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Norditalien ist eine leicht zu erreichende Region für Wiederholungstäter. Wer einmal hier war, wird meist rückfällig und hat irgendwann die meisten der prächtigen Kathedralen, arkadengesäumten Piazzi, die blauen Seen und weitläufigen Patchwork-Landstriche gesehen. Dann wird es Zeit für die versteckten Schätze Norditaliens. Solche, zu denen keine Hinweisschilder führen. Oder die, die zwar allgemein bekannt und in herkömmlichen Reiseführern als Highlight ausgewiesen sind, aber irgendwo noch ein kleines Geheimnis bergen, das es zu entdecken gilt. Abseits ausgetretener Pfade führt der Autor seine Leser mit diesem Buch, zu 40 gut erreichbaren Zielen. Ein bunter Mix aus Natur- und Städte-Attraktionen, spannenden Menschen, die es zu treffen lohnt, sowie Themenrouten, Shopping-Tipps und kuriosen sowie historischen Zielen, die einen Stopp wert sind – von sich kabbelnden Rubikon-Dörfern und der Campari-Keimzelle bis zu Cinque Terres stillen Nachbarn und modernen Mosaik-Künstlern.
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Seitenzahl: 170
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IMPRESSUM
Italien – Der Norden
40 Highlights abseits der ausgetretenen Pfade
Stephan Brünjes
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der deutschen
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Redaktion und Lektorat: 360° medien
Satz und Layout: Serpil Sevim-Haase
Gedruckt und gebunden:
Himmer GmbH Druckerei & Verlag I Steinerne Furt 95 I 86167 Augsburg
www.himmer.de
Bildnachweis:Seite 218
ISBN: 978-3-948097-96-7 e-Pub ISBN:978-3-96855-100-5 mobi ISBN:978-3-96855-101-2
Hergestellt in Deutschland
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Stephan Brünjes
ITALIENDER NORDEN
40 Highlights abseits der ausgetretenen Pfade
„Ein Reiseführer über Norditalien? Also über Südtirol – oder?“ Das war die meist gestellte Frage, immer wenn ich von diesem Buchprojekt erzählte. „Ja, Südtirol kommt auch drin vor“, habe ich geantwortet. Kam aber zu keiner weiteren Erklärung. Denn meist warfen sich jetzt Kenner der italienischen Wirtschaft dazwischen: „Norditalien, das ist doch die Region, die das ganze Land überhaupt seit Jahrzehnten überleben lässt, wo Städte wie Turin und Mailand brummen – die sind doch bestimmt drin im Reiseführer, oder?“ „Äh, ja – auch“, konnte ich wieder nur kurz bestätigen, abermals sofort unterbrochen – diesmal von der Italien-Genießer-Fraktion: „Der Norden – aaach, der Bauch Italiens, die Emilia Romagna mit Parmigiano und Prosciutto, das Piemont mit Trüffeln und die Lombardei, wo der Campari erfunden wurde!“ Es folgten oft noch Experten norditalienischer Kunst und solche für dortige Skigebiete, ferner die Fußballfans und die Espresso-Connaisseure mit ihren ebenfalls meist schwärmerisch vorgetragenen Norditalien- Erinnerungen und wohlmeinenden Themenwünschen für dieses Buch. Ich hörte gerne zu und lehnte mich zuversichtlich zurück: In diesem Reiseführer sollte vieles dabei sein, was Norditalien-Fans interessiert und begeistert.
Um es an dieser Stelle einmal geografisch korrekt zu sortieren: Die 40 Tipps abseits der ausgetretenen Pfade, die Sie in der Hand halten, führen Sie in die Region Trentino/Alto Adige (sicherlich vielen geläufiger unter Südtirol, aber nicht identisch mit diesem Sammelbegriff), ferner geht es ins Piemont, in die Lombardei, nach Venetien, in das Friaul und die Region Triest. Sowie nach Ligurien und in die Emilia Romagna. Ein Gebiet, etwas kleiner als Griechenland, in dem etwa 27 Millionen Menschen wohnen. Gut 80 Millionen Touristen reisen pro Jahr nach Norditalien, darunter etwa 14 Millionen Deutsche und vor allem: reichlich Wiederholungstäter. Sie wollen – fasziniert von der alpinen Bergwelt oder mittelalterlichen Stadtkernen, von Cucina à la Mamma oder einfach der unbeschwerten italienischen Lebensart unter zumeist azurblauem Himmel – zum zweiten bis zehnten Mal in norditalienische Städte wie Verona oder Mantua, Parma oder Ravenna. Oder raus aufs Land, in verträumte Dörfer und auf abgeschiedene Agriturismo-Landgüter, die zeigen, dass Urlaub auf dem Bauernhof mehr sein kann als Kühe streicheln und schlafen im Heuhotel.
