoch, wie nicht anders zu erwarten, schmeckte alles unvergleichlich besser als unser Frühstück.
Im Speisesaal herrschte wesentlich mehr Betrieb als gestern. Wie am Tag zuvor verfolgten mich zahlreiche verstohlene Blicke. Ich versuchte, sie zu ignorieren, indem ich mich umso stärker auf das Gespräch mit Laura konzentrierte.
Bedauernd teilte sie mit, dass für mich keine Möglichkeit bestand, alleine ins nächste Stockwerk zu gelangen. Es fuhren zwar ununterbrochen Fahrstühle, nur dienten sie ausschließlich dem Warentransport. Das hieß, die gesamte Steuerung und Zeitplanung erfolgte durch die Logistiksektion, in der riesige Mengen von Daten gespeichert waren und alles minutiös nach Plan ein- und ausgeladen und transportiert wurde. Somit konnte ich keinen nutzen.
„Wir müssen uns etwas einfallen lassen, denn in JaRen findet man auch keine Treppe, und ich weiß nicht, ob überall genügend Fahrstühle für die Personenbeförderung zur Verfügung stehen. Hier auf dem Schiff nimmt halt einer von uns dich hoch, aber in JaRen werden wir uns höchstwahrscheinlich eher selten sehen“, sagte Laura grübelnd und lächelte mich beruhigend an. „Aber keine Sorge, Tom wird sich bestimmt etwas ausdenken.“
Danach berichtete sie, welche Aufgaben sie und Tom während der Fahrt zugeteilt bekommen hatten; interessanterweise erhielt jeder auf dem Schiff eine Aufgabe, die er entweder am besten beherrschte oder gerne übernehmen wollte.
Laura kam in das Vorbereitungsteam für die nächsten Planetenbesuche, während Tom der Computerwartungsabteilung zugewiesen wurde. Mary und Henry arbeiteten im biologischen Labor. Ich wiederum sollte an einem Vorbereitungsseminar für Erstbesucher auf JaRen teilnehmen, das ähnlich konzipiert war wie Schulunterricht. Man lernte dort die Sprache und Kultur der HanJin. Zusätzlich beinhaltete es, genau wie in einer normalen Schule, täglichen Sportunterricht.
„Bis wir den Planeten der Vampire und Werwölfe erreichen, wo neue Schüler dazustoßen werden, bleibst du die einzige Teilnehmerin. Das ist ein unverhofftes Glück für dich, weil gerade jetzt am Anfang die Lehrerin Zeit hat, sich ausschließlich um dich zu kümmern“, schloss Laura und blickte mich aufmunternd an. Anschließend brachte sie mich zum Unterrichtsraum und versprach, zur Mittagspause wiederzukommen.
Die Lehrerin Tahna erwartete mich bereits und grüßte freundlich. „Guten Morgen, Isadora. Ich hoffe, du hast einen schönen ersten Tag verbracht.“
Ohne Umschweife begann sie zu erläutern, was sie in der ersten Zeit mit mir üben wollte; eine Duzform, die eine Lehrerin oder eine Erwachsene gegenüber einem Minderjährigen gebraucht. Leider bestand ihre Sprache aus Unmengen von Siez- und Duzformen, die überdies bei den jeweiligen Personen korrekt angewendet werden mussten.
Nach ihrer Meinung dürfte diese Duzform, die sie von nun an zu unterrichten beabsichtigte, für mich leicht zu erlernen sein. Denn im Wesentlichen unterschied sie sich wenig von den Formen, die ich bereits beherrschte, insbesondere was die Aussprache und die Tonlage betraf.
„Wenn wir den Planeten der Vampire und Werwölfe, also den Planeten ELuVa, besuchen, werden neue Schüler hinzukommen. Ab dem Zeitpunkt werde ich ausschließlich in dieser Form sprechen. Bis dahin bist du glücklicherweise meine einzige Schülerin, weshalb wir die Gelegenheit nutzen und uns intensiv dieser Form widmen werden. Mit der Kultur und der Geschichte JaRens beginnen wir erst, wenn die anderen da sind.“
Die Lehrerin Tahna verfügte über die beste Voraussetzung einer Lehrerin. Sie war unendlich geduldig und verstand geschickt, Neues beizubringen, so dass ich mit großem Spaß dem Unterricht folgte.
