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Nacht für Nacht zieht Louisa durch die Bars von Berlin. Sie bezaubert die Männer mit ihrem Lächeln, doch ihr Herz bleibt kalt und leer. Auch Louis, der attraktive Gesandte aus Paris, scheint nur eine weitere bedeutungslose Eroberung zu sein. Louisa ahnt nicht, dass sie mit dem Feuer spielt ... Denn Louis ist der Henker von Jeanne, der Herrscherin Frankreichs. In ihrem Namen erledigt er jeden noch so schmutzigen Auftrag, und Louisa dient ihm lediglich als Köder, um einen tödlichen Plan umzusetzen. Als es ihm gelingt, ihr ein Geheimnis zu entreißen, hat das verheerende Folgen – für die Gemeinschaft der Vampire und für Louisa selbst. Sie wird aus Berlin verstoßen und gerät in Gefangenschaft. Ausgerechnet in einem Kerker trifft sie erneut auf Louis – in der Nebenzelle. Widerwillig verbünden sich beide und wagen den Ausbruch. Auf ihrer gemeinsamen Flucht erkennen sie, wie viel mehr sie verbindet als ihre Namen. Ihrer jungen Liebe jedoch stellt sich Jeanne entgegen – tausend Jahre alt und übermächtig. Wie sollen sie gegen diese Macht bestehen? Januarnacht ist der dritte in sich abgeschlossene Roman der Vampirreihe um die Nacht-Patrouille.
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Linda K. Heyden
Januarnacht
Die Bände der Reihe »Nacht-Patrouille«:
Band 1: »Novembermond«
Band 2: »Dezemberglut«
Band 3: »Januarnacht«
Impressum:
1. Auflage 2018
© 2018 Heyden Books e. K., Berlin
Umschlaggestaltung: Andrea Gunschera, Großräschen,
mit einem Umschlagfoto von SvetlanaFedoseyeva/shutterstock.com
eBook-Erstellung: Corinna Rindlisbacher, ebokks.de
Alle Rechte vorbehalten.
ISBN 978-3-946546-06-1 (Printausgabe)
ISBN 978-3-946546-07-8 (ePUB)
ISBN 978-3-946546-08-5 (mobi)
www.lindakheyden.com
Manchmal kommt das Leben dazwischen.
Ich danke allen, die in schwierigen Zeiten für uns da waren.
Michaela, ohne die dieses Buch wohl nie entstanden wäre.
Sabine, für Vitamine, Linsengerichte, Familienanschluss und so viel mehr. Gudrun, Klarissa sowie Barbara und Wolfgang, die besten Kollegen von allen.
Und natürlich allen LeserInnen der Nacht-Patrouille:
Vielen Dank für eure Geduld!
Ich saß an der Bar und hatte allem den Rücken zugekehrt, den Menschen um mich herum, dem Stimmengewirr, der nächtlichen Langeweile.
Der Club im Zentrum Berlins war brechend voll. Immer wieder spürte ich Blicke, offene und verstohlene. Ich fühlte mich wie in einem Sarg aus Glas, so kalt, so starr und ungeschützt.
Aber ich blieb, wie jede Nacht, und wartete.
Heute war es schon weit nach Mitternacht, als sich endlich eine breite Schulter dicht an mich heranschob.
»Hallo, Schönheit.«
Langsam wandte ich mich um. Sein Anzug war teuer, ebenso wie die Uhr am Handgelenk. Ich überprüfte, ob auch der Rest von ihm einen Blick verdiente. Erst dann sah ich dem Mann in die Augen. Sein selbstbewusstes Grinsen gab den Ausschlag. Für diese Nacht würde er mir genügen, also schenkte ich ihm ein Lächeln, dessen Wirkung noch nie mein Ziel verfehlt hatte.
»Was darf ich dir bestellen?«, fragte er.
»Einen Scotch. Pur. Dann sehen wir weiter.«
Während der Barkeeper eine Flasche aus dem Regal hervorholte und einschenkte, betrachtete ich mich im Spiegel hinter ihm.
Mein Gesicht.
Mein Leben.
Alles, was war und sein würde.
Hastig griff ich nach meinem Glas.
Der Mann staunte mich an. Was er erzählte, interessierte mich nicht, und ich gab mir gar nicht erst die Mühe, so zu tun als ob.
Menschen. Sie waren seltsam mit ihren aufdringlichen Gefühlen. Die Sonne streichelte ihre Haut, aber erst die Nacht öffnete ihre Seelen. Dann wurden sie anstrengend und redeten zu viel. Dennoch spürte ich, wie meine Anspannung unter seinem bewundernden Blick endlich nachließ.
»Wie heißt du?«, fragte der Mann.
Seine Frage riss mich aus den Gedanken. »Louisa.«
»Louisa. Was für ein schöner Name für eine so schöne–«
»Wohnst du weit von hier?«, unterbrach ich ihn. Die Monotonie der Lounge-Musik erdrückte mich. Ich wollte endlich weg von hier.
»Nein. Mein Hotel …« Er räusperte sich aufgeregt. »Wenn du möchtest, können wir sofort …«
Ich zeigte ein amüsiertes Lächeln und machte es ihm nicht leichter. Selbst mein Nagellack war vielschichtiger als er. Letztendlich benahmen sich alle Männer gleich und hatten sich in den hundert Jahren meiner vampirischen Existenz nicht verändert. Vielleicht ihr Stil, auf Frauen zuzugehen, doch selbst dieser kaum. Deshalb hatte ich auch keine Erwartungen, egal ob sie nun Menschen oder Vampire waren.
Ich sah ein letztes Mal in den Barspiegel, trank den Scotch in einem Zug und griff nach meiner Handtasche. »Lass uns gehen.«
Der Mann nickte mit offenem Mund, zahlte und folgte mir.
Eine neue Nacht.
Ein neuer Mann.
Das alte Spiel.
Und nichts davon war von Bedeutung.
Um zwei Uhr Früh glitt der Maserati über das holprige Kopfsteinpflaster und ließ die Innenstadt von Orléans in stiller Dunkelheit zurück. Louis beschleunigte, überholte ein Taxi und folgte der zweispurigen Straße, bis sich einförmige Sozialbauten und Hochhäuser vor ihm auftürmten. Sein Ziel war nahe.
Es hieß Gilles und war ein Vampir wie er.
Jeanne, die Herrscherin Frankreichs, hatte ihn beauftragt, ein Exempel zu statuieren, also parkte er unübersehbar vor der Eingangstür der Bar. Sie befand sich in einem Häuserblock mit abblätternder Fassade, und nichts wies auf die Geldsummen hin, die hier jede Nacht am Tresen gezählt wurden.
Noch zwölf Meter.
Lautlos nahm Louis die wenigen Stufen, die zum Eingang führten, und öffnete die Tür.
Noch sechs Meter.
Die Bässe wummerten in voller Lautstärke. Nackte Glühbirnen, die an Kabeln von der Decke baumelten, sorgten für trübes Licht. Nur wenige Gäste hatten sich hierher verirrt. Louis’ Blick glitt über die spärlich besetzten Tische, an denen nur Menschen saßen, die ohnehin keine Gefahr bedeuteten.
Drei Meter.
Gilles hockte mit seinen Männern am Tresen, ohne seiner Umgebung Beachtung zu schenken, und zündete sich eine Zigarette an.
Louis lächelte. Er war noch keine halbe Stunde in der Stadt und hatte Gilles prompt an einem seiner Lieblingsplätze aufgespürt. Feste Gewohnheiten konnten tödlich sein. Er zog seine Pistole und hielt sie Gilles zwischen die Augen. »Versuch es erst gar nicht!«
Gilles ließ die Zigarette fallen und stierte in die Mündung. »Louis!«, sagte er gepresst. Panik und Resignation wechselten sich in seinem Gesicht ab.
Einer der Männer versuchte, in seine Jackentasche zu greifen, und Louis schoss, ohne den Blick von Gilles abzuwenden. Der Mann sank mit einem Loch in der Stirn zu Boden. Louis richtete die Waffe wieder zwischen Gilles’ Augen. »Eigentlich hatte ich nicht vor, dich hier drin zu erledigen«, sagte er ausdruckslos. »Aber wenn noch einer zuckt, ändere ich meine Meinung.«
Gilles’ verzweifelter Blick suchte den seiner Männer. Aber die starrten in Louis’ Gesicht und wagten nicht, auch nur einen Muskel zu regen.
»Aufstehen. Hände in den Nacken. Wir gehen nach draußen«, befahl Louis.
Gilles gehorchte und setzte sich in Bewegung. Louis blieb dicht hinter ihm und kontrollierte mit seinem Blick die Gäste.
An der Tür straffte sich Gilles’ Körper, er hatte keine Chance zur Flucht, dennoch war die Hoffnung, die er nun schöpfte, deutlich spürbar. Und tatsächlich, kaum war Gilles durch die Tür gegangen, schlugen Flammen nach Louis’ Hand. Seine Waffe hatte Feuer gefangen. Hastig ließ er sie los.
Gilles nutzte den Moment, um die Tür hinter sich zuzuschlagen. Auch die brannte nun lichterloh.
Louis fing seine Waffe auf, bevor sie den Boden berührte. Sie lag kühl in seiner Hand, die Flammen waren verschwunden. Kein schlechter Trick, dachte er anerkennend. Er trat die brennende Tür ein und sprang durch sprühende Funken. Seine Muskeln spannten sich, um loszuspurten, als der Asphalt vor ihm aufriss und sich ein lodernder Abgrund öffnete. Louis zögerte keine Sekunde und lief darüber hinweg.
