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WIEDERSEHEN MIT DER GROSSEN LIEBE von EMMA DARCY Wie schön sie noch immer ist! In Simon erwacht ein Sturm der Gefühle, als er seine Traumfrau Rowena wiedersieht. Viele Jahre hat er sich nach ihr gesehnt, aber jetzt scheint es für ein neues Glück zu spät zu sein. Rowena ist verheiratet! Erst als Simon erfährt, dass ihr Mann eine Geliebte hat, schöpft er neue Hoffnung ... EINSAM – ODER GENMEINSAM? von CARA COLTER Stille, Natur, Berge – Tyler liebt die Einsamkeit seiner Ranch in den Rocky Mountains. Aber er liebt auch Harriet. Doch sie kann sich nicht vorstellen, ohne den Lärm und den Trubel einer Großstadt zu leben. Ist ihre Liebe groß genug, um diesen Konflikt zu überbrücken? DAS HERZ DES STOLZEN ANDALUSIERS von PENNY ROBERTS Ashley muss den wertvollen Familienschmuck wiederfinden! Angeblich befinden sich die Rubine in den Händen von Alejandro Castilla in Andalusien. Sie reist zu ihm, doch der Spanier ist kühl und abweisend. Andererseits glaubt sie, ungezähmtes Verlangen in seinen Augen lodern zu sehen …
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Seitenzahl: 572
Emma Darcy, Cara Colter, Penny Roberts
JULIA EXKLUSIV BAND 371
IMPRESSUM
JULIA EXKLUSIV erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
Neuauflage 2024 in der Reihe JULIA EXKLUSIV, Band 371
© 1996 by Emma Darcy Originaltitel: „Their Wedding Day” erschienen bei: Harlequin Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Dr. Susanne Hartmann Deutsche Erstausgabe 1997 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe JULIA, Band 1269
© 2002 by Cara Colter Originaltitel: „9 Out of 10 Women Can’t Be Wrong“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Jochen Gaida Deutsche Erstausgabe 2005 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe JULIA EXTRA, Band 239
© 2010 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Deutsche Erstausgabe 2010 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe ROMANA, Band 1853
Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 01/2024 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751525749
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Sie konnte nicht loslassen, ohne zu kämpfen. Eine siebenjährige Ehe endete nicht über Nacht. Es musste eine Möglichkeit geben, den Vorgängen Einhalt zu gebieten und alles in Ordnung zu bringen. Rowena hatte beschlossen, mit der Frau zu sprechen, derentwegen Phil gegen sie und die Kinder so gleichgültig geworden war. Sie wollte wissen, mit wem sie es zu tun hatte.
Ruhig und zielstrebig war Rowena von ihrem Zuhause in Killarney Heights zum Arbeitsplatz ihres Mannes in Chatswood gefahren, aber als sie in die Tiefgarage des Delahunty-Gebäudes fuhr, war sie dann doch schrecklich nervös. Schnell blickte sie zu den für Angestellte reservierten Plätzen hinüber. Wenn Phil in seinem Büro war und ihm irgendjemand sagte, seine Frau sei gekommen, würde er vielleicht versuchen, sie daran zu hindern, sich mit der Situation auseinanderzusetzen, indem sie Kontakt zu seiner Geliebten aufnahm.
Sein rotes Mazda-Coupé war nirgendwo zu sehen, und Rowena seufzte erleichtert. Während sie den Ford der Familie in eine Parklücke manövrierte, kam ihr plötzlich der Gedanke, dass Phil sie belogen haben könnte, als er den auffälligen Sportwagen als spontanen Kauf bezeichnet hatte. Hatte er sich ein neues Image verpasst, um die andere Frau zu beeindrucken? Was für eine Liebe war das, die solche teuren Statussymbole nötig hatte?
Ganz gleich, was Phil sagte, Rowena wollte nicht anerkennen, dass es echte Liebe war. Es war nur einer seiner Flirts, die er brauchte, um sich stark zu fühlen. Dieser war irgendwie zu weit gegangen, wahrscheinlich auf Drängen der Frau hin. Phil war ein sehr gut aussehender Mann und hatte als Leiter der Abteilung für Grundstückskäufe bei Delahunty’s ein hohes Einkommen. Die meisten Frauen würden ihn vermutlich für einen guten Fang halten.
Aber sie, Rowena, war mit ihm verheiratet, und bisher hatten die Flirts nie etwas bedeutet. Ein bisschen Spaß, wie Phil immer beteuert hatte. Sie hatte es nie lustig gefunden, und das hier war bestimmt kein Spaß mehr.
