Jerry Cotton Sonder-Edition 49 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition 49 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Phil und ich waren gerade mit der Aufklärung eines Mordes beschäftigt, bei dem ich Zeuge gewesen war, als ein Toter zu dem Bankier Charoni kam und eine Million Lösegeld für dessen Tochter forderte. Schnell stellte sich heraus, dass wir es mit einem außerordentlich brutalen Gangster zu tun hatten, dessen Spezialität es war, Menschen in die Luft zu sprengen ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Ein Toter fordert Lösegeld

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: (Film) »Tödliche Diamanten – Ein perfekter Raub«/ddp-images

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-4531-5

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Ein Toter fordert Lösegeld

1963 startete der Bastei Verlag die Jerry Cotton Taschenbücher in Ergänzung zu der Heftromanserie, die zu diesem Zeitpunkt schon in der zweiten Auflage war.

Damals fragte der Klappentext der Taschenbücher noch: Wer ist G-man Jerry Cotton? Und gab auch gleich die Antwort:

»Er ist ein breitschultriger, gutaussehender FBI-Beamter, der sein Leben dem Kampf gegen Gangster gewidmet hat. Durch seinen Mut und seine Entschlossenheit hat er die Herzen von Millionen Lesern in mehr als 40 Ländern erobert.«

Die Jerry Cotton Sonder-Edition bringt die Romane der Taschenbücher alle zwei Wochen in einer Ausgabe.

Es ist eine Reise durch die Zeit der frühen 60er Jahre bis in das neue Jahrtausend.

1

Es ging alles rasend schnell.

Der Mann im hellen Staubmantel ging vor mir durch den Central Park. Er war etwa zehn Schritt vor mir.

Der andere Mann muss auf dem untersten Ast einer riesigen Eiche gesessen haben. Plötzlich sprang er herunter.

Wie vom Blitz gefällt, stürzte der Mann im hellen Staubmantel zu Boden. Der andere verkrallte sich in ihn. Ich sah seine rechte Hand hochzucken.

Mit drei riesigen Sprüngen war ich dort.

Um den Bruchteil einer Sekunde kam ich zu spät. Der Körper des Überfallenen bäumte sich auf. Ein grässlicher, lang gezogener Schrei gellte durch den abendlichen Park.

Noch im Sprung erwischte ich das Handgelenk des Verbrechers. Ich riss ihn von seinem Opfer weg. Der Schwung war so stark, dass mein Gegner kurz auf die Beine kam, zwei Schritte weit taumelte und dann mit voller Wucht auf den Rasen neben dem Weg stürzte.

Seiner Hand entglitt ein langes Messer. Ich kümmerte mich nicht darum, denn der Kerl war schon aufgesprungen. Ich setzte ihm nach, packte ihn im Rücken und zerrte ihn herum. Er wehrte sich wie eine wütende Katze. Ein Fußtritt erwischte mich unter der rechten Kniescheibe. Ich war einen Augenblick vor Schmerz wie benommen und biss die Zähne zusammen. Er spürte mein Zögern und wollte sich losreißen.

Ich stemmte mich mit aller Kraft gegen ihn und zerrte ihn zu Boden. Ich warf mich über ihn, drehte ihm die Hände auf den Rücken und riss ihn wieder hoch. Er wehrte sich verzweifelt, doch es nutzte ihm nichts.

Drüben, 20 Yards entfernt, stand eine Gruppe Menschen. Der Schrei des Opfers hatte sie alarmiert.

»Schlagt ihn tot, er ist ein Mörder!«, schrie eine weibliche Stimme.

Das konnte ernst werden. Mit einem Knebelgriff hielt ich den Täter fest. Mit der freien rechten Hand zog ich meine Dienstwaffe. »Beim nächsten Fluchtversuch schieße ich!«, warnte ich ihn.