Gilles beherrschte die Magie der Illusionen meisterhaft, aber sie verschwenderisch wie Blumen zu verstreuen, würde ihn auch nicht retten. »Bleib stehen!«
Gilles war noch nicht weit gekommen und gehorchte sofort. Sein Körper bebte. Langsam wandte er sich um, sein Gesicht war schweißüberströmt. »Es tut mir leid«, sagte er verzweifelt. »Bitte lass mich leben.«
»Du bist mit deinen Nebengeschäften zu gierig geworden.«
»Jeanne wird alles bekommen, was ich habe.«
»Natürlich wird sie das.« Louis’ Lächeln war kalt wie der Tod. »Komm her.«
Gilles machte einige zögerliche Schritte. »Man sagt, dass du ihr nicht freiwillig dienst.« Seine Stimme überschlug sich. »Wie hoch ist dein Preis?!«
»Zu hoch für dich.«
»Dann bring mich zu ihr, zu Jeanne!« Gilles war heran und blieb stehen. »Ich werde selbst mit ihr verhandeln.«
Der Gestank von Angstschweiß quälte Louis’ Nase immer heftiger. »Du verschwendest meine Zeit. Ihr Auftrag ist eindeutig.«
Mit dem Mut der Verzweiflung wagte Gilles den Angriff, zog ein Messer aus dem Ärmel und stach zu.
Louis war schneller, er wich dem Schwung von Gilles’ Klinge aus, zog gleichzeitig sein Schwert und hieb ihm den Kopf von den Schultern. Der Torso sackte auf die Knie, bevor er seitlich wegkippte.
Eigentlich hatte Louis Gilles noch etwas wehtun sollen, aber dafür war es nun zu spät. Der zweite Tod war endgültig, wobei Enthauptungen immer noch die effektivste Tötungsart für Vampire bedeutete, ohne langes Geschrei oder unliebsame Überraschungen.
Louis wischte die Klinge an Gilles’ Jacke ab und runzelte die Stirn, denn sein weißes Hemd hatte Blutspritzer abbekommen. Weiß war aber auch eine undankbare Farbe! Er packte Gilles’ Kopf an den gegelten Haaren, ging damit zurück und setzte ihn mitten auf die Treppenstufen, die zur Bar führten. Diese Warnung würden selbst Dummköpfe wie Gilles’ Partner verstehen.
Louis stieg in seinen Wagen. Immerhin hatte die schnelle Exekution dafür gesorgt, dass er noch vor der Morgendämmerung zurück in Paris sein konnte.
Das gab ihm Zeit, um sich ein wenig Entspannung zu gönnen.
Ehrfurchtsvoll strich sie über Louis’ Brust, an seinen Narben entlang, eine federleichte, fast zärtliche Berührung. Aber die schien ihm genauso wenig zu gefallen wie ihr bewundernder Blick, denn er rollte sich zur Seite und stand auf.
»Wann kommst du zurück?« Ihr zufriedenes Lächeln folgte Louis bis ins Badezimmer. Er war alles andere als zärtlich gewesen, aber das hatte sie auch nicht erwartet oder gewollt. Nachdem Louis sie auf dem Gang aufgegriffen und in sein Zimmer befohlen hatte, war sie gleichzeitig fasziniert und ängstlich gewesen. Sein Ruf war legendär, seine Gunst eine Auszeichnung, denn er war Jeannes Liebhaber, Jäger und Henker zugleich. »Wirst du morgen nach mir fragen?«
Die Dusche sprang an.
»Estelle. Ich heiße Estelle«, rief sie in seine Richtung, doch Louis reagierte nicht. Vermutlich hatte er sie bereits vergessen, weshalb sie beschloss, noch eine Weile herumzutrödeln.
Louis verließ das Badezimmer, hielt das Handtuch in der Hand und ließ es achtlos fallen. Sein Anblick bestätigte, dass sich das Warten gelohnt hatte. Sie bewunderte seinen Körper und die Tätowierungen, Kunstwerke in Schwarz, Blau und Rot, die sich vom Nacken über die linke Schulter bis zur Brust zogen.
»Ich heiße Estelle«, wiederholte sie eifrig, denn sie wollte ihn unbedingt wiedersehen.
»Zieh dich an.«
Nach einem letzten Blick in sein Gesicht stand sie auf. Sie strich sich über den üppigen Busen, und ihr hübsches Gesicht bekam einen schmollenden Ausdruck.
Louis drehte sich unbeeindruckt um und sammelte Hemd und Hose ein.
Seufzend zog sich Estelle ihr Kleid über den Kopf. Sie schenkte Louis noch ein sehnsüchtiges Lächeln, das er unerwidert ließ, bevor sie leise die Tür hinter sich schloss.
Auch Louis zog sich an.
Jeanne erwartete ihn. Sie liebte die Kleidung des 18. Jahrhunderts, jedenfalls bei Männern. Da er sich ihrem Dresscode wie immer widersetzte, wählte er eine lockere, schwarze Hose und ein dünnes Shirt. Beides würde er ohnehin nicht lange anbehalten.
Auf seinem Weg passierte Louis bewachte Tore zwischen Wänden aus Lehm und uralten Mauern, ohne aufgehalten oder auch nur angesprochen zu werden. Die Katakomben, wie Jeannes unterirdisches Reich genannt wurde, lagen unterhalb von Paris und galten als uneinnehmbar. Sie waren der schrecklichste Ort, den Louis kannte.
Wie immer waren die Gänge überfüllt und die Luft abgestanden. Louis hasste diesen Mief nach zu vielen Körpern und zu wenig frischer Luft.
Angst kroch ihm entgegen. Waberte durch die Katakomben wie ein fauliger Gestank.
Das Zentrum der Angst lag weit vor ihm.
Jeanne.
Louis durchquerte den Bereich mit den Quartieren von Jeannes Gefolgsleuten und wechselnden Günstlingen, die eifersüchtig versuchten, ihre Position am Hof durch Intrigen und Ränkespiele zu verbessern. Oder wenigstens zu verteidigen.
Er ignorierte alle Blicke. Es hatte ihn Jahre gekostet, aber nun versteckte er seine Gefühle hinter einer perfekten Maske aus Arroganz und Gleichgültigkeit. Louis suchte keinen Kontakt, zu niemandem, und er hatte auch keine Freunde. Das entsprach nicht seinem Interesse, im Gegenteil. Im Laufe der Jahre hatte er vierzehn Gefolgsleute getötet. Unauffällig, schön der Reihe nach, irgendwo in Paris oder außerhalb, damit ihr Verschwinden nicht mit ihm in Verbindung gebracht werden konnte. Doch unmittelbar vor ihrem Tod hatten sie alle gewusst, warum sie sterben mussten: für seine Rache. Denn es waren die, die an der Auslöschung seiner Familie beteiligt gewesen waren. Sie waren fähige Kämpfer, allesamt.
Aber er war der bessere.
Es war Jeanne, die vor zweihundertfünfzig Jahren den Überfall auf das Schloss seines Vaters befohlen hatte und seine Familie ermorden ließ. Jeanne – seine Schöpferin – und der mächtigste Vampir, der je auf Erden wandelte.
Als Louis damals den blutüberströmten Körper seines Vaters in den Armen hielt, als dieser ihn anflehte, seine Geschwister und sich selbst zu töten, hatte er zuerst geglaubt, der Vater redete wirr. »Sprich nicht mehr. Du wirst wieder gesund.«
Der Vater spuckte Blut. »Ich sterbe. Aber du wirst es sein, der den Tod herbeisehnt. Ich hätte dir sagen … dich warnen müssen …«
»Vater. Schone dich.«
»Ich bin ihr damals entkommen, aber du kannst es nicht mehr. Sie wird dich am Leben erhalten – bis in alle Ewigkeit.« Die Hände seines Vaters klammerten sich an sein Hemd, den Blick voller Qual. »Schütze deine Geschwister. Töte sie. Und dann dich selbst.«
»Der Geheimgang. Ich werde sie retten. Das verspreche ich dir bei meiner Ehre.«
»Nein, Louis, du verstehst nicht …« Die Hände lockerten sich und ließen los. »Wie solltest du auch. Der Geheimgang ist nutzlos, sie wird dich dennoch finden. Töte Antoine und Alissia. Und dann dich selbst. Damit ihr … eure unschuldigen Seelen behaltet.« Der Vater hustete blutigen Schaum, atmete noch einmal tief, dann brach sein Blick, und er lag leblos in Louis’ Armen.
Als die Angreifer sie fanden und Louis sich schützend vor seine Geschwister stellte, als Schränke wie Brennholz durch das Zimmer flogen und er zuerst gegen die hohe Decke und dann zu Boden krachte, den verzweifelten Schrei seiner Schwester hörte und sich blutend vor sie warf, Auge in Auge mit einem Mann, der Fangzähne zeigte, während sich die Zwillinge verzweifelt hinter ihm aneinanderklammerten – ja, in diesem Moment war es nur noch ein schmaler Grat zum Wahnsinn gewesen, und auf diesem Grat wanderte er noch oft seit jener Nacht.
Doch als er einmal geglaubt hatte, endgültig den Verstand zu verlieren, diesen Zustand willkommen heißen und aufgeben wollte, das Ende sogar herbeisehnte – da waren es seine Geschwister, die ihm das Ziel gaben, das er zum Überleben brauchte.
Noch viele Jahre hatte Louis seinen Vater gehasst. Er und seine Mutter waren tot und hatten ihn mit alldem zurückgelassen, ihn nie gewarnt vor der Gefahr, die so geduldig gelauert und den Vater aufgespürt hatte, als dieser sich längst in Sicherheit wähnte – vor Vampiren.