Am Vorabend hatte Phil ihr erklärt, er würde sie und die Kinder wegen einer anderen Frau verlassen. Der Schock war so verheerend gewesen, dass Rowena kaum fähig gewesen war, einen klaren Gedanken zu fassen, geschweige denn zu versuchen, Phil umzustimmen. Sie hatte nicht einmal den Verdacht gehegt, dass ihre Ehe in Gefahr war.
So sollte es nicht sein. Nicht nach den vielen gemeinsamen Jahren, nach allem, was sie zusammen erlebt hatten. Sie, Rowena, war nicht bereit, kampflos hinzunehmen, was vorging.
Irgendeine oberflächliche Vernarrtheit … mehr konnte es nicht sein. Phil und diese Frau waren sich bei der Arbeit nähergekommen. Eine Affäre im Büro, wie es häufig passierte. Das musste sie, Rowena, glauben, oder sieben Jahre ihres Lebens verloren ihren Sinn.
Rowena stellte den Motor ab und schaute prüfend in den Rückspiegel. Stundenlanges Weinen hatte ihren grünen Augen jeden Glanz genommen, aber das kunstvolle Make-up kaschierte wenigstens die dunklen Ringe darunter. Und da ihre Wimpern lang und dicht waren, fiel es nicht auf, dass ihre Lider noch immer ein bisschen geschwollen waren.
Die rubinrot geschminkten Lippen bildeten einen ziemlich scharfen Kontrast zu ihrer blassen Haut, doch Rowena hatte in der Zeitung vom vergangenen Sonntag gelesen, dass erfolgreiche Frauen kräftige Farben trugen, weil diese ihnen Autorität verliehen. Sie wollte ihrer Rivalin gegenüber nicht schwach erscheinen. Auch wenn sie „nur“ Hausfrau war, würde sie keine leichte Gegnerin sein.
Rowena fuhr sich mit den Fingern durch den dichten schwarzen Pony, der dringend geschnitten werden musste. Vielleicht hätte sie irgendetwas Drastisches tun sollen, damit Phil sie wieder wahrnahm. Sie hätte sich zum Beispiel die Haare abschneiden lassen können. Aber er hatte immer gesagt, ihr langes Haar würde ihm gefallen. Der schulterlange Bob mit den fransig geschnittenen Strähnen, die weich ihr Gesicht umrahmten, stand ihr wirklich gut, und frisch gewaschen und geföhnt wie jetzt, saß die Frisur perfekt.
Um das dunkelblaue Kostüm aufzupeppen, trug Rowena einen rotgrünen Seidenschal. Sie zupfte einen Moment lang daran herum, dann sagte sie sich, dass sie überhaupt keinen Grund hatte, nervös zu sein, und stieg aus dem Auto. Sie sah so gut aus, wie es unter den gegebenen Umständen möglich war. Gehenlassen hatte sie sich in den Jahren als Hausfrau und Mutter nicht. Bevor sie Kinder bekommen hatte, war sie ein bisschen schlanker gewesen. Ihre Figur war jetzt fraulicher, aber sie machte bestimmt nicht den Eindruck einer Frau, die ihr Äußeres vernachlässigte.
Was immer Phil über sie erzählt hatte, seine Geliebte würde in Kürze mit der Wahrheit konfrontiert werden. Der Gedanke half Rowena, grimmig an ihrem Vorhaben festzuhalten. Sie schloss das Auto ab, warf einen Blick auf ihre Armbanduhr und ging zu den Aufzügen. Halb zwölf. Zeit genug, um vor der Mittagspause alles Nötige zu sagen.
Ein großer schnittiger BMW kam in die Tiefgarage. Der Fahrer parkte auf dem Platz neben den Aufzügen. Rowena erstarrte. Es musste Simon Delahunty sein, der Mann, dem sie auf keinen Fall begegnen wollte – besonders an diesem Tag nicht!
Es war schwer genug, sich damit abzufinden, dass Simon der Boss ihres Mannes war und sie seinen Namen hörte, wann immer Phil über seine Arbeit sprach. Rowena wünschte, der Job bei Delahunty’s wäre ihm nie angeboten worden oder ein anderer Bewerber hätte ihn bekommen – irgendetwas, das ihr die Verbindung mit Simon und die Erinnerungen, die er wachrief, erspart hätte.
Ganz gleich, um wie viel wir seit Phils Wechsel zu Delahunty’s besser gestellt sind, in jeder anderen Hinsicht ist der Job eine Katastrophe, dachte Rowena unglücklich. Dass Simon wieder eine Rolle in ihrem Leben spielte, war die erste beunruhigende Folge gewesen, und jetzt gefährdete eine Frau, die für ihn arbeitete, ihre Ehe. Beiden gegenübertreten zu müssen war an diesem Morgen zu viel. Es war besser, zum Auto zurückzugehen und zu warten, bis Simon verschwunden war.