Dann wandte ich mich an die Zuschauer. »FBI! Machen Sie bitte Platz!«

Widerwillig öffneten sie den Kreis, den sie um den Mann im Staubmantel gebildet hatten. Der Mantel war nicht mehr hell. Er glänzte dunkel und nass.

Ein Mann richtete sich auf. »Ich bin Arzt«, sagte er. »Nichts mehr zu machen. Der Stich muss genau ins Herz gegangen sein!«

»Rufen Sie bitte die City Police an! Fordern Sie in meinem Auftrag eine Mordkommission an! Ich bin Cotton vom FBI. Melden Sie, dass ich den Täter habe!«, sagte ich einem älteren Mann, der neben dem Arzt stand.

Doch ein anderer Zuschauer reagierte schneller als der Mann, den ich angesprochen hatte. »Drüben an der Fifth Avenue ist eine Telefonzelle«, sagte der Fremde. »Ich laufe schnell hin!«

Er setzte sich in Bewegung, ohne noch eine Antwort abzuwarten.

»Gehen Sie bitte zurück!«, bat ich die übrigen Zuschauer. »Meine Kollegen müssen die Spuren sichern!«

Ich wusste, dass etwaige Spuren schon längst von den Zuschauern zerstört waren. Mir ging es nur um eins: um das Messer, die Tatwaffe. Vor meinen Augen hatte der Mörder es auf den Weg fallen lassen. Zögernd wichen die Menschen zurück.

Ich schaute mich suchend um. Das Messer war fort.

***

»In deiner Haut möchte ich nicht stecken«, sagte mein Freund Phil. Es war genau eine Minute vor acht, als ich am Morgen nach dem Mord im Central Park in unser gemeinsames Office kam.

»Warum?«, fragte ich und legte meinen Hut in den Schrank.

»Bist du betrunken Auto gefahren? Hast du Damen belästigt?«, fragte Phil.

Ich schaute meinen Partner verständnislos an.

»Der Teufel ist los. Ich bin seit zehn Minuten hier. In der Zwischenzeit war der Chef einmal persönlich da, und zweimal hat er angerufen. Er erwartet dich ganz dringend.«

»Das kann ich mir denken«, entgegnete ich und dachte an das Messer. Ich hatte diesen peinlichen Umstand natürlich der City Police gegenüber nicht verschwiegen. Mr High, unser Chef, hatte sicher inzwischen von der Sache erfahren.

Das Telefon klingelte.

»Schon wieder. Wollen wir wetten?« Phil angelte sich den Hörer.

Ich hörte Mr Highs Stimme bis zum Schrank.

»Er ist bereits unterwegs«, behauptete Phil und gab mir einen Wink.

Die paar Schritte bis zu Mr Highs Vorzimmer legte ich im Laufschritt zurück.

»Guten Morgen, Jerry«, sagte Helen, Mr Highs Sekretärin. »Gratuliere! Der Chef erwartet Sie!«

Sie machte ein ganz ernstes Gesicht dabei. Als ob es einen Grund gäbe, mir zu gratulieren! Mir, einem G-Man, dem man eine Mordwaffe vor der Nase weggeschnappt hatte.

»Danke, Helen«, knirschte ich. Noch fünf Schritt bis zum Chefzimmer.

»Good morning, Sir«, sagte ich ganz korrekt, als ich bei Mr High eintrat.

»Hallo, Jerry«, klang es munter zurück. »Entschuldigen Sie meine Hartnäckigkeit, aber wir haben es eilig! Wer ist Lad Pohaska?«

»Lad Pohaska ist der Mann, der gestern Abend vor meinen Augen im Central Park einen bis jetzt noch unbekannten Mann …« Weiter kam ich nicht. Mr High winkte ab.

»Über gestern Abend weiß ich Bescheid. Ich wollte wissen, ob Ihnen der Name Lad Pohaska vorher schon bekannt war. Hatten Sie einen bestimmten Grund, dem Mann, der ermordet wurde, in den Central Park zu folgen?«, fragte der Chef.

Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Ich hatte gestern sehr viel Schreibarbeit und wollte mir nach Dienstschluss ein wenig die Beine vertreten. Es war Zufall, dass ich Tatzeuge wurde. Deshalb gab ich den Fall auch sofort an die City Police ab.«

Mr High lächelte. »So gut möchte ich es auch einmal haben wie unsere Kollegen von der City Police! Kriegen einen aufgeklärten Fall in die Hand und den Täter gleich mitgeliefert. Allerdings kann es sein, dass wir uns den Fall zurückholen müssen.«

Ich schaute den Chef fragend an.

»Die City Police hat die Identität des ermordeten Mannes festgestellt. Es handelt sich um einen gewissen Larry Hilvers. Er war einmal Postbeamter und wurde vor zwei Jahren nach einer Verurteilung wegen Unterschlagung aus dem Postdienst entlassen.«

Ich pfiff leise durch die Zähne.

»Jetzt interessiert uns natürlich, weshalb Hilvers ermordet wurde. Pohaska sagt darüber nichts aus.«

Ich lachte bitter. »Als die Mordkommission ankam, behauptete er, er wisse nicht, weshalb ich ihn festgenommen hätte. Der bestreitet glatt den Mord und ich …«

»Sind Sie mit Ihrem Erfolg nicht zufrieden, Jerry?«, fragte Mr High verwundert.

»Ich mache mir Vorwürfe, dass die Tatwaffe verschwunden ist, nachdem sie mir genau vor den Füßen lag. Das Messer hätte Pohaska überführt. So aber stehe ich mit meiner Aussage allein.«

Der Chef schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er mit Nachdruck. »Pohaska hat den Mord bereits gestanden.«

Ich traute meinen Ohren nicht.

»Er hat sich sogar bereit erklärt, bei einem Lokaltermin den Hergang seiner Tat noch einmal darzustellen. Wir müssen um 8.30 Uhr im Central Park sein. Richter Emerett und Attorney Brown werden kommen. Wir wollen die Herren nicht warten lassen.« Er stand auf und nickte mir zu.

»Das ist eine Überraschung in der Morgenstunde«, sagte ich. »Gerade bei Pohaska hätte ich jede Wette gehalten, dass er schweigt wie eine Auster.«

»Lieutenant Easton, der Leiter der Mordkommission, hat mich angerufen und mir kurz den Ablauf der Dinge geschildert. Kurz vor Mitternacht meldete sich Pohaskas Rechtsanwalt, ein gewisser Miller. Er wolle seinen Klienten lediglich veranlassen, zur Erreichung mildernder Umstände die Wahrheit zu sagen. Danach ging alles sehr schnell. Pohaska gab zu, Larry Hilvers im Central Park aufgelauert zu haben. Er habe ihm einen Denkzettel verpassen wollen. Eine Tötungsabsicht habe er selbstverständlich nicht gehabt. Durch das unerwartete Auftauchen eines Fremden, damit sind Sie gemeint, sei er in eine Panik geraten.«

»Hört sich gut an«, sagte ich. »Etwas zu gut. Hat dieser Anwalt wirklich nicht allein mit Pohaska gesprochen?«

»Easton sagt nein. Aber wir können ihn ja noch einmal fragen. Wir treffen ihn beim Lokaltermin.«

Ich öffnete Mr High die Tür und ließ ihn vorgehen.

In dem Moment fiel mir etwas ein.

»Mr High«, fragte ich, »hat Lieutenant Easton Ihnen schon erklärt, woher dieser Rechtsanwalt Miller von der Tat wusste?«

Mr High stutzte. »Mensch, Jerry!«, sagte er nur.

Der Chef drehte sich auf dem Absatz herum und ging zu seinem Schreibtisch. Er griff zum Telefon, und ich sah, wie er die Nummer des Apparats in meinem Büro wählte.