Jeanne hatte Louis nicht gleich zum Vampir gewandelt, nein, sie hatte alle Zeit der Welt und Jahre gewartet. Bis dahin sorgte sie dafür, dass sein Körper in perfekter Verfassung war. Bereits vor seiner Wandlung hatte Louis das Töten gelernt – danach perfektionierte er es. Seitdem erledigte Louis jede Arbeit, die Jeanne ihm auftrug. Er tötete sicher und effektiv, mit Waffen und ohne, aus großem Abstand oder nächster Nähe, sodass er den letzten Atemzug des Opfers an seiner Wange spürte.
In Jeannes Namen strafte, entmachtete oder exekutierte er und fragte längst nicht mehr nach dem Warum. Sonst wäre er verrückt geworden. Denn seine Arbeit war schmutzig und gefährlich und überhaupt nicht ehrenhaft. Nicht jedes von Jeannes Opfern hatte den Tod verdient. Aber Louis musste erfolgreich sein und überleben. Für den Schutz seiner Geschwister, die Jeanne ebenfalls wandelte, sobald sie erwachsen waren – und für seine Rache.
Von seiner persönlichen Todesliste war inzwischen nur noch Frederic übrig, der damals den Überfall auf das Schloss seines Vaters angeführt und ihn getötet hatte. Auch Frederic würde sterben. Bald, in einem Jahr oder in einhundert. Durch seine Hand, und Frederic würde wissen, warum.
Louis durchschritt das Labyrinth, wie die Ansammlung unübersichtlicher Wohnkammern genannt wurde, in denen Sklaven und Bedienstete lebten. Hier waren die Gänge besonders eng und niedrig.
Endlich näherte er sich dem Bereich von Jeannes Gemächern. Die Gänge wurden breiter und höher. Dennoch, das Gefühl von Beklemmung blieb, wurde sogar noch stärker, als stauten sich hier Angst und Schmerz über Jahre hindurch.
An den Toren standen Wachen, die den Durchgang kontrollierten. Gold und Silber glänzten an den Wänden. In kleinen Erkern wechselten sich Statuen – Abbildungen von Jeanne – mit Ölgemälden ab, die ebenfalls ihr Antlitz zeigten.
Durch die Gänge schlichen Raubkatzen. Lautlos, rastlos. Sie waren friedlich – es sei denn, Jeanne, die sie mit ihrer Magie bändigte, hetzte sie auf eines ihrer Opfer. Jeanne liebte es, die Raubkatzen für diese Zwecke zu nutzen, aber sie mussten häufig ersetzt werden. Ewige Dunkelheit war nichts, was diese anmutigen Geschöpfe lange ertragen konnten.
Louis betrat Jeannes Gemächer. Vor den letzten Zimmern saß Acco aufrecht und unbeteiligt auf seinem Stuhl. Louis hatte ihn kaum je anders gesehen. Acco war klein, glatzköpfig und unscheinbar, aber Louis ließ sich weder von seinem Aussehen noch von dem leeren Blick täuschen. Acco war seit Jahrhunderten Jeannes Leibwächter, nahm täglich ihr Blut und besaß enorme Kräfte. Vielleicht, falls Acco ihm in die Quere kam, würde Louis auch ihn töten müssen.
Der Geruch von Weihrauch stieg auf. Jeanne liebte und Louis verabscheute ihn.
»Louis. Endlich.«
Er blieb an der Schwelle stehen, verbeugte sich knapp und wartete.
Jeanne machte eine kurze Handbewegung, und ihre Macht zwang Louis hart auf die Knie. »Du hast dir Zeit gelassen. Hast du den Auftrag erledigt?«
»Ja, so wie du wolltest. Gilles wird dich nie wieder betrügen.«
Jeanne nickte zufrieden. »Gut. Geh dort hinein.«
Louis stand auf und gehorchte, ohne eine Miene zu verziehen, während ihn der junge Mann, der zu Jeannes Füßen saß, hasserfüllt anstarrte. Louis hörte seinen Widerspruch, sein Aufbegehren und Jeannes begütigende Worte. Jeannes Lieblingsspielzeug zu sein war gefährlich, das würde der Junge noch herausfinden. Zuerst verwöhnt, gehätschelt und bewundert, danach zerstört und vernichtet. Louis hatte Unzählige wie ihn kommen und gehen gesehen.
Jeanne war entsetzlich. Wen sie heute sanft in ihren Armen wiegte – als Schöpferin, Geliebte oder Herrscherin – den konnte sie morgen verstoßen und der schlimmsten Folter aussetzen. Sie säte Liebe, pflanzte Verrat und Hass, erntete zerstörte Herzen und Seelen, ganz wie es ihr beliebte.
Doch hatte es eine Zeit gegeben, in der auch Louis ihr verfallen war und sie verzweifelt begehrte, obwohl er sie gleichzeitig abgrundtief hasste und fürchtete wie sonst nichts auf der Welt. Es war die Zeit nachdem Jeanne ihn zum Vampir gewandelt hatte und die Bindung zu ihr am stärksten war. Nie hatte er geglaubt, zu einer so falschen, jeden Verstand leugnenden Leidenschaft fähig zu sein. Und dass ihm seine Rache, sein Stolz und alles, was er je für gut und richtig erachtet hatte, völlig gleichgültig sein würde. Denn genau wie dieser Junge, der zu Jeannes Füßen saß, hatte auch er sich nach Jeanne verzehrt, nach ihrem Blut, nach ihrer Berührung, ihrem Wohlwollen und danach, sie glücklich zu machen. So lange, bis es ihm endlich gelungen war, auf ihr Blut zu verzichten und sie sich aus seiner Seele herauszubrennen wie eine eiternde Wunde. Schmerz war ein besserer Lehrer gewesen, als Freude es je hätte sein können.
Louis zog sich aus. Immerhin bedeutete die Wahl dieses Zimmers, dass es nicht so lange dauern würde.
Die grob behauenen Wände waren mit goldenen Arabesken verziert, Fackeln brannten. Das andere Zimmer, in dem der Junge so sehnsüchtig auf Jeannes Rückkehr wartete, war mit seidenen Teppichen, Wandbehängen und Decken geradezu luxuriös, das riesige Bett mit vielen weichen Kissen ausgestattet. Louis kannte es gut. Dort nahm sich Jeanne viel Zeit und manchmal weitere Männer und Frauen hinzu.
Louis legte sich aufs Bett und starrte zur Decke. Dann schloss er die Augen und versuchte, Gedanken und Gefühle zu beruhigen, ihnen keine Nahrung zu geben. Schließlich würde es bald vorbei sein.
Das Bett gab nach. Louis spürte Jeannes Energie, die Berührung ihrer Hände und Schenkel an seinen Hüften. Ihre Präsenz war uralt. Kalt und dunkel wie ein Abgrund aus Eis.
Jeannes Körper war nicht jung und nicht alt, ihre Figur fast kindlich, das lange Haar von einem fahlen Braun, so als hätten die Jahrhunderte, die sie die Katakomben nicht mehr verlassen und keine Nachtluft, kein Mondlicht es berührt hatte, die Farbe gebleicht und vertrocknet. Ihre dunklen Augen waren wie aufgerissene Tore zu einer entsetzlichen Macht, die kein Entkommen verhieß.
Auch Louis war darin gefangen.
Er schob Furcht und Abscheu beiseite und öffnete die Augen, während er den Geruch von Weihrauch und den des Mannes, der Jeanne eben noch berührt hatte, in sich aufnahm.
Jeanne stieg auf ihn. Louis hasste es, auf dem Rücken unter ihr zu liegen. Diese Position war erniedrigend, so wie alles, was sie ihm antat. Jeannes lange Fingernägel fuhren über sein Kinn, weiter zu seiner Brust, wo sie eine blutige Spur des Begehrens hinterließen. »Liebst du mich noch, Louis, so sehr, wie früher?«
Louis drängte seine bittere Wut zurück und verschloss sich vor Jeanne, so wie er es immer tat – oder es zumindest versuchte. Jeanne lächelte, denn sie kannte ihn viel zu gut, um ihre Frage ernst zu meinen. Sie durchschaute seinen Zorn und Hass ebenso leicht wie seine Ängste und liebte es, alles an die Oberfläche zu zerren. Dieses Spiel beherrschte sie perfekt.
Ihre Hand glitt zwischen seine Beine.
Wie immer dachte Louis an die Erleichterung, die er empfand, wenn es endlich vorbei war. Er holte sich die Erinnerung an die Frau zurück, mit der er eben noch zusammengelegen hatte. An deren Körper, das hübsche Gesicht, an weiche Haut und frischen, fraulichen Duft. Nichts an ihr hatte ihn abgestoßen oder Widerwillen in ihm ausgelöst. Er fürchtete den Tag, an dem seine Abscheu so groß sein würde, dass er Jeannes Wünsche nicht mehr erfüllen konnte. Denn er wusste, dass es nur seine Ergebenheit war, die ihn und seine Geschwister am Leben hielt.
Er spürte Jeannes Lust, während sie ihm die Hände auf die Schultern legte und ihre Macht in seinen Körper fließen ließ.
»Heute etwas widerwillig, Louis?« Ihre Stimme durchbrach seine Gedanken. Sie war leise, aber scharf wie eine Guillotine. Wie zum Hohn fühlte er, wie ihn die weiße Seide ihres Kleides sanft berührte. Louis versuchte sich zu sammeln und seine Stärke wiederzufinden, die sie auch heute so einfach zur Seite gefegt hatte. Wie leicht ihr das immer wieder fiel. Sie sah ihn mit diesen uralten Augen an, während sie ihn streichelte und massierte. Endlich sprang ihre Erregung auf ihn über, und sein Körper gehorchte.
