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Janina Kugel

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  • Herausgeber: Ariston
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2021
Beschreibung

Der Spiegel-Bestseller erstmals im Taschenbuch!

Janina Kugel war im Vorstand der Siemens AG zuständig für rund 380.000 Mitarbeiter. Mit frischen und innovativen Ideen schaffte sie es, die Unternehmenskultur des Großkonzerns Schritt für Schritt zu verändern – raus aus starren Strukturen, hin zu einem offenen und flexiblen Umgang, den Mensch immer im Mittelpunkt.

Jetzt erzählt sie von ihren persönlichen Erfahrungen, zeigt auf, was wir anpacken müssen, und ermutigt ihre LeserInnen, an sich selbst zu glauben und sich in der rasant verändernden Arbeitswelt durchzusetzen. Souverän, mutig, optimistisch – eine Revolution in Buchform!

»Eine phantastische Mut-Anleitung für uns alle.« (Sascha Lobo)

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Zum Buch:

Janina Kugel war im Vorstand der Siemens AG zuständig für rund 380.000 Mitarbeiter. Mit frischen und innovativen Ideen schaffte sie es, die Unternehmenskultur des Großkonzerns Schritt für Schritt zu verändern – raus aus starren Strukturen, hin zu einem offenen und flexiblen Umgang, den Mensch immer im Mittelpunkt. Ihre Glaubenssätze: »Die Zeit allwissender und autokratischer Chefs ist vorbei.« – »Diverse Teams sind immer die besseren Teams.« - »Nur diejenigen, die den Wandel aktiv gestalten, werden erfolgreich sein.« – »In jedem Abschied liegt auch immer die Chance auf einen Neuanfang.« – »Jeder Arbeitnehmer ist ersetzbar. Jeder Job übrigens auch.«

Jetzt erzählt sie von ihren persönlichen Erfahrungen, zeigt auf, was wir anpacken müssen, und ermutigt ihre Leser*innen, an sich selbst zu glauben und sich in der rasant verändernden Arbeitswelt durchzusetzen. Souverän, mutig, optimistisch – eine Revolution in Buchform!

Zur Autorin:

Janina Kugel, geboren 1970 in Stuttgart, war nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre in Mainz und Verona zunächst bei einer internationalen Unternehmensberatung tätig. Später wechselte sie zur Siemens AG, wo sie nach mehreren Stationen im In- und Ausland ab dem Jahr 2015 als Personalvorständin für 380.000 Mitarbeiter zuständig war.

Janina Kugel ist eines der bekanntesten Gesichter der deutschen Wirtschaft. Sie war über viele Jahre der geheime Superstar (Bild: »Star-Managerin«) von Siemens. Sie verpasste dem Konzern »ein junges, cooles Image auf der Höhe der Zeit« (FAZ). Als Speakerin bei internationalen Tech- und Zukunftskonferenzen, als Social-Media-Influencerin oder TED-Talkerin predigte Kugel Disruption, Diversity und Digitalisierung. Als eine der wenigen Frauen in Top-Positionen gewann sie – weit über den deutschen Sprachraum hinaus – enorme Reputation als Vordenkerin bei den wichtigsten Zukunftsthemen. Für den Spiegel ist sie die »prominenteste deutsche Managerin«. Sie steht seit 2016 auf der Liste der einflussreichsten Frauen der deutschen Wirtschaft und wurde 2018 zur »Prima inter Pares« gewählt (Manager Magazin/BCG).

Anfang 2020 verließ Janina Kugel das Unternehmen und ist seither als Aufsichtsrätin und Senior Advisorin tätig. Sie ist Mitglied internationaler Beiräte in Bildung, Kultur und Wirtschaft und berät auch die Bundesregierung. Janina Kugel ist Mutter von Zwillingen und lebt mit ihrem Partner in München.

Janina Kugel

It’s now

Leben, führen, arbeiten – Wir kennen die Regeln, jetzt ändern wir sie

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Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter www.dnb.de abrufbar.

© 2021 Janina Kugel

© 2021 Ariston Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Alle Rechte vorbehalten

Redaktion: Michael Schickerling

Umschlaggestaltung: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich,

unter Verwendung eines Fotos von © Laurence Chaperon

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN: 978-3-641-27747-5V001

Dare to be different – für diejenigen, die Neues wagen wollen

Inhalt

Vorwort

1 Alles wird neu: Warum wir den Mut haben sollten, neue Wege zu gehen

2 Kinder und Karriere: Das geht schon, ist halt sauanstrengend

3 Ein Arbeitsleben: So flexibel, dass wir noch leben können

4 Corona: Eine verpasste Chance

5 Künstliche Intelligenz: Warum sie in Wahrheit gar nicht intelligent ist und wir Fortschritt nicht allein den Technologen überlassen dürfen

6 Ausgelernt hat ausgedient: Warum wir nicht aufhören dürfen zu lernen

7 Generationen: Warum es um mehr geht als nur um das Alter

8 Diversity: Weil wir einfach vielfältig sind

9 Management: Die Zeit allwissender und autokratischer Chef*innen ist vorbei

10 Zeit für mutige Veränderungen: Über die hohe Kunst von Advanced Leadership

Danke

Anmerkungen

Vorwort

Eigentlich sind Veränderungen ja das Normalste der Welt, und dennoch haben so viele Menschen Angst davor. Warum eigentlich, denn in ihnen liegen so viele Chancen.

Mich haben Veränderungen schon immer fasziniert. Ich wollte schon immer gestalten. So habe ich mich auf sie eingelassen. Manchmal, weil ich es wollte, und manchmal, weil es auch gar keine andere Wahl gab.

Als ich vergangenes Jahr anfing, dieses Buch zu schreiben, wollte ich nur über die sich ändernde Arbeitswelt schreiben und alles, was dazu gehört. Das ist schon eine ganze Menge – Themen, die mich seit Jahren umtreiben. Geprägt durch meine Berufsjahre im Personalbereich und somit vermutlich auch das, was Sie erwarten.

