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Wer ist Nina? Nina weiß es selber nicht. Aufgewachsen im Kinderheim der Sozialhilfe war sie bisher für alle immer nur ein 'Spinnenkind'. Jetzt ist Nina 15 und sie muss das Kinderwohnheim verlassen. Mit nur einem Koffer bricht Nina in ein neues Leben auf. Aber Nina hat ein Motto: Jeder wird noch von mir sprechen, wenn ich groß bin! Sie bezieht ein Zimmer in einem Jungarbeiterheim und beginnt eine Lehre im Einzelhandel. Doch im Supermarkt ist sie plötzlich eine Kollegin und unter den Lehrlingen ein Kumpel und zum ersten Mal in ihrem Leben lernt Nina Solidarität und Anerkennung kennen. Sie tritt der Gewerkschaft bei und bald ist sie die treibende Kraft einer Jugendgruppe im Jungarbeitermilieu. Plötzlich scheint alles so einfach zu sein, denn aus dem 'Spinnenkind' ist eine Mitarbeiterin, aus dem Heimkind eine junge Frau, aus der Einzelgängerin ist ein Mitglied einer Gruppe/einer Klasse geworden, die voller Neugier auf dem Weg zum Erwachsenwerden ist. Denn für Nina gilt: Spinnenkinder gibt es nicht!
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Seitenzahl: 154
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Elmar Weihsmann
Jeder wird noch von mir sprechen, wenn ich groß bin
Ein Jugendbuch
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Erstes Lehrjahr
1. Noch eine Stunde Kindsein, dann bin ich erwachsen
2. Fahrt ins Glück
3. Juniorverkäufer
4. Kollegen
5. Im Lehrlingsheim
6. Die Arbeiterklasse geht ins Paradies
7. Das erste Gehalt
8. Spinnenmädchen sucht Spinnenbuben
9. Der Brezelfreund
10. 2 x gute Tipps
11. Erste Nachrichten von Andy
Zweites Lehrjahr
12. Hey, Leute, ich bin verliebt!
13. Was wenn nicht ich?
14. Meine große Schwester Maja
15. 3:1 ist besser als 0:1. Kapiert?
16. Endlich mal zu dritt
17. Gespenster der Vergangenheit
18. Maja schon wieder!
19. Verpfeif niemals deinen Vater
20. Die Welt hat längst genug
21. Urlaub? Urlaub!
Drittes Lehrjahr
22. Marx für Anfänger
23. Ich schreibe eine Mail an die Direktion des Gymnasiums
24. Die Angst des Torwarts beim Elfmeter
25. Mein Vater
26. Zusammen ist man weniger allein
27. Alle Räder stehen still, wenn …
28. Geschafft!
29. Auch Spinnenkinder werden erwachsen
30. Was ist was? – Ein Anhang
Impressum neobooks
Jeder wird noch von mir sprechen, wenn ich groß bin!
Ein Jugendbuch
Von Elmar Weihsmann
10. August 2016 – 10. Mai 2017
Der verhängnisvolle Anruf kam am Montag und er ging nicht an mich, sondern an die Leiterin der Kinderwohngruppe in der Wohngemeinschaft für sozialbedürftige Kinder und Jugendliche, kurz für ‚Spinnenkinder’, in der ich seit acht Jahren wohne.
„Die Nina kann am kommenden Montag mit der Einzelhandelskauffraulehre bei uns beginnen“, sagte der Marktleiterstellvertreter recht freundlich.
Selbstverständlich besprach, ohne mein Wissen, die Gruppenleiterin gleich alle Details für den Einstieg in mein Berufsleben, gefragt, ob ich das überhaupt will, wurde ich natürlich nicht, aber das macht eigentlich nichts, ich bin einfach nur glücklich, dass ich endlich die dumme Penne hinter mir habe, will heißen, ich bin in der Schule echt keine große Leuchte.
Die etwas netteren Pauker in der neuen Mittelschule meinen, dass ich ein bisschen schwer von Begriff bin, die gemeineren sagen laut und deutlich, dass ich einfach nur faul und zusätzlich dumm bin, was kein Wunder ist, Faulheit und Dummheit sind ein absolut unzertrennliches Duo.
Wahrscheinlich haben diese Leute auch recht, das Lernen ist mir noch nie leicht gefallen, weil ich mich zu leicht ablenken lasse und einfach keinen Ergeiz habe um gute Noten zu bekommen und vielleicht auch ein ganz klein wenig, weil nie einer wirklich dahinter war, dass ich endlich was für die blöde Penne mache.