Für sie alle macht die günstige geografische Lage den Norden Italiens zusätzlich attraktiv: Wer nur mal für ein verlängertes Wochenende hierher möchte, findet von vielen deutschen Flughäfen preiswerte Flieger, die in einer guten Stunde in Mailand, Bergamo oder Bologna landen. Von diesen mitten in Norditalien gelegenen Airports geht´s im Mietwagen oder mit der sehr zuverlässigen italienischen Bahn in kürzester Zeit ans Ziel. Reisende mit mehr Zeit wählen quasi die „Hannibal-Methode“: erst mal gemächlich die Alpen überqueren, nur eben nicht mit Elefanten, sondern mit der Bahn oder dem eigenen Auto. Die letztgenannte Variante macht die Anreise sogar zu einer wahren Ouvertüre des Norditalien-Besuchs.
Auf der Nordalpenseite, in Deutschland und Österreich, ist ja oft eher bescheidenes Wetter. Doch kaum ist etwa der Brenner passiert – schon zeigt der Himmel, dass er auch außerhalb des Hochsommers ein sattes Azurblau, Schäfchenwolken und strahlenden Sonnenschein kann. Und dann kommen sie auch schon, die norditalienischen Angebote fürs Anhalten und Verweilen – vom kurzen Espresso-Stopp bis hin zu ein paar Tagen Dolce Vita: Erst Brixen und Bozen, dann der Gardasee und Verona, bevor das italienische Autobahn-Netz sich in die Breite der Po-Ebene und weiter südwestlich bis Genua und südöstlich bis Rimini erstreckt.
Ja, auch ich bin längst Norditalien-Wiederholungstäter und möchte Sie zu Komplizen machen mit diesem Reiseführer! Mit 40 Trips und Tipps, die oft abseits ausgetretener Pfade liegen wie etwa die Kabbelei mehrerer Dörfer um die Frage, wo Caesar nun wirklich den Rubikon überschritt. Oder die Begegnung mit Veit Heinichen, dem ausgewanderten deutschen Schriftsteller, der seine Wahlheimat Triest zur Bühne seiner spannenden, auch fürs Fernsehen verfilmten Krimis macht. Andere Tipps wiederum liegen mitten auf einem ausgetretenen Pfad – etwa in Veronas Opern-Arena. Aber wussten Sie, wie es dort auf den billigsten Plätzen ist und welches Schauspiel man dort bestaunen kann?
Zusammengestellt habe ich einen bunten Mix aus Natur- und Städte- Attraktionen, spannenden Menschen, die es zu treffen lohnt, sowie Themenrouten, Shopping-Tipps und kuriosen Zielen, die einen Stopp wert sind. Alle werden übersichtlich präsentiert mit jeweils einer kurzen, zusammenfassenden Beschreibung sowie ergänzenden Angaben zu Lage, Anfahrt, Öffnungszeiten und Eintrittskosten. Fotos geben Ihnen einen ersten Eindruck, was Sie bei einem Besuch erwartet.
So, jetzt wünsche ich Ihnen viel Spaß beim Schmökern und Entdecken. Möge dieses Buch Sie schon beim Lesen mitnehmen auf eine virtuelle Vorab-Reise durch Norditalien, auf dass der handliche Reiseführer dann vor Ort in die Gesäßtasche (oder eine vielleicht in Mailand erstandene, schicke norditalienische Handtasche …) wandert und viele inspirierende, unvergessliche Momente auslöst, weil er Sie an die sehenswertesten, spannendsten Spots Norditaliens lotst.