Aber dann kam das Corona-Virus und sollte die Welt, wie wir sie bislang kannten, von heute auf morgen auf den Kopf stellen. Die Pandemie und ihre Auswirkungen auf uns als Personen und unsere Gesellschaft haben mich und dieses Buch verändert. Ebenso wie die Tatsache, dass für mich 2020 ein neues berufliches Kapitel begann, das mir ungeahnte Freiheiten bescherte.

In der Pandemie wurden viele Entscheidungen getroffen, andere gescheut. Ich hätte nicht gedacht, wie wütend mich das so manches Mal machen würde: Wie kann man den Fortschritt trotz all des notwendigen Krisenmanagements so außer Acht lassen? Wie tief in der Vergangenheit wollen manche eigentlich verharren, und wie viele geglaubte Errungenschaften einer moderneren, gerechteren und vor allem gleichberechtigteren Gesellschaft sind doch noch lange keine Selbstverständlichkeit?

Und dann gab es die Momente, in denen ich spürte, dass neue Energien entstehen. Dass die Bereitschaft zu warten kleiner wurde. Endlich, dachte ich, wachen genügend auf und verstehen, dass wir die Zukunft nicht aussitzen können, sondern dass wir sie gemeinsam gestalten müssen. Denn wir brauchen neue Perspektiven, neue Regeln und vor allem Rückgrat und den Glauben, dass es gelingen wird. Nur so können wir die Arbeitswelt und die Welt, in der wir leben, verändern. Zum Positiven.

Darum geht es in diesem Buch: Um Geschichten, die zeigen, dass es anders geht. Um persönliche Erfahrungen, um konkrete Vorschläge und um Denkanstöße, wie wir Wandel gestalten können.

Neue Wege zu gehen mag manchmal anstrengender sein, als das Alte weiterzumachen, aber es lohnt sich immer.

Es ist an der Zeit, neue Geschichten zu schreiben. Mit neuen Drehbüchern und anderen Hauptdarsteller*innen – mit Optimismus, Mut und Leidenschaft. Denn es ist gar nicht so schwer.

Janina KugelMünchen, im Januar 2021

1Alles wird neu: Warum wir den Mut haben sollten, neue Wege zu gehen

Als meine Eltern Anfang der Siebzigerjahre ihre Examensarbeiten schrieben, saßen sie an der Schreibmaschine. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, sie tatsächlich gesehen zu haben, dafür war ich zu klein, aber Erinnerungen habe ich trotzdem. Sie bestehen aus Geräuschen. Meine Einschlafhintergrundgeräusche. Das nicht enden wollende Getrappel der Buchstaben, kleine schwere Stempel, mit denen sich ein Blatt Papier zerlöchern ließ wie eine Saloon-Tür im Wilden Westen. Den Anschlag des Schalthebels, wenn eine neue Zeile begann. Ping. Und ja: das Schimpfen. Wenn mein Vater oder meine Mutter sich am Ende eines Bogens vertippt hatten – wie bitter, denke ich heute. Alles noch einmal auf Anfang.

Auch für mich war die Schreibmaschine der Anfang, sechs Buchstaben – einer nach dem anderen mit dem Zeigefinger gesucht und gefunden. Zum ersten Mal den eigenen Namen tippen, aus eigener Kraft die richtigen Tasten ansteuern:

j a n i n a

Ein Kindergartenkind, das seinen Namen allein auf der Schreibmaschine tippt. Das sind Erinnerungen, die bleiben, und ich weiß tatsächlich noch, wie das Zimmer aussah, in dem die Schreibmaschine stand. Vor allem, was für eine coole Tapete aus den Siebzigern an der Wand hing, Sie wissen schon, diese knalligen Farben mit den großen Mustern. Meine Mutter verteidigt sich noch heute, wenn Fotos davon auftauchen, und sagt, wie sündhaft teuer die damals war – und wie »trendy«. Dabei muss sie selbst lachen.

Ich war so was von stolz und fand mich echt schon schulreif.

Als ich gut zwanzig Jahre später meine Examensarbeit tippte, gab es zwar noch kein WLAN und kein Internet, zumindest nicht für Menschen wie mich, aber es gab: Computer. Unglaublich hässliche, klobige Türme, mit kilogrammschweren Röhrenmonitoren und einer Rechnerleistung, die heute jedes ferngesteuerte Rennauto hat. Und ich war wieder so was von stolz, denn meine Eltern hatten mir zum Schreiben der Diplomarbeit einen Laptop geschenkt. Damit war ich ganz vorne dran, konnte Gedanken und Literaturangaben direkt in der Bibliothek für mich sichern, und wenn ich am nächsten Tag etwas zu verändern hatte, war das kein Problem, denn das ging ja alles. Auch Fehler ließen sich einfach rückgängig machen, denn zur Freude aller gab es die Rechtschreibkorrektur damals schon.

Fortschritt passiert. Er gehört zu unserem Leben wie Atmen, Essen und Trinken. Wir können ihn gut finden, verrückt oder bedrohlich, am Ergebnis ändert es nichts.

Das mussten schon die Textilarbeiter im Norden Englands einsehen, als Anfang des 19. Jahrhunderts die ersten mechanischen Webstühle aufkamen. Die Weber zerstörten diese neuartigen Maschinen mit roher körperlicher Gewalt, sie zertrümmerten sie mit Hammer und Axt. Weil sie Angst hatten – und weil sie es wussten: Ihr Schicksal war ab sofort besiegelt. Luddismus heißt die Bewegung der englischen Textilarbeiter, kannten Sie den Begriff?