Eigentlich stimmt das nicht ganz, weil die WG-Leiter doch alle total okay waren und auch immer darauf geschaut haben, dass ich meine Hausaufgaben mache und zusätzlich noch etwas übe, aber wenn ihr mich fragt, hat mich nie wirklich etwas außer vielleicht Turnen und Singen und das Zeichnen interessiert, aber in die Kunstneidungsgruppen durfte ich natürlich nicht hinein, die sind nur für die Kinder von richtigen Eltern und ordentlichen Familien bestimmt, wenn ich zurückdenken, dann sind dort nur Mädels und Buben hingegangen von Leuten, die am Abend das Kulturforum besuchen und ganz kluge Sprüche klopfen.
Beim Turnen ist das schon etwas anders, gerne hätte ich Tennis gespielt, aber das ist zu teuer für eine wie mich, für die alles das Sozialamt bezahlt, aber Leichtathletik habe ich machen dürfen, weil zum Rennen und Springen braucht man nur ein paar Turnschuhe und ein Sportdress, beides gibt es auch übertragen.
Stellt euch vor, wie dumm die alle dreingeschaut haben, als ich beim Sportfest im 100 Meter Einzellauf und in der 400 Meter Staffel der Mädchen den ersten Platz erreicht habe, im Weitspringen und im Schlagballwerfen, war ich sowieso die Beste und so habe ich in meinem letzten Schuljahr glatt den Gesamtsieg geholt, worüber sich aber nicht wirklich viele gefreut haben, weil die Falsche, das Spinnenkind gewonnen hat.
Nur der Schuldirektor war da ganz anderer Meinung, der war ein echter Sir, der hat allen ganz ordentlich ins Gewissen geredet, dass ich, seiner Meinung nach, eine ganz tolle Leistung geschafft habe, die sehr viel Beachtung verdient hätte und er hat den ganzen dummen Miesmachern solange die Leviten gelesen, bis alle dann doch geklatscht haben.
Ja so einen, wie den Schuldirektor, von denen hätte ich mehr gebraucht, so einer hätte mich bestimmt verstanden, so einer hätte mich motivieren können mehr aus meinem Leben zu machen, aber jetzt muss ich gleich nach dem Zeugnistag schöpfen gehen.
Nicht einen Tag Ferien haben sie mir gegönnt, ob ich nach der Schule ein bisschen ausspannen, baden, sporteln, spielen, mit den anderen Kids einfach nur abhängen will hat wirklich keinem interessiert, nicht einmal meiner Wohngruppenleiterin.
Was irgendwie gemein von mir ist, weil sich die Wohngruppenleiterin total bemüht hat eine Lehrstelle für mich zu finden und weil ich bei den Schnuppertagen mich so total unmöglich aufgeführt habe und ich mich für wirklich nichts interessiert habe, haben die Wohngruppenleiterin und auch ihre Assistenten gesagt, dass sie sehr enttäuscht von meiner Uninteressiertheit sind, was ich später einmal sein möchte, aber dass ich auch selbst schuld bin, weil ich ja jetzt groß bin und dann später, viel später schon noch draufkommen werden, wie blöd ich damals mit fünfzehn gewesen bin, dass ich mich nicht für ein ordentliches Handwerk als Lehre entschieden habe, sondern einfach nur Einzelhandelskauffrau geworden bin, was ja jede macht, die sonst nichts kann außer Regale einzuschlichten.
Uff. Heute gehen mir wieder einmal alle ganz gehörig auf den Wecker.
Aber das ist nun mal so. Als Spinnenkind musst du einstecken können, da hilft nun mal gar nichts.
Die Wohngruppenleiterin kommt und treibt mich mit etwas Nachdruck an.
„Die Koffer heißt es packen, meine Liebe. Heute, ziehst du aus. Für die Kindergruppe bist du jetzt zu groß geworden“, sagt die Wohngruppenleiterin, immerhin hat sie was süßes für mich und streichelt mir doch ganz zärtlich über die Haare.
Mir bleibt die Spucke weg, aber das Süße und das Haare streicheln, das mag ich. Das macht sonst niemand mit mir, in der Regel wird nur immer an meinen Haaren gezogen. Früher, als ich noch klein war und die Buben mir immer an den Zöpfen gezogen haben, hab ich noch laut geschrieen. Deshalb mag ich heute keine Zöpfe mehr und statt schreien hau ich heute einfach zurück und hau die dummen Kerle, die mir weh tun, solange, bis sie selbst zu heulen beginnen, aber das ist mir dann egal. Sie wollen mich schreien hören, jetzt sollen sie selber schreien, sollen sie nur wissen wie sich das anfühlt, wenn eine wie ich weh hat. Aber eine Spinnenkind darf das nicht, einer Spinnenkind tut nichts weh, eine Spinnenkind ist einfach nur eine, die in einem Kinderheim abgegeben worden ist und mit der dürfen die Kinder der besseren Leute machen was sie wollen, das ist nun mal so, damit muss ich mich abfinden.
