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Dieses eBook: "Johanna D'Arc" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Alexandre Dumas der Ältere (1802-1870) war ein französischer Schriftsteller. Ein Markenzeichen von Dumas' Romanen sind fiktive oder pseudohistorische Protagonisten (zum Beispiel der Musketier d'Artagnan), deren Abenteuer in einen Kontext historischer Ereignisse und historischer Persönlichkeiten gestellt werden. Die bekanntesten, immer wieder aufgelegten und nicht nur von Jugendlichen gelesenen Romane sind: Die drei Musketiere, Zwanzig Jahre danach, Königin Margot, Der Graf von Monte Christo und Der Mann mit der eisernen Maske, Das Halsband der Königin. Aus dem Buch: "Johanna hörte das Urteil mit ziemlicher Ruhe vorlesen. Seit den sieben Monaten, während welcher sie in den Händen der Engländer war, hatten ihn Gefangenenwärter ihr so grausame Qualen zugefügt, dass sie oft diesen Tod anrief, der endlich erschien, und übrigens ihr öfters von ihren Stimmen war vorhergesagt worden. Aber die Art dieses Todes war im Urteile nicht ausgedrückt; Johanna fragte also, welche Todesart ihr beschieden sei, und man antwortete ihr . . . den Flammentod."
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Seitenzahl: 271
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Historischer Roman aus dem Leben der Jungfrau von Orleans
Übersetzer: Friedrich Wilhelm Bruckbräu
Am Tage der Heiligen Drei Könige im Jahre unseres Herrn 1429, gegen zehn Uhr Morgens, ritt ein völlig gewappneter Ritter auf seinem Schlachtrosse, gefolgt von seinem Schildknappen und von seinem Pagen die einige Schritte hinter ihm sich hielten, in das Dorf Domremy, welches man Domremy-les-Greux nannte, und das seitdem diese zweite Benennung verloren hat: da er, der Kirche gegenüber angekommen, sah, dass das heilige Messopfer noch nicht beendigt war, hielt er an, stieg von seinem Rosse ab, gab seinen Helm, seinen Degen und seine Sporen seinem Pagen und ging, also, entwaffnet, die vier Stufen hinauf, die zur Vorhalle der Kirche führten, mit dem festen und zuversichtlichen Gange des Edelmannes, mitten durch die Bauern schreitend, von denen das Haus des Herrn dergestalt wimmelte, dass die zuletzt Gekommenen waren genötigt worden, sich auf die Stufen und selbst auf die Straße zu knien.
Aber der edle Kriegsmann, wie man leicht begreift, gehörte nicht zu jenen, welche demütig vor der Tür bleiben; daher brach er sich Bahn durch dieses Gedränge das übrigens, bei dem widerhallenden Dröhnen seiner Schritte, von selbst sich öffnete, und kniete sich ebenfalls zu dem kleinen eisernen Gitter hin, das den Priester von den Anwesenden trennte, so zwar, dass er sogar weiter vorne war, als die Kirchensänger, und zwischen dem Priester und ihm nur der Sakristan und die Chorknaben sich befanden. Zum Unglücke für die religiösen Wünsche des guten Ritters, hatte er sich ein wenig spät eingestellt, und da die Messe in dem Augenblicke seines Eintrittes sich ihrem Ende näherte, kaum Zeit gefunden, ein Vater Unser zu beten, als der Priester die sakramentlichen Worte sprach, verkündend, dass der Gottesdienst zu Ende sei, und «a ihm vorüberging, in die Sakristei das silberne Cilborium forttragend, das er so eben zur Comminumon benützt hatte.
Bei dieser Verkündigung und diesem Aufbruch des die Messe lesenden Priesters, stand, wie es Sitte ist, Jedermann auf, machte das Zeichen des Kreuzes, und ging der Tür zu, mit Ausnahme des Ritters, welcher ohne Zweifel mit seinem Gebete noch nicht fertig, der Letzte von Allen vor dem Chore knien blieb, und mit einer Andacht zu Gott betete, die, von diesem Jahrhunderte an, unter den Kriegsmännern sehr selten zu werden begann; daher begab sich, entweder weil die Landsleute ob dieser Frömmigkeit betroffen waren, oder bei dem Anblicke eines Mannes, der dem Adel anzugehören schien, von ihm Nachrichten über die Staatsangelegenheiten zu erhalten hofften, welche zu jener Zeit misslich genug waren, um die Vornehmsten des Königreiches wie die geringsten Dorfbewohner zu beschäftigen, nur ein unbedeutender Teil der Gläubigen nach Hause, die Mehrzahl blieb, ungeachtet einer ziemlich heftigen Kälte, veranlasst durch zwei oder drei Zoll hohen Schnee, die während der Nacht gefallen waren, auf dem Platze, Gruppen bildend, jedoch ohne dass, trotz der guten Lust, die Jeder von Ihnen dazu hatte, auch nur ein Einziger unter allen diesen wackeren Leuten sich befand, der den Pagen oder den Schildknappen zu fragen wagte.