Es war der Beginn der Industrialisierung. Sie sollte die Welt der Arbeit im 19. und 20. Jahrhundert epochal verändern. Die ersten Fabriken entstanden, das Automobil wurde erfunden. Am bekanntesten ist wohl der Beginn der Serienherstellung. Mit dem »Model T« führte Ford die Fließbandarbeit in den Fabriken ein und veränderte damit die Produktion von Autos komplett. Alle Produktionsabläufe wurden standardisiert, sodass die Massenproduktion erst möglich wurde. »Ein Tag, ein Dollar, ein Ford.« Mit diesem Slogan machte Ford ab 1915 Werbung für das Model T. Der Preis war durch die neue Art der Produktion nämlich auf 350 Dollar gesunken, was ein riesengroßer Unterschied war, denn knapp zehn Jahre zuvor hatte das Auto noch zweieinhalb Mal so viel gekostet. Und plötzlich war ein Auto für viele Leute erreichbar. Einen Dollar pro Tag zurücklegen, das konnten sich viele leisten, und so begann die Motorisierung breiter Bevölkerungsschichten.1

Produziert wurde schon damals nicht nur in den USA, sondern auch in Europa und Japan. Die standardisierten Abläufe machten es möglich, überall nach dem gleichen Schema zu produzieren. Meines Wissens kam es hier nicht zu Protesten. Vielleicht, weil die Menschen das Versprechen auf Fortschritt auch für sich selbst erkannten, weil dieses Versprechen für so viele erschwinglich war? Oder aber, weil dabei gleichzeitig auch neue Arbeitsplätze entstanden, sodass einfach niemand Nachteile erkennen konnte? Es schien, dass die Welt für alle nur besser wurde.

Die Arbeitswelt war schon immer im Wandel, im Guten wie im Schlechten. Bei der Einführung von Computern profitierten nicht nur Student*innen, es veränderte sich ein ganzer Berufszweig, der sich bislang über Anschläge pro Minute und das Einlegen von Farbbändern definiert hatte: Schreibkräfte und Sekretär*innen. Anfang der Achtzigerjahre verloren sie einen zentralen Bestandteil ihrer bisherigen Jobbeschreibung. Für viele mit Sicherheit ein bitterer Prozess – weil eine Fähigkeit, in der sie über die Jahre Bestleistungen erbracht hatten, plötzlich nicht mehr gefragt war. Andere atmeten auf: Endlich lag der Fokus nicht mehr auf diesem stumpfsinnigen Getippe, endlich gab es mehr Zeit für Sinnvolleres wie Termin- und Büromanagement und die Möglichkeit, selbstständig Dokumente zu erarbeiten. Und auch ich und Tausende anderer Student*innen konnten dem Fortschritt nur Positives abgewinnen, weil wir nicht mehr nächtelang fluchend vor unseren Schreibmaschinen saßen, sondern unsere Seminar- und Examensarbeiten deutlich einfacher verfassen konnten.

Dass die Automatisierung und Digitalisierung noch lange nicht zu Ende sind, können wir jeden Tag lesen und ständig aufs Neue feststellen. Und wir spüren, dass die Veränderungen immer rasanter werden. Als ich 1989 mein Abitur machte, war die Banklehre noch eine Ausbildung, über die manche Eltern sagten: »Mach mal was Gescheites und Solides. Dann hast du was fürs Leben.« Heute hat die Automatisierung auch in diesem Beruf Einzug gehalten: Bankfilialen werden geschlossen, weil die meisten Menschen nur noch Online-Banking machen, und diejenigen, die ursprünglich an eine sichere Zukunft glaubten, müssen sich umorientieren. Die Zahl der Reisebüros ist in den vergangenen zehn Jahren um ein Drittel geschrumpft, Flüge buchen die meisten von uns ganz einfach im Netz, und unsere amerikanischen Freund*innen wundern sich schon seit Jahren darüber, dass es bei uns überhaupt noch Reisebüros gibt.

Tja. Und nun?

Genau das ist die Frage, die sich immer dann stellt, wenn es in unserem Leben nicht mehr so weitergeht wie bisher, wenn sich Unsicherheit breitmacht und wenn wir den Eindruck haben, nicht mehr Schritt halten zu können. Denn dann, anders als es offensichtlich die Menschen bei der Einführung des Model T sahen, wird uns bewusst, dass der Fortschritt auch uns betreffen wird, und zwar nicht nur im Positiven.

Es ist eine Entwicklung, die wir nicht kleinreden dürfen, denn sie macht vielen Menschen Angst, verständlicherweise. Aber wir dürfen auch nicht vergessen, dass Veränderungen viele positive Aspekte mit sich bringen. Trotz der Tatsache, dass immer wieder Jobs wegfallen, sind bis heute mit jeder industriellen Revolution weltweit mehr neue Jobs entstanden. Im Jahr 1800 arbeiteten 62 Prozent der Deutschen in der Landwirtschaft, der Rest arbeitete in der Industrie, im Handwerk oder im Dienstleistungsbereich. Im Zuge der Industrialisierung stieg diese Zahl seit dem 19. Jahrhundert stetig an. Heute arbeiten hier 98,8 Prozent der Beschäftigten und nur noch etwas über ein Prozent in der Land- und Forstwirtschaft.2 Welch radikaler Wandel! Es gibt also nicht nur mehr Jobs als früher, sondern auch die Verdienstmöglichkeiten in den unterschiedlichen Sektoren unterscheiden sich. Menschen verdienen mehr, als sie es vorher taten.

Das ist die Vergangenheitsbetrachtung, und die ist bekanntlich einfach. Was die Vorhersage der Zukunft angeht, so wird es deutlich schwieriger. Denn es gibt so viele Entwicklungen, die uns immer wieder alle überraschen, dass wir mit dieser Unsicherheit umgehen werden müssen.

Nicht immer ist die prognostizierte Entwicklung nämlich auch die richtige. Eine der ersten viel diskutierten Studien der beiden Oxford-Professoren Carl Benedikt Frey und Michael A. Osborne aus dem Jahr 2013, die sich mit dem Thema Auswirkung der Digitalisierung auf die Arbeitsplätze beschäftigte, sagte nichts Gutes voraus.3 Die Forscher sprachen davon, dass im Zuge der Digitalisierung knapp die Hälfte aller Jobs in den USA gefährdet sei. Ein Aufschrei ging durch die Lande, Horrorszenarien wurden beschrieben. Plötzlich hatte die Digitalisierung nur noch einen negativen Tenor, und es war schwer, eine gewisse Differenzierung in die Diskussion zu bringen.