Er stieß die Autotür auf, und Rowena sah die unverwechselbaren breiten Schultern und das dichte dunkelbraune Haar. Sie wandte sich ab. Der Zeitverlust machte sie nervös, aber der Gedanke, mit Simon zusammen im Aufzug nach oben zu fahren, war weitaus schlimmer. Wusste Simon, was zwischen einer seiner Angestellten und Phil vorging?
„Rowena …“
Rowena stockte der Atem. Jetzt konnte sie Simon nicht mehr ausweichen. Er hatte sie erkannt. Auf der Weihnachtsfeier der Firma im vergangenen Jahr hatte er sofort gewusst, wer sie war, obwohl er sie nicht mehr gesehen hatte, seit sie siebzehn gewesen war. Ihre Beziehung hatte angefangen, als sie noch ein Kind gewesen war, und war zu eng gewesen, als dass Simon ihr Gesicht jemals vergessen könnte. Und natürlich waren da noch andere Dinge, die sich nicht aus dem Gedächtnis verbannen ließen, so sehr man es vielleicht auch versuchte.
Doch darüber durfte sie im Moment nicht nachdenken. Sie musste sich irgendetwas Unverfängliches einfallen lassen, über das sie mit ihm plaudern konnte, damit sie die nächsten Minuten überstand. Rowena atmete tief durch, um sich zu beruhigen, dann drehte sie sich zu Simon um und lächelte ihn gespielt überrascht an.
„Simon …“ Sie ging wieder auf die Aufzüge zu. Offensichtlich erwartete er, dass sie sich eine Weile höflich unterhalten würden, denn er blieb neben seinem Auto stehen. „Wie läuft es bei dir?“, fragte sie.
„Gut. Und bei dir?“
Darauf antwortete Rowena nicht. Simon Delahunty war ein brillanter Architekt und gerissener Bauunternehmer. In den vergangenen Jahren hatte er keine Zeit verschwendet. Zuerst hatte er sich auf der Nordseite von Sydney Harbour einen Namen gemacht, jetzt dehnte er seine Geschäfte auf andere Stadtteile aus.
„Dein Entwurf für die Reihenhäuser in Manly hat mir gefallen“, sagte Rowena mit aufrichtiger Bewunderung. „Phil hat sie mir gezeigt. Sie sind schon alle verkauft, stimmt’s?“
„Ja. Das ging schnell.“ Simon lächelte, als würde er sich über ihr Kompliment ehrlich freuen. „Du siehst heute Morgen sehr schick aus.“
„Danke“, erwiderte sie überrascht. „Nett von dir, das zu sagen.“ Es tat ihrem Selbstvertrauen gut. Wenn Simon Delahunty sie an diesem Vormittag attraktiv fand, dann hatte sie die verheerenden Folgen ihrer Verzweiflung in der vergangenen Nacht wirklich erfolgreich kaschiert. Nicht etwa, dass sie solch eine persönliche Bemerkung von ihm begrüßte. Seit ihre Beziehung vor elf Jahren ein so schreckliches Ende gefunden hatte, war schon viel zu viel Wasser den Parramatta River heruntergeflossen, als dass sie, Rowena, noch an die Anziehungskraft zwischen ihnen erinnert werden wollte. Für sie war es nämlich Liebe gewesen.
Damals, mit vierundzwanzig, war Simon ein gut aussehender junger Mann gewesen. Jetzt strahlte er obendrein die Selbstsicherheit und Autorität von jemandem aus, der in seinem Beruf überaus erfolgreich war, was ihn noch eindrucksvoller machte. Die furchtbaren Verletzungen, die er bei dem Unfall erlitten hatte, bei dem ihr Bruder umgekommen war, hatten keine bleibenden Schäden hinterlassen. Simon war groß und stark und bewegte sich so leichtfüßig und geschmeidig wie ein Spitzensportler in Topform.
Er hatte überlebt, und das hatte ihre Familie auseinandergerissen.
Wusste er, dass jetzt die Familie, die sie, Rowena, mit Phil gegründet hatte, vor dem Zerfall stand? Wie diskret waren Phil und seine Geliebte gewesen? Warum nahm sich Simon die Zeit, mit ihr zu sprechen?