Buon viaggio – gute Reise wünscht Ihnen
Stephan Brünjes
Trentino/Südtirol
1.Reschenpass – oder: Schnee-Schmuggler und ein Bleistift im Wasser
2.Im Land der Nougat-Knödel: Der Vinschgau
3.XXL-Glotze auf der Berg-Glatze: Das Knottnkino in Südtirol
4.Genuss bei „Frozen Fritz“: Bozen abseits von Ötzi
5.Hoch sollen sie streben: Mit der ältesten Seilbahn nach Kohlern
6.Bei den Hexen vom Boah-Felsen: Das Skigebiet Seiser Alm
7.Ossobucco mit Tirolerhut: Die ganz besondere Almhütte
8.Wo der Hacken-Schorsch den Glatzkopf rasiert: Das Skigebiet Kronplatz
9.Urlaub mit „Goethe-Siegel“: Am Gardasee auf den Spuren deutscher Dichter
Piemont/Lombardei
10.Angst vorm schwarzen Mann? Die Kinder-Schornsteinfeger aus dem Valle Vigezzo
11.Die Seh-Promenade: Der Giardino Alpinia über dem Lago Maggiore
12.Crazy Karneval: Die Apfelsinen-Schlacht von Ivrea
13.Film ab unterm Helm: Turins Kinomuseum
14.Dein Reis komme: Aus Novara – als Risotto!
15.Rot, bitter, beim Dom: Wo in Mailand der Campari populär wurde
16.Bergamos tägliche Tage der offenen Tür: Zu Besuch bei den Handwerkern
17.Bergamos Heldenreise: Lottos Fresken, Colleonis Hoden, Donizettis Grab und – Hunzikers Haus
Venetien/Friaul-Julisch Venetien
18.Keine Ruhe auf den billigen Plätzen: Das Ope(r)n-Air-Ritual von Verona
19.Der Dating-Heilige: Singles hoffen auf Antonius von Padua
20.Caorle: Auf den Spuren Hemingways
21.Mehr als Meer: Die Postkartenschönheit unter den Adria-Strandbädern
22.Die Gentlemen bitten zur Tasse: Triest ist Italiens Kaffee-Hotspot
23.Tatort Triest: Durch die Adria-Stadt auf Krimi-Spuren
24.Pixel-Puzzle im Steinchenbruch: Die Mosaikschule in Spilimbergo
Ligurien/Emilia Romagna/Östliche Lombardei
25.Renaissance in 3D-XXL: Mantuas Panorama und Paläste
26.Veni, vidi – Verdi: Radtour auf den Spuren des Komponisten
27.Fehde sei mit euch: In Don Camillo und Peppones Dorf
28.Schampus für den Stier: Auf ins „Land der Motoren“!
29.Radel-Röhren mit Klimaanlage: Cinque Terres stille Nachbarn
Zentrale Emilia Romagna
30.Modena: Wo der Mythos (k)lebt – in der Heimat der Panini-Bilder
31.Maranello: „Schumi, hol schon mal den Wagen!“
32.Später Tropfen höhlt den Stein: Im Land des Edel-Essigs
33.Zeitreise mit der Eis-Eiligen: Bolognas Gelato-Museum
34.Kochkurs bei La Mamma: Pasta selbst kneten in Bologna
35.Schnüffeln, schnippeln, schlemmen: Trüffel-Suche in der Emilia
Südöstliche Emilia Romagna/San Marino
36.UNESCO-Weltkulturerbe und Guerilla-Bilder: Ravenna ist ein Muss für Mosaik-Fans
37.Rimi-nie! Hinterland – si! Die versteckten Adria-Dörfer
38.Alea iacta est: Der Rubikon ist überschritten – aber wo genau?