Hoffentlich ist dort, wo ich jetzt hinkomme auch jemand, der mir zumindest zu meinem Geburtstag oder zu Weihnachten oder vielleicht auch an beiden Tagen im Jahr über die Haare streichelt, das mag ich, auch wenn ich jetzt groß bin.
Ich hole meinen einzigen Koffer vom Kasten, der dort schon Staub angesetzt hat, wische ihn ab und werfe ihn auf mein Bett, das jetzt nicht mehr meines sein wird und beginne ganz langsam zu packen.
Eine Stunde noch Kindsein, dann bin ich hier raus und komme nicht wieder. Dann ist die Kindheit endlich vorbei, dann bin ich eine Jugendliche und dann dauert es nicht mehr lange und ich bin erwachsen.
Wann ist so eine wie ich, die eine Spinnenkind ist, wirklich erwachsen?
Immerhin sind alle zu meinem Abschied da gewesen. Alle, auch die, die mich nicht gemochten, haben mir die Hand gegeben und viele haben mich auch noch einmal in die Arme genommen und an sich gedrückt und die Kleinen haben geweint, weil ich ‚die Grosse’ jetzt weggehen muss und gar nicht so wenige haben mir auch noch ein paar Süßigkeiten mit auf den Weg gegeben, damit ich im Bus noch ein bisschen an sie denke, bevor sich das Vergessen über die Erinnerung legt.
Vielleicht werden wir uns noch einmal über den Weg laufen. Irgendwann einmal, in ein paar Jahren oder in ein paar Jahrzehnten und irgendwann werden wir fragen: „Hey, du, kennen ich dich? Warst du nicht auch damals eine Spinnenkind?“
Ich weiß nicht, wie ich dann antworten werde, dann wenn ich keine Spinnenkind bin, wenn ich dieses schlimme Wort endlich nicht mehr hören muss, dann wenn die Vergangenheit endlich vergangen sein wird.
Und dann geht es los, die letzten Hände sind geschüttelt und alle Abschiedstränen sind vergossen. Ich nehme meinen Koffer und die Wohngruppenleiterin bringt mich im Auto zum Bus, denn ich darf schon alleine ins Lehrlingswohnheim fahren, in das sie mich angemeldet hat.
Ein letztes Mal werde ich in die Arme genommen und mir werden noch einmal die Haare gestreichelt.
„Nina, du schaffst das!“ sagt die Wohngruppenleiterin ganz fest.
Dann hupt schon der Bus. Ich muss einsteigen und mir bleibt nur noch zu winken, die Tränen wegwischen kann ich noch später, dann wenn ich der Bus auf der Hauptstrasse ist und die Wohngruppenleiterin in der Vergangenheit zurückgeblieben ist, denn ab jetzt ist sie nicht mehr die Wohngruppenleiterin, sondern die Frau Mag. Meyer, eine Angestellte des Sozialamtes, die sich von Berufswegen um Kinder aus sozial desolaten Familien kümmert, also um so eine wie mich.
Ich bin übrigens die erste aus meinem Jahrgang die ausziehen muss. Der Seppi und der Benni kommen auch noch dran, aber die beiden haben Glück, ihre Lehre beginnt erst im August, die können noch einen Monat faulenzen und sich als die ‚Großen’ in der Kinderwohngruppe aufspielen, aber das interessiert mich jetzt nicht mehr.
Ich sehe aus dem Fenster und endlich geht es ein Stück des Weges weiter durch ein Land, das ich gar nicht kenne, als ich vor zehn Jahren hier her gekommen bin, war ich noch zu klein, um überhaupt zu wissen, was jetzt passiert, damals sind wir auch im Auto gefahren, damals hat mich eine Sozialarbeiterin in einer Polizeistation abgeholt, damals habe ich auch schon keine Eltern mehr gehabt, oder sagen wir so, damals habe sich meine Eltern auch nicht um mich gekümmert, sonst wäre ich nicht in einem Polizeirevier gelandet.
Ich muss an meine Geschwister denken. Wo die wohl abgeblieben sind? Ich habe eine ältere Schwester, die sicher schon ausgelernt ist und einen jüngeren Bruder, der bestimmt auch in einer Wohngruppe lebt, zu schade, dass wir damals nicht zusammenbleiben konnten. Wieso das so ist, weiß ich nicht. Ich wäre einfach zu gerne bei den beiden geblieben, aber alles im Leben geht einfach nicht, ich kann ja glücklich sein, dass ich überhaupt in so einer netten Wohngruppe untergekommen bin, also soll ich nur ja nicht undankbar sein.
