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Wissenswert und witzig: Die Jesus-Basics für jedermann Jesus hat die Welt verändert und ist für viele bis heute eine unglaubliche Inspiration. Vielleicht können wir ihn uns als Influencer vorstellen, auch wenn das damals noch Wanderprediger hieß. Er sammelte Follower, Jünger genannt. Und aus dem Jesus-Fan-Club entstand eine weltweite geistliche Bewegung, die christliche Kirche. Ganz locker und doch äußerst präzise fasst Fabian Vogt die zentralen Ideen und Impulse des außergewöhnlichen Mannes aus Nazareth zusammen. - Kurz, knackig, unterhaltsam: Wer war Jesus? Was ist seine Botschaft? - Jesus als Vorbild: sein Leben, sein Charakter, seine Taten und Wunder - Freude, Liebe, Miteinander und Verantwortung: die Kerngedanken - Die schönsten Gleichnisse Jesu und ihre Bedeutung - Und heute? Wie aus seinen Ideen eine Glaubensgemeinschaft wurde Was hat Jesus verkündet? Wie können wir das verstehen? Fabian Vogt ist Radio-Pfarrer beim Kultsender hr3, Schriftsteller und Kabarettist. In seinem Buch erzählt er humorvoll von den wichtigsten Stationen im Leben Jesu. Er fasst seine Kernbotschaften einprägsam zusammen und findet selbst für komplexe Inhalte wie die revolutionären Vorstellungen der Bergpredigt ein freches Bild. So wird Jesu Botschaft in unsere Zeit transportiert und lädt zum Weiterdenken ein!
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Seitenzahl: 125
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Fabian Vogt
Seine wichtigsten Ideenkurz & knackig
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
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© 2022 by edition chrismon in der Evangelischen Verlagsanstalt GmbH · Leipzig
Printed in Germany
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Das Buch wurde auf alterungsbeständigem Papier gedruckt.
Cover: Anja Haß, Leipzig
Coverillustration: Oliver Weiss, Berlin
Innengestaltung und Satz: makena plangrafik, Leipzig
Druck und Bindung: CPI books GmbH
ISBN 978-3-96038-306-2 // eISBN (E-Pub) 978-3-96038-307-9
www.eva-leipzig.de
Für alle,die im Dunklenleben,wird es hell.Und für alle,die im Schattenwohnen,strahltein Licht auf!
Jesaja 9,1
Was für eine Geschichte: Vor zweitausend Jahren zieht ein lokaler »Influencer« – damals hieß das noch »Wanderprediger« – durch sein Heimatland am Mittelmeer, sammelt einige »Follower« – die man früher »Jünger« nannte – und bekommt nach seinem ausgefallenen Ableben in verschiedenen sozialen Gruppen so viele »Likes« – in jener Zeit hätte man vermutlich einfach von »begeisterter Zustimmung« gesprochen –, dass sich daraus in erstaunlich kurzer Zeit die größte Glaubensgemeinschaft der Welt entwickelt.
Und nicht nur das: Schon wenig später wird wegen dieses verblüffenden Mannes kurzerhand das gesamte Weltgeschehen neu definiert: Seither teilen wir die Epochen in die Zeit »vor Jesus Christus« und die Zeit »nach Jesus Christus« ein. Offensichtlich hatten und haben viele Menschen den Eindruck: Das Auftreten dieses Influencers ist und bleibt ein solch welthistorisches Ereignis, eine so unglaubliche Zäsur, ein derartiger Paradigmenwechsel, dass danach nichts mehr ist wie vorher. Mit ihm kam etwas völlig Neues in die Welt, das alles veränderte. Wirklich alles!
Kein Wunder, dass Frauen und Männer seit zweitausend Jahren versuchen, dem Geheimnis dieses Menschen auf die Spur zu kommen. Weil sie nach wie vor von seiner einzigartigen Botschaft der Liebe fasziniert sind – begeistert, inspiriert und gelegentlich auch irritiert. Sehr sogar. Was unter anderem dazu geführt hat, dass keine Person im Lauf der letzten zweitausend Jahre so oft künstlerisch dargestellt und gedeutet wurde wie er, in Bildern, Skulpturen, Kompositionen oder Texten. Also: Wer war, wer ist dieser Jesus?