Unter diesen Gruppen befand sich eine, die, ohne dem Anblicke etwas Merkwürdigeres, als die übrigen, zu bieten, dennoch die Aufmerksamkeit des Lesers fesseln mag. Diese Gruppe bestand aus einem Manne von ungefähr achtundvierzig bis fünfzig Jahren, aus einer Frau von vierzig bis fünfundvierzig, aus drei jungen Leuten und einem jungen Mädchen. Der Mann und die Frau, obgleich, wegen der harten Feldarbeiten, ein wenig älter aussehend, als sie wirklich waren, schienen dennoch eine kräftige Gesundheit zu genießen, die dazu beitragen mochte, die Heiterkeit des Gemütes zu unterhalten, welche man in ihren Mienen las; die drei jungen Leute, von denen die beiden Älteren, der Eine fünfundzwanzig, der Andere vierundzwanzig Jahre, alt sein konnten, und der Dritte sechzehn zu zählen schien, waren kräftige Ackerleute, und seit ihrer Geburt, wie man wohl sah, von jenen tausend kleinen Unpässlichkeiten befreit, welchen die schwächliche Gesundheit des Kindes der Städte ausgesetzt ist; daher schienen sie fröhlich und wacker die Last der erblichen Arbeit tragen zu können, zu der Gott den Menschen verdammte, als er ihn aus dem irdischen Paradiese verjagte; das junge Mädchen endlich war eine dicke und frische Bäuerin, an welcher man, ungeachtet der milderen Formen des Weibes, und obgleich sie kaum neunzehn Jahre zählte, noch die kräftige Natur ihres Vaters und ihrer zwei älteren Brüder erkennen konnte.
Obgleich diese Gruppe am nächsten derjenigen stand, die der Page, der Schildknappe und die drei Pferde bildeten, schien doch keine von den Personen derselben entschlossen, anders als mit den Augen die Diener des Ritters zu fragen, da der Page durch die verachtende und spöttische Miene seines Gesichtes, und der Schildknappe durch eine Physiognomie sie einschüchterte, deren brutaler Ausdruck bis zur Wildheit ging: sie begnügten sich also, sie schweigend anzuschauen, und unter sich mit leiser Stimme einige Vermutungen zu wechseln, als ein Bauer, eine von den nahen Gruppen verlassend, jener sich näherte, die wir der Aufmerksamkeit unserer Leser empfahlen, und dem Manne auf die Schulter klopfend, den wir als das Haupt der Familie bezeichneten, zu ihm sagte:
»Wohl an, Bruder Jakob, weißt Du mehr, als die Andern, und kannst Du uns sagen, wer jener Ritter ist, der ein so langes und so frommes Gebet in unserer Kirche verrichtet?«
»Meiner Treue, Bruder Durand,« antwortete jener, an den die Frage gestellt wurde, »Du würdest mir einen großen Dienst erweisen, wolltest Du selbst es mir sagen, denn ich erinnere mich nicht, sein Gesicht jemals gesehen zu haben.«
»Er ist ohne Zweifel einer von jenen Capitainen, die unser unglückliches Land durchstreifen, weit mehr um ihre eigenen Angelegenheiten zu besorgen, als jene unseres armen Königs Karl VII, den Gott behüte, und ohne Zweifel ist er bis zuletzt in der Kirche geblieben, um sich zu überzeugen, ob die Gefäße und Leuchter von Silber seien, und der Mühe lohnten, gestohlen zu werden.«
»Bruder, Bruder,« murmelte Jakob, den Kopf schüttelnd, »obwohl das Alter Dich von diesem Fehler geheilt haben sollte, bist Du noch immer schnell und leicht» sinnig in Deinen Äußerungen, als ob Du erst fünfundzwanzig Jahre zähltest. Es ist weder schön noch gut, das Betragen des Nächsten so ohne Grund zu tadeln, vorzüglich wenn dieses Betragen keinen Anlass zum Tadel gab, und ganz im Gegenteil sich als jenes eines Ehrenmannes und frommen Ritters betätigte.«
»Nun denn,« versetzte Durand, »wenn Du seiner Höflichkeit so gewiss bist, warum gehst Du nicht dreist zu ihm hin, und fragst ihn nicht, woher er komme, und wer er sei?«
»O! wenn Hannchen da wäre,« äußerte der Jüngste der drei Brüder, »würde sie es uns wohl sagen.«
»Und warum glaubst Du, dass Deine Schwester mehr davon wüsste, als wir, Peter? Hat sie diesen Ritter jemals gesehen?«
»Nein, mein Vater,« murmelte der junge Mensch, »ich glaube nicht, dass sie ihn jemals gesehen hat.«
»Wie kommst Du also auf den Gedanken,« fragte Jakob mit einer strengen Miene, »dass sie, da sie ihn niemals sah, wissen könne, wer er ist?«
»Ich habe unrecht gehabt, mein Vater,« entgegnete der junge Mensch, dem die ersteren, von ihm gesprochenen Worte gleichsam wider seinen Willen entschlüpft waren; »ich hätte nicht sagen sollen, was ich sagte, ich sehe es ein.«
»In der Tat, bemerkte Meister Durand mit einem plumpen Lachen, »in der Tat, Bruder, wenn Deine Tochter Seherin und Wahrsagerin ist, wie man sagt, konnte sie vielleicht wissen . . .«
»Stille, Bruder, versetzte Jakob mit jenem Tone patriarchalischen Ansehens, welches in unsern Tagen in der Strohhütte unserer Landleute das Haupt der Familie noch bewahret hat; »stille; mehr brauchte es nicht, als was Du so eben davon sprachest, um uns, wären Deine Worte von feindlichen Ohren vernommen worden in einen schlimmen Handel mit dem Official von Toul zu verwickeln. »Weib,« fuhr er fort, »wo ist denn Johanna, und warum nicht hier bei uns?«
»Sie wird in der Kirche geblieben sein, um zu beten, antwortete jene, an welche Jakob diese Frage stellte.