»Phil«, sagte er schnell, »ich bin mit Jerry unterwegs in den Central Park zu einem Lokaltermin. Ich brauche alle Informationen über einen gewissen Rechtsanwalt Miller. Den Vornamen kann Ihnen die City Police, Büro Lieutenant Easton, sagen. Sie erreichen mich in Jerrys Wagen. Wenn es länger dauern sollte, finden Sie uns im Central Park, unweit der East 65th Street.«

Er legte den Hörer zurück und blickte auf die Uhr. »Schnell, Jerry – in zehn Minuten müssen wir dort sein«, sagte er.

Mit dem Lift fuhren wir hinunter. Mein Jaguar stand auf seinem Stammplatz in unserem Hof.

Wenig später fuhr ich über die Kreuzung an der Madison Avenue, als das Rufzeichen kam. Mr High nahm den Handapparat des Funkgeräts und schaltete den Lautsprecher ein.

»Phil Decker spricht«, klang es durch das Sirenengeheul. »Chef, ich habe mir von der City Police den Vornamen des Rechtsanwaltes Miller geben lassen. Walt heißt er.«

»Und?«, fragte Mr High gespannt.

»Es gibt in New York City und im Staat New York keinen Rechtsanwalt, der Walt Miller heißt.«

***

Mr High schüttelte dem Leiter der Mordkommission die Hand. »Gute Arbeit, Lieutenant«, sagte er. »So schnell hätten wir Pohaskas Geständnis bestimmt nicht bekommen, wie Sie es geschafft haben.«

Lieutenant Easton wehrte das Kompliment ab. »Ich allein hätte es sicher auch nicht so schnell geschafft. Rechtsanwalt Miller, Pohaskas Verteidiger, hatte einen erheblichen Anteil an der schnellen Klärung.«

»Rechtsanwalt Miller?«, fragte der Staatsanwalt. Er tat damit den ersten Schritt zu dem, was jetzt unvermeidlich kommen musste.

»Welcher Miller?« Brown blickte sich suchend um.

Das Gelände war von der uniformierten Polizei in weitem Umkreis abgesperrt. Innerhalb des Sperrkreises befanden sich nur die unmittelbar Beteiligten. Die Presse hatte keinen Zutritt. Pohaskas Verteidiger wäre jedoch zugelassen gewesen. Doch Staatsanwalt Brown blickte sich vergebens nach dem Verteidiger um.

»Rechtsanwalt Walt Miller«, beantwortete Lieutenant Easton Browns Frage.

»Walt Miller?«, fragte Brown erneut. Seinem Gesicht war anzusehen, dass ihm ein Anwalt dieses Namens bislang nicht begegnet war.

»Sie kennen ihn nicht?«, schaltete sich Mr High in das Gespräch ein.

»Ich lernte ihn heute Nacht kennen«, sagte der Lieutenant unsicher. Auch er schaute sich jetzt suchend um. »Er scheint noch nicht da zu sein.«

»Weiß er von dem Termin?«, fragte Mr High. »Selbstverständlich«, sagte der Lieutenant. »Er sprach mich selbst darauf an. Immerhin hatte er uns ja bei der Vernehmung sehr unterstützt und schien kaum die Absicht zu haben, Schwierigkeiten zu machen. Er ist offenbar einer von den Anwälten, die …«

Mr High warf mir einen Blick zu. Ich verstand ihn sofort. Mit einer leichten Bewegung unterbrach ich den Lieutenant.

»Einen Moment bitte, Harry!«

Er schaute mich verwundert an, ging aber dann doch ein paar Schritte mit zur Seite.