Worüber nämlich nur wenige sprachen: wie schwierig Prognosen über zukünftige Arbeitsmarkteffekte sind und dass die Studie aus Oxford nicht berücksichtigt hatte, dass Jobs sich anpassen und neue entstehen. Und dass die Strukturen des US-Arbeitsmarkts nicht einfach auf Deutschland übertragbar sind – dieser kleine, aber feine Unterschied kam in der hiesigen Berichterstattung leider auch viel zu kurz. Es schien fast so, als habe man an den Horrorszenarien Gefallen gefunden.

Die Arbeitswelt wird von vielen Faktoren beeinflusst. Nicht alle sind voraussehbar, nicht wenige beruhen auf spekulativen Annahmen. Alle, die sich damit tiefer beschäftigen, kennen die Herausforderungen. Neuere Studien wie die des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) gehen in ihren Berechnungen davon aus, dass 1,46 Millionen Arbeitsplätze in den kommenden Jahren wegfallen werden, aber auch 1,4 Millionen neu entstehen.4 Das klingt zunächst ja mal gut: Die Arbeit geht uns nicht aus, und die Jobs werden nicht über Nacht verschwinden. Leugnen lässt sich allerdings nicht, dass es zu Anpassungen der Tätigkeiten kommen wird, zu Umbrüchen und Verschiebungen in den Arbeitsbereichen. Für die neuen Jobs werden andere Qualifikationen benötigt und andere Kenntnisse.

Was früher Kfz-Mechaniker*innen waren, sind heute eher Kfz-Mechatroniker*innen. Warum das so ist? Der Blick unter die Motorhaube damals und heute reicht, um die Veränderungen zu erfassen. Viele mechanische Elemente sind durch Elektronik ersetzt worden, was bedeutet, dass es hierfür ein anderes Wissen braucht, um den Motor zu reparieren: Daten auszulesen oder neue Software aufzuspielen. Das lernt jeder junge Mensch in der Ausbildung, aber was geschieht mit denen, die schon lange ihre Ausbildung abgeschlossen haben? Wird es uns gelingen, all diejenigen in so kurzer Zeit umzuqualifizieren, die ihren Job womöglich deshalb verlieren?

Dies wird unsere größte Herausforderung sein: zu verstehen, wie sich die Jobs verändern, welche neuen Qualifikationen benötigt werden – und wie und vor allem wie schnell wir das lösen können. Im sechsten Kapitel werde ich auf diese Frage noch näher eingehen.

Die Vergangenheit sieht aus dem Heute heraus betrachtet immer so einfach aus, aber da es immer wieder Prognosen gibt, die so nicht eintreten, müssen wir aufpassen. Im ersten Halbjahr 2020 wurde in den USA mehr Umsatz mit dem Verkauf von Schallplatten erzielt als mit dem von CDs – zum ersten Mal seit 1986. Wer hat das im Ernst vorausgesehen? Und wie oft in der Geschichte hat es Menschen gegeben – Visionär*innen und Erfinder*innen, die Schlauesten der Schlauen –, die einfach danebenlagen? »E-Mail ist ein absolut unverkäufliches Produkt«, sagte Ian Sharp im Jahr 1979. Oder, noch besser, Steve Ballmer 2007: »Es ist extrem unwahrscheinlich, dass das iPhone irgendeinen bedeutsamen Marktanteil erreichen wird.« Am Ende wurden im Jahr 2018 rund 848 Millionen E-Mails verschickt und von 2007 bis 2019 etwa 1,6 Milliarden iPhones verkauft. Bei Jugendlichen ist der Besitz des neuesten iPhones schon manchmal ein Statussymbol. Wer kennt die Diskussionen mit dem eigenen Nachwuchs nicht?

Was lernen wir daraus? Ganz sicher nicht, dass besagte Herren ihren Markt nicht kannten oder jemanden in die Irre führen wollten. Sondern dass das mit der Zukunft nicht ganz so einfach ist, dass niemand von uns eine Glaskugel hat. Und selbst wenn die Vision steht, scheitert sie trotzdem manchmal an ganz einfachen Dingen, die niemand vorhergesehen hat. Sieben Jahre ist es her, dass Amazon unsere Gedanken mit der Idee einer drohnengestützten Lieferflotte beflügelte. Den Lippenstift morgens bestellen und nachmittags aus der Luft abgeworfen bekommen, effizient, schnell, CO2-neutral, so oder so ähnlich wurde das Projekt auf den einschlägigen Kongressen beschrieben und ausgemalt. Im Grunde klang es unglaublich, aber bestimmt irgendwie machbar: Komm, wenn Jeff Bezos es sagt, warum sollten wir es dann besser wissen?!

Heute redet bei Amazon fast niemand mehr über Drohnen, zumindest nicht im Kontext von Auslieferung an die Haustür. Die Idee zündete nicht, weil sich herausstellte, dass die Realität weitaus komplexer war als gedacht. Verbote zur Regelung des Luftverkehrs gibt es nicht nur in Deutschland, sondern aus gutem Grund überall in der Welt. Und auch die Gesetze zum Datenschutz standen der Umsetzung dieser Vision im Wege, jede Drohne ist schließlich auch eine Kamera, die hochaufgelöste Bilder von privaten Gärten und Dachterrassen liefert.

Was Amazon stattdessen aufgebaut hat, ist eine Idee, die so revolutionär eigentlich nicht ist: eine Fahrzeugflotte für die Straße, die in Kürze so mächtig sein soll, dass sie die großen Paketdienste überholt. Immerhin weitestgehend elektrisch betrieben, aber vom Menschen gesteuert. Wird das das Ende der Änderungen in der Logistik sein? Sicherlich nicht. Der weltweite Transport von Gütern wird in seiner Komplexität steigen und ebenso der Wettbewerbsdruck. Unternehmen werden die globalen Lieferketten weiterhin optimieren, und ich bin mir sicher, dass es neue Ideen geben wird, wie das geschehen kann. Vielleicht kommt dann die Idee der Drohnen nochmals, dann sicherlich anders, aber erfolgreich.