„Wenn du Phil besuchen willst, erwartet dich leider eine Enttäuschung. Er schätzt für mich den Wert eines Lagerhauses in Pyrmont und wird erst am Nachmittag zurück sein.“
Die Information kam Rowena gerade recht. „Danke, aber ich möchte zu jemand anders“, erwiderte sie, und wegen ihrer starken Anspannung klang es ungewollt scharf.
Simon blickte sie forschend an, und Rowena ging schnell zum ersten der Aufzüge direkt neben seinem Parkplatz. Hatte er gespürt, dass etwas nicht stimmte? Er holte sie ein und drückte auf den Rufknopf. Zu ihrer Erleichterung glitten die Türen sofort auf. Höchstens noch eine Minute, und sie konnte sich seinem beunruhigenden Interesse entziehen.
An der Rückwand des Aufzugs hing ein Weihnachtsgesteck. In zehn Tagen war Weihnachten. Wie brachte Phil es nur fertig, sie und die Kinder in einer für Familien so wichtigen Zeit zu verlassen? Und die Frau … Sie musste jung, rücksichtslos und selbstsüchtig sein, wenn sie das von ihm verlangte. Oder wusste sie nichts von den Kindern? Das wird sie bald, schwor sich Rowena.
„Es ist ein ganzes Jahr her, seit wir uns zuletzt getroffen haben“, sagte Simon, während er sie mit einer Handbewegung aufforderte, vor ihm die Kabine zu betreten. „Ich hatte mich darauf gefreut, dich letzten Freitag auf unserer Weihnachtsfeier zu sehen. Hattet ihr Probleme mit den Kindern?“
Rowena errötete. Das war also auch eine Lüge gewesen. Phil hatte ihr gesagt, die Party sei in diesem Jahr nur für die Angestellten. Rowena ging langsam zur Rückwand der Kabine und hoffte, dass Simon ihre Verlegenheit nicht bemerkte. „Ich hatte schon etwas anderes vor“, erwiderte sie. Unwillkürlich vertuschte sie, was Phil getan hatte. Es zuzugeben wäre zu demütigend gewesen. Und sie wollte Simon mit ihrer Antwort auch nicht ermutigen, nach den Kindern zu fragen. Das berührte zu stark all die Gefühle, die sie unterdrücken musste.
„Ich habe mich gefragt, ob du mir aus dem Weg gehst“, sagte Simon leise.
Solch emotionsgeladene Worte.
Sie machten Rowena das Herz schwer und schnürten ihr die Kehle zu. Warum jetzt?, dachte sie verzweifelt. Sie hatte schon genug Probleme, und das konnte sie nun wirklich nicht gebrauchen. Ihr Stolz veranlasste sie, sich zu Simon umzudrehen, als er ihr in die Kabine folgte. „Wie kommst du denn darauf?“, fragte sie gespielt erstaunt.
Simon betrachtete sie prüfend, dann zuckte er die Schultern. „Wegen Benedicts Tod. Vielleicht hast du, ebenso wie deine Eltern, doch mir die Schuld gegeben.“
„Du weißt, dass ich das nicht getan habe. Ich habe dich im Krankenhaus besucht.“
Simon warf ihr einen durchdringenden Blick zu. „Hast du meinen Brief bekommen, Rowena?“
Sie sah ihn verwirrt an. Wenige Tage nach Benedicts Beerdigung war Simon in die Vereinigten Staaten geflogen worden, wo er in einer Spezialklinik für plastische Chirurgie operiert werden sollte, und damit war jeder Kontakt zwischen ihnen abgebrochen. „Wann?“, flüsterte sie.
„Ich habe aus dem Krankenhaus in Kalifornien geschrieben. Du hast nicht geantwortet.“
Rowena schüttelte den Kopf. „Ich habe keinen Brief bekommen.“
„Ich dachte … Ich habe angenommen …“ Simon runzelte die Stirn.
„Das spielt jetzt keine Rolle mehr, stimmt’s?“ Es war doch völlig sinnlos, nachträglich darüber zu reden, was hätte sein können. Wäre sie ihm wirklich wichtig gewesen, hätte Simon noch einmal geschrieben oder sie aufgesucht, als er geheilt nach Hause zurückgekehrt war und wieder ein normales Leben geführt hatte. Die Vergangenheit war abgeschlossen. Sie, Rowena, hatte das Leid jener Zeit verdrängt und wusste, dass sie nicht damit fertig würde, wenn sie sich jetzt noch einmal damit beschäftigte. Sie musste sich mit der Gegenwart befassen, und Simon hielt sie ohne vernünftigen Grund auf.
„Ich möchte zum Empfang. Würdest du bitte den Knopf drücken?“ Rowena lächelte, um ihren Worten die Schärfe zu nehmen.