39.Im Zwergstaat der Dilettanten-Kicker: San Marino
40.BONUS: Genuss-Region Piemont: Von Asti und Grissini bis Barolo und Gorgonzola
Trentino/Südtirol
Gasthof Kohlern – Endstation der weltweit ältesten Personenseilbahn
1.Reschenpass – oder: Schnee-Schmuggler und ein Bleistift im Wasser
2.Im Land der Nougat-Knödel: Der Vinschgau
3.XXL-Glotze auf der Berg-Glatze: Das Knottnkino in Südtirol
4.Genuss bei „Frozen Fritz“: Bozen abseits von Ötzi
5.Hoch sollen sie streben: Mit der ältesten Seilbahn nach Kohlern
6.Ossobucco mit Tirolerhut: Die ganz besondere Almhütte
7.Bei den Hexen vom Boah-Felsen: Das Skigebiet Seiser Alm
8.Wo der Hacken-Schorsch den Glatzkopf rasiert: Das Skigebiet Kronplatz
9.Urlaub mit „Goethe-Siegel“: Am Gardasee auf den Spuren deutscher Dichter
Im Skigebiet an der italienisch-österreichischen Grenze gibt es bei Liftfahrten abenteuerliche Schieber-Geschichten zu hören. Und die Antwort darauf, wie ein Kirchturm in einen See kam.
Schwer zu sagen, wem Charly ähnlicher sieht: Catweazle, dem TV-Waldschrat der Siebziger, oder doch eher Gipfelstürmer Reinhold Messner. Jedenfalls macht Karl „Charly“ Jung den Liftsessel zum Kinosessel und die Bergwand zur Leinwand. Denn er projiziert seine Erzählungen förmlich hinein in die verschneite Winterlandschaft rund um Nauders am Reschenpass. Kaum zuckelt der Sessellift Richtung Lärchenalm, schon beginnt Charlys Kurzkrimi mit einem Schuss Luis-Trenker-Tremolo: Arme Bauern seien seine Eltern noch gewesen, damals in den Fünfzigern. Drum hätten sie sich was dazu verdienen müssen – mit Schmuggeleien. Und Charly mittendrin – als zehnjähriger Kundschafter-Knirps.
Karl „Charly“ Jung spekulierte als Junge die Zöllner aus ...
„Geh Bua, geh spielen im Wald“, sagte mein Vater nach der Schule zu mir, erzählt er – immer noch mit leuchtenden Augen. Für Klein-Charly hieß das, er sollte „die Zöllner ausspekulieren“, wie er sagt. Wo laufen sie Streife, wie viele sind es heute? Aufgrund dieser „Späher-Infos“ entschied sein Vater damals, ob er es wagen konnte, zwei, drei Schweine vom Tiefhof auf österreichischer Seite im Schutze der Dunkelheit über die Grenze zum italienischen Tendershof zu schmuggeln. Die Schweine bekamen vorher „Beruhigungsmittel“, raunt Charly – „reichlich Schnaps, drei Schluck für die Viecher, einen für den Schmuggler, natürlich aus derselben Flasche ...“
Gerade will Charly noch erzählen, wie einmal ein unzureichend betäubtes Borstenvieh einen ganzen Schmugglertreck durch lautes Gequieke auffliegen ließ, doch in diesem Moment ist die Sesselliftfahrt zu Ende. Charly ist in seinem Revier angekommen – als Skilehrer. Und das heißt: Carven statt spähen, auf schneesicheren, zumeist rot beschilderten Pisten bis zu 2800 Meter Höhe, die sich im Laufe des Tages nicht in fies vereiste Buckel-Mittelgebirge verwandeln. Oder wedeln auf wenig befahrenen, windgeschützten Waldwegen, die auch Anfänger in Ruhe herunterschwingen können. Am Ziel warten Lifte, an denen Menschenschlangen so gut wie nicht vorkommen.
... und erzählt heute noch gerne in der Seilbahn davon.
Breite Pisten am Reschenpass, gut für Genuss-Carver
Die Talabfahrt Nr. 1 im italienischen Schöneben kreuzt die alten Schmugglerrouten. Ganz in der Nähe – der Tendershof, nur gut 50 Meter hinter der österreichisch-italienischen Grenze im Wald gelegen. Fast wie die Schmuggler früher pirschen sich heute Ski-Touristen abends an den Hof heran – auf Schneeschuhen mit Fackeln, geführt von Andreas Prantl, dem heutigen Hofbesitzer. „Mein Onkel saß in Innsbruck im Knast“, erzählt er auf der Wanderung, „für den Schmuggel einer Ziege!“
Andreas Prantls Mutter hingegen hat sich nie erwischen lassen, obwohl sie so manches Ding gedreht hat – das mit den Ochsen in der Hofkapelle zum Beispiel. „Die beiden Rindviecher waren gerade auf den Hof geschmuggelt worden“, erinnert sich Margarita Prantl, „da stürmten die Finanzer aus dem Wald.“ Die Zöllner von der italienischen „Guardia di Finanza“ stellten den ganzen Tendershof auf den Kopf. Nur die Hofkapelle nicht. Denn davor ging Margarita Prantl auf und ab, tief ins Gebet versunken. Es hat offensichtlich genützt, denn die beiden in der Kapelle versteckten Schmuggel-Ochsen blieben mucksmäuschenstill.