»Nein, meine Mutter, sagte der junge Mensch, »sie ging mit uns heraus, begab sich aber nach Hause, um Körnchen für ihn Vögel zu holen.«
»Wahrhaftig, da kommt sie,« erwiderte die Mutter, einen Blick in die Straße werfend, in der sie wohnte; dann kehrte sie sich zu ihrem Manne, und fuhr mit einer schier flehenden Stimme fort: »Jakob, mein. Mann, zanke dieses arme Kind nicht aus, ich bitte Dich darum.«
»Und warum sollte ich Johanna aus zanken?« versetzte Jakob; »sie hat nichts Böses getan.«
»Nein, aber bisweilen fährst Du sie härter an, als es vielleicht passend sein dürfte. Es ist nicht ihre Schuld, wenn ihre Schwester zweimal so stark ist, als sie; zuvörderst ist jene achtzehn Monate älter, als sie, und in diesem Alter machen achtzehn Monate viel aus; ferner bringt Johanna, wie Du weißt, manchmal ganze Nächte im Gebete zu, so dass man ihr deshalb nicht zürnen darf, wenn sie den Tag über bisweilen wider ihren Willen einschläft, oder wenn es nach ihrem Erwachen scheint, dass ihre Seele noch schläft, so fremd bleibt ihr Leib Allem, was man ihr sagt. Aber bei allem dem, Jakob, ist Johanna eine gute und fromme Tochter; glaube, was ich Dir sage.«
»Und bei allem dem, Weib, siehst Du Wohl, dass Jedermann über sie lacht, und selbst mein Bruder, der ihr Oheim ist. Es ist kein Segen in einer Familie, wenn sie derlei Sehende zählt, die man bald für Verrückte und bald für Propheten zu halten versucht wird.«
»Deiner Ansicht unbeschadet, mein Vater,« bemerkte Peter, »Johanna ist geeignet, den Segen des Herrn in jede Familie zu bringen, der sie angehören würde, wär's auch die Familie eines Königs.«
»Kind,« sagte Jakob, »nimm ein Beispiel an Deinen Brüdern, die kein Wort reden, obgleich sie älter sind, als Du, und die Männer und Greise sprechen lassen.«
»Ich schweige, mein Vater,« antwortete ehrerbietig der junge Mensch.
Inzwischen näherte sich das junge Mädchen, welches der Gegenstand des Gespräches war, langsam und ernst; es war ein schönes Kind von kaum siebzehn Jahren, groß, geschmeidig und gut gebaut, und dessen Gang etwas Ruhiges und Zuversichtliches hatte, das nicht der Erde angehörte; es war mit einem langen Rocke von azurblauer Wolle angetan, jenen Röcken gleich, in welche Beato Angelico die göttlichen Formen seiner Engel hüllt, und den an der Taille ein Strick von der nämlichen Farbe gürtet; es trug auf seinem Kopfe eine Art von Mütze von gleichem Stoffe, wie der Rock, das Ganze ohne irgend eine Verzierung von Silber oder Gold, und doch schien sie mit ihren schwarzen Augen, ihren blonden Haaren und ihrem blassen Teint, obwohl die Einfachste von Allen, die Gebieterin der jungen Mädchen des Dorfes.
Jeder von den Sprechenden, die wir so eben auf den Schauplatz brachten, sah das junge Mädchen mit einem verschiedenen Ausdrucke der Physiognomie sich nähern: Meister Durand, mit jenem unsern Bauern so eigentümlichen schalkhaften Lächeln; Jakob, mit jener Ungeduld des Mannes, der eine Gelegenheit finden mochte, sich zu ärgern,, und sie vergebens sucht; die Mutter, mit jener schweigenden und beschützenden Besorgnis, mit welcher Gott selbst die Weibchen der Tiere begabte; die Beiden älteren Brüder, mit Unbekümmertheit; die Schwester, mit jener Lustigkeit, welche bewies, dass sie in dem so eben statt gefundenen kleinen Zwiste nichts sehr Ernstes gesehen hatte., und Peter, mit jener Ehrerbietung, die er nicht nur für seine ältere Schwester fühlen musste, sondern die er auch für eine Heilige gefühlt hätte. Das junge Mädchen näherte sich immer ihrer Familie, aber ihre unbestimmten, obgleich auf diese viel geliebte Gruppe gehefteten Blicke, verkündeten sichtbar, dass die ihrem Leibe mitgeteilte Bewegung ganz maschinenmäßig war, und die Augen der Seele, den Augen des Leibes die Sorge überlassend, sie zu geleiten, anderswohin schauten.