Resigniert wandte er sich der Schalttafel zu und hob die Hand, zögerte jedoch plötzlich unerklärlicherweise und drückte schließlich nicht den Knopf für „Empfang“, sondern den für „Türen schließen“. Dann sah er Rowena an und fragte: „Zu wem willst du? Ich kenne alle meine Angestellten und weiß, in welchen Abteilungen sie arbeiten. Du brauchst nicht erst zum Empfang. Ich sage dir, in welches Stockwerk du musst.“
Es klang freundlich und hilfsbereit, aber Rowena war so entsetzt, dass sie auf der Stelle sterben wollte. Am liebsten hätte sie erwidert, es gehe ihn nichts an, doch seine entschlossene Miene verriet ihr, dass sie damit nicht durchkommen würde. Natürlich, er war der Boss. Alles, was in diesem Gebäude passierte, ging ihn etwas an.
Das Schicksal hatte ihr einen bösen Streich gespielt, als sie Simon in der Tiefgarage begegnet war. Jetzt saß sie in der Aufzugkabine mit ihm fest, und er wartete auf ihre Antwort.
Während Rowena verzweifelt überlegte, wie sie ihren Besuch erklären konnte, ohne Simon die Wahrheit zu sagen, gelangte sie plötzlich zu der Überzeugung, dass er wusste, warum sie gekommen war und was sie vorhatte.
Vielleicht hatten Phil und diese Frau ihre Affäre überhaupt nicht geheim gehalten, und jeder im Gebäude wusste davon. Bei dem Gedanken schauderte Rowena, aber dann gewann ihr Stolz die Oberhand über ihre tiefe Niedergeschlagenheit und das Gefühl, gedemütigt worden zu sein. Stolz und ein unbändiger Wille, um das seelische Wohl ihrer Kinder zu kämpfen.
Sie hatte nichts Unrechtes getan. Was andere Leute dachten, war unwichtig, wenn so viel auf dem Spiel stand.
Rowena schaute den Mann, der die Macht hatte, sie aufzuhalten, beschwörend an. „Ich bin hier, um mit Adriana Leigh zu sprechen.“
Mehrere spannungsgeladene Sekunden lang erwiderte Simon ihren Blick, dann nickte er. „Adriana arbeitet in einem Großraumbüro, Rowena“, sagte er freundlich. „Du würdest doch sicher ein Gespräch unter vier Augen vorziehen.“
Bei der Vorstellung, Zuhörer zu haben, verlor Rowena den Mut. „Ja, natürlich, aber ich habe wohl keine große Wahl.“
„Darf ich vorschlagen, dass du mein Büro benutzt? Ich lasse Adriana nach oben kommen und garantiere dir, dass ihr beide ungestört bleibt, damit du vorbringen kannst, was immer du ihr sagen möchtest.“
Wieder errötete sie. Seine Anteilnahme für ihre missliche Lage war beschämend, doch seine Hilfe abzulehnen wäre völlig sinnlos gewesen. „Wissen es alle?“ Die peinliche Frage rutschte Rowena heraus.
„Es hat sich herumgesprochen.“
Rowena schloss die Augen. „Wie lange … wie lange geht das schon?“
„Ich weiß nicht.“ Simon zögerte, dann sagte er leise: „Über drei Monate.“
Vor drei Monaten hatte Phil den Sportwagen gekauft. Die Verzweiflung der vergangenen Nacht überkam Rowena erneut. Aber sie war gekommen, um ihre Ehe zu retten, die vielleicht noch nicht völlig gescheitert war. Sie musste es versuchen, und sie würde es tun.
Rowena legte sich in Gedanken einen Schutzpanzer zu und öffnete die Augen.
Sorgsam darauf bedacht, gleichgültig zu erscheinen, wartete Simon auf ihre Entscheidung.
„Dein Angebot ist … sehr freundlich“, sagte Rowena mit so viel Würde, wie sie aufbringen konnte. „Danke, Simon. Ich nehme es an.“
Simon wandte sich zur Schalttafel um und drückte einen Knopf. Der Aufzug setzte sich in Bewegung.
Bemüht, die Fassung zu bewahren und nichts an der Entschlossenheit einzubüßen, mit der sie gekommen war, beobachtete Rowena, wie über den Türen die Stockwerkzahlen aufleuchteten. Sie fuhren in die oberste Etage, „Simons Horst“, wie Phil sie nannte. Gleich würde sich zeigen, warum.