Wie ein Bleistift ragt der Kirchturm aus dem Eis, weil ein Ort geflutet wurde.
Solche Räuberpistolen rund um Schiebereien auch mit Tabak und Zucker erzählt die resolute Frau immer noch gern ihren Gästen. Die haben es heute mindestens so gut wie damals die „Finanzer“, denn nach wie vor bekommt jeder Besucher auf dem Tendershof in der warmen Gaststube mindestens die Sauerkrautsuppe nach Geheimrezept – heute die Touristen aus Gastfreundschaft, früher war’s der Bestechungsteller für die Zöllner, damit sie nicht gar so genau kontrollierten. Viel zu verdienen gab’s bei den Schmugglertouren damals meist nicht, viel zu verlieren hingegen schon. Umgerechnet 200 Euro vielleicht und die mussten meist noch unter vier oder fünf „Mittätern“ geteilt werden. Für diesen „Reingewinn“ von 50 Euro liefen sie ein hohes Risiko: Manch einer ist vorher unter einer Lawine begraben worden.
Einzig die Langläufer spuren heute an alten Schmugglerrouten vorbei, plagen sich als Neulinge allerdings während der ersten Tour auf italienischer Seite ständig mit einer Frage herum: Warum ragt dieser Kirchturm aus dem Reschensee? Und warum ist da weder eine Kirche noch ein Kirchplatz, geschweige denn ein Dorf? Die Antwort: Weil ein von Menschen ausgelöster Tsunami alles geflutet hat. Der italienische Energiekonzern Montacatini erhielt 1950 von der Regierung die Erlaubnis, den Reschensee zwecks Stromerzeugung 22 Meter höher zu stauen. Alfred Rieper, der Pfarrer des Dorfes Graun am Reschensee pilgerte bis zum Papst nach Rom, um mit seiner Hilfe die Pläne zu stoppen. Ohne Erfolg. 163 Häuser wurden überflutet, 1000 Menschen enteignet und umgesiedelt, zunächst teilweise in Baracken, ohne Grund und Boden. Heute ist der Kirchturm im See das Wahrzeichen der Region Reschenpass.
Info
Lage: Der Reschenpass liegt etwa 80 Kilometer nordwestlich von Meran.
Anfahrt: Die Region Reschen ist per Auto gut erreichbar von Meran über die Staatsstraßen SS 38 und 40.
Öffnungszeiten: keine
Eintritt: keiner
Websites:
•reschen.suedtirol.com
•tendershof.com/index.php
Die sonnenverwöhnte Region westlich von Meran ist bekannt für saftige Äpfel und den Ortler – mit fast 4000 Metern höchster Berg Italiens. Weitgehend unentdeckt dagegen: kulinarische Kuriositäten und seltsame Sehenswürdigkeiten.
Knödel garniert mit Garnelen ...
... oder mit Schnittlauch
Ja, da war so ein gewisses Vorab-Völlegefühl – noch vor dem ersten Bissen. Kein Wunder, bei diesem Menü: Fünf Gänge – nichts als Knödel. Egal, wir geben uns mutig die Kugel(n), fragt sich nur, wie viele es am Ende sein werden. Nummer 1 kommt mit Auberginen, Tomaten und Mozzarella auf Basilikum-Jus daher. Sehr herzhaft und gar nicht so schwer wie erwartet macht diese Knödelkomposition richtig Appetit auf den zweiten Tennisball im Schlafrock, diesmal veredelt mit Garnelen an Tomaten, in Knoblauch gedünstet. Hmm, feurig!