»Um offen zu sein, Harry«, sagte ich, »wir befürchten, dass Sie Ärger mit diesem Rechtsanwalt Walt Miller bekommen.«

»Wieso?«

»Wir haben uns gerade eben um den Anwalt gekümmert. Es kam uns merkwürdig vor, dass er so plötzlich auftauchte und so gut Bescheid wusste. Oder hatte Pohaska Gelegenheit, mit seinem Anwalt zu telefonieren?«

Lieutenant Easton biss sich auf die Unterlippe. »Verdammt, jetzt, wo Sie es sagen, Jerry, fällt es mir auch auf. Er hat nicht telefoniert. Natürlich habe ich ihm erlaubt, mit seinem Anwalt zu sprechen, aber er wollte nicht. Und dann war dieser Miller plötzlich da. Er wies sich unaufgefordert aus. Mitgliedskarte der Anwaltskammer, Zulassungsdokument des Gerichts, alles. Nur eine Vertretungsvollmacht von Pohaska fehlte noch.«

Zum zweiten Mal an diesem Frühherbstmorgen blieb mir die Luft weg. Sollte Phil eine falsche Auskunft bekommen haben?

Noch ein Punkt fiel mir ein. »Wie hat sich Pohaska verhalten, als er seinen Anwalt erblickte? Ich meine, hatten Sie den Eindruck, dass die beiden sich kannten?«

»Ja, sie kannten sich«, sagte der Lieutenant schnell. Dann zuckte er zusammen. »Das heißt …«

»Was, Harry?«

»Obwohl sie sich offensichtlich kannten, sagte der Anwalt wörtlich: ›Pohaska, ich bin Ihr Rechtsanwalt Miller!‹«

Mehr konnte ich in diesem Moment mit Easton nicht besprechen. Fulboom, der Protokollführer Richter Emeretts, kam eilig durch das nebelfeuchte Gras auf uns zu. »Lieutenant, Richter Emerett lässt fragen, ob der Beschuldigte schon anwesend ist.«

Easton musste mit der Tatrekonstruktion beginnen. Pohaska wartete in einem Streifenwagen der City Police. »Der Beschuldigte ist anwesend, allerdings ohne seinen Anwalt. Außerdem lasse ich von der City Police noch einen Zeugen hinzuziehen«, antwortete der Lieutenant. »Sagen Sie Richter Emerett, dass wir in wenigen Minuten beginnen können!«

»Er hat um 9.30 Uhr einen weiteren Termin«, sagte Fulboom, ehe er sich wieder abwandte.

»Welchen Zeugen lassen Sie noch kommen?«, fragte ich Easton.

»Sie kennen ihn«, sagte er. »John Tomkins. Das war der Mann, der gestern Abend in Ihrem Auftrag telefonisch die Mordkommission verständigte. Er gab seinen Namen an. Ich möchte ihn dabei haben, weil wir ihn gestern Abend nicht mehr vernehmen konnten. Er sagte am Telefon, er habe eine wichtige geschäftliche Verabredung. Da er seine Adresse angab, werden wir ihn wohl erreichen.«

Mr High kam auf uns zu. Ich schilderte ihm schnell, was mir der Lieutenant über den Rechtsanwalt Miller berichtet hatte. Der Chef rieb sich nachdenklich das Kinn. »Die Sache gefällt mir nicht«, sagte er schließlich.

»Mir auch nicht«, pflichtete ich ihm bei.

Lieutenant Easton nickte zögernd. »Ich weiß nur nicht, was ein falscher Anwalt von Pohaska oder von der Mordkommission wollte. Es verlief alles reibungslos.«

»Es ist zwar nicht unser Fall, und ich bin im Moment nur Zeuge«, sagte ich, »aber ich bin ganz froh, dass dieser Ortstermin vermutlich nicht stattfindet. Pohaska wird sich wahrscheinlich weigern, ohne seinen Anwalt mitzuwirken.«

2

»Verdammt!«, murmelte der Mann, der sich in der vergangenen Nacht mit einem komischen Gefühl im Magen, aber mit einwandfrei gefälschten Papieren zur Kriminalabteilung der City Police begeben und sich dort als Rechtsanwalt Walt Miller ausgegeben hatte.

Jetzt hieß er wieder Louis Dorano und war ein Gangsterboss.