Sobald er bereit war, senkte sich Jeanne auf ihn, und er bewegte sich in dem Rhythmus, den sie ihm vorgab, erst langsam, dann schneller. Schließlich hielt er sie an den Hüften, stieß fester, denn er wusste genau, wie sie es von ihm wollte. Ein besonders tiefer Stoß brachte sie zum Höhepunkt, er hörte ihr Stöhnen, spürte ihre Fingernägel, die sich tief in seine Schultern gruben und ihre heftigen Kontraktionen.
Jeanne beugte sich vor, und ihr langes Haar fiel über sein Gesicht.
Louis blieb liegen, bog willig den Hals zurück und versuchte, Verstand und Gefühle weiterhin zum Schweigen zu bringen.
Jeanne nahm sein Blut, und sie nahm viel. Überhaupt nahm sie immer mehr in letzter Zeit. Sein Blut hatte eine beruhigende Wirkung auf sie. Meistens.
Wie immer bot auch sie ihm ihren Hals, ihr Blut, auf das er seit vielen Jahren verzichtete. Und wie immer starrte er durstig auf ihren flatternden Puls, um endlich doch den Blick von dieser fortwährenden Versuchung abzuwenden.
Jeanne lachte. Auch das war ein Spiel, dessen sie nie müde wurde.
Nach Jahren voller Schmerzen war sein Körper nun frei von der Macht ihres Blutes, wie nach der Überwindung der schlimmsten Sucht. Aber leider war nur sein Körper frei. Denn solange Jeanne das Leben seiner Geschwister kontrollierte, hatte sie auch ihn in der Hand.
Endlich verließ Jeanne ihren Platz, und Louis setzte sich auf.
Jeannes beringte Finger streichelten seine Brust. »Der Aufstand vor zweihundert Jahren.«
Louis zwang sich, sitzen zu bleiben, und fragte sich, worauf das Gespräch hinauslaufen würde.
»Pierre.«
Louis nickte verhalten. Er kannte die Geschichten um Pierre, obwohl er ihm nie begegnet war. Vor zweihundert Jahren hatte es den ersten und letzten Aufstand gegen Jeanne gegeben. Natürlich war er von Anfang an zum Scheitern verurteilt, aber einem der Aufständischen, Pierre, war die Flucht geglückt. Seit Jahren lebte er in Berlin, unbehelligt von Jeanne und ihrer Rache.
»Du wirst nach Berlin reisen und ihn mir bringen. Diesmal will ich ihn zurück.«
»Du hast mir eine Pause zugesichert.«
Jeannes Blick ruhte irgendwo, der Ausdruck ihres Gesichts entrückt. Sie war unberechenbar. Oft schien sie nur aus Stimmungen zu bestehen, die weder vernünftig noch verständlich waren. Manchmal war sie so ruhig und teilnahmslos, als hätte sie das Interesse an der Welt und am Geschehen an ihrem Hof, dessen Mittelpunkt sie war, längst verloren. Aber das konnte sehr schnell umschlagen. Dann raste Jeanne vor Wut und schien selbst eine Gefangene ihrer rauschhaften und grausamen Zustände zu sein.
Heute blieb sie ruhig.
»Frederic und Claire werden dich begleiten.«
Ausgerechnet! »Ich arbeite allein, das weißt du.«
»Deine Methoden … ich höre so häufig Beschwerden. Auch darüber, wie du anderen die Chance nimmst, ebenfalls Ruhm und Ehre zu erwerben.«
»Du weißt, wie gern ich beides abgeben würde«, erklärte Louis bitter.
Jeanne lächelte nur.
»Ich habe deinen Befehlen stets gehorcht. Alle deine Aufträge erledigt.«
»Ja. Wie es deinen Pflichten entspricht.« Louis sah das Aufflackern von Grausamkeit in ihrem Gesicht. »Stellst du dich etwa gegen mich?«
»Nein, natürlich nicht.« Jeannes Seele war verrottet wie ein Grabstein im Lauf der Jahrhunderte. Louis hatte gelernt, jede noch so kleine Geste ihrer Hände und jede Bewegung ihres Gesichts zu deuten und entsprechend zu reagieren: mit Gehorsam, Leidenschaft und Hingabe oder mit ruhigem Widerstand. Doch vormachen konnte er ihr nichts, seine Abscheu nie verhehlen. Sein Hass auf Jeanne war so ewig und kalt, wie er früher einmal heiß gewesen war.
»Das würdest du nicht wagen.«
»Ich fahre nach Berlin, so wie du es wünschst«, sagte Louis besänftigend. »Du weißt, dass ich dir treu diene und jeden deiner Aufträge erledige.« Er sah ihr in die Augen. »Und ich bitte dich um einen Gefallen.«
»Ich höre.« Jeanne nickte gnädig.
»Ich bitte um Ausgang für Antoine. Es ist so lange her, er möchte endlich wieder hinaus.«
Jeanne schüttelte den Kopf. »Immer bist du so ungeduldig, Louis. Dein Bruder wird seinen Ausgang bekommen. Später. Wir haben noch so viel Zeit.«
»Vergiss nicht, was du mir versprochen hast. Meine Freiheit. Und die Freiheit meiner Geschwister.« Louis versuchte, seinen sinnlosen Zorn zu zügeln. Er hatte Jeannes Wort, eines Tages mit Alissia und Antoine ziehen zu dürfen. Aber wie nahe war dieser Tag? Das fragte er sich schon seit Jahren. Und nun hatte er schon wieder einen Auftrag, der sich noch dazu als besonders schwierig und zeitintensiv herausstellen konnte. Denn wenn alles stimmte, was er von Julian, dem Anführer dieser Gemeinschaft in Berlin, gehört hatte, würde er Pierre bestimmt nicht ausliefern. Und die beiden, die ihn nach Berlin begleiten sollten, würden seine Chance, diesen Auftrag erfolgreich auszuführen, keinesfalls erhöhen. Im Gegenteil. Ganz davon abgesehen, dass Frederic auf seiner persönlichen Todesliste stand, gehörte er zu Jeannes Favoriten und wusste diese Rolle immer wieder auszunutzen. Genau wie Claire. Aber für diesen Auftrag waren solche Fertigkeiten nutzlos.
»Louis – ich brauche Pierre lebend.«
»Wieso?«
»Pierre hat etwas, das ich unbedingt benötige. Böses Blut.«
Louis verstand. Die Einnahme von bösem Blut war bereits in kleinen Mengen tödlich, für jeden Vampir, ohne Ausnahme. Und es gab nur wenige Vampire, die böses Blut erzeugen konnten, weshalb es außerordentlich selten und kostbar war.
»Meine Vorräte gehen zur Neige. Der einzige Lieferant hat sich mir entzogen.«
Entzogen? Böses Blut bildete sich ausschließlich im Zustand von Zorn, Aufregung oder Schmerz. Louis versuchte sich vorzustellen, welche Qualen es bedeutete, wenn diese Gefühle immer und immer wieder herbeigeführt wurden.
Die Gerüchte über Jeannes privaten Kerker, der sich unter ihren Gemächern befand, waren zahlreich. Fast so, wie die über ihre verschwundenen Feinde. Außer Acco gewährte Jeanne dort niemandem Zutritt, und jeder Insasse war verloren. Da mochte der zweite und endgültige Tod eine Erlösung sein.
»Ich will Pierre so schnell wie möglich zurück.«
Louis nahm die kaum unterdrückte Wut in Jeannes Stimme wahr und nickte. Er würde bald nach Berlin aufbrechen müssen, die Zeit reichte kaum für einen Besuch bei seinen Geschwistern. Alissia würde enttäuscht sein, Antoine noch zorniger, als er es ohnehin schon war, denn er hatte auch diesmal nichts für ihn erreicht.
Unter der Dusche spülte sich Louis eilig die Spuren seines Besuchs bei Jeanne vom Leib und machte sich auf den Weg.
Die Unterkunft seiner Geschwister bestand aus zwei kleinen Zimmern. Jeannes Magie umhüllte dunkel und schwer den Eingang und stellte sicher, dass Alissia und Antoine ihr Quartier nie ohne ihre Erlaubnis verlassen konnten. Louis versuchte stets, sich bei Jeanne für die Zwillinge einzusetzen. Gleichzeitig arbeitete er daran, die Magie am Eingang zu überwinden, aber beides war ihm nie gelungen.
Die Zwillinge waren und blieben Jeannes Geiseln.
Louis trat ein. Alissia und Antoine zu sehen, löste stets widerstrebende Gefühle in ihm aus, Erleichterung, sie wohlauf zu wissen und Schuldgefühle, nichts tun zu können, um ihre Situation zu verbessern.
Alissia, seine jüngere Schwester, hatte wie immer ein Buch in der Hand. Sie saß mit gebeugtem Kopf und angezogenen Beinen auf dem Sofa, ihrem Lieblingsplatz. Doch Alissias Gedanken waren woanders, weit fort an einem anderen Ort, in anderen Leben und deren Abenteuern. Inzwischen fiel es ihr nicht einmal mehr auf, ob ihr Ausgang von Jeanne gelockert wurde oder nicht, denn sie reiste mit den Figuren ihrer Bücher wohin sie wollte und hatte ihren Frieden gefunden. Louis fand diesen Frieden äußerst zweifelhaft. Immer wenn er sie betrachtete, erschien sie ihm so schön wie eine frisch erblühte, zarte Rose, deren Leben zwischen Buchseiten zusammengepresst und vorbei war, bevor es überhaupt begonnen hatte. Alissia sollte ihr Leben wahrhaft anders verbringen statt lesend, doch gleichzeitig gab es nichts, was ihn mehr tröstete, als ihr Desinteresse an der Welt dort draußen.