»Sei willkommen, Nichte Johanna,« sagte Meister Durand; »wir Alle wissen nicht, wie wir es anstellen sollen, um zu erfahren, wer jener Ritter ist, und Dein Bruder Peter da behauptet, dass Du, wenn Du so gütig sein möchtest, es uns sagen könntest.«
»Welcher Ritter?' fragte Johanna.
»Jener, der in die Kirche hineingegangen ist,« antwortete Durand.
»Ich Hab' ihn nicht gesehen,« versetzte Johanna.
»Wenn Du ihn nicht gesehen hast,« fuhr der Fragende fort, »so hast Du ihn wenigstens hören müssen, denn er machte mit seinem Panzerhemd und mit seinen eisernen Sandalen ein so großes Geräusch, dass selbst de» Priester sich umwendete, um zu wissen, wer so eintrat.«
»Ich Hab' ihn nicht gehört,« sagte Johanna.
»Wenn Du ihn weder gesehen noch gehört hast,« äußerte Jakob in übler Laune, »was Tatest Du dann, und an was dachtest Du also?«
»Ich verrichtete mein Gebet, und dachte an mein, Seelenheil,« antwortete Johanna sanft.
»Nun denn, wenn Du ihn nicht gesehen hast, so schau, denn da kommt er,« entgegnete Durand, indem « ihr mit dem Finger den Ritter wies, der in diesem Momente auf der Türschwelle erschien.
»Er ist's!« rief Johanna aus, indem sie blässer als gewöhnlich wurde, und sich auf die Arme ihres jungen Bruders stützte, wie wenn sie fühlte, dass ihre Beine sie nicht mehr tragen wollten.
»Wer er?« fragte Jakob mit einem mit Unruhe gemischten Erstaunen.
»Der Capitain Robert von Beaudricourt,« antwortete Johanna.
»Und wer ist dieser Capitain Robert von Beaudricourt?« fragte Jakob immer erstaunter.
»Ein tapferer Ritter,« versetzte Johanna, »der zur Partei des edlen Dauphin Karl hält, in der Stadt Vaucouleurs.«
»Und wer hat Euch alle diese sauberen Sachen gesagt, Plaudertasche, die Ihr seid?« rief Jakob aus, der seinen Zorn nicht mehr bewältigen konnte.
»Er ist's!« entgegnete Johanna; »dies ist Alles, was ich Euch sagen kann, mein Vater; denn jene, die es mir gesagt haben, können sich nicht täuschen.«
»Meiner Treue,« äußerte Meister Durand, »ich will es genau wissen; und wenn dieses Kind die Wahrheit gesagt hat, so will ich mit verbundenen Augen Alles glauben, was ihr fortan belieben wird, mir zu erzählen.«
Bei diesen Worten verließ Meister Durand die Gruppe, an welcher er Theil nahm, und ging, seinen Hut in die Hand nehmend, auf den Ritter zu, der so eben wie» der de n Zügel aus den Händen seines Pagen genommen hatte, und zu Pferd zu steigen sich anschickte. Als der Ritter nun sah, dass dieser Bauer in der offenbaren Absicht ihm sich näherte, mit ihm zu sprechen, stützte er den Arm auf den Sattelknopf, kreuzte ein Bein über das andere, und wartete.
»Herr Ritter,« sagte dann Meister Durand mit der schmeichelndsten Stimme, die ihm zu Gebote stand, »wenn es wahr ist, wie Jemand so eben sagte, dass Ihr der tapfere Capitain Robert von Beaudricourt seid, von dem wir so rühmlich sprechen hörten, so hoffe ich, dass Ihr einem armen Bauer, der aus Herzensgrunde Armagnac ist, die Frage verzeihen werdet, ob Ihr nicht aus der Gegend der Loire kommt, und ob Ihr uns nicht irgend eine gute Nachricht von unserm Herrn, dem Könige Karl dem Siebenten, geben könntet?«
»Mein Freund,« antwortete der Ritter mit einem leutseligeren Tone, als dessen der Adel gewöhnlich sich zu bedienen pflegte, um mit diesem Schlage von Leuten zu reden, »ich bin wirklich der Capitain Robert von Beaudricourt, und jener, der Dir meinen Namen sagte, täuschte Dich nicht. Was die Nachrichten vom Könige, betrifft, so sind sie unbedeutend, denn mit den Sachen geht es täglich schlimmer in dem armen Königreiche Frankreich, seit dem Treffen an der Brücke von Montereau.«
»Und doch, um Vergebung, Herr, wenn ein so armer Mann, wie ich, von so hohen Personen spricht,« fuhr Meister Durand fort, durch den Ton des Ritters kühn geworden, »aber es dünkt mir, dass Alles besser ging, seitdem der Herr Connetabel Arthur von Richemond dem Herrn von Beaulieu sein Recht widerfahren ließ, und in die Umgebung unseres viel geliebten Königs den Herrn Georg de la Trémoille brachte.«