Louis Dorano stand am spaltweit geöffneten Fenster eines Waschraumes im 2. Stockwerk des Gebäudes an der Ecke Fifth Avenue und West 65th Street, von dem aus er mühelos den Schauplatz der Ereignisse im Central Park übersehen konnte.

Auf dem schmalen Fensterbrett vor Dorano lag ein schwarzer Kunststoffkasten, der einem Transistorradio ähnlich sah. Aus dem Kasten ragte eine silberne Teleskopantenne heraus. Anstelle einer Rundfunkskala hatte der Kasten jedoch nur einen daumennagelgroßen roten Knopf.

Er nahm nervös ein Zündholz aus der Schachtel und steckte es zwischen die Zähne. Er kaute darauf herum. Dann spuckte er das Holz aus dem Fenster. Er blickte auf die Uhr. Sie zeigte 8.33.

Irgendwo in der Nähe heulte eine Sirene eines Streifenwagens.

Dorano zuckte unwillkürlich zusammen. Er kannte dieses Nerven zerfetzende Geräusch zu gut. Zu oft hatte es schon ihm selbst gegolten. Nur seine Fähigkeit, immer wieder in andere Masken zu schlüpfen und andere Persönlichkeitsmerkmale anzunehmen, hatte ihn bisher davor bewahrt, nähere Bekanntschaft mit den Cops zu machen.

Sekundenlang zuckte drüben jenseits des Central Parks ein Rotlicht auf. Der Streifenwagen entfernte sich, wie Dorano feststellte, in südlicher Richtung.

Schade, dachte der Gangster jetzt. Es können sich ruhig noch mehr Bullen um den Baum versammeln.

Die Gruppe von Männern, die unten im Central Park standen, geriet in Bewegung. Aus dem schwarzen Streifenwagen der Kriminalabteilung der City Police wurde Lad Pohaska geholt.

Louis Dorano lächelte versonnen, als er den Mann sah, der in dieser Minute noch Mitglied der Dorano-Gang war. Grinsend nahm Dorano den schwarzen Kasten in die Hand.

***

Protokollführer Fulboom ging weiter, und ich hörte, wie er die Gruppe um Attorney Brown ebenso ansprach wie Sekunden vorher uns: »Bitte, Richter Emerett möchte, dass begonnen wird.«

Lieutenant Easton winkte den Beamten im schwarzen Streifenwagen der Mordabteilung. Sofort öffnete sich die Tür. Ein Kriminalbeamter stieg aus. Ihm folgte, durch Handschellen mit ihm verbunden, Lad Pohaska.

Sie gingen auf Richter Emerett zu, der unweit des Baumes stand, unter dem die Tat geschehen war.

Detective Sergeant Ed Schulz, Eastons engster Mitarbeiter, kam im Laufschritt herbei. »Sind wir komplett?«, fragte er seinen Chef, nachdem er Mr High und mich schnell begrüßt hatte. »Ich meine, da fehlen noch einige Stars.«

»Ja, der Rechtsanwalt von Pohaska«, sagte Easton.

»Dann können wir gleich wieder einpacken!«, meinte der Sergeant.

Easton knurrte etwas Unverständliches vor sich hin. Wir blieben jetzt etwas hinter ihm zurück, denn er ging auf Staatsanwalt Brown zu, um ihn dienstlich von der jüngsten Entwicklung zu unterrichten. Ich sah, wie Brown kurz nickte und dann Easton einen Wink gab. Weder die Staatsanwaltschaft noch die Polizei konnten jetzt allein eine Entscheidung treffen.

Richter Emerett, Staatsanwalt Brown und Lieutenant Easton standen etwa 15 Yards von uns entfernt. Sie unterhielten sich leise. Plötzlich schüttelte Richter Emerett heftig den Kopf.

Mr High sagte, was ich dachte: »Jetzt hat Easton vermutlich vorgeschlagen, den Termin aufzuheben. Wie ich Richter Emerett kenne, hat er das abgelehnt. Er setzt einen Termin höchstens dann ab, wenn der Himmel herunterfällt …«

»Meine Herren!«, bat da auch schon Attorney Brown.