Alissia bemerkte ihn und schlug das Buch zu. Ihre Augen leuchteten, und sie flog in seine Arme. Louis zog sie an sich und spürte, wie sich sein Herz mit Wärme füllte. Trotz allem, was ihr widerfahren war, sah sie stets nur das Beste in ihm, dem älteren Bruder und Beschützer.
Was leider auf ihren Zwillingsbruder Antoine überhaupt nicht zutraf. Er musterte Louis kalt und drehte ihm den Rücken zu. Besser hätte er seine Wut und Verachtung nicht ausdrücken können. Louis fand es immer schwieriger, Antoine zu bändigen – vielleicht, weil er ihn und seine Unzufriedenheit so gut verstand. Nur, dass sein Bruder ihn nicht verstand. Dass er nichts tun konnte, um seinen Geschwistern zu helfen, außer sich Jeanne zu unterwerfen.
»Wie lange kannst du bleiben?«, fragte Alissia atemlos.
»Nicht lange. Ich habe bereits einen neuen Auftrag von Jeanne, aber ich komme so schnell wie möglich zurück.« Den Zeitpunkt ließ Louis wie immer offen.
Alissia straffte sich und nickte. Louis wusste, dass sie versuchte, sich ihre Sorge um ihn nicht anmerken zu lassen, so wie immer.
Antoine, der bis auf seine dunklen Augen und weicheren Gesichtszügen aussah wie eine junge Version seiner selbst, drehte ihm weiterhin den Rücken zu, seine Schultern schienen sich sogar noch mehr zu verhärten. Die Zwillinge stellten ihm keine Fragen mehr, denn die Antworten waren zu schmerzlich für sie alle.
Louis war schon vor langer Zeit aus der gemeinsamen Unterkunft ausgezogen. Er vermisste die Zwillinge, konnte ihnen aber nicht ständig neue Lügen auftischen. Also hatte er seinen Auszug damit gerechtfertigt, allzu oft für Jeanne unterwegs zu sein, was durchaus der Wahrheit entsprach. Jeannes persönliche Vorlieben, die Auswüchse ihrer kranken Leidenschaft, die seinen Körper zeichneten, waren einfach nichts, was er in der Enge der Wohnung hatte verstecken können. Seinen aufgerissenen Rücken, die wundgescheuerten Hand- und Fußgelenke ebenso wenig wie Entsetzen, Abscheu und seine hilflose Wut, die ihn nicht minder heftig peinigten. Zwar hatte Louis stets versucht, seinen Zustand vor den Zwillingen zu verbergen, aber gelungen war es ihm nie, weshalb er sie schon lange nicht mehr an seinem Leben teilhaben ließ. Ihr Leben war schon schwer genug. Sie sollten es nicht damit verbringen, sich auch noch um ihn zu sorgen.
Lieber trug Louis seine Bürde allein.
Doch der Preis für seine Verschlossenheit war hoch. Er zahlte mit der Kluft zwischen ihm und seinem Bruder, die immer größer wurde.
Zu Beginn der Abenddämmerung brach Louis nach Deutschland auf, um Informationen über Pierre und die Gemeinschaft der Vampire in Berlin zu sammeln.
Jeanne wollte Pierre zwischen ihren dürren Fingern, und sie würde ihn bekommen.
Aber es würde schwierig werden.
Julian würde ihm Pierre ganz sicher nicht als Geschenk überreichen.
Eine Stunde vor Sonnenaufgang hielt das Taxi in der Dorotheenstraße vor einem stuckverzierten Haus aus der Gründerzeit. Hier wohnte ich.
Ich schritt durch die Eingangstür, die von Marmorsäulen flankiert wurde, und nahm den Aufzug. Er hielt mit einem sanften Ruck gegenüber meiner Wohnungstür. Zu Hause überprüfte ich wie jede Nacht alle Sicherheitsmaßnahmen, die mich vor der Helligkeit des Tages schützten, nahm eine Dusche und ging zu Bett.
Allein. Wie die tausenden Male zuvor.
Ich wartete. Auf den Sonnenaufgang. Den Sonnenuntergang. Die nächste Nacht, die keinen neuen Anfang brächte.
Ich fragte mich, wo ich mich verloren hatte. In einer vollen Bar, zwischen Männergesichtern, die ich längst vergessen hatte, vielleicht im Bett eines Fremden, irgendwo.
Auch der eine, für den ich empfunden hatte, war verloren.
Damian. Er war schön. Ein fantastischer Liebhaber, falls er Lust verspürte einer zu sein. War es Liebe? Nein, denn ich verliebte mich nie! Aber ich hatte mich mit Damian verbunden gefühlt, einem Seelenverwandten und Außenseiter innerhalb der Vampirgemeinschaft, so wie ich selbst.
Vorbei.
Ich schob den Gedanken an Damian weg. Er war sowieso zu einem Schwächling mutiert, seit er mit seiner kleinen Freundin zusammenlebte. Sie war ein hübsches Ding, durchaus. Aber sehr gewöhnlich, und ich fragte mich, wie es ihr gelungen war, ihn für sich zu gewinnen. Vielleicht hatte Damian sie anfangs bemitleidet, so lange, bis er begann, ihre Naivität und Schwäche attraktiv zu finden und sich in seiner neuen, ritterlichen Beschützerrolle gefiel.
Egal.
Ich war anders, keine Frau, die bei Männern Beschützerinstinkte weckte. Ich erregte Bewunderung und Begehren, ja. Aber niemals den Wunsch, mich zu schonen oder gar zu beschützen. Denn meine Ausstrahlung war eine andere: kühl und überhaupt nicht schwach. Die Angst, die ich spürte, wenn ich allein war, sah mir niemand an. Diesen ewigen Schmerz, den ich selbst nicht verstand. Diese Leere in mir und die Angst davor, sie niemals füllen zu können – womit? Sex war das Einzige, was half, mich zu spüren und meine Angst zurückzudrängen – wenigstens für kurze Zeit.
Doch Schmerz und Angst ließen mich nie los. Da war nichts in mir, womit ich mich schützen konnte. Denn ich war nichts und es gab nichts, was ich konnte. Nichts, was mich ausmachte. Es gab nur zwei Dinge, auf die ich mich immer verlassen konnte: mein Aussehen und mein Lächeln in all seinen Variationen. Wie ein unschuldiges oder ein freudiges Lächeln, das jedem Mann das Gefühl gab, die Quelle für mein Glück zu sein und ihn noch stärker köderte als mein sündiges Lächeln.
Ich schloss die Augen, und die Erinnerungen kamen. Sie taten mir nicht gut. Ich hasste es, dieser Stimme in meinem Kopf zuzuhören, die immer wieder von alten Wunden erzählte, so lange, bis ich mich endlich in den Schlaf rettete und Erlösung fand.
Als die Sonne unterging, erwachte ich und bereitete mich auf die nächste Nacht vor. Ich verbrachte sie so, wie alle anderen zuvor: Ich bemalte den Schmerz mit Lippenstift, zertrat meine Verzweiflung mit den Absätzen meiner High Heels und verbarg Angst und Einsamkeit mit einem neuen Mann an meiner Seite.
Eine endlose Autoschlange kroch über die dreispurige Stadtautobahn vom Flughafen in Richtung Stadtmitte. Louis fragte sich, ob der Berliner Feierabendverkehr für dieses Schneckentempo verantwortlich war oder der Regen, der so heftig herniederprasselte, dass ihn die Scheibenwischer kaum bewältigen konnten.
Im Innern des Wagens herrschte Schweigen, was Louis nur recht war. Bis Claire die Trennscheibe zum Chauffeur nach oben fahren ließ. »Ich frage mich, wie Jeanne sich das denkt«, sagte sie missmutig. »Sollen wir während der Rückfahrt zusammen mit Pierre in diesem Auto sitzen? Und wer wird für ihn verantwortlich sein?«
»Louis soll sich um Pierre kümmern«, bestimmte Frederic.
Louis hob die Schultern. Ansonsten beteiligte er sich nicht an diesem Geschwätz. Für Frederic und Claire war der Gedanke, dass sich jemand Jeannes Willen widersetzte, unvorstellbar. Aber Louis war sich sicher, dass die Gemeinschaft Pierre nicht ausliefern würde. Warum sollte sie es in diesem Jahr anders halten als bisher?
Allerdings gab es viele Mittel und Wege, um Pierre nach Paris zurückzubringen, wenn auch nicht heute oder morgen. Louis dachte an seine Erkundungsfahrt, die er vor einigen Tagen nach Deutschland unternommen hatte. Dank dieses verwahrlosten jungen Vampirs, Christian, dem er zufällig auf einem Parkplatz begegnet war, erwies sie sich als erstaunlich aufschlussreich. Denn Christian hatte in Berlin gelebt, und als er ihn in seine geistige Gewalt brachte, um ihn zu befragen, zeigte sich, dass er erstaunlich gut über die Gemeinschaft Bescheid wusste und ihm so viel erzählen konnte, dass sich die Weiterfahrt nach Berlin erübrigte. Besonders nützlich fand Louis zwei Namen: den von Daniel, einem jungen Vampir, der Pierre zum Mentor hatte. Vermutlich bestand eine starke Bindung zwischen den beiden, und Daniel konnte als Druckmittel gegen Pierre eingesetzt werden. Und dann gab es diese rothaarige Frau, Louisa, die es weder mit ihrem Gehorsam noch mit ihren Bettgefährten allzu genau zu nehmen schien. Mit etwas Glück würde er sie ebenfalls befragen können. Sie arbeitete an der Rezeption des Hotels Aeternitas.
Daniel oder Louisa – einer von beiden würde ihm die Hinweise liefern, die er benötigte, um Pierre gefangen zu nehmen.