Viele Menschen erwarten nichts Gutes von der Zukunft, sie sehen darin die Entwicklung einer Dystopie, also ein negatives Bild der Menschheit. Sie glauben, dass Roboter unsere Jobs übernehmen und vielleicht sogar die ganze Welt. Es gibt unglaubliche Szenarien, die sich manche ausdenken, sie sind der Stoff unzähliger Science-Fiction-Filme. Der technologische Fortschritt findet mittlerweile in einem atemberaubenden Tempo statt und lässt uns kaum noch innehalten. Wer hätte vor zehn Jahren gedacht, dass eine Smartphone-App einen Scanner ersetzt? Dass Computerprogramme Drehbücher schreiben und dass Algorithmen Ärzt*innen bei der Diagnose unterstützen?

Es gibt zahlreiche Gebiete, in denen autonomes Fahren bereits möglich ist und Roboter Briefe austragen, an der Supermarktkasse sitzen nicht mehr überall Menschen – die Kund*innen selbst scannen die Barcodes. In vielen chinesischen Städten und Büros erleben Tausende täglich bereits diese Interaktion. Ich erinnere mich an einen Besuch beim Online-Giganten Alibaba in China. Auf dem Campus fuhren neben Fußgänger*innen und Radfahrer*innen auch autonome Roboter. Manche transportierten schon bereits die ersten Dinge, manche waren noch komplett im Übungsbetrieb, aber es war ein erster Vorgeschmack auf das, was kommen könnte oder eher was kommen wird. Und ja, das bedeutet, dass manch einer seinen Arbeitsplatz verliert. Das ist kein positives Szenario. Aber die Lösung ist auch nicht, den Kopf in den Sand zu stecken. Oder?

Nein, wir müssen anders denken. Neu denken. Wir müssen uns bereit machen für einen Wandel, der uns treffen wird, der hart ist, der bedeutet, dass wir unseren Job nicht bis zur Rente im gleichen Stil weitermachen können. Wird das allen gefallen? Natürlich nicht. Wird es uns am Ende alle voranbringen? Ich denke schon. Weil der technologische Fortschritt, im Großen und Ganzen betrachtet, unser Leben einfacher, sicherer und auch bequemer macht. Der technologische Fortschritt erhöht nicht nur Diagnose-, sondern auch Heilungschancen – wenn Sie jemanden kennen, der schwer krank ist oder einen Unfall hatte, dann werden Sie wissen, wie viel Hoffnung in einer neuen Therapie liegt, wie viel besser das Leben mit einer neuartigen Prothese werden kann.

Für mich steht deshalb in jedem Fall fest: Wer sich der Herausforderung dieses Wandels in seinem eigenen Job nicht stellt, wird ein Problem bekommen. Wir müssen uns alle weiterentwickeln und dazulernen, unabhängig davon, welche Arbeit wir machen. Und vermutlich sogar über unseren heutigen Job hinaus. Denn wer will nicht zu den Gewinnern gehören?

Meine Jahre als Personalvorständin bei Siemens, wo ich unter anderem für das gesamte Personalwesen oder auf Neudeutsch Human Resources (HR) zuständig war, waren geprägt von der Transformation der Arbeitswelt. Es gab viele neue Themen, aber vor allem auch ständigen Kostendruck. Wir standen vor der Frage: Wie ist dieselbe Arbeit mit immer weniger Menschen zu schaffen? Und ohne dabei immer mehr unzufriedene Mitarbeiter*innen zu haben, die gern mehr Zeit für ihre Fragen an Personalberater*innen hätten? Und so suchten wir nach Wegen, die Routinetätigkeiten durch Technologie zu ersetzen und dafür mehr Zeit für die qualitativen Gespräche zu bieten. Also welche Technologie gibt es, die inzwischen so viele nützliche Dinge für den Menschen übernimmt?

Es musste uns etwas einfallen. Wir grübelten und diskutierten. Es war das Jahr 2017, fertige Lösungen gab es damals noch keine, so nach dem Motto: Wir kaufen eine Software, und alle Probleme sind vom Tisch. Nein, die entscheidende Idee wurde bei einer unserer globalen HR-Konferenzen geboren. Alle redeten damals vom agilen Arbeiten, von schnellen Entwicklungen mit sogenannten Sprints, wie es die Softwareentwickler*innen schon seit Jahren machten. Und ich sagte: Dann müssen wir mal schauen, ob sich das nicht auch auf unsere Arbeit übertragen lässt. Wir müssen diese Methode lernen, denn das ist allemal besser, als nur darüber reden zu können, was es Neues gibt. HRler*innen können auch Technologie, und vor allem können wir Fortschritt!

Und so arbeiteten alle Teilnehmer*innen der Konferenz, fast 150 Leute aus allen Teilen der Welt, über alle Hierarchiestufen hinweg, einen Tag lang an unterschiedlichsten Themen mithilfe der Methode der »Sprints«. Es war klar, dass dabei keine fertigen Lösungen herauskommen würden, aber darum ging es auch nicht. Was jedoch alle Teams am Abend zeigen konnten: dass sie sehr viel weiter gekommen waren, als hätten sie die traditionellen Workshop-Konzepte angewendet. Und das Team, das sich mit Automatisierung und künstlicher Intelligenz beschäftigt hatte, im Übrigen fast niemand von ihnen damals ein großartiger Technikfreak, gebar die Idee eines eigenen HR-Bots: ein Bot, ein Computerprogramm, das die Standardtätigkeiten der Personalberater*innen übernehmen kann.

Das Crowd-Voting, also die gemeinsame Abstimmung aller Konferenzteilnehmer*innen, kürte dieses Team und seine Idee zum Gewinner – der Startschuss einer bahnbrechenden Entwicklung. Das Team entschied sofort, dass die Verwirklichung seiner Idee nur mit Leuten gelingen konnte, die sich besser mit der Technologie auskannten als es selbst. Und so waren es Mitarbeiter*innen aus dem HR-Team, aus der IT und von IBM, die sich des Themas annahmen.