»Ach! ganz im Gegenteil, und Ihr bedürft wirklich sehr der Nachrichten, mein Freund, wenn Ihr hiewegen mehr noch nicht wisst, als dies,« versetzte der Ritter, den Kopf schüttelnd; »der Herr de la Trémoille hat Ärgeres getan, als der Herr von Beaulieu; denn kaum war er in Gunst gestanden, als er sie benützte, um den Connetabel zu entfernen, und den König so zu Hintergehen, dass, Gott verzeihe es ihm, Monseigneur Karl nur noch durch die Augen seines Günstlings sieht, so zwar, dass bei ihm nur mehr Tanneguy Duchâtel, der Präsident Houret, und der Meister Michel le Massen bleiben, die Dreifaltigkeit des Teufels, die ihn geraden Weges in die Hölle führt.«
»Aber ich glaubte,« erwiderte Durand, der sich nach und nach vom ganzen Dorfe umgeben sah, und auf die leutselige Art ganz stolz war, auf welche der Ritter mit ihm sprach, »ich glaubte, dass der König von Schottland versprochen hatte, seinen Vetter Johann Stuart mit einer beträchtlichen Anzahl Schotten nach Frankreich zu schicken, um den braven Capitainen zu Hilfe zu kommen, die, wie Ihr, weder Engländer, noch Burgunder geworden sind, und noch das Feld behaupten.«
»Schotten, Engländer, Irländer,« murmelte Herr Robert von Beaudricourt, »sind Alle Hunde, aus dem nämlichen Hundestall hervorgehend, und, wie ich sehr befürchte, nach dem nämlichen Ziele rennend. Ereigne sich der völlige Sturz des Königreiches Frankreich, und Ihr werdet sie Alle in die Stücke sich teilen sehen, wie eine Meute in das Jägerrecht. Zudem, wie sehr sie nun eilen mögen, so fürchte ich sehr, gesetzt, sie kommen, dass sie nicht rechtzeitig kommen, um die gute Stadt Orleans zu retten, die das letzte Bollwerk ist, welches der König an der Loire besitzt, und der Graf von Salisbury zum Hohn des feierlichen Versprechens belagert, das er in England Monseigneur dem Herzog von Orleans machte, nicht Domainen mit Krieg zu überziehen, die ihr Gebieter nicht verteidigen könne, da er ein Gefangener ist.«
»Und da jeder Meineid eine unmittelbare, dem Himmel zugefügte Beleidigung ist,« äußerte eine sanfte Stimme, die sich zur Seite des Meisters Durand vernehmen ließ, »so hat der Herr erlaubt, dass der Treulose ob der seinigen bestraft wurde.«
»Was will dieses junge Mädchen damit sagen?« fragte Robert von Beaudricourt, erstaunt, dass ein so junges Kind in ein Gespräch sich mischte, das sehr wenige von jenen, die sich da befanden, zu führen fähig gewesen wären.
»Ich will damit sagen,« antwortete Johanna mit der nämlichen sanften und bescheidenen, aber ruhigen und zuversichtlichen Stimme, »dass bereits vor achtzehn oder zwanzig Tagen wenigstens, der Graf von Salibury mit einer Todsünde gestorben ist, von einem Kanonensplitter getroffen.«
»Und woher weißt Du so wichtige Neuigkeiten, junges Mädchen, da ich selbst sie noch nicht weiß?« entgegnete der Ritter lachend.
,O! gebt nicht Acht auf sie, Herr,« rief Jakob eilig aus, indem er zwischen seine Tochter und Robert von Beaudricourt trat; »dieses Kind ist eine Unwissende, die nicht weiß, was sie sagt.«
»Und wüßte sie es,« versetzte der Ritter, »wäre auch der Graf tot, wie Eure Tochter es verkündet, wackerer Mann, den ich vermute, dass sie Eure Tochter ist. . . .«
»Ach! ja,« murmelte Jakob, »und sie macht uns Allen viel Verdruss.«
»Wohl an, wäre er auch tot, bleiben nicht für Einen Gestorbenen zehn Andere übrig, fast eben so mächtig, wie er? Bleiben nicht der Graf von Suffolk übrig, Herr Wilhelm de la Poule, Herr Johann Falstaf, Herr Robert Héron, die Seigneurs von Gray, von Talbot von Scales, Lancelot von Lille, Gladesdale, Wilhelm von Rochefort und so viele Andere?«
»Und bleiben uns,« erwiderte Johanna lebhaft werdend, »und dem edlen Dauphin, unserm Herrn, nicht der Herzog von Alencon, der Graf von Clermont, der Graf von Dunois, Vignoles de la Hiré, Poton von Vaintrailles, und so viele Andere, eben so Tapfere und Loyale, wie Ihr, Herr, und bereit, wie Ihr, ihr Leben für das Wohl des Königreiches zu opfern? Bleibt nicht ferner, am Schlusse von allem dem, auch noch Unser Herr Jesus Christus übrig, welcher Frankreich liebt, und nicht gestatten wird, dass es in die Hände unserer Feinde falle, der Engländer und Burgunder?«
»Ach! ach! Herr, verzeiht diesem Kind, dass es Euch also widerspricht,« rief Jakob höchst betrübt aus; »aber, ich sagte es Euch, es gibt Augenblicke, in denen sie so seltsame Dinge spricht, dass man sie für verrückt halten möchte.«
»Ja,« entgegnete der Ritter traurig, »ja, sie muss verrückt sein, um eine Hoffnung zu bewahren, die der König selbst nicht mehr hegt, und um zu glauben, dass Orleans widerstehen wird, während nicht nur die Hauptstadt, sondern auch die guten und befestigten Städte Nogent, Fargeau, Sully, Jaurille, Beaugency, Marchenois, Rambouillet, Montpipeau, Thoury, Pithiviers, Rochefort, Chartres und selbst Mons, eine nach der andern sich ergeben haben; während von den vierzehn Provinzen, die der weise König Karl V. dem unsinnigen Könige Karl VI, hinterlassen hat, nur mehr drei seinem Sohne übrig bleiben. Nein, nein, gute Leute, das Königreich Frankreich ist wegen der großen Sünden verdammt, die darin begangen wurden.«
»Die Sünden der Menschen, wie groß sie auch sein mögen, sind für die Vergangenheit und Zukunft durch das Blut Unseres Herrn getilgt worden,« versetzte Johanna mit einer außerordentlichen Zuversicht, und zum Himmel ihre Augen voll göttlicher Eingebung, hebend, »das Königreich Frankreich wird nicht zu Grunde gehen, müsste auch Gott ein Wunder wirken, um es zu retten.«
»Amen,« antwortete der Ritter, sich auf sein Roß schwingend und bekreuzend; »inzwischen, gute Leute,« fügte er bei, im Sattel sich zurecht setzend, »wenn die Burgunder noch einmal kommen sollten, um das Dorf Domremy zu plündern, so macht es eiligst Robert von Beaudricourt zu wissen, und er müsste, so wahr er ein Edelmann ist, anderswo sehr beschäftigt sein, wenn er Euch nicht zu Hilfe käme.«
Bei diesen Worten setzte der Capitain, der zu Domremy länger verweilt hatte, als er es zu tun gedachte, seinem Rosse beide Sporen ein, und ritt im scharfen Trabe auf dem Wege von dannen, der nach Vaucouleurs führte, von seinen beiden Dienern gefolgt, und von den Segnungen aller Landleute begleitet, die ihm nachschauten, so lange sie ihn erblicken konnten.
Als er verschwunden war, wendete Jakob sich um, um Johanna wegen ihrer so eben betätigten großen Keckheit auszuzanken; aber er rief ihr und suchte sie vergebens; Johanna war nicht mehr da, und weil das ganze Dorf mit dem Wegreiten des Herrn von Beaudrirourt beschäftigt war, hatte Niemand von den Landleuten bemerkt, nach welcher Seite hin das junge Mädchen fortgegangen war.
Wirklich hatte Johanna, sobald sie die Vorkehrungen zum Aufbruch des Ritters bemerkte, den um ihn herum gebildeten Kreis verlassen, und entfernte sich nun mit demselben langsamen und ruhigen Schritte, mit dem sie gekommen war, den Weg entlang, der nach Neuschâteau führt, ohne dem Anscheine nach zu beachten, dass der Boden, wie gesagt, mit zwei Zoll Schnee bedeckt war.
dies geschah, weil dieses seltsame junge Mädchen, dessen Geschichte wir zu schreiben unternahmen, in nichts seinen Gefährtinnen ähnlich war; ihre Geburt, ihre Kindheit, ihre Jugend, wurden von allen jenen weissagenden Zeichen angekündigt, begleitet oder gefolgt, die in den Augen derjenigen, welche sie umgeben, deutlich die Auserwählte des Herrn bezeichnen: man höre, was man damals mit dem Tone des Zweifels von ihr sagte, man Höre, was man seitdem mit der Stimme der Dankbarkeit und des Glaubens wiederholte.
Johanna, oder vielmehr Hannchen, wie man sie noch häufiger nannte, war zu Domremy geboren, einem anmutigen, von der Maas bewässerten, zwischen Neuschâteau und Vaucouleurs gelegenen Thale. Ihr Vater hieß Jakob d'Arc, und ihre Mutter Isabella Romée, Beide bekannt wegen ihrer strengen Redlichkeit, und im Genusse eines fleckenlosen Rufes. Die Nacht, in welcher Johanna geboren wurde, und die jene des Festes der heiligen Drei Könige im Jahre der Gnade 1412 war, woraus hervorgeht, dass zur Zeit, da diese Chronik beginnt, sie gerade siebzehn Jahre zählte, war eine von jenen festlichen Nächten, die der Himmel bisweilen der Erde spendet: obwohl das Wetter um diese Zeit gewöhnlich kalt und regnerisch zu sein pflegt, erhob sich gegen Abend ein sanfter Wind, ganz durch duftet von jenen süßen Wohlgerüchen, die man während der Dämmerung« des Monats Mai einatmet. Da es gegen das Ende eines Ruhetages geschah, dass diese Art von Wunder fühlbar wurde, hatte Jeder diese unverhoffte Wohltat genießen wollen, und die meisten Einwohner waren unter ihren Haustüren geblieben, als gegen Mitternacht ein Stern sich vom Himmel abzusondern schien, und in der Luft einen glänzenden Lichtstreifen furchend, auf das Haus des Jakob d'Arc herabschoß.
Zu gleicher Zeit krähten die Hähne, schlugen mit den Flügeln, und ließen unbekannte Töne vernehmen, obgleich die Zeit, zu welcher sie zu krähen pflegten, noch nicht gekommen war, und Jeder fühlte sich, ohne zu wissen warum, von einer so lebhaften Freude durchdrungen, dass alle Bewohner des Dorfes durch die Gassen zu eilen begannen, einander fragend, was denn so eben im Himmel oder auf Erden sich ereignet habe, wodurch ihr Herz in eine so große Fröhlichkeit versetzt werde. Unter jenen, die so herum eilten, befand sich ein alter Schäfer, wegen des Umstandes bekannt, dass er oft Weissagungen gemacht hatte, die sich verwirklichten, und der nicht nur zu Domremy, sondern auch auf zehn Meilen in der Runde in einem großen Wissensrufe stand; dieser alte Schäfer antwortete, von einigen Personen gefragt: ,.
»Drei vornehme Buhlerinnen haben Frankreich in's Verderben gestürzt, eine Jungfrau wird es retten.«
Man schenkte diesen Worten um so größere Aufmerksamkeit, als sie mit einer alten Prophezeiung Merlin's übereinstimmten, also lautend:
Descendet virgo dorsum sagitari Et flores virgineos obscultavi.
Und Jeder redete lange davon, in der Hoffnung irgend eines großen Ereignisses.
Am folgenden Tage erfuhr man, dass gerade zu dieser Mitternachtsstunde Isabelle Romée, das Weib des Jakob d'Arc, von einer Tochter entbunden wurde.
Am folgenden Tage wurde dieses Mädchen getauft, und erhielt den Namen Johanna. Der Priester, welcher sie taufte, hieß Nynet. Sie hatte zwei Paten und zwei Patinnen. Ihre zwei Paten hießen Johann Barrent und Johann Lingue, und ihre zwei Patinnen Johanna und Agnes.
Ungeachtet aller Zeichen der Vorbestimmung, die bei ihrer Geburt sich kund gaben, verfloss Johanna's Kindheit wie jene der übrigen Kinder; als sie das Alter von sieben Jahren erreicht hatte, verwendeten sie ihre Eltern, wie es bei Landleuten gebräuchlich ist, zur Hütung ihrer Heerde; ein Umstand, den man anfangs nicht beachtete, aber späterhin bemerkte, war: dass nie ein Schaf oder Hammel Johanna's sich verirrte. Wenn irgend ein Lamm sich verlief, brauchte sie ihm bloß bei dem Namen zu rufen, den sie ihm zu geben pflegte, und das Lamm kehrte sogleich zurück. Wenn der Wolf aus dem Walde hervorbrach, brauchte sie ihm bloß mit ihrem Schäferstabe entgegen zu gehen, mit einem einfachen Baumzweige, oder auch nur mit einer Blume, und der Wolf trabte auf der Stelle in den Wald zurück, aus dem er gekommen war. Endlich ereignete sich, so lange sie im väterlichen Hause war, nie das mindeste Unglück darin, und war die erbliche Hütte Zeugin irgend eines Unfalles, so erinnerte man sich späterhin, dass dieser Unfall immer wahrend der Abwesenheit Johanna's eintrat. Johanna erreichte so das Alter von zwölf Jahren, und der Segen Gottes folgte ihren Schritten, aber ohne dass irgend etwas von der Zukunft sich ihr kund gab, für welche sie bestimmt war.
Eines Tages, da sie auf einer zwischen Domremy und Neuschâteau gelegenen Wiese mit mehreren von ihren Gefährtinnen die Heerden hütete, machten die jungen Mädchen den Vorschlag, gemeinschaftlich einen Blumenstrauß zu binden, und wenn er fertig sein würde, ihn zum Preise eines Wettlaufes unter ihnen zu bestimmen. Johanna nahm den Vorschlag an, und wirkte mit den Uebrigen zur Vollendung des Blumenstraußes mit, dann gelobte sie ihn in dem Momente des Fortlaufens, um zu erfahren, wer ihn gewänne, der heiligen Katharina, mit dem Versprechen, denselben auf ihren Altar zu legen, wenn er in ihren Besitz käme; kaum hatte sie dieses Gelübde getan, als das Zeichen zum Aufbruch gegeben wurde, und die jungen Mädchen wie ein Schwaem von Turteltauben dahinstoben; aber bald überflügelte Johanna alle ihre jungen Freundinnen, und zwar mit einer solchen Schnelligkeit, dass ihre Füße kaum den Boden berührten, und jene, die ihr zunächst folgte, nach einer Strecke von hundert Schritten, ganz entmuthigt, mit dem Ausrufe stehen blieb:
»Hannchen! Hannchen! Du läufst nicht auf dem Boden, wie wir, Du stiegst durch die Luft, wie ein Vogel.«
»In der Tat fühlte sich das junge Mädchen, ohne zu wissen, warum und wie, emporgehoben, wie dies bisweilen in einem Traume geschieht, und immer so über den Boden hinstreichend, gelangte sie an das Ziel, und raffte den Blumenstrauß auf; doch da sie den Kopf emporhob, stand ein schöner junger Mann da, den sie nicht gesehen hatte, schaute sie lächelnd an, und sagte zu ihr:
»Johanna, lauft schnell nach Hause, denn Eure Mutter bedarf Eurer.«
Johanna, in der Meinung, dass dieser junge Mann irgend ein Bursche aus Ncuschâteau sei, den ihre Mutter oder ihre Brüder mit diesem Auftrage zu ihr schickten, ließ ihre Heerde unter der Obhut von einer ihrer Gefährtinnen, und machte sich eilig auf den Weg nach Hause; aber auf der Schwelle angekommen, fragte ihre Mutter sie, warum sie vor der gewöhnlichen Zeit zurückkehre, und woher sie komme, und warum sie so ihre Heerde verlasse.