Der Wagen bog von der Charlottenstraße ab und erreichte sein Ziel. Das Hotel Aeternitas gehörte der Gemeinschaft der Vampire und war ein Luxushotel für Menschen. Zusätzlich gab es eine geheime Etage, die Vampiren auf ihren Reisen Schutz und Sicherheit gewährte. Dieses Vampirhotel besaß den Status einer Herberge – war also ein sicherer Ort für alle Vampire, ohne Ausnahme. Jeder Krieg, egal ob zwischen Höfen oder Häusern genauso wie jede persönliche Fehde, musste hier und in einer Meile Umkreis ruhen. Noch nicht einmal Jeanne würde es wagen, dieses uralte Gesetz zu brechen. Für die Vampire der Gemeinschaft war es natürlich mehr als vorteilhaft, dass sich ihre Zentrale im gleichen Gebäude befand.
Die Limousine hielt vor dem Hoteleingang. Nach den gemeinsamen Stunden mit Frederic und Claire sehnte sich Louis danach, endlich wieder allein zu sein. Deshalb nickte er seinen beiden Begleitern zu und machte einen kurzen Spaziergang über den Gendarmenmarkt. Zum Glück hatte es aufgehört zu regnen, und für Anfang März war es erstaunlich mild. Louis genoss seinen kurzen Ausflug und betrat das Aeternitas erst, als er sicher war, dass Frederic und Claire bereits auf ihren Zimmern waren.
Er durchquerte die Lobby und schaute sich um. Das Glück blieb ihm treu. Hinter der Rezeption stand eine Frau mit langem, rotem Haar.
Als er auf mich zu kam, sah ich ihn zum ersten Mal. Er gehörte zu den Gesandten vom Hof in Paris, die unser Anführer Julian bei der letzten Versammlung angekündigt hatte. Zwei von ihnen hatte ich bereits eingecheckt, eine Frau und einen Mann, die mich alles andere als beeindruckt hatten. Ich fand ihr affektiertes und anmaßendes Verhalten entsetzlich langweilig.
Doch dieser hier war anders. Sein dunkles Haar wurde durch keinen komplizierten Schnitt in Form gebracht. Es war einfach nur kurz. Der Anzug war elegant und stand ihm durchaus, aber im Vergleich mit den beiden anderen Gästen aus Paris wirkte er wie ein Raubtier, das sich verkleidet hatte. Ein Einzelgänger, kein Teil der Herde. Nicht klassisch schön, aber unglaublich attraktiv. Ich spürte seine rastlose und zielbewusste Kraft.
Vor der Rezeption blieb er stehen. Ich blickte in helle, blaugrüne Augen, die sein hageres Gesicht beherrschten.
Schlagartig war meine Langeweile vorüber. Ich nahm mir vor, diese Augen zum Leuchten zu bringen, das Feuer darin zu entzünden – und mit ihm zu spielen. Was für eine Herausforderung! Ich wollte ihn haben, diesen Mann. Seinen großen starken Körper – den Körper eines Vampirs, der meinem ebenbürtig war.
Julians Anweisung, den Kontakt mit den Gesandten aus Paris unbedingt auf das Notwendigste zu beschränken, fiel mir ein.
Egal.
Vielleicht würde ich mich ja morgen daran halten wollen.
Der Blick des Mannes war abschätzend und kühl, sein Gesicht ohne Regung. Es zeigte genau wie sein Körper, dass er ein gutes Leben gehabt haben musste – bis zu seinem ersten Tod. Denn es war sein zweites Leben, das Spuren in seinem Gesicht hinterlassen hatte. Kleine, subtile Zeichen von Argwohn, Anspannung und Schmerz, dafür hatte ich einen Blick.
»Ich bin Louis. Es liegt eine Reservierung vor.« Seine Stimme war tief. Er sprach fast ohne Akzent.
Louisas Blick wich dem seinen nicht aus, und sie wirkte alles andere als beleidigt durch seine Musterung. Stattdessen beugte sie sich vor und stützte die Ellbogen auf den Tresen, sodass er einen tiefen und großzügigen Einblick in ihr faszinierendes Dekolleté erhielt. Große, grüne Augen schauten zu ihm auf. Ihr Gesicht war von einer Perfektion, als hätte ein Bildhauer es erschaffen. Louis nahm einen verführerischen Duft in sich auf, der sich mit dem Hauch ihres Parfums vermischte. Ihren sinnlich geschwungenen Mund umspielte ein sanftes Lächeln. Ein Lächeln, dessen Wirkung auf Männer sie nur zu genau kannte, ein Lächeln voller Versprechungen, die sie nie halten würde, das wussten sie beide.
Louis lächelte nun ebenfalls.
Dass Louisa attraktiv war, hatte er gewusst. Aber er hatte sie durch die Augen von Christian gesehen und dessen Furcht und Vorsicht wahrgenommen. Auf ihre umwerfende Schönheit, ihre intensive Ausstrahlung und die unmittelbare Wirkung ihres flammend roten Haars war er nicht vorbereitet. Warum stand sie überhaupt hier, an dieser Rezeption? Mit ihrem Aussehen könnte sie an jedem bedeutsamen Hof die Rolle einer gehätschelten Mätresse innehaben. Nein, nicht an jedem, korrigierte er sich. In Jeannes unmittelbarer Nähe würde sie bestimmt nicht überleben.
Louis behielt sein Lächeln bei. »Kann man dich ebenfalls buchen?«
»Versucht haben es schon viele.« Sie betrachtete ihn ungeniert. »Und was ist mit dir?«
»Du kannst mich buchen, wann immer du willst.«
»Unser Anführer hat den Kontakt mit euch verboten.« Die Herausforderung in ihrer Stimme war nicht zu überhören.
»Du bist natürlich gehorsam. Immer.«
Nun zeigte ihr Lächeln Grübchen. »Vielleicht schaue ich gleich bei deiner Suite vorbei, um dir die Fernbedienung zu erklären.«
»Tu das unbedingt. Wie heißt du?«
»Louisa.«
»Louisa?«, fragte er in gespieltem Erstaunen. »Das passt perfekt.«
»Louisa und Louis? Wie albern. Das passt überhaupt nicht«, widersprach sie bestimmt.
»Wir werden sehen.« Nach einem letzten, provozierenden Blick nahm er die Zimmerkarte und ging zum Aufzug. Alles lief besser als geplant. Frauen wie Louisa kannte er zur Genüge, und er wusste genau, wie er mit ihnen umzugehen hatte. Wobei Louisas Schönheit sein Opfer diesmal nicht groß machte.
Kurz darauf hörte Louis ein leichtes Klopfen an der Tür seiner Suite und öffnete.
Louisas Absätze waren hoch, sie war nicht ganz so groß, wie er geglaubt hatte. Das rote Kleid hätte jede andere Rothaarige lächerlich aussehen lassen. An ihr wirkte es vollkommen.
»Sind wir hier sicher vor Überwachung? Ich möchte nicht, dass du meinetwegen Ärger bekommst.« Seine Lüge klang geschmeidig und überzeugend. Louisa würde sogar mächtigen Ärger bekommen, spätestens, wenn er dank ihrer unabsichtlichen Hilfe Berlin mit Pierre verlassen hatte.
Sie nickte. »Keine Kameras in den Zimmern, wenn du das meinst. Schutz und Sicherheit. Asyl. Die Gesetze der Herberge werden im Aeternitas respektiert.«
»Gut. Wie lange hast du Zeit?«
»In zwei Stunden beginnt Achims Schicht. Bis dahin sollte ich zurück sein.«
»Das ist nicht lang.« Er lächelte anzüglich.
»Du hattest es noch nicht mit mir zu tun.« Ihr Lächeln stand dem seinen in nichts nach.
Sein Blick wurde ausdruckslos. »Dann überrasch mich, Louisa. Überrasch mich wirklich.«
Ich lehnte mich mit dem Rücken an die Wand, sodass Louis meinen Körper ausgiebig bewundern konnte. »Ihr seid hier, um Pierre mit nach Paris zu nehmen?«
»Ja.«
Ich schüttelte amüsiert den Kopf. »Dann hättet ihr euch diese Reise sparen können. Nach allem, was ich gehört habe, wird Pierre bestimmt keine Lust haben, euch nach Paris zu begleiten.« Ich strich mir die Haare zurück. »Und was machst du sonst so? In Paris?«
»In Paris?« Sein Blick zeigte eine kurze Regung, dann nichts mehr. »Ich diene meiner Gebieterin. Jeanne, bewunderte und ewige Herrscherin Frankreichs und vom Hofe Paris’.«
»Wie ist sie so, Jeanne, deine Gebieterin und so weiter?«
Ich spürte die winzige Veränderung, den Riss in der Maske, ein Schaudern, das ihn durchlief, bevor er sich verschloss.