Nein, mit fahlen, faden Dampf-Klöpsen, die auf Berggasthof-Tellern bis zum Bauchansatz in Jägersoße baden, haben diese Kreationen nichts gemein. Schließlich wird hier kein Tagesgericht von der abgegriffenen Speisekarte geboten, sondern – bittschön – eine „Knödel-Degustation“. Und die zielt auf Feinschmecker wie Weinschmecker gleichermaßen: Zu jedem Knödel wird passend ein Pinot Grigio, Merlot oder Moscato gereicht. Einmal pro Woche überrascht Paul Grüner seine Gäste im Hotel „Zur goldenen Rose“ mit solchen Verkostungen unter dem Titel „Ö wie Knödel“. Er will das traditionelle Alpenpummelchen modern und weltoffen präsentieren. „Das geht nur mit einem Chefkoch aus einem typischen Knödel-Land“, sagt Grüner und grinst breit: „So wie Karim aus Marokko ...“ Er erfand hier vor Jahren immer neue Knödelvariationen, etwa die mit Nougat zum Dessert.
Paul Grüner lädt zur Knödel-Degustation ...
Hätten die Ureinwohner dieses abgelegenen Fleckens im Schnalstal geahnt, welche kulinarischen Segnungen dem Ort einmal zuteil werden, sie wären möglicherweise geblieben. Mönche des Karthäuserordens waren sie, gaben dem Herrgottswinkel anno 1326 seinen Namen und wurden 1782 vom österreichischen Kaiser vertrieben – eine düstere Geschichte, noch heute in Blei gegossen auf dem Dorfbrunnen zu besichtigen. Gelebt hatten die 13 bis 15 Karthäusermönche in strenger Abgeschiedenheit, fast wie Häftlinge. Mahlzeiten wurden ihnen in die Zelle gereicht und zwar durch eine Klappe, die so rechtwinklig in die Tür gesetzt war, dass Mönch und Essen-Verteiler sich nicht sehen konnten. Demut statt Degustation. Die kühlen, geheimnisvollen Klostergänge sind fast vollständig erhalten. Wer hindurch schreitet, spürt noch heute ein wenig von der Enge und Verschlossenheit dieser Anlage – auch wenn hinter den schweren Holztüren längst keine Mönchszellen mehr sind, sondern kleine Wohnhäuser mit Handtuchgärten. Am intensivsten nachempfinden lässt sich die Klosterwelt beim montäglichen Rundgang „Die innere und äußere Welt der Mönche – kunsthistorische und architektonische Besonderheiten & Lebens- und Arbeitsweise der Kartäusermönche“. Überhaupt, die Klöster und Kirchen: Im Vinschgau gibt’s so viele gut erhaltene, dass Kunsthistoriker über die Region von der „ältesten Kulturlandschaft Tirols“ schwärmen.
Paul Grüner lädt zur Knödel-Degustation ...
Das Dorf Karthaus, versteckt in den Bergen des Vinschgaus
Demut statt Degustation im Kloster Karthaus
Durch die Region kann man sich mit dem Auto wunderbar entspannt treiben lassen. Drängler und Licht-Huper gibt’s hier nicht. Warum nicht mal abbiegen nach Glurns, der kleinsten Stadt Italiens. Nicht nur wegen der Einwohnerzahl (gut 800), so scheint es, sondern auch, weil die Häuser hier irgendwie kleinwüchsig, geduckt erscheinen. Ebenso wie Bozen und Meran hat auch Glurns Straßen mit Laubengängen, doch wer darunter entlang schlendert, zieht unweigerlich den Kopf ein. Und reckt ihn neugierig mitten im Dorf wieder hoch: Ja, richtig, da ist eine Mini-Weide, mit gemütlich wiederkäuenden Kühen drauf. Gleich daneben: ein riesiger Misthaufen, der die Straße fast komplett blockiert. Kein Wunder, dass diese so gar nicht touristisch aufgehübschte Modelleisenbahn-Idylle regelmäßig Besuch von Filmteams bekommt. Ein Streifen über den Tiroler Freiheitskämpfer Andreas Hofer entstand hier ebenso wie „Annas Heimkehr“, ein Kriegsdrama um eine jüdische Familie mit Veronika Ferres.