Was damals auf der Konferenz entstand, war ein gutes Jahr später eine kleine Revolution. Carl nannten wir unseren Bot, der bis heute einen signifikanten Anteil der Standardfragen an die Personalabteilung beantwortet, rund 1,5 Millionen Kontakte sind es im Monat. Carl steht in mehr als dreißig Ländern zur Anwendung bereit, bald schon werden es fünfzig sein. Die Sprachen, in denen man mit dem Bot kommunizieren kann, sind auf alle Fälle mehr, als ich spreche. Der pure Wahnsinn. Wer hätte das im Januar 2017 geglaubt?

Meine Rolle dabei? Daran zu glauben, dass Technologie helfen kann, dass wir von anderen Fachdisziplinen lernen können und Innovation nur gelingen kann, wenn Mitarbeiter*innen Freiräume gegeben werden. Und Freiräume zu geben hieß auch – nicht nur für mich, sondern ebenso für die anderen Führungskräfte –, sich herauszuhalten und darauf zu vertrauen, dass das Team wusste, was es tut. Dass die Mitarbeiter*innen um Hilfe bitten würden, wenn sie diese benötigten, aber dass ansonsten unsere Rolle war, ihnen zu vertrauen. Das taten wir – und das Ergebnis sprach Bände. Ich bekomme heute noch Gänsehaut, wenn ich daran denke.

Die Gänsehautmomente haben meist die, die Fortschritt möglich machen. Bei Carl waren das natürlich auch die Mitarbeiter*innen, die Anwendungsfälle definiert und die Algorithmen dazu programmiert hatten, und eine Teamleiterin, die das Vertrauen, das in sie gesetzt wurde, zu nutzen wusste. Diese Teamleiterin übrigens ist ein tolles Beispiel für das, was möglich wird, wenn man Menschen Raum und Vertrauen gibt und sie selbst diese Chancen ergreifen: Sie begann ihre Karriere mit einer Ausbildung zur Büroassistentin, als sie 17 Jahre alt war. Dass sie heute mit ihrem Team Preise für einen Bot abräumt, hatte da vermutlich noch niemand auf dem Schirm – zugegebenermaßen gab es damals auch noch keine Bots. Viele berufliche Stationen haben dazu geführt, dass sie heute ein Team mit über zwanzig Leuten führt, das vorwärtsgerichtete Technologien entwickelt. Studiert hat sie nie. Und sie erzählte auch, dass sie auf viele Frauen und vor allem Männer gestoßen sei, die »einer Frau mit IT-Affinität, Willen und unangepasster Power mehr als skeptisch gegenüberstanden«. Aber sie hat ihnen gezeigt, dass es geht. Und wie!

Wir hatten an das Unmögliche geglaubt. Herausgekommen ist eine großartige Innovation, die sich durchgesetzt hat. Neue Technologien und Anwendungen zu nutzen ist am Anfang neu, wird aber schnell Normalität. Unsere Reisen im Internet zu buchen – machen wir doch gefühlt schon ewig. Abos für die Lieferung von Fair-Trade-Kaffee online abschließen, Zählerstände durchgeben, Bücher ausleihen – all das ist für viele von uns Alltag. Aber all das war auch mal neu und manchmal ein Wagnis für diejenigen, die an die Machbarkeit glaubten.

Oh ja, die Bücher. Wenn mir eine Erinnerung aus dem Studium geblieben ist, dann sind es die Räume der Unibibliothek und die zahllosen Stunden, die ich dort verbrachte. Die endlosen Karteikartenständer, die Warterei in der Ausgabe. Und das alles nur für diese eine Quellenangabe, ohne die es in der Seminararbeit leider nicht ging. Um am Ende zu erfahren: Das Buch ist gar nicht da, ausgeliehen und im Übrigen auch vorgemerkt für die nächsten drei Monate von Studierenden, die einfach mal wieder schneller und besser organisiert waren als du. Mit Glück bekam man von irgendwoher noch Kopien oder konnte sich welche machen. Auch das eine Erinnerung, die vermutlich einige haben, an die Copyshops nahe den Universitäten oder die völlig überteuerten Kopierer in der Bibliothek. Was da für ein Geld draufging – spitzenmäßig.

Was auf den Karteikärtchen stand? All das, was heute unsichtbar in Online-Datenbanken hinterlegt ist und was nur deshalb so einfach auffindbar ist, weil es Suchmasken gibt, die wiederum nur deshalb existieren, weil Menschen sie programmiert haben. Das Jobprofil von Bibliothekar*innen haben sie dadurch ganz schön verändert. Aber damit auch tausendmal spannender gemacht als noch vor zwanzig Jahren. Denn am Ende gibt uns jeder Wandel auch eine Chance: aus Routinen und Strukturen auszubrechen, die uns schon lange nicht mehr glücklich machen.

Erinnern Sie sich noch, als der erste Lockdown in der Corona-Krise kam? Da waren ausgerechnet die Bibliotheken bestens auf die Situation vorbereitet. Deren Online-Portale stellten die komplette Auswahl zur Verfügung, von Harry Potter über Musik-Streaming bis zum E-Learning. Zur Hochzeit des Lockdowns nahmen die Bibliotheken täglich mehrere Hundert Mitglieder neu auf. Was für eine Erfolgsgeschichte. Und das Interessante daran: Beide Modelle, das der Online- und das der analogen Leihe, ergänzen sich, können nebeneinander existieren. Denn wer möchte heute eine Prognose wagen, wie sich die Dinge entwickeln? Ob es in zehn Jahren überhaupt noch Bücher in gedruckter Form gibt?