Wir gingen näher an ihn heran.

Richter Emerett nickte der Versammlung zu. Er räusperte sich. Dann eröffnete er den Termin: »In der Sache gegen Pohaska wird die Voruntersuchung eröffnet. Ich verkünde folgende Entscheidung: Aufgrund des vorliegenden Geständnisses des Beschuldigten, abgegeben vor der 4. Mordkommission der New York City Police, ergeht Haftbefehl. Gegen diese Entscheidung kann der Angeschuldigte Einspruch einlegen. Bevor ich mit dem Ortstermin fortfahre, stelle ich an den Angeschuldigten die Frage, ob er auch in Abwesenheit seines Verteidigers bereit ist, beim Lokaltermin mitzuwirken.«

Wir sahen alle Pohaska an, der zwischen zwei großen Kriminalbeamten stand. Er stand da, als hätte er die Worte des Richters überhaupt nicht gehört. Er starrte vor sich auf den Sandweg, auf dem er rund zwölf Stunden vorher einen Menschen getötet hatte.

Plötzlich hob Pohaska den Kopf und schaute zu mir herüber. Einen Augenblick nur.

Dann sah er Richter Emerett an. Er wollte etwas sagen …

***

»Sorry, Gentlemen«, sagte eine weibliche Stimme. Harold Cox, der Gangster am Steuer des Dorano-Wagens auf dem kleinen Parkplatz an der 67th Street, zuckte zusammen.

Jack Robertson war weniger zart besaitet. »Was ist los, Puppe?«, fragte er mit seinem dröhnenden Bass.

»Sorry«, sagte die junge Dame neben dem Wagen noch einmal, »aber mein Wagen springt nicht an. Gleich hier nebenan.«

Sie deutete auf einen bombastischen Chrysler.

»Schmeiß ihn weg, Puppe!«, knurrte Robertson ungehalten.

»Flegel!«, antwortete die Miss und drehte sich auf dem Absatz herum. Sie war entschlossen, auf die Hilfe dieser ungehobelten Kerle zu verzichten. Auf ihren sehenswerten Beinen schritt sie dahin.

»Esel!«, sagte Pete Weisman. »Schau dir mal dieses Fahrgestell an!«

Robertson knurrte. »Was interessiert mich …« Diesmal schnitt ihm Eric Slimsters, der das Kommando hatte, das Wort ab.

»Du bist der blödeste Mensch, der auf dieser Welt rumläuft!«, fuhr er Robertson an. »Stell dir mal vor, was passiert, wenn die Lady jetzt zu den Bullen marschiert und denen erzählt, dass sie von uns belästigt wurde!«

»Belästigt!«, schnaubte Robertson empört.

»Wie du es nennst, ist egal. Du weißt genau, dass wir keine Polizei gebrauchen können«, sagte Slimsters schnell. »Los, Pete, raus! Lauf ihr nach und bring ihren Schlitten in Ordnung!«

Pete Weisman ließ sich das nicht zweimal sagen. Schnell sprang er aus dem Wagen. Mit wenigen großen Schritten erreichte er die junge Dame.

Pete Weisman hatte zwar eine ansehnliche Vorstrafenliste und einen miesen Charakter, aber er verfügte über einen gewissen Charme. Er überholte die junge Dame.

Sie blieb stehen und sah ihn misstrauisch an. Doch er lächelte wie Rock Hudson in seinen besten Tagen. »Es tut mir entsetzlich leid, Miss, aber mein Freund hat heute Morgen schlecht gefrühstückt. Ich habe ihm eine runtergehauen …« Vorsichtig rieb er sich die rechte Faust.

Sie fiel darauf herein. »Oh«, sagte sie, »Sie haben ihn geschlagen?«

»Ich lasse keine Lady beleidigen«, verkündete Weisman. »Wo steht Ihr Wagen? Ich helfe Ihnen selbstverständlich!«