Als dann Laura und Tom zusammen mich abholen kamen, war ich ganz erstaunt, dass es schon zur Mittagspause ging. „Was? So schnell ist die Zeit vergangen?“
„Das ist das schönste Kompliment, das ein Lehrer von seinem Schüler bekommen kann“, kommentierte sie erfreut und berichtete begeistert den beiden, wie schön es sei, mich zu unterrichten. „Sie ist mit Abstand die interessierteste Schülerin, die ich je hatte. Es macht unglaublich viel Freude, ihr etwas zu vermitteln!“
Die beiden strahlten, als hätten sie selbst ein Lob erhalten.
Auf dem Weg zum Speisesaal grinste mich Tom an. „Ich sagte doch, du wirst Laura immer ähnlicher.“ Er seufzte schwer. „Ich fürchte, du wirst garantiert eine richtige Streberin wie sie.“
Ich grinste zurück. „Du bist bloß neidisch. Übrigens, Tom, ich wusste gar nicht, wie gut du aussiehst“, und musterte ihn von oben bis unten.
Tom und Raul gehörten, an menschlichen Maßstäben gemessen, schon zu den ausgesprochen Gutaussehenden. Da sie jedoch länger auf der Erde gelebt hatten als Laura und Daeren, waren sie äußerlich mehr den Menschen angepasst gewesen. Interessanterweise nahm die äußerliche Veränderung zu, je länger man auf der Erde lebte. Deshalb fielen Jane, William, Mary und Henry in der Hinsicht überhaupt nicht auf.
Tom machte eine wegwerfende Geste. „Ach, ich finde, ich sah auf der Erde interessanter aus. Da hatte man eine gewisse persönliche Note. Hier bei uns sehen irgendwie alle zu ähnlich aus, total langweilig. Du gefällst mir in dieser Hinsicht eindeutig besser!“
Es klang tatsächlich ehrlich und nicht bloß, als ob er mich trösten wollte. Das beruhigte und tröstete mich mehr, als ich erwartet und wahrscheinlich selbst eingeräumt hätte.
Ja, ich war ein ganz normales Mädchen, für das Aussehen eine größere Rolle spielte, als die reine Vernunft verlangte. Nicht dass ich unbedingt die Schönste sein wollte, aber mit Abstand die Hässlichste zu sein, war doch schwer zu ertragen.
Beim Mittagessen schweifte mein Blick ständig zum Eingang.
„Dora, Daeren wird dich erst nach deinem Sportunterricht abholen. Er versucht, seinen Stundenplan an deinen anzupassen, damit ihr gleichzeitig frei habt“, sagte Laura mitfühlend.
Ertappt und ein wenig verlegen schaute ich zu ihr hinüber. Trotz meiner Mühe, mir nichts merken zu lassen, schien es für sie allzu offensichtlich, wie sehnsüchtig ich auf Daeren wartete.
„Danke, dass du Bescheid gesagt hast“, murmelte ich und wandte meine Augen endgültig von der Tür ab.
Mary und Henry stießen zu uns. Ihr Äußeres war dermaßen verändert, dass ich im ersten Moment unsicher wurde, ob sie es tatsächlich waren. Sie wirkten nicht nur deutlich jünger, sondern sahen genauso perfekt aus wie alle anderen. Nacheinander umarmten sie mich.
„Ich habe gehört, du warst gestern beim Admiral zum Abendessen und hast dich dabei vorbildlich gezeigt. Der Admiral meinte, er sei von dir überaus positiv überrascht“, verriet Mary strahlend und setzte sich zu uns.
Henry nahm ebenfalls Platz. Seine Stimme klang stolz. „Ich war mir sicher, dass er dich mögen wird. Ich weiß ja, wie viel Mühe du dir immer gibst.“