In diesem Buch stelle ich Ihnen die wichtigsten Ideen und Impulse des Mannes aus Nazareth in Israel vor: kurz, knackig und unterhaltsam. Schließlich hat schon der Theologe Karl Barth geschrieben: Der Christ treibt dann gute Theologie, wenn er … mit Humor bei der Sache ist. Nur keine verdrießlichen Theologen, nur keine langweilige Theologie. Schon deshalb, weil eine Botschaft, die seit zweitausend Jahren Menschen bewegt, ja offensichtlich eine befreiende Kraft in sich trägt.
Allerdings: Da Jesus zu meinem aufrichtigen Bedauern das, was ihm am Herzen lag, niemals in Form einer ausgearbeiteten Lehre zu Papier (beziehungsweise zu Papyrus) gebracht hat, ist es gar nicht so leicht, seine wesentlichen Gedanken aus dem Sammelsurium an Überlieferungen herauszufiltern. Ich habe deshalb entschieden: Ich nähere mich ihm aus mehreren Perspektiven, die am Ende hoffentlich wie Mosaiksteine ein Gesamtbild ergeben.
Das heißt, ich erzähle Ihnen zu Beginn kurz die Lebensgeschichte Jesu, präsentiere dann eine kleine Charakterstudie, damit Sie sich vorstellen können, was er für ein Mensch war, und versuche anschließend, einige seiner Kernbotschaften so zu skizzieren, dass deutlich wird, warum sie sich für mich als Quintessenz seiner Verkündigung herauskristallisieren, und warum das, was Jesus verkündet hat, gesellschaftliche Sprengkraft besitzt. Bis heute.
Nach dieser Einführung geht es aber noch weiter. Warum? Ganz einfach: Weil es wohl kaum ein Individuum gibt, bei dem seine Botschaft und sein Leben so eng miteinander verzahnt waren wie bei Jesus. Das, was er verkünden wollte, hat er nicht nur mit Worten, sondern auch und vor allem durch seine Taten verkündet. Anders ausgedrückt: Wenn wir verstehen wollen, was Jesus der Menschheit sagen wollte, dann dürfen wir nicht nur seine Aussagen betrachten, wir müssen uns auch anschauen, wie er gelebt hat.
Darum vertiefe ich in einem zweiten Teil noch einmal Schwerpunkte seines Wirkens als Wanderprediger: seine unbändige Freude an Geschichten, seine erstaunlichen Wundertaten, seine wegweisende Bergpredigt und natürlich seine Kreuzigung und seine Auferstehung. All diese Ereignisse sind Bestandteil von Jesu Botschaft.
Am Ende meines mosaikhaften Porträts erzähle ich zudem einige Gleichnisse nach, weil in diesen Parabeln die Ideen des Rabbi Jeshuah wie in einem Bilderbuch für Erwachsene auf den Punkt gebracht werden – bevor ich Ihnen zum Schluss zeige, wie aus den unbändigen Idealen eines einzelnen Mannes eine weltumspannende Glaubensgemeinschaft wurde und wohin das alles führen kann. Ich freu mich drauf.
Das Verrückte ist: Noch bevor ich richtig angefangen habe, Ihnen die Person Jesus vorzustellen, höre ich schon die von kritischen Geistern zu Recht gestellte Frage: Ist denn das, was du uns hier erzählst, eigentlich historisch gesichert? War das wirklich so – oder sind alles nur fromme Legenden durchgeknallter, antiker Hippies?
Gute Frage. Schon Gotthold Ephraim Lessing fand, die Jahrhunderte zwischen Jesus und uns wären ein garstig breiter Graben, über den ich nicht kommen kann. Was dazu führte, dass seit rund zweihundertfünfzig Jahren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hingebungsvoll versuchen, dem »echten Jesus« zu Leibe zu rücken. Sie versuchen herauszufinden, was bei all den unterschiedlichen Überlieferungen als authentisch gelten kann und was davon den Kriterien moderner Geschichtsschreibung standhält.
Diese sogenannte »Leben-Jesu-Forschung« erhielt aber schon Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts einen deutlichen Dämpfer, als der spätere Dschungeldoktor Albert Schweitzer, der auch Theologe war, erklärte: Wir kommen an die Person Jesu nicht wirklich heran, weil wir ausschließlich subjektive »Zeugenaussagen« besitzen, die Menschen Jahrzehnte später verfasst haben – nämlich zwischen den Jahren 48 und 90 nach Jesus Christus, also frühestens achtzehn Jahre nach seinem Tod – und deren Sammlung wir heute das Neue Testament nennen.