Dorf-Alltag in Italiens kleinster Stadt Glurns
Info
Lage: Das Schnalstal und das Dorf Karthaus liegen 26 Kilometer westlich von Meran.
Anfahrt: Mit dem Auto fährt man auf der Brennerautobahn (A22) bis zur Abfahrt Bozen Süd, dann auf die Autobahn nach Meran. Kurz dahinter beginnt der Vinschgau.
Öffnungszeiten: keine
Eintritt: keiner
Websites:
•merano-suedtirol.it/de/schnalstal/natur-kultur/erholung-natur/silentium.html
•goldenerose.it
•knoedel.it
Spezial-Rezept „Knödel à la Karim“
Feine Schokoladenknödel (ca. 12 Stück )
Zutaten
•250 g trockene Semmel in Würfel geschnitten
•250 g flüssige Zartbitterschokolade
•150 g Milch
•15 g Rum
•15 g Zitronensaft
•1 Päckchen Vanillezucker
•optional: gehackte Nüsse
Zubereitung
Die Schokolade mit Milch, Rum, Zitrone und Zucker mischen und über die Brotwürfel geben. Die Masse quellen lassen. Knödel formen. Die Knödel werden in der Fritteuse bei 160 Grad für ca. vier Minuten frittiert.
30 Kinosessel hat ein Landschaftskünstler in der Nähe des Örtchens Burgstall vorn auf die Spitze einer Felsnase gestellt. Wer hin wandert, bekommt kostenlos einen einmaligen Naturfilm zu sehen – in dem die Natur selbst Regie führt, mit Sonne, Wolken und Regenschauern.
Die erste kühle Erfrischung auf der langen Wanderung kommt aus einem eiskalten Bergbach, der in einen ausgehöhlten Baumstamm plätschert. Das Ziel erscheint am Wegesrand immer wieder in Form einer guten Ausschilderung: Knottnkino steht auf den Holzpfeilen, die zwischen Knabenkraut und Glockenblumen aus dem gut befestigten Wanderweg aufragen. Bauernhofbesitzer haben Wasserkanister aufgestellt, aus denen man sich gegen eine Spende einen Becher zapfen kann. Die Strecke hat etwas von einem Pilgerpfad. Nicht überfüllt, aber es sind Familien, Wandergruppen und Einzelkraxler unterwegs – alle mit einem Ziel: das Knottnkino.
Naturkino auf 1465 Meter
Das Knottnkino bei Meran
Einige hundert Meter vor dem Ziel ein letzter, steiler Anstieg auf 1465 Meter. Dann geht der Vorhang auf. Einer aus Tannenzweigen, die man zur Seite schiebt und nun auf einem Felsplateau steht, auf das 30 Kinosessel montiert sind. Nach einstündigem Aufstieg über Schotterwege und sattgrüne Wiesen lassen sich die hier ankommenden Besucher erschöpft reinplumpsen und schauen nun für mindestens eine halbe Stunde einen grandiosen Naturfilm – nicht auf einer Leinwand, sondern live, direkt vor der Nase: am Horizont die weißen Riesen der Texel-Berggruppe, der Blick reicht bis zum Gantkofel und weiter zum Weißhorn. Darunter erstreckt sich das Etschtal wie eine XXL-Patchworkdecke, eingerahmt vom Farbenspiel von Wolken und Sonne auf den Bergrücken und im Tal.
Franz Messner, ein Südtiroler Landart-Künstler, schuf diese Installation und erinnert sich, wie es dazu kam: „Im Jahr 1999 wurde ich vom Vöraner Bürgermeister Alfons Alber eingeladen, für die Gemeinde Vöran ein Kunstprojekt zu entwickeln und dieses bei dem von der Südtiroler Landesregierung ausgeschriebenen Millenium-Wettbewerb einzureichen. Auf der Suche nach einem geeigneten Ort kam ich auf den Rotsteinknott, und der ganz besondere Charakter dieser Anhöhe nahm mich sofort gefangen. Beim Rundblick auf das Tal und die umliegenden Berge und Täler erlebte ich eine sich ständig verändernde Landschaft, getragen vom Wechselspiel zwischen Licht und Schatten. Ich war tief beeindruckt!“