„Warum tust du das für mich, Simon?“ Sofort bereute Rowena die Frage. Sie war unerheblich und wirklich dumm, denn durch sie wurde die Situation auf eine persönliche Grundlage gestellt, und sie hatte doch um jeden Preis vermeiden wollen, dass Simon Delahunty es so sah. Aber einen Moment lang war ihre Vernunft etwas anderem gewichen … vielleicht dem Wunsch, von jemandem getröstet zu werden, der sich um sie sorgte. Simon dachte aber wohl nur daran, eine möglicherweise peinliche Szene im Großraumbüro zu verhindern, die zu noch mehr Klatsch führen und seine Angestellten von der Arbeit abhalten würde.
Simon blickte Rowena ernst und eindringlich an. „Wir sind lange Freunde gewesen. Ich erinnere mich daran, auch wenn du es nicht tun willst.“
Freunde … und schließlich Liebende. Erinnerte er sich daran? Oder war die Nacht vor Benedicts Tod durch die Gehirnerschütterung, die er bei dem Unfall erlitten hatte, seinem Gedächtnis entfallen? Als sie Simon damals im Krankenhaus besucht hatte, hatte Rowena nicht davon gesprochen. Sie hatten beide einen Schock erlitten. Jetzt fragte Rowena sich, was in dem Brief stand, den sie nicht bekommen hatte.
Sie sah Simon forschend an, entdeckte in seiner Miene jedoch keinen Hinweis darauf, dass er in diesem Moment auch an ihre gemeinsame Nacht dachte. Vielleicht wusste er es tatsächlich nicht mehr und war deshalb nie zu ihr zurückgekehrt. Dann war sie für ihn einfach nur Benedicts jüngere Schwester, die als Schulmädchen für ihn geschwärmt hatte.
Der Aufzug hielt, und die Türen gingen auf. Simon ließ ihr den Vortritt. Höflichkeit. Rücksichtnahme. Ein Freund. Simon war während der ganzen Schulzeit und während des gemeinsamen Studiums Benedicts Freund gewesen. Für sie war er wie ein Bruder gewesen, bis … Nein, darüber durfte sie nicht nachdenken. Sie musste sich auf Phil und die bevorstehende Begegnung mit Adriana Leigh konzentrieren.
Rowena war sich Simons Nähe allzu deutlich bewusst, während er sie sie zu seinem Büro führte. Ein Freund. Sie brauchte einen Freund. Es war so schwer, so furchtbar schwer, allein dazustehen.
Simons Büro war ein architektonisches Wunder. Die Außenwand aus großen, massiven Glasquadern war schräg nach oben gezogen und erstreckte sich über das halbe Dach, so dass der Raum von natürlichem Licht durchflutet war.
Auf einer Seite befand sich Simons Arbeitsplatz: Schreibtisch, Computer, Archiv und mehrere große Zeichenbretter auf verstellbaren Stativen. Mit solchen Zeichenbrettern war Rowena vertraut. Ihr Bruder, Benedict, hatte eins besessen. Sie dachte daran, wie ihr Vater es beseitigt hatte. Alles, was Benedict mit Simon Delahunty verband, hatten ihre Eltern aus dem Haus entfernt – Fotos, Bücher, Postkarten, Vorlesungsnotizen.
Danach waren die Beileidskarten und – briefe, die bei ihrer Mutter ein Trauma ausgelöst hatten, verbrannt worden. Auch Simons Brief aus Kalifornien? In jenen freudlosen Monaten nach Benedicts Tod hatte bei ihnen zu Hause nicht einmal Simons Name erwähnt werden dürfen.
Rowena kamen die Tränen, und sie wandte sich schnell zu den Regalen an der Innenwand um und betrachtete die Modelle von Gebäuden, die Simon entworfen hatte. Die Ausstellung war ein eindrucksvolles Zeugnis dafür, was Simon ohne Hilfe erreicht hatte, und Rowena fragte sich, ob für ihn die Arbeit das Wichtigste im Leben war und er deshalb nicht geheiratet hatte. Bei dynamischen Karrieretypen schien die Ehe nicht sehr beliebt zu sein. Flüchtige Beziehungen, schnell eingegangen und schnell beendet, passten wahrscheinlich besser zum Lebensstil solcher Leute.
Wie anders das Leben von ihnen allen vielleicht verlaufen wäre, wenn Benedict damals nicht gestorben wäre. Er und Simon Partner in dem Unternehmen, das sie gemeinsam hatten gründen wollen … sie, Rowena, und Simon … Aber daraus wäre möglicherweise sowieso nichts geworden. Träume wurden nicht immer wahr.
Simons Arbeitsplatz gegenüber stand ein runder Tisch mit körpergerecht geformten lederbezogenen Drehstühlen. Nachdem er Rowena aufgefordert hatte, dort Platz zu nehmen, entschuldigte sich Simon. Er wollte mit seiner Sekretärin sprechen, an deren Büro sie vorbeigegangen waren.