Sprich: Diejenigen, die bis zur Aufklärung voller Inbrunst erklärten, dass jedes Wort des Neuen Testaments von Gott selbst verfasst sei, täuschen sich genauso wie diejenigen, die glauben, sie könnten einfach die Patina der Jahrtausende abkratzen und darunter käme, schwupps, der authentische Jesus zum Vorschein. Ja, die Forschung hilft ungemein, die komplexe Entstehungsgeschichte des Neuen Testaments besser zu verstehen, aber sie kann nicht zaubern.
Dass die Suche nach der biblischen »Wahrheit« so kompliziert ist, liegt tatsächlich daran, dass diejenigen, die über Jesus geschrieben haben – die Evangelisten und Briefschreiber des Neuen Testaments – gar nicht die Absicht hatten, Tatsachenberichte zu verfassen. Was sie auch nicht behaupten. Schon die älteste »Biografie Jesu«, das Markusevangelium, beginnt mit den Worten: Dies ist der Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, dem Sohn Gottes. Und Insider wissen: Evangelium heißt »Gute Nachricht«. Markus erklärt also schon im ersten Satz: Aufgepasst! Das hier ist eine Freudenbotschaft, ein Jubelruf, ein verzückter Essay. Nichts mit Fakten, Fakten, Fakten.
Nein, im Neuen Testament schwärmen echte Fans von ihren Erfahrungen mit einem Mann, der sie fasziniert und motiviert. Ihre Texte sind Glaubensbekenntnisse begeisterter Anhänger, keine neutralen Meldungen. Deshalb hat Markus auch kein Problem damit, Jesus direkt zu Beginn seines Evangeliums als Sohn Gottes zu bezeichnen – was schon vor zweitausend Jahren einiges an Gesprächsbedarf mit sich brachte.
Und noch etwas dürfen wir bei aller modernen Skepsis nicht vergessen: Die Schriften des Neuen Testaments, des zweiten Teils der Bibel, entstehen in einer Umgebung, in der die römischen und griechischen Götter angeblich ständig zwischen Himmel und Erde unterwegs sind. Ja, man kann gar nicht zählen, wie oft sich allein der Göttervater Zeus von seinem Sitz auf dem Olymp aufmacht, um irgendeine Erdenfrau zu verführen. Das, was uns ziemlich skurril erscheint – da kommt angeblich jemand in menschlicher Gestalt vom Himmel auf die Erde –, galt in der damaligen Gesellschaft als normal. So sind die Götter eben. Immer unterwegs!
Weil die biblischen Autoren vor allem berichten wollen, wer der Influencer Jesu für sie ist, hat es auch lange Zeit niemanden gestört, dass die vier bekanntesten Evangelisten Markus, Matthäus, Lukas und Johannes seine Geschichte recht unterschiedlich erzählen: Sie setzen andere Schwerpunkte, berichten teilweise verschiedene Anekdoten – und manchmal widersprechen sie sich auch. Na und? Jeder hat das zusammengefasst, was ihm persönlich wichtig war und was er jeweils an Informationen gesammelt hatte.
Wenn Sie also nach der Wahrheit meines Jesusbildes fragen, dann lautet die Antwort: Ich habe sorgfältig versucht, aus den »Beschreibungen« der Quellen (von deren jeweiliger »Wahrheit« alle Autoren überzeugt sind) die wegweisendsten Gedanken herauszufiltern. Aber ich deute dabei natürlich auch. Geht ja gar nicht anders. Zum Beispiel achte ich intensiv darauf, welche Ideen Jesu im Lauf der Zeit eine nachhaltige Wirkung entfaltet haben. Weil es mir in diesem Buch nicht nur um eine reine Lebensbeschreibung des Mannes aus Nazareth geht, sondern vor allem um seine Wirkungsgeschichte.
Natürlich würde ich wie viele Menschen gerne wissen: Stimmen denn die teilweise so unglaublichen Erzählungen aus dem Neuen Testament? Ist Jesus tatsächlich über das Wasser gelaufen? Hat die Auferstehung wahrhaftig stattgefunden? Das sind faszinierende Fragen. Noch viel interessanter finde ich aber: Wieso berühren diese Geschichten unzählige Menschen seit zweitausend Jahren? Und wie kann es sein, dass immer wieder neugierige Frauen und Männer davon hören und danach mutiger, befreiter und gelassener durchs Leben gehen?