»Sie ist, wie sie ist. Alt. Die mächtigste vampirische Herrscherin, die je auf Erden wandelte. Was weißt du von ihr?«
»Gar nichts. Ich interessiere mich nicht für Häuser, Höfe oder deren Politik.«
»Und euer Herrscher Julian? Wie ist er so? Und wie ist es, ihm zu dienen?«
Ich runzelte die Stirn, denn ich fand weder seine knappe Antwort noch die Gegenfragen amüsant. »Wir dienen ihm nicht, und er ist kein Herrscher. Julian ist der, der unseren Laden irgendwie zusammenhält.«
Louis sah mich ungläubig an. »Dann ist er mehr Herrscher, als du offensichtlich weißt, denn sein Ruf besagt etwas anderes.«
Ich verdrehte die Augen. »Bist du hier, um mit mir über Julian zu sprechen?«
»Nein.« Louis wandte mir den Rücken zu und öffnete den Kühlschrank. »Was möchtest du trinken?«
»Ich mag diese Blutbeutel nicht. Und nach Alkohol ist mir auch nicht.«
»Wie du meinst.« Louis schloss die Kühlschranktür, richtete sich auf und schlenderte langsam auf mich zu. »Nach was ist dir dann? Lass mich raten.«
Ich verzog die Lippen zu einem trägen, verheißungsvollen Lächeln. Louis stützte die Hände rechts und links neben meinem Kopf gegen die Wand und schaute auf mich herab. Ich war gefangen, aber das störte mich nicht. Stattdessen hob ich ihm mein Gesicht entgegen und sah den beginnenden Glanz in seinen Augen. Langsam neigte er den Kopf. Die Luft zwischen uns schien sich aufzuladen, zu knistern. Seine Anziehungskraft war enorm, ich konnte mich nicht erinnern, wann mein Körper zuletzt so heftig auf einen Mann reagiert hatte. Ich dachte an Damian und schob den Gedanken an ihn mit aller Kraft beiseite. Denn nun freute ich mich auf Louis. Auf seinen Kuss und auf alles, was wir gleich tun würden.
Es klopfte an die Tür.
Louis versteifte sich und legte mir den Finger auf die Lippen. Er schob mich ins Schlafzimmer, schloss die Tür und ging zurück. Ich hörte, wie er die Tür zum Flur öffnete.
»Claire. Was willst du?« Seine Stimme klang alles andere als begeistert.
»Langweilst du dich genauso wie ich?«
»Nein. Ich bereite mich auf die Verhandlung vor. Was du auch tun solltest.«
Ich hörte ein ungläubiges Lachen. »Verhandlung? Was, bitte, soll verhandelt werden?« Die Stimme klang ehrlich erstaunt. »Komm, lass mich herein.«
»Nein.«
»Wir hatten doch viel Spaß.«
»Du hattest Spaß. Heute darf ich wählen.«
»Wählen?« Die Stimme wurde schrill, und ich hörte, wie die Tür ins Schloss fiel.
Louis hatte gewählt, ganz offensichtlich. Er lächelte, als er zu mir ins Schlafzimmer kam, aber es war kein freundliches Lächeln.
»Hat sie mitbekommen, dass du … Besuch hast?«
»Nein.« Sein Lächeln veränderte sich, wurde sanft, als er mich ansah. »Ich sagte dir schon, dass ich nicht möchte, dass du Ärger bekommst, und Claire ist alles andere als diskret.«
Spontan lächelte ich ebenfalls, denn ich war es nicht gewohnt, dass sich jemand um mich sorgte. Dieser Mann gefiel mir immer besser und viel zu sehr.
»Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja.« Louis umfasste meine Taille und zog mich an sich, womit er eine rasante Abkürzung wählte. Ich fuhr mit meinen Handflächen über seine Brust, bevor ich die Hände um seinen Nacken legte. Dann stellte ich mich auf die Zehenspitzen und betrachtete seine kantigen Züge. Sein eigensinniges Kinn. Diese unglaublichen Augen. Als ich mich an ihn presste, spürte ich die Härte und Stärke seines Körpers und die Hitze, die er in mir auslöste. Und umgekehrt.
Seine Lippen berührten meine Stirn. »Du bist so schön«, flüsterte er.
»Den Teil mit den Komplimenten können wir überspringen«, flüsterte ich zurück.
»Keine Komplimente?« Sein ausdrucksloser Blick wurde prüfend. »Das hat noch nie eine Frau zu mir gesagt.«
»Und es waren bestimmt viele.« Das Gespräch fing an, mich zu langweilen.
»So jung und schon so zynisch?«
Jung? In seinen Augen bestimmt. Zynisch? Ja, auch das. »Blut?«, flüsterte ich in sein Ohr, um das überflüssige Geplänkel zu beenden.
»Nein. Keine Schwierigkeiten für dich.«
Schade. Aber er hatte recht. Ich durfte nicht die geringste Spur in seiner Suite hinterlassen, nicht den kleinsten Tropfen Blut. Schließlich verstieß ich mit unserem Zusammensein gegen Julians ausdrückliches Verbot.
Louis nahm mein Gesicht in seine Hände, betrachtete mich forschend, suchte meinen Blick.
Dass dieser attraktive Mann so rücksichtsvoll, geradezu fürsorglich war, berührte mich, und ich schenkte ihm ein warmes Lächeln.
Als ich seine wahre Absicht erkannte, war es schon zu spät.
Die Heftigkeit ihres Widerstandes überraschte Louis. Es gelang ihr sogar, den Blick von ihm loszureißen. Hastig griff er nach ihren Schultern, drückte sie gegen die Wand und klemmte ihren Körper mit seinem fest, bevor er sie erneut in seinen Blick zwang. Louisas aufgerissene Augen suchten einen Ausweg, sie kämpfte und widersetzte sich von Neuem, aber diesmal war er vorbereitet und sein Angriff auf ihren Geist so heftig, dass sie schwankte.
Endlich, er hatte sie!
Louis hielt ihren Blick und legte die Hand auf ihre Kehle. »Ruhig. Ganz ruhig und keinen Laut.« Nun zitterte sie, und wenn er sie nicht festgehalten hätte, wäre sie gestürzt. Mechanisch strich er über ihr Haar und beugte den Kopf, sodass sein Gesicht direkt vor ihrem war. »Gehorche, Louisa. Dann geschieht dir nichts. Du wirst mir meine Fragen beantworten. Sobald ich deine Lippen berühre, wirst du die Befragung vergessen.«
Langsam verschwand die Panik aus ihrem Gesicht, und ihr Körper entspannte sich.
»Wirst du mir gehorchen?«
Sie nickte. Ihr Blick war nun leer.
Zehn Minuten später starrte Louis genauso ungläubig wie frustriert in ihr blasses Gesicht. Diese Frau wusste nichts. Jedenfalls nichts, was er nicht schon selbst herausgefunden hatte. Wie lange kannte sie Pierre? Hundert Jahre? Vermutlich sogar länger. Doch sie wusste noch nicht einmal, wo er wohnte!
Louis hatte sie zu Pierre, seinen Gewohnheiten, zu allem, was ihm weiterhelfen könnte, befragt. Aber ihre Antworten würden ihn keinen Schritt weiterbringen. Sie hatten ihm auch nicht den Weg zu seiner zweiten Option, zu Daniel, geebnet. Zwar konnte er erfahren, dass Daniel hier in diesem Gebäude wohnte, aber wo genau, wusste Louisa nicht – natürlich nicht, sie wusste rein gar nichts. Er knirschte mit den Zähnen. Er konnte ja nicht allein losziehen, um sich auf die Suche zu machen. Die magischen Sicherheitsvorkehrungen und Kameras im Aeternitas waren nicht aufdringlich, aber wirkungsvoll.
»Wird Pierre Berlin in nächster Zeit verlassen?«, versuchte er es noch einmal. »Gibt es bestimmte Orte, die er regelmäßig aufsucht? Hat er Reisepläne?«
Louisas Gesicht zeigte keine Regung. Vorsichtig strich er über ihren anmutigen Hals, ließ seinen Daumen einen Moment an der Halsschlagader verweilen und mustere ihr Dekolleté. Die Haut war weich wie Samt, ihr Duft verführerisch. Louisa war faszinierend schön, das ja. Aber ohne jeden Verstand, und er verachtete sie mit jeder Sekunde mehr. Konnte es sein, dass sie sich wirklich für nichts und niemanden interessierte – außer für sich selbst?
»Julian verreist nächste Woche«, sagte sie unerwartet.
»Wohin?«
»Nach Prag. Mit seiner Gefährtin. Zu der Gemeinschaft dort.«
Julian, der Anführer? »Wie viele Wachen begleiten ihn?«
»Keine.«
Louis überlegte, ob er mit dieser Information etwas anfangen konnte. Nein. Er versuchte, seine nutzlose Wut und Enttäuschung loszulassen. Alles war so verdammt perfekt angelaufen. Zu perfekt. Er hätte es wissen müssen. Nun waren Zeit und Gelegenheit, die Gemeinschaft auszukundschaften und Pierre im richtigen Moment aufzulauern, vertan. Er stand mit leeren Händen da und ohne Plan.
Pierre war und blieb unerreichbar.
Mir war kalt und alles drehte sich.
Ich spürte eine Hand an meiner Wange, einen Daumen, der über meine Lippen strich. Verwirrt sah ich auf und versuchte, mich auf einen Punkt zu konzentrieren. Ich fand ihn – einen Knopf, Louis’ Hemdknopf, und ich atmete zitternd ein und aus. Endlich ließ meine Benommenheit nach. Was war nur los mit mir?
Louis hielt meine Taille mit festem Griff. Dennoch hatte ich mich in einer Umarmung noch nie so verloren gefühlt. Ich suchte in seinem Gesicht, aber es gelang mir nicht, seinen Blick zu deuten. Er zeigte weder Freude noch Neugier oder Bewunderung. Aber seine Augen glänzten erregt, und das genügte mir.
»Warte …« Ich schob ihn lächelnd von mir. Meine Vorfreude wuchs.
Louis ließ mich los, aber nicht aus den Augen, während ich langsam den Reißverschluss meines Kleides öffnete, um es mir über den Kopf zu streifen. Mit Slip und BH würde ich mir noch Zeit lassen.