Ich nehme mir vor, von meinem ersten eigenen Geld meinen jüngeren Bruder zu besuchen, ich stelle es mir so schön vor, dass ich ihn abhole und mit ihm ein Eis essen gehe oder auf eine Cola und unsere große Schwester kommt dann auch dazu und dann sind wir endlich wieder zusammen und so etwas wie eine kleine Familie.
Eine Familie? Was ist das eigentlich, eine Familie? Ich kenne so etwas nicht. Ob man so etwas wie eine Familie haben, machen, spielen kann, wenn man nie selbst eine Familie gekannt hat?
Wer weiß? Man braucht dazu auf jeden Fall einen Mann, oder zumindest bevor man einen Mann hat, hat man einen Freund, mit dem man geht und so einen Freund zu finden, das kann ja gar nicht so schwer sein.
Ich brauche nur ein bisschen zu lächeln, die Tittchen tanzen zu lassen und mit dem Po wackeln, dann läuft schon was, so steht es zumindest in den dummen Teenieheften, die ich mir manchmal in der neuen Mittelschule ausgeborgt habe, aber ob das wirklich so läuft, weiß ich nicht. Ich hoffe es jedenfalls.
Vielleicht gibt es dort, wo ich hinfahre einen Sportverein in dem sie auch die Mädchen aufnehmen, die nicht so gut bei Kasse sind, wenn ja, gehe ich bestimmt dorthin, und nächstes Jahr will ich dann endlich tanzen lernen, so lange das Tanzen üben, bis ich so cool bin, wie die Mädels in den beiden Streetdancefilmen, auf die ich ganz besonders stehe und die ich in- und auswendig kenne, vielleicht gibt es dort auch ein Kino, dort wohin ich jetzt ganz alleine mit dem Bus reise, wie ein großes Mädchen, auf das man nicht mehr so genau aufpassen muss, dass sie nichts anstellt.
Aha, ich bin eine von denen, der man das zutraut, dass sie schnurrgerade von A nach B kommt und die man nicht in Südafrika suchen muss, weil sie zu blöd ist in richtigen Bus einzusteigen, der einfach nur in die Bezirksstadt fährt.
Tatsächlich. Die erste Hürde ist geschafft. Ich komme an und finde auch gleich das Lehrlingsheim an der angegebenen Adresse. Immerhin lesen und schreiben kann ich, das schafft auch nicht jede, aber ich kann das und deshalb darf ich auch einen Beruf lernen, wenn auch keinen besonderen und muss nicht als Hilfsarbeiterin auf den Bau gehen und später auf den Strich, weil dort alle Mädels zum Schluss landen, wenn sie gar nichts gelernt haben und sie sich nur noch mit dem Hintern durchs Leben schlagen können.
Nein so will ich wirklich nicht enden. So eine bin ich bestimmt nicht. Ich will, ich will, was will ich wirklich?
Zunächst einmal begnüge ich mich damit im Lehrlingsheim anzukommen und dort mein neues Zimmer zu beziehen, das auch wirklich schön ist und das ist echt neu für mich, zum ersten Mal in meinem Leben habe ich mein eigenes kleines Zimmer, mein eigenes kleines Reich.
Gibt es denn so was? Kann so etwas wirklich sein? Noch nie in meinem Leben habe ich alleine in einem Zimmer geschlafen. Hoffentlich fühle ich mich nicht einsam.
Was ist das eigentlich einsam zu sein?
Montag sieben Uhr früh. Brrr. Letztes Jahr um diese Zeit war ich um siebene in der Früh noch im Bett und habe ganz herrlich gemauzt.
Aber da war ich noch ein Kind und jetzt bin ich kein Kind mehr, sondern ein Lehrling in einem Supermarkt, obwohl ich noch gar nichts kann, deshalb macht man ja auch eine Lehre, damit man dann, irgendwann einmal später etwas kann, weil man ja etwas gelernt hat.
Mir dreht sich jetzt schon der Kopf.
Aber, alle sind total nett zu mir. Der Marktleiter persönlich hat mich willkommen geheißen und allen Kollegen vorgestellt und, man höre und staune, ich habe ganz viel Applaus bekommen, weil ich jetzt da bin und ich eine von ihnen bin.
Vor einer Woche musste der Schuldirektor noch ganz schön laut meckern, dass ich für meinen Sieg beim Sportfest den wohlverdienten Applaus bekomme, und hier werde ich schon beklatscht, obwohl ich noch gar nichts gemacht habe.
Ich kenn mich überhaupt nicht mehr aus. Aber alle sind hier gut drauf und freuen sich, dass ich da bin und wünschen mir viel Glück und Erfolg in ihrer Gemeinschaft und hoffen, dass ich eine loyale Kollegin bin, was anscheinend nicht selbstverständlich ist.
Der Marktleiter teilt mich in der Frischkostabteilung ein, die von einer reschen Jugoslawin geleitet wird, die total cool und noch mehr sexy ist. Nach Ansicht des Marktleiters und seiner beiden Stellvertreter, die zumindest am ersten Tag sehr nett sind, wäre die Jugoslawin genau die richtige, um so ein kleines Kamel wie mich unter die Fittiche zu nehmen.
Grrr. Hier werde ich zwar nicht an den Haaren gezogen, aber geärgert werde ich hier auch, nur dass sie das hier ‚aufziehen’ nennen, was aber auf das Selbe hinauskommt. Ich kann so etwas einfach nicht ausstehen.
Die Jugoslawin ist gepfeffert, während sie arbeitet schäkert sie mit den Männern herum, ob sie jung oder alt sind spielt für sie keine Rolle, sie flirtet einfach gerne, die ältern sind ihr scheinbar lieber, denn von denen lässt sie sich auch die Hände küssen und von den ganz charmanten den Po tätscheln.
Ein altes Ferkelchen ist ganz besonders nett. Die Jugoslawin nennt in den Charmeur, was das genau ist, weiß ich noch nicht, aber das Wort klingt schön und der alte Mann ist von ausgesuchter Nettigkeit, der allen Mädels im Supermarkt auch den älteren, immer nette Dinge sagt, auch mir, obwohl er mich überhaupt nicht kennt und heute zum ersten Mal sieht.
Die Jugoslawin sagt, dass ‚Charmeur’ französisch ist, und sie das Wort von einem anderen Kunden hat, der der Filmfreak genannt wird, weil er hier im Ort das Programmkino leitet, das immer ganz seltsame, aber sehr gute Filme zeigt. Zum Filmfreak geht auch der Charmeur ins Kino und auch die Jugoslawin, der Filmfreak ist im echten Leben Journalist und schreibt auch dann und wann ein Buch und der ist auch sehr nett, aber nicht so pick süß wie der Charmeur, der eigentlich nur Mädchen abschleppen will, aber keine Chance mehr hat, weil er schon viel zu alt ist. Aber schäkern tut er, der Charmeur noch recht gerne.
Xxx 10.2.2017 Uff, wie die Zeit vergeht, es ist schon zehn Uhr und wir haben auch schon einiges gemacht.
Die Jugoslawin lobt mich, weil ich es schaffe ohne weitere ein paar Obstkisten zu schleppen. Das wäre der erste Test sagt sie, weil die meisten Kids die hier anfangen heulen gleich rum, wenn sie die schweren Kisten rumschupsen müssen, aber das muss einfach sein, weil weder das Obst noch das Gemüse können fliegen, aber sie müssen ins Regal rein, sonst könnte man sie ja nicht verkaufen und wenn nichts verkauft wird muss der Supermarkt zusperren und wir stünden alle auf der Strasse und wüssten den ganzen Tag nicht was tun.
Also was lernen wir daraus? Ober und Gemüse gehören ins Regal und zwar plötzlich und sie müssen schön und gerade liegen, weil das gut aussieht und je besser es aussieht umso mehr kaufen die Leute.
Außerdem soll ich nur abwarten, wenn ich erst in der Getränkeabteilung bin, dann heißt es erst schleppen, die Flaschen sind noch fiel schwerer rumzubugsieren, deshalb nennt man auch einen Doofen eine Flasche, weil sie so schwer und behäbig ist.
Ich muss lachen, aber immerhin vergeht hier die Zeit schneller als in der dummen Penne, also ist das Verkäufertum vielleicht doch etwas für mich, offiziell bin ich hier ein kein Lehrling, sondern ein ‚Juniorverkäufer’, das klingt einfach schöner und es steht auch auf meinem Namenschild, das ich über meiner Arbeitsjacke tragen muss.
Hm? Irgendwie bin ich schon etwas stolz auf mich, weil ich hier irgendwie dazu gehöre, auch wenn ich noch gar nichts weiß und ich ‚ihr kleines Kücken’ bin, wie die Jugoslawin sagt, die zehn Jähre älter ist wie ich, aber schon ein echtes kleines Küchen zu Hause hat, den Milan, der jetzt bei seiner Oma ist.