Ich gehöre zu denjenigen, die Bücher noch immer gerne auf Papier lesen, was ich nur dann regelmäßig bereue, wenn mal wieder ein Umzug ansteht – über die Anzahl der Buchkisten möchte ich hier keine weiteren Worte verlieren. Aber als eine Freundin von mir für einige Monate nach Afrika in die Wildnis ging, nahm sie nur einen E-Reader mit. Ein paar Bücher waren runtergeladen, sie rechnete fest mit ab und zu stabilem Internet, um neuen Lesestoff zu besorgen. Ich dachte an meine alten Rucksackreisen und daran, dass einen großen Teil des zu schleppenden Gewichts immer Bücher ausgemacht hatten und ich unterwegs darauf angewiesen war, sie gegen andere Bücher eintauschen zu können, damit ich etwas zu lesen hatte.

Als sie zurückkam, wollte ich wissen, ob die Rechnung mit dem stabilen Internet aufgegangen war. War sie. Sie lachte und sagte: »Weißt du, nicht nur das leichte Gepäck war der Vorteil, sondern die Tatsache, dass ich sonst gar nicht hätte lesen können, es sei denn bei einer Gaslaterne. Tagsüber habe ich gearbeitet, und abends gab es nur kurz Strom und danach folglich auch kein Licht mehr.« Der Strom reichte immerhin, um den E-Reader regelmäßig aufzuladen, sodass sie abends lesen konnte. Aber daran hatte natürlich niemand von uns gedacht. Glück gehabt.

Einige Berufe wird es immer geben, davon bin ich überzeugt. Sie werden sich verändern, ohne Frage. Kein*e Maler*in muss heute mehr von Hand einen Raum ausmessen, um den Bedarf an Farbe zu ermitteln. Das macht ein kleines Messgerät, mit dem sich viel Zeit sparen lässt. Wer jetzt sagt: »Schon wieder ein paar Jobs weniger …«, hat sich getäuscht. Handwerker*innen sind gefragte Facharbeiter*innen, mit den neuen Tools schaffen sie einfach mehr Aufträge. Genau wie Schweißer*innen. Die werden händeringend gesucht. Schweißer*innen? »Jetzt im Ernst?«, höre ich manche rufen, »machen diesen Job nicht inzwischen Roboter?« Worauf ich antworte: Durchaus, aber eben leider nicht überall so gut wie die Menschen. In vielen Fabriken kommen Schweißroboter zum Einsatz. Das Problem ist allerdings, dass die auch manchmal Nähte schweißen, die nicht halten, am Ende muss dann immer ein Profi ran, ein Mensch. Ich habe irgendwann einmal, als ich mit einem Schweißer sprach und der seine Naht beendet hatte, gefragt: »Woher wissen Sie jetzt, dass das hält?« Und seine Antwort war: »Ich fühle das.«

Und das ist mein Leitmotiv: Die Digitalisierung eines Berufs, die Automatisierung bestimmter Arbeitsschritte, führt nicht dazu, dass der Beruf von heute auf morgen verschwindet. Es ist ein fließender Übergang: von der mechanischen Schreibmaschine zur elektrischen zum Computer – das ist ein Prozess. Wer den rechtzeitig erkennt und nicht negiert, hat genügend Zeit, sich anzupassen und sich zu verändern. Um die neuen Dinge zu lernen, die wir alle bald brauchen werden, aber auch, um irgendwann womöglich einen ganz anderen Job zu machen.

So wie ein paar ehemalige Kolleg*innen aus Berlin, auch diese Geschichte erzähle ich gerne. Sie spielte in einer Siemens-Fabrik, in der große Turbinen gebaut werden. Das ist seit vielen Jahren ein schwieriger Markt, denn die Nachfrage sinkt kontinuierlich. Durch alternative Energien gibt es heute viele andere Möglichkeiten, Energie zu erzeugen, was natürlich Auswirkungen auf die Nachfrage von Turbinen hat, die mit Gas oder Öl angetrieben werden. Gut für den Klimaschutz, nicht so gut für die Arbeitsplätze.

Diese Fabrik musste also wieder einmal alles daransetzen, die Kosten zu senken. Zum Glück arbeitete ohnehin schon ein Team an der Frage, wie sich eine Fertigung ohne die üblichen Produktionspläne steuern ließe. Das Ziel war klar, das Budget auch, alles andere wurden den Teams überlassen. Und alle, die wollten und konnten, sollten ihr Wissen, aber auch ihre Ideen einbringen, völlig unabhängig von der Hierarchie, egal ob Ingenieur*in oder Schweißer*in. Dass alle eingeladen waren, war ein völliges Novum. Arbeiter*innen in der Fertigung wurden vorher nie bei Investitionen in Maschinen involviert und konnten plötzlich mitentscheiden. Natürlich haben sich am Anfang nicht alle getraut, etwas zu sagen. Aber irgendwann fingen alle an, miteinander zu sprechen, und die Teams kamen ins Laufen. Es gab auch Momente, in denen niemand mehr wusste, ob alles so klappen würde. Umso wichtiger war es, durchzuhalten und nicht aufzugeben.

Jeden Morgen trafen sich die Mitarbeiter*innen und besprachen ihre Projekte, so entstand völlige Transparenz, und dann wurde gearbeitet. Kontrolle über jedes einzelne Projekt gab es irgendwann nicht mehr. Aber es gab das Vertrauen, dass alles funktionieren würde. Denn alle waren involviert, und alle trugen die Entscheidungen mit. Probleme wurden vor Ort besprochen – genau dort, wo sie in der Produktion auftraten. Der Werksleiter lud die Mitarbeiter*innen nicht mehr in sein Büro ein, sondern begab sich zur Turbine, und auch so veränderte sich die Wahrnehmung von Hierarchie. Gab es Anlaufprobleme? Ja. Zwischendurch Angst, dass das alles nicht klappen würde? Ja. Und hat es am Ende funktioniert? Und wie! Die Produktionskosten sanken, die Fertigungszeiten ebenfalls, und das Produktionsvolumen stieg. »Mission accomplished«, kann man an dieser Stelle wohl sagen, Mission erfüllt.