Mit anderen Worten: Viele Ideen und Impulse Jesu und ihre Überlieferung haben sich als wirksam erwiesen, auch wenn nach all der Zeit niemand mehr mit absoluter Sicherheit sagen kann, welche historischen Fakten dahinterstecken. Beziehungsweise auch wenn niemand mehr etwas davon beweisen kann.
Tatsache ist: Für die Menschen, die all diese Dinge aufgeschrieben haben, sind sie wahr. Ohne jeden Zweifel. Und das vor allem aus einem Grund: Weil sie deren Wahrheit am eigenen Leib erfahren haben. Weil sie der Überzeugung waren: Richtig ist, was wichtig ist. Möglicherweise ist diese Wirksamkeit der jesuanischen Botschaft viel mehr Beweis, als wenn morgen ein Archäologe ein Stück Wasser mit Jesu Fußabdruck ausgraben würde.
Nebenbei: Dass Jesus tatsächlich gelebt hat, bezweifelt heute kein ernst zu nehmender Historiker mehr. Obwohl die außerbiblischen Quellen, in denen der Mann aus Nazareth damals erwähnt wird, etwa bei den Geschichtsschreibern Sueton, Tacitus, Josephus, Plinius und Lukian, bezüglich der historischen Tatsachen genauso wenig belastbar sind wie die biblischen Texte.
Das heißt: Ob sich in den Ideen Jesu eine zeitlose Wahrheit verbirgt, werden wir unter anderem daran merken, ob sie uns ansprechen und erreichen. Das nennt man »Glauben«. Und dass man ohne die Dimension des Glaubens nicht so einfach über einen Religionsgründer und seine Ideen sprechen kann, ist vermutlich auch klar.
Ach ja, eines noch: Wenn ich Jesus »kurz & knackig« vorstelle, dann heißt das zugleich: Ich muss manches weglassen, einiges »bündeln« und das Thema »elementarisieren«, wie das in der Forschung gerne genannt wird. Das ist aber nicht schlimm. Vor allem entspricht es dem Geist Jesu, der es liebte, hochkomplexe Inhalte mit einem frechen Bild oder einer Geschichte anschaulich zu machen. Hauptsache verständlich – und dabei so anregend, dass man Lust bekommt weiterzudenken. Wenn mir das gelingt, kann dieses Buch eine verheißungsvolle Lektüre werden.
Herzlich
Fabian Vogt
Jesus: eine kurze Biografie
Jesus: eine kleine Charakterstudie
1.Jesus handelt unglaublich menschlich
2.Jesus feiert gerne
3.Jesus sucht den Kontakt zu Menschen
4.Jesus hat (fast) keine Vorurteile
5.Jesus liebt Geschichten
6.Jesus mag Klarheit
7.Jesus besitzt besondere Fähigkeiten
Jesus: seine Kernbotschaften
1.Die Botschaft von der Freude
2.Die Botschaft vom Leben in Fülle
3.Die Botschaft vom Himmelreich
4.Die Botschaft vom Gesetz
5.Die Botschaft von der Liebe
6.Die Botschaft vom Miteinander
7.Die Botschaft von der Verantwortung
Jesus: einige wichtige Zitate
Jesus: das Vorbild
1.Die Gleichnisse
2.Die Wunder
3.Die Bergpredigt
4.Das Abendmahl
5.Die Kreuzigung
6.Die Auferstehung
7.Die Demut
Einige der schönsten Gleichnisse
Die Wirkung Jesu: Eine kurze Kirchengeschichte
Ausblick
Weiterführende Literatur
Register
Nomen est omen. Das heißt, wofür Jesus steht, verrät schon sein Name. Weil Jesus Christus nicht einfach ein Vor- und Nachname ist – wie Jens Müller oder Marion Schmidt – sondern ein ganzes Programm: Jesus (aramäisch: Jeshuah) bedeutet übersetzt »Gott rettet« oder »Gott ist die Rettung«. Und auch wenn im antiken Judentum viele Neugeborene so genannt wurden, werden wir sehen, warum dieser Vorname perfekt zu seiner Persönlichkeit passt.