Unter meinem auffordernden Blick knöpfte Louis sein Hemd auf und zog es aus. Ich bewunderte seinen prachtvollen Körper, das Spiel seiner Schulter- und Rückenmuskeln, die ungewöhnlichen Tätowierungen in Schwarz, Blau und Rot, die vom Kragen seines Hemdes bisher verdeckt worden waren. Dann, während Louis sich umdrehte und die Bettdecke zurückschlug, sah ich das Zeichen in seinem Nacken. Langsam hob ich die Brauen. Ich fragte mich, welchem Zweck es diente. Es war filigran und meisterhaft in der Ausführung, aber seine intensive, magische Kraft verursachte mir Unbehagen.
Und da waren die Narben, die Louis’ Brust und seinen Rücken überzogen. Diesmal wusste ich nur zu gut, wofür sie standen. Ein Teil stammte von Waffengewalt, von Stichverletzungen durch Schwert- oder Messerklingen mit Silberanteil. Aber ich verstand noch mehr, denn ich erkannte Peitschenhiebe, wenn ich sie sah. Ich konnte sogar unterscheiden, wo die Schnur im Muskel stecken geblieben und wo sie bis zum Knochen durchgedrungen war. Die meisten Narben waren alt, aber einige frisch, was mich bestürzte.
Meine Musterung schien Louis nicht zu gefallen. »Wenn wir später noch Zeit dafür finden, werde ich dir die Landkarte meiner Narben gern erklären«, sagte er kalt.
Ich hob die Schultern. Niemals würde ich den grausamen Schmerzen, die mit diesen Narben verbunden waren, gleichgültig gegenüberstehen. Aber jeder hatte seinen eigenen Weg, mit ihnen umzugehen, das wusste ich selbst nur zu gut. Ich würde Louis bestimmt kein Gespräch darüber aufdrängen – und jetzt schon gar nicht.
Also trat ich zu ihm und schmiegte mich an ihn. Meine Hände erkundeten vorsichtig seine Schultern. Die Hitze seines Körpers ließ mich erschauern, und ich mochte seinen männlichen Geruch. Warm und erregend umhüllte er mich, und ich sog ihn tief ein. Dann reckte ich Louis mein Gesicht entgegen, um endlich von ihm geküsst zu werden.
Er jedoch lehnte sich zurück und fuhr erneut mit dem Daumen über meine Lippen. »Keine Küsse. Ich will dieses Vorspiel nicht. Und keine Gefühlsduselei.«
»Oh. Ein Romantiker!« Ich lachte.
»Wenn dein Mund geschickt ist, kannst du etwas viel Besseres tun.«
»Das musst du dir zuerst verdienen.« Ich schenkte seiner Unverfrorenheit ein spöttisches Lächeln.
Louis musterte mich abschätzend. Er war zum Verrücktwerden kühl und beherrscht. Das ärgerte mich, denn fehlende Bewunderung war nichts, was ich gewohnt war. Wenn ich Louis nachher zurückließ, würde er mich anbetteln zu bleiben, dafür würde ich schon sorgen.
Doch die Umarmung, in die er mich jetzt zog, war so aufregend, dass sie mich versöhnte. Er schob mich aufs Bett und war über mir. Als sein Mund begann, meinen Hals zu erkunden, stand mein Körper in Flammen.
Louis’ Finger fuhren langsam durch mein Haar und ließen es mir lang über die Brüste fallen. Dann berührte er mich durch die dünne Spitze meines BHs, öffnete den Verschluss und streichelte mich. Das gefiel mir, auch wenn seine Hände nicht gerade weich waren. Schwielig, wie die eines Mannes, der in seinem ersten Leben mit Werkzeugen oder Waffen gearbeitet hatte. Als er mit den Daumen über meine Brustspitzen strich und sie massierte, wurden sie sofort hart und drückten sich gegen seine Handflächen.
Ich spürte Hitze und Lust, warf den Kopf zurück und stöhnte, um Louis ebenfalls anzuheizen. Seine Hände wanderten langsam nach unten, meine Taille entlang, er hakte die Daumen in meinen Slip und zog daran. Ich half ihm und zog ihn aus. Als der Slip zwischen meinen Füßen hängen blieb, beförderte ihn Louis achtlos aus dem Bett.
»Du willst mich«, flüsterte er.
»Ja«, sagte ich heiser. »Oh ja.«
»Sag es.«
»Ich will dich.«
»Wirst du mir gehören?«
»Und wie.«
»Gut. Und glaub mir, ich weiß genau, was du brauchst.« Seine Stimme war verführerisch und tief, doch als ich den Blick hob und sein Gesicht betrachtete, sah ich eine Härte darin, die mich verblüffte.
Egal. Ich war nicht länger bereit zu warten und versuchte, den Gürtel seiner Hose zu öffnen, aber er schob mir die Hände weg. Ich hörte sein raues Lachen. »Lass dir Zeit damit, Süße.«
Sein Zögern passte mir nicht. Ich wollte ihn endlich nackt, ihn so schnell wie möglich in mir spüren. »Ich will dich sofort«, sagte ich bestimmt.
»Sicher willst du mich. Aber du wartest.« Ich spürte das harte Pochen seines Herzens dicht an meiner Brust, als er nach meinen Händen griff. Er schob sie mir auf den Rücken und hielt sie dort fest, so fest, dass es schmerzte.
»Du tust mir weh.«
Er entschuldigte sich nicht, ließ mich aber los und betrachtete mich. »So schön«, raunte er.
Ich fuhr ganz langsam mit der Zungenspitze über meine Oberlippe und zeigte ein sinnliches Lächeln.
Louis’ Hände näherten sich meinem Gesicht. Ich sah in seine hellen Augen, auf seinen festen Mund. Während er mir sachte mit den Fingerspitzen über die Wangen fuhr, zeichnete er sanfte Kreise. Ich schloss die Augen, genoss diese ungewohnte Berührung, und vergab ihm seine Grobheit. Mein Körper pochte und rief nach seinem. Erwartungsvoll wollte ich ihm die Hände um den Nacken legen, aber er fing sie ab und hielt sie wieder fest, während mich sein Körper tief in die Matratze drückte.
Die Wirkung war wie ein Eimer kaltes Wasser.
»So nicht!«, fauchte ich und versuchte vergeblich, mich aus seinem Griff zu lösen.
Er lächelte. Dieses Lächeln gefiel mir nicht. Es machte mir Angst. Louis war älter und so viel stärker als ich, seine Macht der meinen weit überlegen.
»Was soll das? Lass mich los.« Ich wand mich und zerrte, um mich zu befreien.
Endlich drehte er sich zur Seite und ließ mich frei.
Ich nutzte die Gelegenheit und sprang auf. Dann eben nicht! Sein Verhalten empörte mich. »Ich werde jetzt gehen«, meinte ich kalt und strich mir mein zerzaustes Haar zurück. Diese Nacht lief völlig aus dem Ruder. »Vielleicht solltest du deine Entscheidung nochmals überdenken und die Frau, die eben an deine Tür geklopft hat, zurückrufen.«
»Du bleibst«, sagte Louis ruhig und öffnete den Gürtel seiner Hose. »Oder willst du, dass ich dir nackt hinterherlaufe und deinen Namen rufe?«
Ich starrte ihn erschrocken an, während ich langsam, ganz langsam begriff. Der Blick seiner hellen Augen verhöhnte mich.
»Du hast die Wahl, aber ich rate dir: Halte dein Versprechen und bring zu Ende, was du angefangen hast.«
Ich funkelte ihn wütend an. Niemand durfte erfahren, dass ich hier bei ihm war, und das wusste dieser Mistkerl genau. Als er seine Hose herunterstreifte und mich zurück aufs Bett zog, leistete ich keinen Widerstand. Unter seinem beherrschten Blick und der ruhigen Oberfläche erkannte ich nun endlich das Meer von Gewalt, das gefährlich brodelte.
Ich fragte mich, was größer war, meine Angst, mein sinnloser Zorn oder die fürchterliche Demütigung. Aber ich wollte die Kontrolle zurück und durfte ihm meine Gefühle nicht zeigen, sie nutzten ja nichts. »Also gut«, stimmte ich zu. »Aber du wirst unten liegen.«
»Das willst du mir vorschreiben?!« Louis’ Stimme war nun kalt vor Wut, und seine Augen loderten.
Ich hatte tatsächlich ein Feuer entzündet, aber ganz anders, als ich es geplant hatte. Was war nur los mit ihm? Er hatte eine Mordswut auf mich und ich keine Ahnung, warum. Dieser Mann war komplett verrückt!
»Ich werde mich bestimmt nicht für dich auf den Rücken legen.«
Plötzlich lag ich genau dort und schnappte nach Luft. Louis war über mir und drückte mir mit den Knien die Beine auseinander. Ich spürte die Schwere seines Körpers und Muskeln wie aus Stahl.
Meine Angst lähmte mich. Wenn ein Mann auf mir lag, passierte etwas mit mir: Ich geriet in Panik, und meine Gedanken schalteten sich ab. Gleichzeitig schien mein Körper all seine Kraft zu verlieren, und ich fühlte mich wie taub.
Ich hatte es lange nicht mehr zulassen müssen.
Aber Louis wollte meine Kapitulation, und ich wusste, dass ich nicht gegen ihn ankam. Er könnte mich töten, falls er dies wollte, und nichts würde ihn davon abhalten.
Also hielt ich still.
Louis fasste unter meine Schenkel und zog mich heran. »Du bist mehr als bereit.«
Er war alles andere als klein gebaut, und ich versuchte, mich zu entspannen, während er langsam in mich eindrang. Er umfasste meinen Po und besaß mich in aller Muße. Der gleichmäßige Rhythmus zeigte Erfahrung, aber keine Leidenschaft. Louis schien es darum zu gehen, mich zu erniedrigen, nicht, mir Schmerzen zuzufügen. Mich durchfuhr der Gedanke, dass er mich bestrafen wollte. Aber wofür? Ich hatte ihm doch nichts getan!