Was ich Ihnen mit diesen Geschichten vermitteln möchte: Haben Sie Respekt, aber keine Angst vor dem Neuen! Denn das Neue gibt uns die Chance, andere Wege zu gehen und dabei Dinge auszuprobieren, die wir sonst nie gewagt hätten, und zu lernen, was vorher unmöglich schien. Der Fortschritt tut uns allen gut. Er ist das, was uns alle voranbringt – wenn wir niemanden zurücklassen. Was für diejenigen, die Unternehmen steuern, eine immense Herausforderung ist. Weil wir Menschen für Veränderungen meistens wahnsinnig lange brauchen, und für die eigene Veränderung oft am längsten. Leider!

Als der Abschied von Siemens näher rückte, sorgten sich zunächst meine Kinder. »Mama, bist du sicher, dass du das noch alles selbst kannst?«, fragten sie mich beim Abendessen, und ich war nicht sicher, wie sich Ironie und Sorge bei ihrer Frage gewichteten. Aber tatsächlich hätte ich anfangs beinahe einen Flug verpasst, weil ich viel zu spät daheim losgefahren war und den Weg vom Parkhaus zum Gate unterschätzt hatte. Ich sprintete quasi durchs gesamte Flughafengebäude, um die Maschine noch zu erwischen. Das war früher bequemer: Mein Fahrer hatte mich stets direkt am Terminal abgesetzt. Das Einzige, was ich tun musste, war: zügig auszusteigen. Ein angenehmer Luxus. Und ehrlich gesagt, wären ein so voll gepackter Terminkalender und die Fülle von Aufgaben anders nicht zu bewältigen gewesen. Aber ist das immer erstrebenswert?

Als ich im Februar 2020 die Hoheit über meinen Terminkalender bekam, war das ein wahnsinnig befreiender Moment. Freie Stunden am Tag. Und so viele davon, der Hammer. Ein Stück persönliche Autonomie, die ich mir zurückgeholt habe. In München durch den Englischen Garten zum Geschäftstermin zu radeln, statt in der Limousine zu sitzen, das ist meine neue Freiheit. Bewegung zu haben, den Alltag anderer Menschen zu beobachten. Den Schäfer mit seiner Herde und den begeisterten Stadtkindern, die sich über die Lämmchen freuen, sie vielleicht sogar zum ersten Mal in echt sehen. Die Sonnensüchtigen am Eisbach zu beobachten und die Spaziergänger*innen und Sportler*innen. Und ich mittendrin. Was für ein erhebendes Gefühl, so einfach, und doch so ein Luxus. Unbezahlbar.

Hätte ich das vorher gedacht? Nein, denn ich hatte vergessen, wie schön diese einfachen Dinge sein können. Die Zeit, in der ich täglich mit dem Fahrrad zur Arbeit gefahren war, lag Jahre zurück. Radeln, das hatte ich lange nur am Wochenende gemacht.

Und all die neuen Themen, an denen ich jetzt arbeite. Die ich lernen muss, weil ich sie noch nie zuvor gemacht habe. Lesen, nachfragen, ausprobieren und ganz häufig auch – überrascht sein, wie es doch in anderen Branchen läuft.

Deutschland beharrt so sehr auf dem geraden Lebensweg, Brüche werden so skeptisch gesehen. Lücken im Lebenslauf scheinen eine Katastrophe, dabei liegen darin oft Erfahrungen und Kenntnisse, die man nicht überall gewinnen kann. Das Leben ist nicht geradlinig, das war es noch nie. Manchmal geht es einfach nicht so weiter wie vielleicht gedacht: ein Umzug, der Betrieb, der Pleite macht, oder der eigene Job, der abgeschafft wird. Dann heißt es umdenken, neu denken, anders denken. Und den Mut haben aufzubrechen und irgendwann festzustellen, dass es gut war. Manchmal springen wir freiwillig, manchmal werden wir geschubst. Es ist wie der erste Sprung vom Fünf-Meter-Turm. Hat man ihn erst mal hinter sich, dann springt man wieder. Und wieder.

Wir sollten jedes Mal stehen bleiben und applaudieren. Nicht skeptisch hinterfragen, warum wir es tun, denn am Ende ist es unsere eigene Beweglichkeit, die darüber entscheiden wird, wie gut wir uns im sich verändernden Arbeitsmarkt zurechtfinden. Dafür müssen wir zeigen, was möglich ist, welche neuen Berufe entstehen. Wir müssen zeigen, was es braucht, um sie ausüben zu können, und welche Menschen in den neuen Teams benötigt werden. Wir müssen Transparenz in der Weiterbildung schaffen und aufzeigen, welche Skills gelernt werden können. Und vor allem Instrumente und Unterstützung bieten, damit so viele Beschäftigte wie möglich rechtzeitig den Schritt gehen – bevor sie ihren Job verlieren.

Vor allem müssen wir Mut machen, Mut und Lust auf Veränderung, denn: »Future of Work« bedeutet viel, aber vor allen Dingen eins: dass sich neue Dinge auftun.

2Kinder und Karriere: Das geht schon, ist halt sauanstrengend

Nach meinem Studium fing ich in einer Unternehmensberatung an, und relativ schnell war mir klar: Das war das Leben, das ich wollte. Ich fand es klasse, unterwegs zu sein, mit dem Rollkoffer zum Flieger, Business-Outfit, Übernachtungen in Hotels. Schnell sein, schnell lernen, schnell schlauer sein als die Kund*innen – und eine Lernkultur und Chef*innen zu haben, die einem das alles beibringen.

An die Chef*innen denke ich übrigens heute noch. Denn vieles, was ich über Führung und Feedback gelernt habe, stammt aus diesen Jahren – ein Wissen, das mich bis heute nicht verlassen hat. Der kleine Nachteil: Es war unglaublich stressig. Denn in der Beratung hat der Tag nicht nur acht Stunden, und das war für mich direkt nach dem Studium eine krasse Umstellung. In der Beratung fängt der Tag früh an – und endet nicht selten erst kurz vor Mitternacht.