Christus dagegen ist überhaupt kein Name, sondern ein Ehrentitel – und zwar die griechische Übersetzung des hebräischen Wortes Messias. Messias meint »der Gesalbte« und war die Bezeichnung für den im Volk Israel heiß ersehnten und von Gott im Alten Testament (dem ersten Teil der Bibel) schon lange versprochenen Retter, der ein himmlisches Reich der Gerechtigkeit und des Friedens errichten wird. Jesus Christus steht also als Abkürzung für: Jesus ist der verheißene Messias.
Dieser Name spielt für das Verständnis von Jesu Lebensgeschichte eine zentrale Rolle. Schließlich war das Land Israel damals schon seit Jahrhunderten von fremden Mächten besetzt – von Assyrern, Babyloniern, Persern, Griechen, Seleukiden und Römern. Die Israeliten hatten auf diese demütigende Situation in zweifacher Weise reagiert: Erstens waren die Menschen unfassbar stolz, dass sie trotz der ständigen Unterdrückung durch Vielgötter-Kulturen an ihrem Glauben an einen Gott festgehalten hatten (Monotheismus). Und zweitens war die jüdische Gesellschaft eben von der Hoffnung durchdrungen: Eines Tages wird Gott seinen Messias schicken, und der wird die fremde Herrschaft ein für alle Mal beenden. Halleluja!
Sie können sich vorstellen, was es in dieser aufgeheizten Stimmung bedeutete, dass da plötzlich ein Mann auftritt und andeutet: »Hey, ich bin’s!« Kein Wunder, dass dadurch alles, wirklich alles, von Jesu Geburt bis zu seiner Kreuzigung, von der Frage bestimmt wird: Ist dieser Typ tatsächlich der angekündigte Messias oder ist er bloß ein Scharlatan? Wurde dieser Wanderprediger wahrhaftig vom Himmel gesandt oder ist seine dreiste Behauptung, er wäre »der Christus«, eine ungeheuerliche Gotteslästerung?
Selbst die nur kurz angedeuteten Kindheitsgeschichten Jesu stehen ganz in diesem Horizont: Während der Evangelist Lukas großen Wert darauflegt, dass Jesus – wie es zur offiziellen Messias-Verheißung gehört – ein Nachfahre des Königs David ist und in dessen Heimatstadt Bethlehem zur Welt kommt, beschweren sich andere Zeitgenossen lautstark: Kann es ernsthaft sein, dass der heilige »Gesalbte« anschließend in einem Kuhdorf namens Nazareth mit wenigen Hundert Einwohnern aufwächst? Ein Landei als Retter?
Wann Jesus genau geboren wurde, ist übrigens unklar. Einerseits soll es während der Herrschaft von König Herodes gewesen sein, andererseits als Quirinius Statthalter von Syrien war. Zwei Zeitangaben, die zusammen eine kleine Terminkollision verursachen: Herodes starb nämlich im Jahr 4 vor Christus, Quirinius kam erst 6 nach Christus ins Amt. Dieses Kuddelmuddel hat damit zu tun, dass Geburtstage damals niemanden interessierten. Wer hatte im antiken Orient schon einen Kalender an der Wand hängen? Irgendwer hat sich also verrechnet, jedenfalls erblickte Jesus wohl nicht genau im Jahr null das Licht der Welt, sondern vermutlich einige Jahre früher.
Viel wichtiger waren für Lukas die besonderen Umstände dieser Geburt. Umstände, die sich für all diejenigen, die von einem Messias träumten, der wie ein kraftstrotzender Marvel-Held Israel befreit und als König die Macht übernimmt, wie ein Schlag ins Gesicht anfühlen mussten: »Was? Jesus, der Retter, wird in einem popeligen Stall geboren? Teilt sich die Krippe mit irgendwelchem Viehzeug? Und wird von schmuddeligen Hirten bestaunt?«
»Ja«, sagt Lukas, »so war’s. So kam Jesus zur Welt. Ziemlich unköniglich. Er ist dennoch der angekündigte Retter. Allerdings erfüllt er seinen Auftrag ganz anders, als ihr denkt.« Als Kronzeuge dafür, dass Jesus trotzdem der erwartete Gottesmann ist, taucht zumindest ein Engel auf, der herumposaunt: