Julia Best of Band 245 - Sarah Morgan - E-Book
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Sarah Morgan

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Beschreibung

Dr. ZINETTI BRICHT DAS EIS Stiefel statt Stilettos, Anorak statt Abendkleid: Meg ist eine Naturschönheit. Seit ihrer Trennung lebt sie allein für ihren Sohn und ihre Arbeit bei der Bergwacht. Bis Dr. Zinetti zum Team stößt – ein Italiener, dessen Anblick selbst Gletscher schmelzen lässt! EIN DADDY ZU WEIHNACHTEN? Ihre Tochter wünscht sich einen Daddy! Assistenzärztin Bryony will ihr diesen Wunsch gern erfüllen – aber wie? Ihr bester Freund, Stationsarzt Jack Rothwell, erklärt sich bereit, bei der Suche nach Mr. Right zu helfen. Doch warum ist ihm keiner gut genug für Bryony? GLAUB AN DIE LIEBE, HELEN! Es ist Liebe auf den ersten Blick für Oliver, als er die bezaubernde Helen trifft. Doch nach einer zärtlichen Liebesnacht mit der zurückhaltenden Schönen endet sein Glück jäh: Helens Ex taucht auf und versucht sie mit allen Mitteln zurückzuerobern …

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Seitenzahl: 556

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Sarah Morgan

JULIA BEST OF BAND 245

IMPRESSUM

JULIA BEST OF erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

Erste Neuauflage in der Reihe JULIA BEST OF, Band 245 10/2021

© 2010 by Sarah Morgan Originaltitel: „Dr Zinetti‘s Snowkissed Bride“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Katharina Illmer Deutsche Erstausgabe 2012 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe JULIA PRÄSENTIERT ÄRZTE ZUM VERLIEBEN, Band 53

© 2004 by Sarah Morgan Originaltitel: „The Doctor’s Christmas Bride“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Sofia Mendes Deutsche Erstausgabe 2006 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe BIANCA ARZT SPECIAL, Band 83

© 2004 by Sarah Morgan Originaltitel: „The Nurse’s Wedding Rescue“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Marie Bonnard Deutsche Erstausgabe 2007 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe JULIA PRÄSENTIERT ÄRZTE ZUM VERLIEBEN, Band 8

Abbildungen: Tom Merton, bluejayphoto / Getty Images, alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 10/2021 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751502894

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

Dr. Zinetti bricht das Eis

1. KAPITEL

„D…du h…hast mich gef…funden. Mir ist so k…kalt, Meg. Muss ich st…sterben?“

Der Junge war bei dem wütenden Heulen des Windes kaum zu hören, und Megan spürte die eisige Kälte sogar durch ihre dick gefütterte Jacke.

„Du stirbst nicht, Harry. Und ich darf auch noch nicht sterben, weil ich meine Weihnachtseinkäufe noch nicht erledigt habe …“ Sie sprach lauter, damit er sie hören konnte und sich beruhigte. „Außerdem liegt in meinem Kühlschrank ein Stück verschimmelter Käse, das ich schon längst wegwerfen wollte. Wenn meine Mum das findet, bringt sie mich um. Also los, wir müssen so schnell wie möglich nach Hause!“

Megan öffnete ihren Rucksack und holte die Ausrüstung heraus, die sie brauchte. „Ich habe das Bergrettungsteam angerufen. Sie sind schon unterwegs, aber bis sie ankommen, bringe ich uns erst mal ins Warme.“ Als hätte er etwas dagegen, heulte der Wind noch lauter und erdrückte fast ihren Körper. Sie stützte sich mit einer behandschuhten Hand ab und schützte den Jungen mit ihrem Körper.

Hinter ihnen lagen schneebedeckte, zerklüftete Felsen, und neben ihnen fiel der Berg steil ab in eine tiefe Schlucht.

Megan zog den Kragen ihrer Jacke über den Mund und versuchte, zu Atem zu kommen. Eigensinnig ignorierte sie ihre nagenden Zweifel, ob es bei dem starken Wind überhaupt möglich wäre, den Jungen von dieser gefährlichen Stelle zu evakuieren.

Auf ihren Pfiff erschien Rambo, ein zum Rettungshund ausgebildeter Deutscher Schäferhund. Er trottete zu dem Jungen, setzte sich vor ihn und schützte ihn so vor dem eisigen Wind.

„So, Harry.“ Sie musste schreien, damit er sie überhaupt hörte. „Ich kann dir leider kein warmes Wohnzimmer mit knisterndem Kaminfeuer und geschmücktem Weihnachtsbaum bieten, aber das hier sollte seinen Zweck erfüllen.“ Sie ließ das tragbare Zelt, das sie aus ihrem Rucksack gezogen hatte, aufschnappen. Sofort verfing sich der Wind darin und riss sie beinahe mit. „Ver… ich muss wirklich mehr Schokolade essen.“ Megan zog mit aller Kraft und konnte das Zelt schließlich verankern. Schnell brachte sie den verletzten Jungen hinein. Als sie sich keuchend den Schnee aus dem Gesicht wischte, fragte sie: „Was hast du bloß gemacht, Harry? Du siehst aus wie ein Statist aus einem billigen Horrorfilm.“

Im schwindenden Licht konnte sie die tiefe Schnittwunde an seinem Kopf und die blauen Prellungen sehen.

Harry fasste mit einer blutigen Hand nach seiner Wunde. „Ist es schlimm?“

„Ich habe schon Schlimmeres gesehen.“

„Aber du arbeitest in der Notaufnahme, da ist das nicht unbedingt ein Trost.“

„Du wirst wieder gesund, Harry.“ Megan zog ihre Handschuhe aus und öffnete die Gurte ihres Rucksacks. „Morgen hast du garantiert Kopfschmerzen, aber nach ein paar Tagen Bettruhe ist das auskuriert.“ Sie ließ ihre Stimme sachlich klingen und achtete auf seine Reaktionen, auf Anzeichen von Verwirrung oder Orientierungslosigkeit als Ergebnis der Kopfverletzung. „Warst du bewusstlos?“

„I…ich glaube schon.“

„Weißt du, welcher Tag heute ist?“

„Sonntag“, murmelte er. „Und ich werde tierischen Ärger kriegen, weil ich in die Berge gegangen bin.“ Er schloss die Augen und lehnte sich an ihren Rucksack. „Du fragst mich ja gar nicht, was ich mir dabei gedacht habe, allein hier hochzugehen …“

Weil sie wusste, dass die Unterkühlung ihn schneller umbringen konnte als die Kopfverletzung, deckte Megan den Jungen mit allem zu, was sie hatte. „Das überlasse ich deiner Mum. Rambo und ich kümmern uns nur um die Rettung, nicht um die Erziehung.“

Als sie seine Mutter erwähnte, wurde Harry kreidebleich. „Sie macht sich bestimmt große Sorgen. Ich habe ihr gesagt, dass ich nur für eine Stunde rausgehe.“

„Solche Erlebnisse gehören für eine Mutter dazu.“ Megan untersuchte seine Kopfverletzung, machte ein Foto davon und bedeckte die Wunde dann mit einer sterilen Kompresse, die sie mit einem Verband fixierte.

„Warum fotografierst du mich?“

„Weil das Traumateam den Verband dann nicht entfernen muss, um sich die Verletzung anzusehen.“ Für den Fall, dass er gleich in den OP gebracht werden musste.

Der Wind drückte das Zelt gegen ihren Körper, und Megan lehnte sich gegen das Material, froh, dass sie wenigstens etwas vor dem tobenden Schneesturm geschützt waren. „Als Mum macht man sich immer Sorgen. Jemand vom Bergrettungsteam hat sie bestimmt angerufen und ihr gesagt, dass wir dich gefunden haben. Für deinen Kopf kann ich im Moment leider nicht mehr tun, daher kümmere ich mich jetzt um deinen Arm. Erzähl mir, was passiert ist, als du gefallen bist. Erinnerst du dich daran?“

„Ich bin ausgerutscht und in die Schlucht gefallen, dabei bin ich mit dem Kopf gegen einen Felsen geschlagen.“ Der Junge öffnete die Augen und sah sie benommen an. „Als ich aufgewacht bin, hatte ich Blut im Gesicht, und mein Handgelenk sah irgendwie seltsam aus. Ich konnte den Knochen sehen.“

Megan bemühte sich um einen neutralen Gesichtsausdruck. „Das müssen wir in Ordnung bringen, so kannst du schließlich nicht rumlaufen – die Leute hätten ja Angst vor dir.“

Harry umklammerte ihren Arm mit seiner gesunden Hand. „Ich dachte, ich sterbe allein hier draußen. Als ich Rambos Bellen gehört habe, war ich so froh. Du bist so cool, Meg.“

Vorsichtig schob Megan den Ärmel seiner Jacke hoch, damit sie sich seine Verletzungen ansehen konnte.

„Ich weiß, dass dich das Bergrettungsteam Wolfsmädchen nennt, weil du und Rambo so ein gutes Team seid. Und du bist so fit …“ Er verstummte, und seine Augen fielen zu.

Alarmiert sah Megan auf. „Sprich mit mir, Harry! Erzähl mir, was du dir zu Weihnachten wünschst.“ War er bewusstlos? Hatte er …?

„Jetzt gerade?“ Er hielt seine Augen geschlossen, als koste es zu viel Kraft, sie zu öffnen. „In meinem Zimmer zu liegen. Ich habe das komische Gefühl, dass ich es nie wiedersehen werde.“

„Doch, das wirst du.“ Megan zog den Verbandskasten, den sie immer dabei hatte, aus ihrem Rucksack.

„Meg?“ Seine Stimme klang schwach.

„Ich bin hier.“

„Wir werden es nicht schaffen, oder? Sei ehrlich, ich bin jetzt dreizehn und kein Kind mehr.“

Immer noch ein Kind, dachte Megan mit einem Kloß im Hals. „Wir schaffen es, Harry. Das verspreche ich dir.“ Aber es würde nicht einfach werden. Sie sah auf sein schwer verletztes Handgelenk und seine geschwollene Gesichtshälfte, und ihr Herz zog sich zusammen. Sie machte noch ein Foto vom Handgelenk und schickte es schnell an ihre Kollegen in der Notaufnahme, bevor sie die Wunde mit einer sterilen Kompresse bedeckte und mit einem Verband fixierte. Draußen heulte der Wind, und plötzlich fühlte sie sich schrecklich allein. Was als entspannter Übungsspaziergang für sie und Rambo begonnen hatte, war plötzlich todernst geworden.

Wenn sie sich nicht entschlossen hätte, loszugehen …

Energisch schob sie den Gedanken beiseite, zog ihr Thermometer heraus und überprüfte Harrys Temperatur. Er kühlte aus, dabei hatte sie ihn mit allem zugedeckt, was sie hatte. Sie überlegte gerade, ob sie es riskieren konnte, ihm ihre Jacke zu geben, als Rambo bellte.

Megan war erleichtert. „Schau, Rambo sagt mir, dass Verstärkung angekommen ist. Halt noch ein paar Minuten durch, Harry, dann bekommst du etwas gegen die Schmerzen, und wir bringen dich ins Tal.“

Auf Händen und Knien rutschte sie zum Zelteingang und spähte nach draußen. Durch den wirbelnden Schnee sah sie kräftige Beine auf sich zukommen. Kurz darauf kniete sich ein Mann vor das Zelt, und sie sah in strahlende dunkle Augen, die ihr Herz zum Rasen brachten.

„Na, wenn das nicht unser Wolfsmädchen ist“, sagte der Mann gedehnt.

„Dino, Gott sei Dank bist du hier! Wo ist der Rest des Teams?“

„Ich fürchte, ich bin erst einmal alleine“, sagte er ruhig und nahm seinen Rucksack ab. „Aber Klasse ist doch besser als Masse, wobei du mit mir sogar beides bekommst.“ Er zwinkerte ihr verführerisch zu. „Was du brauchst, ist ein großer, starker Mann, und hier bin ich, also entspann dich, amore. Jetzt kümmere ich mich um alles.“

Megan sah ihn vernichtend an. „Ich bin nicht deine amore und werde es auch nie sein. Und ich brauche dich nicht, damit du dich um alles kümmerst. Ich habe es schließlich bis jetzt allein geschafft, während du wahrscheinlich mit einer dürren Blondine in einem teuren Restaurant essen warst.“

Mit einem aufreizenden Lächeln drängte er sich an ihr vorbei in das winzige Zelt. „Sie war brünett.“

„Dieses Zelt ist nicht groß genug für uns beide“, sagte Megan mit zusammengebissenen Zähnen, aber er ignorierte sie und ließ sich neben dem verletzten Jungen nieder. Seine breiten Schultern drückten gegen die dünne Zeltplane, und es blieb kaum Platz zum Atmen, aber ihn schien das nicht zu stören. Und im Augenblick war es ihr auch egal. Sie würde es zwar niemals zugeben, aber sie war wirklich froh, dass er gekommen war.

Dino Zinetti mochte unverschämt gut aussehen und sie in den Wahnsinn treiben, aber er war auch ein hervorragender Arzt und ein erfahrener Bergsteiger.

„Du hast dir für deinen Ausflug wirklich schönes Wetter ausgesucht, Harry.“ Seine Augen, die sie gerade noch verführerisch angesehen hatten, wirkten jetzt aufmerksam und konzentriert, sein herausforderndes Lächeln war einem beruhigenden gewichen. „Wie gut, dass Megan heute eine ihrer einsamen Wanderungen gemacht hat.“

Harrys Lippen verfärbten sich langsam blau.

Dino überprüfte schnell Puls, Pupillen und andere Reaktionen.

„Glaubst du, der Helikopter schafft es, oder ist das Wetter zu schlecht?“

„Warum willst du hier weg?“ Schmunzelnd wandte sich Dino Harrys gebrochenem Handgelenk zu. „Das hier ist doch der romantischste Ort, um die Nacht zu verbringen. Eine wunderschöne Frau allein mit zwei starken Männern?“

„Ein starker Mann. Ich glaube nicht, dass ich zähle.“ Harry lächelte müde. „Sie sind ziemlich cool, Dr. Zinetti. Wenn ich älter bin, möchte ich so werden wie Sie.“

„Glaub mir, das willst du nicht.“ Megan presste sich gegen das Zelt, um so viel Abstand wie möglich zu ihm zu schaffen. „Dr. Zinetti ist Italiener, nur darum kommt er mit seiner Machotour durch. Du hast diese Entschuldigung nicht.“

„Ich fühl mich nicht so gut …“ Harry fielen die Augen zu, und diesmal öffnete er sie nicht wieder.

Megans Herz zog sich zusammen. Statt darauf zu achten, Dino nicht zu nahe zu kommen, konzentrierte sie sich ganz auf Harry. „Er …“

„Tief durchatmen, Wolfsmädchen“, sagte Dino ruhig. „Im Rucksack habe ich eine Extrajacke und eine Rettungsdecke. Deck ihn damit zu. Seine Temperatur sinkt, und wir sollten vermeiden, dass er auch noch unterkühlt. Es wird Zeit, die Kavallerie zu rufen.“ Er griff in seine Tasche und zog ein Satellitentelefon heraus, während Megan die Stoffschichten um den verletzten Jungen feststeckte.

Dino sprach mit dem Rettungsteam und gab GPS-Koordinaten durch.

„Sie schicken einen Helikopter los.“ Dino runzelte die Stirn, als der Wind das Zelt gegen seinen Rücken drückte.

„Es ist zu stürmisch für den Helikopter.“

„Der Wind hat leicht nachgelassen. Sie wollen es versuchen, auch wenn es hier in der Schlucht nicht leicht wird.“ Er lächelte schief. „Hoffen wir, dass der Windenführer Herausforderungen mag. Kommt Rambo mit lauten Hubschraubern klar?“

„Natürlich. Er ist schon öfter damit geflogen als du.“ Besorgt sah Megan auf Harry, der immer blasser wurde. „Dino …“

„Ich weiß, ich sehe es auch. Er muss schleunigst ins Krankenhaus.“

In dem engen Zelt waren sich ihre Gesichter so nah, dass sie seine dichten Wimpern und den dunklen Bartschatten um sein Kinn sehen konnte. Er war so attraktiv, dass keine Frau an ihm vorbeigehen konnte, ohne ihn begehrlich anzusehen. Außer ihr natürlich. Entschlossen sah sie in die andere Richtung. Sobald sie ihn als attraktiven Mann wahrnehmen würde, wäre sie ernsthaft in Schwierigkeiten. Okay, er hatte umwerfend sexy Augen. Na und? „Fliegst du nicht im Helikopter mit?“

„Nein, ich bleibe bei dir, Wolfsmädchen.“ Plötzlich wirkten diese verführerischen Augen sehr ernst. „Was wolltest du hier oben, Meg? Ein Blizzard ist wohl kaum das passende Wetter für einen Abendspaziergang.“

„Der perfekte Abend für eine Wanderung.“ Megan machte sich erst gar nicht die Mühe, ihm zu erklären, dass sie das wilde Wetter mochte. „Wäre ich zu Hause geblieben, hätte ich Harry nicht gefunden. Ich wollte eigentlich nicht so weit hoch, aber Rambo hatte seine Fährte aufgenommen.“

„Du solltest zu Hause Plätzchen backen oder deine Nägel lackieren.“

Auch wenn sie wusste, dass er sie absichtlich aufzog, setzten ihr solche Bemerkungen immer noch zu. Megan verzog das Gesicht. „Da lasse ich mich lieber bei Windstärke neun von einer Brücke wehen. Aber ich erwarte gar nicht, dass du das verstehst. Die Frauen, mit denen du ausgehst, können ja nicht mal gleichzeitig gehen und blinzeln. Konnte die heutige Flamme wenigstens sprechen und essen?“

„Eifersüchtig, amore?“

„Nein. Lieber steche ich mir eine Gabel ins Auge, als mit dir romantisch essen zu gehen.“

„Ist das so? Du hast seltsame Anwandlungen, Meg Miller.“ Amüsiert sah Dino ihr in die Augen, bevor er sich wieder Harry zuwandte.

„Vielleicht sollten wir …“ Megan brach ab, als Dino ihren Arm berührte.

„Hörst du das? Windstille. Das muss das Sturmzentrum sein.“

Alles, was sie hörte, war das Rauschen des Blutes in ihren Ohren, aber das hatte bestimmt nichts mit seiner Berührung zu tun oder der Tatsache, dass sie sich nicht bewegen konnten, ohne den anderen zu streifen. Plötzlich bemerkte sie, dass das Zelt nicht mehr so heftig flatterte. „Ich kann den Helikopter hören.“ Sie riskierte einen Blick nach draußen und sah Lichter, die sich ihnen von oben näherten. „Sie müssen über der Schlucht schweben.“

Dino kroch aus dem Zelt, um der Helikopterbesatzung zu helfen, und Megans Blick verweilte auf seinen Schultern. Ich bin Sportlerin, sagte sie sich. Es ist nur natürlich, dass mir definierte Muskeln und eine kräftige Statur gefallen.

Als der Helikopter über ihnen schwebte, wirbelte der Abwind den frisch gefallenen Schnee auf und ließ das Zelt flattern. Eilig wurde der Windenführer aus dem Helikopter abgeseilt, und zu dritt schnallten sie Harry sicher auf der Trage fest. Dabei sicherten sie zusätzlich seinen Rücken und Hals. Während er hochgezogen wurde, hielt Dino das Führungsseil fest, um ein gefährliches Schwingen des Windenseils gegen die Wände der Schlucht zu verhindern. Sobald Harry sicher im Helikopter war, ließ die Besatzung das Führungsseil los und verschwand in der Dunkelheit.

Megan fühlte, wie ihr Adrenalinspiegel sank und sich Erleichterung breitmachte, darum kehrte sie ins Zelt zurück, setzte sich, atmete langsam und versuchte, nicht daran zu denken, was alles hätte passieren können.

Sie bedeckte ihr Gesicht mit den Händen. Nur nebenbei bekam sie mit, dass Dino das Führungsseil eingesammelt hatte und jetzt wieder bei ihr im Zelt war. „Ich kenne Harry seit seiner Geburt. Früher habe ich immer geholfen, ihn zu baden.“

„So ein Glückspilz.“ Dino verstaute das Seil in seinem Rucksack und löste dann sanft ihre Hände von ihrem Gesicht. „Das hast du gut gemacht, Wolfsmädchen. Du hast ihm wahrscheinlich das Leben gerettet.“

„Ich lackiere mir vielleicht nicht die Nägel oder backe Plätzchen, aber ich habe auch ein paar Talente.“ Hatte das in Harrys Fall jedoch ausgereicht? Wenn sie ihn nun nicht schnell genug ins Krankenhaus bringen konnten? Jetzt drohte sie plötzlich die Angst zu überwältigen, die sie während der Rettungsaktion unterdrückt hatte. Am liebsten wollte sie sich an Dinos breite Brust schmiegen und einfach nur weinen. Es war ihr egal, dass er ein notorischer Herzensbrecher war und sie seinen Avancen seit Monaten auswich. Sie wollte diese starken Arme um sich spüren. „Dino …“

„Wie gut, dass ich hier bin, nicht? Ein schwaches, hilfloses Mädchen wie du braucht einen großen, starken Mann wie mich, der ihm aus der Patsche hilft.“

Sofort löste sich ihre Angst in Luft auf. „Glaubst du im Ernst, ich brauche deine Hilfe?“

„Sì, natürlich.“ Er begann seine Ausrüstung wieder im Rucksack zu verstauen. „Du bist zu klein und zart, um allein diesen Berg hinunterzulaufen. Der Wind hat zwar nachgelassen, aber das wird nicht lange anhalten. Du wärst nicht fit genug, umso schnell zu laufen, wie du musst. Wir bleiben die Nacht hier, und ich beschütze dich.“ Sein Mund verzog sich zu einem sinnlichen Lächeln. „Nur du und ich hier allein. So hatte ich mir unsere erste Nacht zusammen zwar nicht vorgestellt, aber ich bin flexibel. Hast du zufällig einen Mistelzweig dabei?“

Wut verdrängte die Sorge um Harry. „Wenn ich einen dabei hätte, würde ich dich mit den giftigen Beeren füttern. Ich bin nicht in Stimmung, Dino …“

Ohne Vorwarnung beugte er sich zu ihr, und für einen atemlosen Augenblick dachte sie, er würde sie küssen. Dunkel glitzerten seine Augen, und Megan fühlte etwas, das sie sonst nie zuließ. Als würde sie von einer unsichtbaren Kraft kontrolliert.

Abrupt kam sie wieder zur Vernunft und schob ihn entschieden von sich. „Was zum Teufel hast du vor?“

„Ich wollte dich in Stimmung bringen“, raunte er.

„Ich meinte, dass ich nicht in Stimmung bin für dein Flirten“, krächzte sie, „nichts anderes.“ Es beunruhigte sie, dass ihre Hände zitterten.

„Das hast du gemeint?“ Diese verführerischen Augen neckten sie. „Dann musst du dich deutlicher ausdrücken.“

Ihre Lippen prickelten, und ihr war heiß. „Tu das nie wieder, Zinetti!“

„Was?“ Lächelnd streichelte Dino ihre Wange. „Ich habe doch noch gar nichts gemacht. Aber vielleicht ist das ein günstiger Moment, um dir ein angewandtes Beispiel zu geben, wie man Unterkühlung vermeidet.“

Hastig rutschte Megan so weit von ihm weg, wie es das Zelt zuließ; zu aufgewühlt von ihrer Reaktion auf ihn, um sein kleines, zufriedenes Lächeln zu bemerken. „Bestimmt nicht! Selbst wenn wir die letzten Menschen auf diesem Planeten wären. Da sterbe ich lieber an Unterkühlung.“

„Wunderschöne Megan.“ Seine Stimme klang sanft. „Eine Frau wie du sollte einen Mann in ihrem Leben haben, aber du machst alles allein.“

„So gefällt es mir am besten.“

„Weil du Angst hast?“

„Dino!“ Mühsam beherrschte sich Megan. „Raus aus meinem Zelt. Ich will hier runter, und zwar jetzt. Ich halte es keine Minute länger mit einem süßholzraspelnden Italiener aus. Du bist schlimmer als das Wetter.“

Zu ihrer Überraschung widersprach er nicht, sondern half ihr, die Ausrüstung zusammenzupacken, bevor er die Lampe an seinem Helm einschaltete.

Megan war so wütend und aufgewühlt, dass sie den steilen Hang kaum wahrnahm. Dino blieb während des gesamten Abstiegs vor ihr, so hatte sie Zeit genug, seinen Rücken mit bösen Blicken zu durchbohren und Rachepläne zu schmieden. Vielleicht sollte sie ihn in eine peinliche Situation bringen, während all die Krankenschwestern da waren, die ihn so anhimmelten. Er brauchte dringend eine Lektion.

Sie stapfte und stolperte durch den tiefen Schnee und die Dunkelheit, Rambo zuverlässig an ihrer Seite.

Erst als sie das sichere Tal erreichten und ihr Adrenalinspiegel sank, wurde Megan klar, was Dino getan hatte.

Sie blieb kurz stehen und verfluchte sich insgeheim dafür, dass sie ihn nicht gleich durchschaut hatte.

Dino drehte sich mit gerunzelter Stirn zu ihr um. „Das ist kein guter Ort, um anzuhalten, Wolfsmädchen. Ist irgendwas?“

„Das hast du absichtlich gemacht, stimmt’s?“ Die Windböen rissen sie beinahe um. „Du hast mich wütend gemacht, du …“

Aufreizend lächelnd zuckte Dino die Schultern und ging weiter.

Megan sah ihm böse nach und kam sich unglaublich dumm vor. Es war nur ein Trick gewesen, damit sie sich nicht mehr um Harry sorgte. Schnell folgte sie ihm und holte ihn am Auto ein. „Manchmal machst du mich wirklich wahnsinnig, Dr. Zinetti.“

„Davon gehe ich aus. Brauchst du Hilfe mit dem Rucksack?“ Er nahm seinen eigenen ab und verstaute ihn im Kofferraum.

„Das schaffe ich allein“, fauchte sie. „Und ich komme auch auf einem Berg allein zurecht. Es gefällt mir nicht, dass du …“ Beinahe hätte sie gesagt, „dass du mich so durcheinanderbringst“, aber sie brach rechtzeitig ab. Er sollte schließlich nicht wissen, was der Gedanke, ihn zu küssen, in ihr auslöste.

„Du hättest fast geweint, Wolfsmädchen, und ich konnte da oben auf dem Berg keine hysterische Frau gebrauchen. Lieber habe ich mit zehn Schädelfrakturen zu tun als mit einer hysterischen Frau.“

„Ich war nicht hysterisch und hätte auch nicht geweint.“

„Du warst zittrig, und so schwach hätte ich dich nicht vom Berg herunterbekommen.“

„Schwach?“ Megan holte tief Luft, als ihr das Ausmaß seiner Manipulation klar wurde. „Du hattest nie vor, die Nacht dort oben zu verbringen …“

„Extremüberlebenstraining macht mir zwar Spaß“, er schloss den Kofferraum, „aber ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Du hast nicht gerade viel Körperfett. Dich warmzuhalten, wäre nicht so einfach gewesen. Wo wir gerade davon sprechen, wir sollten aus dem Wind raus.“

Er hatte sie aufgestachelt, und dann hatte er beinahe … und sie hatte beinahe … „Ich hasse dich.“

„Nein, das tust du nicht.“ Er drängte sie gegen das Auto und stützte sich auf jeder Seite von ihr mit den Armen ab, sodass sie nicht entkommen konnte. „Du hast Angst vor dem, was du für mich empfindest, amore, und das verstehe ich, weil es so stark ist.“ Er streichelte mit seiner behandschuhten Hand über ihre Wange und betrachtete sie nachdenklich. „Interessant, oder? Das Wolfsmädchen, das nie einen Mann an sich heranlässt, spürt auf einmal die Chemie.“

Für einen Moment war Megan von seinen dunklen Augen wie hypnotisiert. „Nein, tut sie nicht. Das Letzte, was ich in meinem Leben brauche, ist ein südländischer Macho. Du bist nicht mein Typ und ich bestimmt nicht deiner.“

„Du kennst mich nicht gut genug, um das zu beurteilen.“

„Vielleicht möchte ich das auch gar nicht.“ Sie drückte mit den Händen gegen seine Brust, aber er rührte sich nicht. „Dino …“

Rambo knurrte leise, und Dino gab sie lächelnd frei.

„Ich werde mich hüten, zwischen das Wolfsmädchen und ihren Wolf zu kommen.“ Er sprach mit dem Hund leise auf Italienisch, und Megan fühlte, wie eine Horde Schmetterlinge durch ihren Magen flatterte. Sie würde es nie zugeben, aber seine Worte klangen unglaublich poetisch und sexy.

„Er beschützt mich.“

„Ich weiß. Er ist ein toller Hund. Aber vor mir musst du nicht beschützt werden. Ich bin nicht der Feind.“ Sanft streichelte er Rambos Kopf. „Er hat mich noch nie zuvor angeknurrt.“

„Du hast mich ja auch noch nie an ein Auto gedrückt.“ Sie versuchte nicht zu zeigen, wie verwirrt sie war. Obwohl er sie nicht mehr berührte, spürte sie seinen kräftigen Körper noch immer. „Ich wollte dich wegschieben, und du hast dich nicht bewegt, darum hat er dich gewarnt. Damit sind wir schon zwei.“

„Wird er zulassen, dass du mich mitnimmst? Mein Lamborghini steht vor deinem Cottage.“

„Du bist bei diesem Wetter mit dem Lamborghini gefahren?“ Megan warf einen Blick auf die mit Eis und Schnee bedeckte Straße, bevor sie ihn fassungslos ansah. Seine Augen schimmerten teuflisch, und sein Gesicht war im Mondlicht so atemberaubend attraktiv.

„Ich mag Herausforderungen genauso wie du.“

Und deshalb war er so gefährlich. „Am liebsten würde ich dich zu Fuß von hier nach Hause zu deiner Brünetten schicken. Die kalte Luft dürfte dir guttun.“

„Auf mich wartet niemand, Meg. Und abgesehen davon fahre ich ins Krankenhaus. Sie sind überlastet, und außerdem will ich nach Harry sehen.“

Gereizt atmete Megan aus. „So was macht mich echt wütend! Gerade will ich dir deine Oberflächlichkeit vor Augen führen, und da tust du etwas wirklich … wirklich …“, sie zuckte die Schultern, „Anständiges. Komm, steig ein, bevor ich meine Meinung ändere. Rambo, lass ihn leben. Er wird Harry helfen. Aber das ist auch der einzige Grund, warum du ihn nicht fressen darfst.“

Während sie ihren allradangetriebenen Wagen durch die engen Straßen zu ihrem Cottage lenkte, versuchte sie die Erinnerung daran zu verdrängen, dass er sie beinahe geküsst hätte. „Ich kann nicht glauben, dass du mit dem Lamborghini gefahren bist …“

„Ich war essen, erinnerst du dich? Mit einer Frau.“

„Also gehört der Lamborghini zur Zinetti-Verführungstechnik?“ Aus irgendeinem Grund störte sie das, und sie schaltete ruckartig. „Fallen Frauen wirklich auf so was rein?“

„Alle. Könntest du etwas langsamer fahren, bevor du uns beide umbringst?“

„Ich kenne diese Straße. Du scheinst dich mit ziemlich oberflächlichen Frauen zu treffen.“

„Ich tue mein Bestes. Du fährst zu schnell, Meg.“

„Und das sagt jemand, der einen Lamborghini und einen Ferrari besitzt. Fehlt nur noch, dass du so ein Chauvinist bist, der es nicht ertragen kann, von einer Frau gefahren zu werden.“

Dino klammerte sich an den Sitz. „Ich werde generell nicht gerne gefahren.“

„Weil du ein Kontrollfreak bist.“

„Sì, ich gebe zu, dass ich gern die Kontrolle habe.“ Amüsiert sah er zu ihr hinüber. „Ich bin gerne oben.“

„Das bestätigt nur, dass ich nicht dein Typ bin, weil ich auch gern oben bin.“ Megan gab Gas und genoss, wie er scharf Luft holte. „Zwei Kontrollfreaks sind das perfekte Rezept für eine Katastrophe.“

„Oder für explosive Leidenschaft. Wollen wir herausfinden, was von beidem eher zutrifft?“

Nur für einen Moment verlor sie die Konzentration und spürte, wie ihr Wagen auf dem Eis ins rutschen geriet. Sie lenkte gegen und hatte das Auto schnell wieder unter Kontrolle. „Das war lustig!“ Ihr Herz klopfte wild, und ihr Mund fühlte sich trocken an. „Zumindest bist du jetzt ruhig. Alles okay?“

„Abgesehen von dem Herzinfarkt meinst du?“ Sein sarkastischer Kommentar brachte sie zum Lächeln, und sie bremste leicht ab.

„Warum steht dein Wagen bei mir?“

„Als Harrys Mutter bemerkt hat, dass er nicht da ist, hat sie erst das Team angerufen und dann deine Mutter. Ihr war eingefallen, dass du gerne an der Schlucht spazieren gehst und Harry dich und Rambo oft dort oben beim Training beobachtet hat. Sie hatte gehofft, dass du unterwegs bist, was du ja auch warst. Ich bin also bei dir vorbeigefahren, um mir von deiner Mutter deine Route geben zu lassen.“

Megan umfasste das Lenkrad fester. „Also ist es meine Schuld, weil er mir gefolgt ist?“

„Nein, es ist Harrys Schuld. Er ist ohne die richtige Ausrüstung losgegangen.“

„Er hatte Pech.“

„Oh nein, er hatte Glück.“ Dino zog einen Handschuh aus und bewegte seine Finger. „Schließlich hast du ihn gefunden.“

Sie konzentrierte sich auf die Straße, aber sie spürte, dass er sie ansah. „Rambo hat seine Fährte aufgenommen. Ich wusste nicht einmal, dass er vermisst wird.“

„Wir wollten dich gerade anrufen, als du dich bei uns gemeldet hast.“

„Wie kommt es dann, dass du so schnell bei uns warst und die anderen nicht?“

„Ich war selbst gerade auf dem Weg in die Berge. Sieht so aus, als würden wir unsere Freizeit ähnlich verbringen.“

„Also ist dein Date nicht so gelaufen, wie du es wolltest.“

Er lächelte hintergründig. „Es ist genau so gelaufen, wie ich mir das vorgestellt hatte.“

Und das bedeutete was genau? Er hatte doch gesagt, dass die Brünette nicht auf ihn wartete. Megan verdrängte den Gedanken und hielt vor ihrem Cottage. „Endlich zu Hause. Und du bist immer noch heil.“

„Wunder geschehen doch immer wieder. Danke fürs Mitnehmen. Arbeitest du morgen?“

„Ja. Schau, Dino …“ Sie zögerte. Einerseits wollte sie so schnell wie möglich von ihm weg, aber andererseits das Richtige für Harry tun. „Fahr nicht mit dem Lamborghini. In den letzten Stunden hat es stark geschneit, und dein Auto ist bei schlechtem Wetter eine Katastrophe. Ich fahre dich zum Krankenhaus. Wenn es so schlimm ist, wie du sagst, wird meine Hilfe wahrscheinlich genauso gebraucht wie deine. Ich muss es nur kurz meiner Mum erklären und nach Jamie sehen.“

Megan stieg aus dem Auto und ging über den knirschenden Schnee zu ihrem Cottage. Für einen Moment blieb sie stehen und musterte die erleuchteten Fenster und den Rosenstrauch, der sich neben der Eingangstür unter der Schneelast bog. Jetzt, zwei Wochen vor Weihnachten, hing ein Gesteck aus roten Beeren, Stechpalme und Mistelzweigen an der Tür.

Sie runzelte die Stirn.

Wer hatte die Mistelzweige hinzugefügt?

Die Tür wurde geöffnet, bevor sie überhaupt nach ihrem Schlüssel suchen konnte, und ihre Mutter stand da, eine Schürze um ihre schmale Taille gebunden und mit einer Tasse in der Hand. „Ich habe Ihnen heiße Suppe gemacht, Dr. Zinetti. Sie brauchen etwas Warmes, bevor Sie zurück ins Krankenhaus fahren.“

„Molto grazie. Sie sind wirklich eine Lebensretterin, Mrs. Miller.“ Dino nahm die Tasse dankend an. Der Dampf der Suppe bildete Wolken in der eisigen Luft. „Vielen Dank.“

„Ich habe zu danken. Sie haben mein Mädchen heil wieder nach Hause gebracht.“

„Das habe ich allein geschafft, Mum. Bekomme ich auch Suppe?“ Verärgert zog Megan ihre Mütze vom Kopf und bemerkte sofort, wie sich Dinos Gesichtsausdruck veränderte, als er ihre wirren Locken mit schmalen Augen betrachtete.

Sie spannte sich an. Verglich er ihre schmutzigen, wirren Haare mit der gestylten Frisur, die er vor ein paar Stunden beim Mittagessen vor Augen gehabt hatte? Für einen Augenblick wünschte sie, sie hätte ihre Mütze nicht abgenommen, und dieser Gedanke machte sie wütend. Sie wusste, wer sie war. Während die Mädchen an ihrer Schule mit Lippenstift und Make-up experimentierten, hatte sie gelernt, Landkarten zu lesen, und war in den Bergen gewesen.

Verärgert wandte Megan sich ab. Warum hatte er überhaupt hingesehen? Und warum machte es ihr etwas aus?

Dieser peinliche Moment wurde von der missbilligenden Stimme ihrer Mutter unterbrochen. „Megan, ich habe schimmligen Käse in deinem Kühlschrank gefunden.“

Sie biss die Zähne zusammen und schwor sich, ihre Mutter nie wieder babysitten zu lassen. „Ist Jamie noch wach?“

„Mummy?“ Wie aufs Stichwort stürmte eine kleine Person in einem Batmankostüm auf sie zu. „Wir haben das Haus dekoriert und überall Mistelzweige aufgehängt.“

„Das habe ich gesehen.“ Warum waren plötzlich alle so besessen davon?

„Grandma hat gesagt, dass die Beeren magische Kräfte haben. Wenn du darunterstehst, können aufregende Sachen passieren.“

„Ist das so?“ Megan hockte sich hin und umarmte ihren Sohn. Sofort besserte sich ihre Laune und ihre Anspannung ließ nach. Er roch nach Shampoo und Schlafenszeit, und sein Lächeln war der Höhepunkt des ganzen Tages.

„Hallo Batman.“ Dino lächelte ihn an. „Hast du in letzter Zeit Gotham City gerettet?“

„Ganz oft.“ Jamie umarmte Megan zitternd in dem dünnen Kostüm, das er als Schlafanzug trug, und strahlte Dino an. Aus irgendeinem Grund verehrte ihr Sohn ihn, seit sie mit ihm zusammenarbeitete. „Warum? Brauchst du Hilfe?“

„Wenn, dann bist du natürlich der Erste, den ich frage. Ich muss zurück zum Krankenhaus.“ Dino zog seinen Autoschlüssel aus seiner Tasche.

„Bist du mit dem Lamborghini gefahren? Wow, das ist so cool. Er sieht aus wie das Batmobil. Darf ich mich mal reinsetzen?“

Megan spannte sich an. „Nein, Jamie, du …“

„Nur eine Minute. Biiiittteee!“

Weil sie Dinos unvermeidliche Reaktion und Jamies Enttäuschung vorherahnte, schüttelte Megan den Kopf. „Dino muss los, Jamie. Er ist ein wichtiger Arzt und wird im Krankenhaus gebraucht. Ich weiß, dass du Autos liebst, aber draußen sind minus fünf Grad, und du hast dein Batmankostüm an. Du musst wieder ins Haus.“

„Batman kennt keine Kälte.“

„Du hast Dr. Zinetti gehört, er muss jetzt zum Krankenhaus. Ein andermal vielleicht.“ Megan erwartete, dass Dino die Chance ergriff und ging, aber stattdessen reichte er ihrer Mutter seine leere Tasse und fragte: „Hat Batman einen Mantel oder eine Jacke? Irgendetwas, das er über seinem Kostüm tragen kann?“

Jamie runzelte die Stirn. „Ich friere nicht. Batman ist mächtig und stark.“

„Ich weiß“, antwortete Dino ohne zu zögern. „Aber die Nachbarn könnten zusehen, und du willst doch bestimmt nicht, dass sie wissen, wer du wirklich bist. Ein Superheld hält seine Identität doch geheim.“

Misstrauisch drehte sich Jamie um und sah zu den benachbarten Cottages. „Meinst du, sie könnten herschauen?“

„Man kann nicht vorsichtig genug sein, wenn man die Welt rettet.“ Dino sah ernst aus. „Wenn du ein warmes Kleidungsstück hast, mit dem du dich tarnen kannst, können wir uns ein paar Minuten ins Batmobil setzen und Taktiken diskutieren.“

„Wirklich?“ Jamie strahlte ihn an. „Warte hier.“ Er flitzte ins Haus und kam in seiner warmen Skijacke und Turnschuhen zurück. In der Hand hielt er eine Batmanfigur aus Plastik. Megan runzelte die Stirn, als sie sah, wie aufgeregt er war.

„Jamie, du kannst nicht …“

Aber er ignorierte sie und warf sich in Dinos Arme, der ihn lachend auffing, auf seine Schultern setzte und zum Auto trug.

Jamies begeistertes Kichern klang durch die Nachtluft, und sie stopfte ihre Hände in ihre Jackentaschen, um dem Verlangen zu widerstehen, ihn zurückzuholen. Ihn zu beschützen.

„Dino kann gut mit ihm umgehen.“ Ihre Mutter reichte ihr eine Tasse Suppe. „Ich kann kaum glauben, dass er Jamie dazu gebracht hat, eine Jacke anzuziehen. Das habe ich den ganzen Tag nicht geschafft.“

So weh es tat, Megan musste zugeben, dass Dino fantastisch mit Jamie zurechtkam, und das war das Problem. „Ja.“

„Für Jamie ist es eine gute Abwechslung, einen Mann um sich zu haben. Sie sehen gut zusammen aus, oder? Erwärmt das nicht dein Herz?“

„Eigentlich nicht.“ Megan hatte in ihrem Leben noch nie so gefroren. „Es erinnert mich nur daran, wie wenig Jamie von der echten Welt weiß.“ Wie schnell man verletzt werden konnte.

„Bleib locker, Megan.“

Sie drehte sich um und sah ihre Mutter fragend an.

„Schau mal, wie viel Spaß Jamie hat! Er mag Dino. Und Dino mag ihn.“

„Bis ihm die nächste weibliche Ablenkung über den Weg läuft und er mit jemand anderem spielen kann als mit meinem Sohn. Was dann?“, fragte sie heftig. „Dann muss ich Jamie erklären, warum Dino keine Zeit mehr für ihn hat.“ Sie erschauerte, als Dino den Motor startete und ihr Sohn seiner Leidenschaft für Autos freien Lauf lassen konnte. Der Lamborghini brummte tief, und Jamie sprang begeistert auf dem Beifahrersitz herum.

Weil ihr bewusst war, dass ihre Mutter sie erstaunt ansah, leckte sich Megan die Lippen. „Entschuldige“, krächzte sie. „Ich bin müde. Vielleicht war das etwas übertrieben.“

„Etwas? Megan, wenn es um Männer geht, bist du ein hoffnungsloser Fall.“

„Ich weiß.“

„Nur weil Hayden seinen Hosenstall nicht geschlossen halten konnte, heißt das nicht, dass alle Männer so sind. Du musst darüber hinwegkommen.“

„Das bin ich. Ich lebe ein gutes Leben mit meinem Kind.“ Megan beobachtete, wie Dino den Motor ausschaltete und Jamie ein paar Minuten hinter dem Lenkrad Rennfahrer spielen ließ. „Warum muss sich Jamie auch für Autos interessieren? Darüber weiß ich absolut nichts.“

„Er ist ein kleiner Junge.“ Der Gesichtsausdruck ihrer Mutter wurde weich. „Ein großartiger Junge, und du musst ihm helfen, ein großartiger Mann zu werden. Dazu gehören männliche Vorbilder.“

„Aber er kommt doch mit Männern zusammen.“

„Ich spreche nicht vom Bergrettungsteam. Sie behandeln dich wie einen Kumpel. Ich meine Beziehungen zwischen Mann und Frau. Er muss Männer als Teil deines Lebens kennenlernen. Wann hattest du das letzte Mal eine Verabredung?“

„Du weißt, dass ich nicht ausgehe.“ Sie hauchte ihre Hände an, damit sie warm wurden. „Ich stelle Jamie keine Parade von Männern vor. Was ist, wenn sie mich fallen lassen? Dann wird Jamie verletzt. Nicht mit mir!“

„Vielleicht passiert das auch nicht. Hast du darüber schon mal nachgedacht?“

Megan starrte geradeaus, ihr Atem bildete Wolken in der eisigen Luft. Innerlich kämpfte sie gegen die Erinnerungen, die sie zu überwältigen drohten. „Meine Aufgabe ist es, mein Kind zu beschützen. Das sollten Mütter tun.“

„Beschützt du ihn oder dich selbst?“, fragte ihre Mutter beiläufig. „Wo wir gerade davon sprechen: Wie gut, dass Dino dich heute auf dem Berg gefunden hat und dir helfen konnte.“

„Ich brauchte seine Hilfe nicht.“

„Megan, wann erkennst du endlich, dass es nicht der Sinn des Lebens ist, einen Pokal fürs Gut-allein-Zurechtkommen zu gewinnen?“ Ihre Mutter wirkte plötzlich müde. „Du bist eine fantastische Mum, aber Jamie braucht einen Mann in seinem Leben, und du offen gesagt auch. Es wird Zeit, dass du aufhörst, allen aus dem Weg zu gehen. Wenn du es noch nicht schaffst, einem Mann zu vertrauen, dann nimm dir als guten Vorsatz für das neue Jahr wenigstens vor, Sex zu haben.“

„Sex?“, rief Megan entsetzt und etwas zu laut, als Dino Jamie gerade aus dem Auto hob.

Das Wort hallte durch die Stille.

Dinos Blick traf ihren.

Und sie wusste, dass sie in Schwierigkeiten steckte.

2. KAPITEL

„Mummy, was ist Sex?“

Insgeheim verfluchte Megan ihre Mutter dafür, sie in solche Schwierigkeiten gebracht zu haben. Diese Unterhaltung wollte sie jetzt absolut nicht führen – nicht, wo die Erinnerung an Dinos unwiderstehlich dunkle Augen noch in ihr Gedächtnis eingebrannt war.

Sie überlegte, ob sie nicht einfach das Thema wechseln konnte, aber das gehörte dazu, wenn man alleinerziehend war, oder? „Wenn ein Mann und eine Frau zusammenkommen, um ein Baby zu kriegen, nennt man das Sex.“ Das war ausführlich genug für einen Siebenjährigen.

„Grandma denkt, dass du ein Baby kriegen solltest.“

Megan schluckte. „Nein, Jamie, das meint Grandma nicht.“

„Doch, tut sie. Sie hat mir ganz oft gesagt, dass du heiraten und mehr Babys haben solltest.“

Eigentlich sollte sie ihre Mutter nach oben rufen, damit sie das Chaos in Ordnung brachte, das sie angerichtet hatte. „Jamie, ich werde nicht heiraten.“ Sie deckte ihn zu. „Aber wenn doch, erfährst du es als Erster.“

„Der Mann, den du heiratest, würde es zuerst wissen. Ich wäre der Zweite.“

„Manchmal bist du einfach zu schlau, mein kleiner Superheld.“ Megan küsste ihn auf die Wange, bevor sie seine Nachttischlampe anschaltete. „Welche Geschichte möchtest du hören?“

„Batman. Wenn du nicht heiraten wirst, warum hast du dann so laut ‚Sex‘ gerufen? Und warum hat Dino so doll gelacht?“ Jamie kuschelte sich unter die Decke. „Ich verstehe nicht, warum das lustig ist.“

„Es ist gar nicht lustig. Ich hatte mich mit Grandma unterhalten, und sie war … nun ja, wie sie eben ist.“

„Ich hätte nichts dagegen, wenn du heiraten willst. Besonders wenn es Dino wäre. Das wäre toll.“

„Jamie, ich werde Dino nicht heiraten.“

„Aber es könnte passieren?“

Nie im Leben. „Möglich … man weiß schließlich nie, was passieren wird.“

„Könnte es vielleicht bis Donnerstag passieren?“

Megan blinzelte überrascht. „Warum gerade bis Donnerstag?“

„Da ist Vatertag in der Schule.“ Er klang bedrückt. „Wir sollen unseren Vater oder einen anderen wichtigen Mann in unserem Leben mitbringen, der etwas über seine Arbeit erzählt.“

Megan fühlte sich, als hätte ihr jemand Eiswürfel in den Ausschnitt geschüttet. „Aber es gibt an deiner Schule doch viele Kinder, deren Eltern sich getrennt haben.“

„In meiner Klasse nur Kevin, und der sieht seinen Dad jedes Wochenende. Ich bin der Einzige, der keinen Besuch von seinem Vater bekommt. Freddie King sagt, ich muss ein totaler Verlierer sein, wenn nicht mal mein eigener Vater Zeit mit mir verbringen will.“ Jamie setzte sich auf und rieb mit der Hand über sein Gesicht. Sein kleiner Mund zitterte.

„Das stimmt nicht, Jamie.“ Heißer Ärger verdrängte die eisige Kälte. „Dein Dad ist nicht wegen dir gegangen“, murmelte sie und umarmte ihn fest. „Das habe ich dir doch schon so oft gesagt. Er hat uns verlassen, bevor du geboren wurdest, wie kann es da deine Schuld gewesen sein?“

„Aber der Gedanke an mich hat gereicht, um ihn zu vertreiben.“

„Du hast ihn nicht vertrieben. Ich war einfach nicht das, was er wollte. Dein Dad wollte ein typisches Mädchen, und das bin ich eben nicht. Ich war noch nie gut, wenn es um Haare, Make-up und das ganze Zeug ging.“

Musst du wirklich fragen, warum ich eine Affäre mit Georgina hatte? Weil sie glamourös ist, Meg, darum.

Megan saß ganz still, weil es noch immer so wehtat, auch nach sieben Jahren.

Beruhigt kuschelte sich Jamie wieder unter seine Decke. „Aber du kannst alle wichtigen Sachen. Du bist wie Mrs. Incredible aus dem Trickfilm. Ohne die dehnbaren Arme, aber du kannst, klettern und alles. Das ist so cool.“

Mrs. Incredible. Megan schluckte. „Du findest das vielleicht cool, aber für manche Leute ist es wichtiger, sich mit Nagellackfarben auszukennen, als bei einem Schneesturm Menschen von einem Berg zu retten.“ Liebevoll streichelte sie ihrem Sohn über den Kopf und stand dann schnell auf. Sie war viel zu aufgewühlt, um still sitzen zu können. „Es wird alles gut, Jamie, wir überlegen uns was.“

„Das habe ich schon“, murmelte Jamie leise. „Ich möchte Dino einladen.“

Megan erstarrte. „Zum Vatertag?“

„Warum nicht? Ich mag ihn. Er ist nett.“

Nett? Megan dachte an Dino Zinetti. Haare so dunkel wie die Nacht, ein maskuliner Mund und Augen, die genau wussten, wie sie eine Frau ansehen mussten.

„So würde ich ihn nicht unbedingt beschreiben.“

Jamie sah sie schockiert an. „Findest du Dino nicht nett?“

„Ich sage nicht, dass er nicht nett ist, Liebling.“ Aber konnte man einen sexuell so attraktiven Mann wie Dino so beschreiben? „Er ist … ähm … nett, aber … ich glaube nicht, dass er der ist, den du zum Vatertag mitnehmen solltest.“

„Es muss ja nicht mein Dad sein, nur ein Mann, der in meinem Leben wichtig ist. Du arbeitest doch jeden Tag mit ihm. Fragst du ihn, Mum? Er muss auch nur für eine Stunde kommen und darüber reden, was er macht.“

Dino fragen, ob er in die Schule kam? „Das geht nicht, Jamie.“

Niedergeschlagen sah ihr Sohn sie an. „Okay, dann gehe ich alleine. Das ist schon in Ordnung.“

Megan fühlte sich wie eine echte Rabenmutter. „Okay, ich frage ihn. Aber es kann trotzdem sein, dass er beschäftigt ist.“

„Ich weiß. Er ist Arzt in der Notaufnahme, Mitglied im Bergrettungsteam, und er hat mit 19 Jahren eine olympische Goldmedaille in der Skiabfahrt der Männer gewonnen.“

„Wie bitte?“

„Er hat eine Goldmedaille gewonnen. Wusstest du das nicht?“

„Nein“, antwortete Megan schwach.

„Er ist richtig cool, Mum. Wusstest du, dass er in nicht einmal einer Minute sechs Donuts essen konnte, als er so alt war wie ich?“

Megan dachte an Dinos athletische Statur. „Nein, aber wahrscheinlich hat er damit aufgehört, bevor er die Goldmedaille gewonnen hat. Schlaf jetzt.“ Warum um Himmels willen hatte sie versprochen, mit Dino zu sprechen? „Jamie …“

Ihr Sohn zog sich die Decke bis zum Hals hoch und lächelte sie selig an. „Ich hatte wirklich Angst vor der Schule diese Woche, aber jetzt freue ich mich darauf. Dino ist der Beste. Wenn er kommt und in meiner Klasse spricht, wird mich Freddie nie wieder ärgern. Weißt du, dass wir nur noch fünfzehnmal schlafen müssen bis Weihnachten? Ist das nicht toll? Ich habe sogar schon meinen Wunschzettel geschrieben. Wir haben ihn in den Kamin gelegt.“

Megan öffnete den Mund, um ihm zu sagen, dass sie Dino unmöglich bitten konnte, zum Vatertag zu kommen, aber sie brachte es nicht übers Herz. „Müssen wir wirklich nur noch fünfzehnmal schlafen?“, fragte sie heiser. „Das ist toll. Ich sollte wohl langsam mit meinen Weihnachtseinkäufen anfangen.“

Hallo Dino, hast du am Donnerstag schon was vor?

Dino, versteh das nicht falsch, aber würdest du vielleicht …?

Als Megan am nächsten Morgen das Krankenhaus betrat, spielte sie in Gedanken durch, wie sie ihn fragen könnte. Als würde ihre Mutter sie nicht schon genug unter Druck setzen – nein, jetzt auch noch ihr Sohn.

Warum muss ich einen Mann finden? Es gibt genügend Männer in Jamies Leben. Nur eben nicht den einen speziellen. Und das ist auch gut so. Wenn man sich auf einen Mann verließ, fiel man nur auf die Nase, das hatte sie doch am eigenen Leib erfahren.

Jamie war in seinem kurzen Leben bereits von einem Mann verlassen worden. Ein zweites Mal würde sie das nicht zulassen. Sie beide kamen gut allein zurecht.

Aber sie konnte ihre Schuldgefühle nicht einfach abschütteln, darum hatte sie noch ein paar Minuten vor dem Schultor gewartet und Jamie nachgesehen. Der einzige Junge in seiner Klasse, der keinen Dad mit zum Vatertag bringt.

Den ganzen Weg zur Arbeit machte sie sich Sorgen, und auch, als sie Harry auf der Beobachtungsstation besuchte, gingen ihr die Gedanken nicht aus dem Kopf. „Hey, du Faulenzer. Ich dachte, ich komme dich kurz besuchen, bevor ich mit der Arbeit anfange.“

Er lächelte breit, als er sie sah. „Wolfsmädchen!“

„Nenn mich lieber nicht so. Bei Tieren im Krankenhaus reagieren sie komisch, nachher schmeißen sie mich noch raus. Hier …“ Megan reichte ihm ein Buch, das sie im Krankenhausshop gekauft hatte. „Ich weiß nicht, ob du das schon kennst, aber ich fand, es hat ein interessantes Cover. Monster, die Leute in Stücke reißen, der perfekte Lesestoff für Teenager.“

„Cool. Danke.“ Harry legte das Buch auf seinen Schoß.

„Wie geht es deinem Kopf?“

„Er tut weh“, antwortete Harry. „Aber sie haben so einen Scan gemacht und gesagt, dass mein Gehirn in Ordnung ist.“

„Ich weiß. Keine Schädelfraktur … Ich habe gestern Abend angerufen, weil ich wissen wollte, wie es dir geht.“ Sie warf einen Blick auf seinen Nachttisch. „Von wem sind denn die Taschenlampe und die Pfeife? Von deiner Mum?“

„Machst du Witze? Mum lässt mich nie wieder aus den Augen.“ Er wirkte bedrückt. „Nein, die sind von Dr. Zinetti. Er hat sie vorbeigebracht, bevor er gestern Feierabend gemacht hat. Oder war es heute Morgen? Es war auf jeden Fall nach Mitternacht.“

Dino war so lange im Krankenhaus gewesen? Megans Magen zog sich kurzzeitig zusammen. „Ich schätze, deine Mum war ziemlich aufgebracht.“

„Sie ist ausgeflippt und hat mir Hausarrest gegeben. Ich darf nicht mehr allein wandern gehen. Dad ist auch total ausgerastet.“ Er sah so verzweifelt aus, dass Megan Mitleid mit ihm hatte.

„Wenn du wieder gesund bist, kannst du Rambo und mich begleiten.“

„Und mich.“ Die tiefe, männliche Stimme erklang direkt hinter ihr, und Megans Herz tat einen Satz. Lag es an dem italienischen Akzent? Daran, dass er ihr gestern Abend näher gekommen war, als ihr lieb war? Oder war ihre Mutter schuld, weil sie Sex erwähnt hatte?

Sie schloss kurz die Augen. Ihr wurde übel bei dem Gedanken, dass sie ihn um den Gefallen für Jamie bitten musste. Als sie sich vorstellte, wie er so eine Einladung interpretieren würde, rutschte Megan auf ihrem Stuhl tiefer. Gab es noch etwas Peinlicheres?

„Hallo Dr. Zinetti.“ Harry grinste seinen Besucher an. „Danke noch mal für die Taschenlampe und die Pfeife.“

„Grundlegende Wanderausrüstung.“ Dino setzte sich auf den Stuhl auf der anderen Seite von Harrys Bett. „Ich leite im neuen Jahr ein Überlebenstraining. Du bist schon dafür eingetragen. Kostenlos.“

Harry ließ sich in seine Kissen sinken. „Da macht Mum bestimmt nicht mit.“

„Meg legt ein gutes Wort für dich ein.“ Dino zwinkerte ihr zu. „Außerdem wird sie einen Kurs über die Ausbildung von Rettungshunden leiten.“

Megan zuckte zusammen. „Nein, auf keinen Fall …“

„Du musst dabei sein, schließlich bist du ein wichtiger Teil des Bergrettungsteams und eine Expertin in dem, was du tust.“

„Nur weil man etwas gut kann, bedeutet das nicht, dass man auch öffentlich darüber sprechen muss.“ Sie hasste es, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen. „Dann verknotet sich meine Zunge.“

„Wirklich?“ Sein Blick wanderte zu ihrem Mund und verweilte dort. „Ich bin Arzt. Wenn du möchtest, schaue ich mir das einmal an.“

Flirtet er mit mir?

Megan spürte, wie sie errötete. Bestimmt nicht. Männer flirteten nicht mit ihr. Sie klopften ihr auf die Schulter und spendierten ihr etwas zu trinken. Sie gehörte zu den Jungs. Weil es ihr unangenehm war, so verlegen zu sein, sah sie ihn finster an. „Ich kann einfach nicht vor großen Gruppen sprechen.“

„Das ist schon okay, die Gruppe wird maximal aus zehn Leuten bestehen.“

Ihrer Meinung nach war alles, was über eine Person hinausging, eine große Gruppe, aber Megan wollte nicht als Feigling dastehen. „Ich wüsste auch gar nicht, was ich sagen sollte.“

„Das klären wir schon noch zusammen.“ Etwas in seinem offenen Blick ließ ihren Atem stocken. Plötzlich vergaß Megan Harry ebenso wie ihre Sorgen um Jamie und den Vatertag, die sie die ganze Nacht hatten wach liegen lassen.

Wärme breitete sich in ihrem Bauch aus, und sie fühlte deutlich ihren Herzschlag.

Dann lächelte er sie an, und sie schmolz innerlich dahin.

Ihre Mundwinkel zuckten, und sie wollte sein Lächeln gerade erwidern, als hinter ihr eine sanfte weibliche Stimme erklang.

„Dr. Zinetti. Es ist schön, Sie wiederzusehen. Kann ich etwas für Sie tun?“

Megan drehte sich um. Hinter ihr stand die Stationsschwester und lächelte Dino an. Sie kannte sie flüchtig. Melissa soundso.

Als sie den glänzenden roten Mund und das geschmeidige Haar der Frau bemerkte, wurde ihr kalt. Schnell wandte sich Megan ab und senkte den Kopf. Wie peinlich!

Dino hatte nicht sie angelächelt, sondern Melissa, die hinter ihr stand. Und man musste kein Genie sein, um zu erkennen, warum.

Melissa war die Art Frau, die Männer interessant fanden. Sie machte sich die Mühe, vor einer Frühschicht ihr Haar aufwendig zu frisieren, und sie trug Lipgloss auf, sobald ein gut aussehender Arzt die Station betrat. Ihre Uniform war etwas kürzer als erlaubt, aber nicht so kurz, dass sie deswegen Probleme bekommen könnte.

Genau wie die wunderschöne Georgina.

Plötzlich wollte Megan nur noch fliehen. Die Welt war voller Frauen wie Melissa. Und voller Männer, die bei weichem Haar, perfekten Nägeln und glänzenden Lippen schwach wurden, das wusste sie nur zu gut.

Plötzlich fühlte sie sich schmutzig und ungepflegt. Sie trug einen Operationskittel, den sie immer zur Arbeit in der Notaufnahme trug – wahrscheinlich zog Dino insgeheim gerade wenig schmeichelhafte Vergleiche.

Mit feuchten Händen und klopfendem Herzen sprang sie auf und lächelte Harry flüchtig an. „Ich muss los. Sei tapfer.“ Dino ignorierte sie einfach und ging schnell zur Tür. Er war wahrscheinlich sowieso damit beschäftigt, Melissas glänzenden Mund anzustarren, und aus irgendeinem Grund wollte sie das nicht sehen.

Eilig lief sie über den Flur zur Notaufnahme.

Was hatte sie nur geritten, Jamie zu versprechen, Dino zum Vatertag einzuladen?

Sie würde eine andere Lösung für Jamies Problem finden.

„Meg, warte …“ Dino lief ihr hinterher und wunderte sich, warum sie dieses Mal weggelaufen war. Schnell hatte er sie eingeholt und hielt sie am Arm fest. „Ich muss mit dir sprechen.“

„Ich muss zur Arbeit.“ Ohne ihn anzusehen, schüttelte sie seine Hand ab und ging weiter.

Leise fluchend folgte er ihr, wirbelte sie zu sich herum und hielt sie an der Schulter fest, damit sie ihn ansehen musste.

„Was ist?“, fragte sie ärgerlich. Ihre Augen wirkten vor Zorn so dunkel, als würde man vor einem Sturm ins Meer schauen, und Dino fragte sich, was er getan hatte, dass sie so reagierte. Er brachte sie aus dem Gleichgewicht, das wusste er, und darum wartete er auf den richtigen Augenblick. Sie sollte sich erst an ihn gewöhnen.

Es reizte ihn, ihr ins Gesicht zu sagen, was er von ihr wollte, aber er kannte die Frauen gut genug, um zu wissen, wann er langsam vorgehen musste. Bei Megan Miller bewegte er sich so langsam, dass er quasi stillstand. „Warum bist du weggelaufen?“

„Meine Schicht fängt gleich an, darum bin ich gegangen.“

Mitten in ihrem ersten persönlichen Gespräch. Sie hatte ihn beinahe angelächelt.

Es ist, als ob ich ein wildes Tier zähmen will, dachte er. Man muss geduldig sein und sie zu sich kommen lassen.

Zu schade, dass er kein geduldiger Mensch war.

„Dein Jamie ist ein toller Junge. Er liebt Autos sehr. In seinem Alter war ich genauso.“ Eigentlich hatte er gedacht, sie würde sich entspannen, wenn er bei einem sicheren Thema blieb, aber stattdessen versteifte sie sich.

„Danke, dass du mitgespielt hast und er in deinem Lamborghini sitzen durfte. Das war sehr nett von dir, auch wenn du wahrscheinlich Besseres zu tun hattest.“

Was an mir macht ihr solche Angst? „Das hat nichts mit Nettigkeit zu tun. Er ist ein großartiges Kind. Und er hat Glück, eine so tolle Mum wie dich zu haben.“

Stumm starrte sie ihn an, und plötzlich stiegen ihr Tränen in die Augen. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, schüttelte sie seine Hand ab und ging weiter.

Leise auf Italienisch fluchend folgte Dino ihr. „Kannst du nicht stehen bleiben? Mi dispiace! Wenn ich dich verärgert oder verletzt habe, tut mir das leid, aber ich verstehe den Grund nicht. Jamie ist ein großartiger Junge, und du bist eine tolle Mum.“ Er versperrte ihr den Weg. Widerwillig blieb sie stehen und schlang ihre Arme um sich, seinem Blick wich sie aus.