»Habt Ihr mir nicht gerufen?« fragte Johanna.
»Nein,« antwortete die Mutter.
Hierauf legte Johanna ihren Blumenstrauß vor dem Altare der heiligen Katharina nieder, und kehrte wieder durch den Garten ihres Hauses zurück, um nicht die ganze Straße entlang gehen zu müssen, und um so den Weg durch Abschneiden kürzer zu machen; aber im Garten angekommen, hörte sie eine Stimme zur Rechten, von der Kirche her; Johanna hob den Kopf empor, und sah eine leuchtende Wolke; die Stimme kam aus dieser Wolke, und sprach:
»Johanna, Du bist geboren, um wunderbare Dinge zu verrichten, denn Du bist die vom Herrn zur Wiedereinsetzung des Königs Karl auserwählte Jungfrau; als Mann gekleidet, wirst Du die Waffen ergreifen, Kriegsanführer sein, und Alles im Königreiche wird nach Deinem Rathe geschehen.«
Nachdem die Stimme diese Worte gesprochen hatte, hörte sie auf, sich vernehmen zu lassen, die Wolke verschwand, und das junge Mädchen blieb still und unbeweglich, über ein solches Wunder erschrocken.
Späterhin, und nach Johanna's Vollzuge ihrer Mission bemerkte man, dass sie diese erste Erscheinung am 17. August 1424 gehabt hatte, nämlich gerade am Tage der Schlacht von Verneuil, in welcher gefallen waren: der Graf von Douglas, Herr Jakob, sein Sohn, der Graf von Buchan, der Graf von Aumale, Johann von Harcourt, der Graf von Tonnere, der Graf von Bentadour, der Herr von Roche-Baron, der Herr von Samaches, und so viele andere edle und loyale Ritter, dass man diese Schlacht für den Adel Frankreichs eben so verhängnisvoll hielt, als es jene von Crécy, von Poitiers und Azincourt gewesen waren.
Indessen erholte sich Johanna wieder, und schlug wieder den Weg nach der Wiese ein, an ihre Heerde denkend, die sie allein gelassen: ihre Heerde hatte sich von selbst geschart, und wartete vereinigt unter einem schöne n Maibaume auf sie, den man den Baum der Damen oder den Baum der Feen nannte, weil Bauern, die bisweilen bei Nacht heimkehrten, daselbst lange weiße Gestalten tanzen gesehen zu haben behaupteten, welche jedes mal, wenn man sich ihnen näherte, in der Luft zerstoben, oder im Nebel verschwammen. Eine von Johanna's Tanten gehörte ebenfalls zu jenen, die daselbst ähnliche Erscheinungen getroffen zu haben vorgaben; aber obgleich Johanna oft dort mit ihre n jungen Freundinnen tanzte, und vorzüglich sang, hatte sie für ihre Person nie etwas dergleichen gesehen. Dieser Baum stand einem Walde gegenüber, den man den Wald Chenu hieß, und neben einer Quelle, wohin arme fieberkranke Leute in großer Zahl kamen: dieser Baum, einer der schönsten,, die man sehen konnte, und der eine große Berühmtheit allen diesen Erzählungen verdankte, gehörte dem Herrn Peter von Bolemont, Seigneur von Domremy..
Johanna blieb den ganzen Tag in der Umgebung dieses Baumes, den sie sehr liebte, Kronen flechtend zu Ehren der heiligen Katharina und der heiligen Margareth, denen sie eine große Andacht weihte, und Kronen an die Aeste dieses Baumes hängend; brach dann der Abend an, so führte sie ihre Heerde wieder nach Hause.
Da Johanna mit zwölf Jahren groß zu werden begann, und zudem schlank und gut gewachsen war, beschlossen ihre Eltern, sie nicht mehr auf das Feld zu schicken, und dass ihr Bruder Peter, ein Jahr jünger als sie, fortan statt ihrer die Heerde hüten solle; man lehrte sie dann die verschiedenen Nadelarbeiten, die sich für eine Frauensperson schicken, und es gelang ihr bald, hierin eben so geschickt zu sein, als die geschickteste Hausfrau des Dorfes.