„Danke“, sagte sie förmlich. „War das alles, was du sagen wolltest? Weil ich …“

„Nein.“ Es war ihm egal, dass sie in einem Flur standen und die Hälfte des Krankenhauspersonals an ihnen vorbeilief. „Warum läufst du immer vor mir weg, Meg? Ich weiß, dass du kein Feigling bist, sonst wärst du letzte Nacht nicht im Sturm da draußen gewesen.“ Er staunte immer noch darüber, wie gut sie mit den Bedingungen auf dem Berg zurechtgekommen war. Aber jetzt wirkte sie nervös und abgelenkt, als hätte sie unzählige Probleme im Kopf und keine Ahnung, wie sie sie lösen sollte. „Wenn es um die Arbeit oder die Berge geht, hast du viel zu sagen, aber wenn ich über etwas anderes sprechen möchte, machst du dicht. Warum?“

„Sorry. Ich werde versuchen, geselliger zu sein.“ Ihr Lächeln wirkte aufgesetzt. „Es sieht aus, als würden wir noch mehr Schnee bekommen. Ich hoffe, das verkompliziert Ihre Fahrt zur Arbeit nicht, Dr. Zinetti.“

Gereizt sah Dino auf sie hinunter, musterte die glatte Haut und ihre geschwungenen Lippen. „Ich möchte nicht über das Wetter sprechen.“

„Entschuldige. Wie hat dir die Suppe meiner Mutter geschmeckt?“

„Sie war köstlich. Deine Mutter weiß, was hungrige Kletterer brauchen, wenn sie nach Hause kommen.“

Sie entspannte sich leicht. „Das sollte sie. Mein Dad und mein Großvater waren beide Mitglied im Bergrettungsteam.“

Das wusste er bereits, sagte aber nichts und freute sich darüber, dass die reservierte Megan Miller endlich etwas Persönliches erzählte. „Es liegt also in der Familie. Du hast Glück, dass deine Mum dir hilft, und Jamie hat Glück, so enge Familienbande zu haben.“ Er zögerte. Wie weit konnte er sie drängen? „Sieht er seinen Vater? Habt ihr noch Kontakt?“

Er verfluchte sich im Stillen, als sie sich wieder versteifte.

„Nein. Er hat nur mich. Also hat er nicht wirklich das ganz große Glück, oder? Ich verstehe nicht, warum auf einmal alle so ein Interesse an meinem Liebesleben entwickeln.“ Dino sah Traurigkeit in ihrem Blick, die schnell von Panik verdrängt wurde, als ihr bewusst wurde, wie viel sie verraten hatte. Aber schnell hatte sie ihre Maske wieder aufgesetzt. „Ich muss jetzt wirklich gehen.“ Sie ließ ihn stehen und eilte den Flur entlang zur Notaufnahme, und Dino bedauerte, dass er Jamies Vater überhaupt erwähnt hatte.

Jetzt hatte er sie wieder nicht gefragt. Seit sechs Monaten lagen die Karten nun schon auf seinem Schreibtisch. Er hatte sofort gewusst, mit wem er gehen wollte und wartete nur auf den richtigen Augenblick, um sie einzuladen.

Zum ersten Mal in seinem Leben wollte er eine Frau fragen und war nicht sicher, wie sie antworten würde.

Entschlossen, sie einzuholen und das Gespräch zu Ende zu führen, betrat er die Station und wurde sofort von Ellie, einer der Schwestern der Notaufnahme, aufgehalten.

„Oh Gott sei Dank!“ Sie drückte ihm einen Stapel Notizen in die Hand. „Ein drei Monate altes Baby mit extremen Atemproblemen – ich habe es in den kinderärztlichen Schockraum gebracht. Die Mutter ist ganz verrückt vor Sorge. Meg ist schon dort, du weißt ja, wie gut sie mit Babys und besorgten Müttern umgehen kann.“

So viel dazu, dachte Dino grimmig, als er in Richtung Schockraum ging. Aber später …

Er stieß die Tür auf und spürte sofort die angespannte Stimmung. Megan hatte das Baby bereits an einen Herzmonitor und ein Pulsoximeter angeschlossen und verabreichte ihm Sauerstoff. Ihre Stimme klang sanft und beruhigend, als sie der Mutter erklärte, was sie tat. Für einen Moment beobachtete Dino sie gebannt. Keine Spur mehr von der kratzbürstigen Fassade. Bei Menschen, die verletzlich waren, schien sie ihren Schutzschild zu senken, hinter dem sie sich die restliche Zeit versteckte.

„Das ist mir auch passiert“, erzählte sie. „Mein Jamie war wie Abby drei Monate alt.“

„Ist ihr Sohn wieder gesund geworden?“ Die Stimme der Mutter zitterte, und Megan drückte sanft ihre Schulter.

„Wir haben letzte Woche seinen siebten Geburtstag gefeiert. Er ist ganz schön frech, und er liebt Superhelden … Ah, da ist Dr. Zinetti.“

Dino betrat den Raum und bemerkte, dass Megans Sorge und Anspannung scheinbar verschwunden waren. Sie wirkte sogar froh, ihn zu sehen.

„Dino, sie hat eine Erkältung, die in den letzten 24 Stunden immer schlimmer geworden ist. Sie hat heute nicht getrunken, sondert Nasensekret ab und hat einen keuchenden Husten. Die Sättigungswerte liegen bei 94 Prozent, darum gebe ich ihr Sauerstoff.“

„Ich bin immer noch fassungslos, wie schnell sich ihr Zustand verschlechtert hat“, murmelte Abbys Mutter, ihr Gesicht war beinahe grau vor Schlafmangel und Sorge. „Wird sie wieder gesund?“

„Ich sehe sie mir jetzt an.“ Dino hob sanft das kleine Hemd des Babys, damit er die Brust untersuchen konnte. „War sie ein Frühchen?“ Er stellte der Mutter eine Reihe von Fragen, bevor er die Brust des Babys abhörte.

„Ist es sehr schlimm?“ Die Frau wich ihm nicht von der Seite. „Ich mache mir solche Vorwürfe, dass ich sie nicht eher hergebracht habe, aber ich dachte, es wäre nur eine Erkältung.“

Dino legte das Stethoskop beiseite. „Ich höre ein Rasseln in ihrer Lunge, es könnte eine Bronchiolitis sein. Das ist eine Atemwegsinfektion, die durch einen Virus ausgelöst wird und vor allem kleine Kinder betrifft. Sie ist zu dieser Jahreszeit weit verbreitet; da hätten Sie nichts tun können, um das zu verhindern.“

Verzweifelt sah sie ihn an. „Sind Sie sicher?“

„Absolut. Leider ist sie in Abbys Fall akut, darum werde ich einige Untersuchungen machen, und solange wird sie weiter mit Sauerstoff versorgt. Außerdem ziehe ich das Pädiatrieteam hinzu, weil sie eine Weile hierbleiben muss.“

„Sie muss im Krankenhaus bleiben? Aber bald ist doch Weihnachten.“

„Es ist bestimmt nur für ein paar Tage“, beruhigte Megan die Frau. „Das Atmen strengt sie sehr an, und wenn sie nicht mehr trinkt, können wir ihr hier am besten helfen.“

Die Mutter des Babys wirkte benommen. „Ich muss meinem Mann Bescheid geben – er ist zur Arbeit gefahren. Uns war nicht klar, dass es ihr so schlecht geht.“

„Warum rufen Sie ihn nicht jetzt an? Wir nehmen solange ein paar Blutproben“, Dino nahm das Tablett, das Megan bereits vorbereitet hatte.

„Sie stecken Nadeln in sie?“, fragte Abbys Mutter entsetzt, Tränen standen ihr in den Augen. „Ich sollte hierbleiben und sie halten …“

Dino warf einen Blick auf das kreidebleiche Gesicht und wusste, dass sie wahrscheinlich in Ohnmacht fallen würde, wenn sie blieb. Er wollte gerade etwas sagen, als Megan ihm zuvorkam.

„Ich glaube, es ist jetzt wichtiger, dass Sie Ihren Mann anrufen. Sie brauchen die Unterstützung. Das Wetter ist nicht so gut, darum wird es eine Weile dauern, bis er hier sein kann. Ich halte Abby, während Dr. Zinetti die Blutproben nimmt.“

Mit einem Satz hatte sie dafür gesorgt, dass die Frau gehen konnte, ohne sich schuldig zu fühlen. Dino wartete, bis sie den Raum verlassen hatte. „Du kannst so gut mit besorgten Müttern umgehen.“

„Es gibt nichts Schlimmeres, als zuzusehen, wie jemand Nadeln in dein Kind sticht. Darf ich fragen, warum du Blutproben nimmst? Für eine Bronchiolitis ist das sonst nicht üblich.“

„Ich möchte ihre Blutgase überprüfen. Sie hat eine ausgeprägte Brustkorbsenkung, Nasenflügelatmung, expiratorisches Stöhnen, und ihre Sättigungswerte fallen, trotz des zusätzlichen Sauerstoffs.“

„Die Kleine hat es nicht leicht.“ Megan streichelte dem Baby über den Kopf. „Okay, meine Süße, wir machen das zusammen, und Onkel Dino trifft mit der bösen Nadel gleich beim ersten Mal.“

„Bloß kein Druck.“ Dino strich mit dem Finger über das kleine Handgelenk und den Arm. „Wenn ich es beim ersten Mal schaffe, darf ich Zeit und Ort aussuchen.“

„Wofür?“ Sie reichte ihm ein Tourniquet.

„Für unser erstes Date.“

Megan errötete. „Ich gehe nicht aus.“