Froh über die Gelegenheit, eine Weile allein zu sein und sich wieder auf das Problem Adriana Leigh zu konzentrieren, setzte sich Rowena. Doch es war schwer, sich mit einer Frau zu beschäftigen, von der sie sich kein Bild machen konnte. Sie war Adriana Leigh nie begegnet und wusste nicht einmal, wie sie aussah. Wenn sie hereinkommt, werde ich im Bilde sein, beruhigte sich Rowena und vertraute ihrem Instinkt, anstatt irgendwelche Vermutungen über ihre Rivalin anzustellen.
Sie blickte aus dem Fenster. Die Aussicht war nicht gerade Aufsehen erregend, man schaute auf von Bäumen gesäumte Straßen und Häuserblocks des Stadtteils Chatswood. Autoschlangen bewegten sich durch die Straßen, und Rowena dachte daran, dass dort unten alles seinen Gang ging, trotz Todesfällen, Geburten, Hochzeiten …
Und Scheidungen.
Würde es für sie dazu kommen?
Panik ergriff Rowena. Sie wollte nicht allein drei Kinder großziehen. Nie würde sie vergessen, wie schwer es ohne Partner gewesen war, als Jamie klein gewesen war. Phil hatte sie beide ins Herz geschlossen, und sie waren eine Familie geworden. Er war so nett und großzügig gewesen, und obwohl Rowena im Grunde ihres Herzens wusste, dass sie für Phil nicht so empfand wie früher einmal für Simon, hatte sie versucht, die beste aller Ehefrauen zu sein. Es war keine leidenschaftliche Liebe, sondern in mancher Hinsicht eher eine fast mütterliche. Phil war zwar fünf Jahre älter als sie, doch er konnte richtig jungenhaft sein, gab gern an und wollte immer im Mittelpunkt stehen.
Wenn sie jetzt auf das vergangene Jahr zurückblickte, musste Rowena zugeben, dass ihre Ehe ziemlich langweilig und eintönig geworden war. Natürlich hatte jede Beziehung Höhen und Tiefen. Es erforderte Arbeit und Engagement von beiden Seiten, eine gute Ehe zu führen. Rowena verstand nicht, warum ihr dies passierte. Was hatte sie falsch gemacht?
Ein Geräusch an der Tür riss Rowena aus ihren Gedanken. Simon hatte Adriana Leigh in sein Büro bestellt und kehrte zurück. Er sah so groß und stark aus. Ein Mann zum Anlehnen, auf den man sich verlassen konnte. Und Rowena sehnte sich danach, bei ihm Schutz und Hilfe zu suchen. Sie war sich jedoch darüber im Klaren, dass sie Simon nicht zu nah an sich herankommen lassen durfte. Das würde alles nur noch schlimmer machen.
Simon wusste nicht, dass er sie vor elf Jahren schwanger zurückgelassen hatte. Er wusste nichts von dem Sohn, den sie neun Monate nach dem Unfall, der so viel zerstört hatte, zur Welt gebracht hatte. Als sie Phil geheiratet hatte, hatte sie schon lange geglaubt, dass Simon es nicht wissen wollte.
Ob das stimmte oder nicht, spielte keine Rolle mehr. Der Verlauf der Ereignisse war unwiderruflich. Phil hatte Jamie adoptiert und war in jeder Hinsicht sein Vater. Es war für alle am besten, wenn es so blieb.
Rowena erlaubte sich trotzdem, Simon die wenigen Sekunden, die er brauchte, um den Raum zu durchqueren, prüfend zu betrachten. Er sah ihrem Sohn – seinem Sohn – ähnlich. Beide hatten tief liegende Augen, nur waren Jamies haselnussbraun, eine Mischung aus Simons dunkelbraunen und ihren grünen. Der Haaransatz war auffallend ähnlich. Wie Simon hatte auch Jamie einen Wirbel an der linken Schläfe. Jamies Gesicht war runder als das seines Vaters, doch vielleicht würde es so markant wie Simons werden, wenn der Junge älter wurde. Sein Mund war mehr wie der seiner Mutter, weicher und voller als Simons.
Rowena ließ den Blick über Simons maßgeschneiderten grauen Straßenanzug bis hinunter zu den eleganten Lederschuhen gleiten. Simons zweite Zehen waren länger als die großen, wie sie noch wusste. Das Merkmal des schnellen Läufers, hatte er lachend zu ihr gesagt. Jamie besaß es auch, und er war in der Schule der beste Sprinter seiner Altersgruppe …
„Rowena …“
Seufzend sah sie auf.
„Möchtest du, dass Kaffee hereingebracht wird?“
Sie schüttelte den Kopf.
„Kann ich sonst noch etwas für dich tun?“
„Nein. Ich bin dir sehr dankbar für diese Gelegenheit, alles zu klären, Simon. Mehr will ich nicht. Ich möchte anderen Leuten nicht zur Last fallen.“
„Für mich bist du jemand, der das niemals tun würde“, sagte Simon ernst.
„Du weißt, was ich meine.“ Rowena verzog das Gesicht. „Ich habe nicht vor, die Mitarbeiter bei Delahunty’s einer Reihe von hysterischen Szenen auszusetzen.“
„Wenn ich dir irgendwie helfen kann, ruf mich bitte jederzeit an. Ich werde alles in meiner Macht Stehende für dich tun“, versicherte Simon.
Rowena blickte ihm in die Augen und wusste, dass es aufrichtig gemeint war. Es tat unsagbar weh. Wo warst du, als ich dich brauchte?, dachte sie gequält. Jetzt war es zu spät. Sein Leben war weitergegangen und ihres auch.
Ein Klopfen an der Tür kündigte Adriana Leighs Ankunft an. Rowena stand hastig auf und entfernte sich vom Tisch. Ohne Absicht stand sie dadurch neben Simon, der sich zur Begrüßung seiner Angestellten lediglich umdrehte. Sie suchte weder Schutz noch Hilfe bei ihm, und sie war sich überhaupt nicht bewusst, wie Simon und sie zusammen aussahen, als Adriana Leigh das Büro betrat.
„Guten Morgen, Mr. Delahunty“, sagte sie mit einem strahlenden, gewinnenden Lächeln.
Ihre Eleganz, Weltgewandtheit und Selbstsicherheit waren schockierend offenkundig. Adriana Leigh war keine jüngere, sondern eine sehr erfahrene Frau.
Sie warf Rowena einen schnellen, neugierigen Blick zu, dann konzentrierte sich Adriana Leigh völlig auf Simon. „Was kann ich für Sie tun, Mr. Delahunty?“
Rowena erkannte sofort, dass Adriana Leigh eine Frau war, die sich Männern immer bewusst war und darauf achtete, welche Wirkung sie auf sie hatte. Instinktiv wusste Rowena auch, dass sie nicht darauf zu hoffen brauchte, Mitleid oder Schuldgefühle zu wecken. In einem Zimmer voller Frauen würde sich Adriana Leigh langweilen.
„Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie etwas Zeit für Mrs. Goodman erübrigen könnten“, erwiderte Simon so schneidend, dass es wie ein Befehl klang. „Rowena, das ist Adriana Leigh.“
Ihr Lächeln verschwand einen Moment lang. „Guten Tag, Mrs. Goodman.“ Eine honigsüße Stimme, triefend vor Selbstvertrauen. „Hat Phil Sie gebeten, hier herzukommen?“
Das war eine heimtückische Unverschämtheit.
„Nein. Es war allein meine Entscheidung“, antwortete Rowena und forderte die andere Frau stillschweigend heraus, eine herabsetzende Bemerkung darüber zu machen.
Adriana Leigh schaute wieder Simon an und zog die Augenbrauen hoch. „Dies fällt ziemlich aus dem Rahmen der üblichen Arbeitsanforderungen, Mr. Delahunty“, sagte sie höflich, stellte aber offen seine Autorität in Frage, weil es sich, wie sie alle wussten, um eine Privatangelegenheit handelte.
„Manchmal ergeben sich außergewöhnliche Situationen“, erwiderte Simon ruhig. „Ich setze voraus, dass Sie als Sekretärin eines meiner leitenden Angestellten fähig sind, taktvoll und geduldig mit heiklen Dingen fertig zu werden.“ Er zögerte kurz, und das verlieh seinen Worten etwas Drohendes. „Sollten Sie sich jedoch nicht imstande fühlen …“
„Das meinte ich nicht, Mr. Delahunty. Wie Sie sagten, bin ich es gewohnt, mit solchen Problemen fertig zu werden.“
„Ja, das dachte ich mir“, erwiderte Simon ironisch.
„Ich werde mein Möglichstes tun, um Mrs. Goodman zufriedenzustellen“, versicherte Adriana ebenso ironisch und kam ohne Zögern auf den Tisch zu. Nachdem Simon ihre Fähigkeiten angezweifelt hatte, würde eine elegante, intelligente Karrierefrau wie sie selbstverständlich mitspielen, wenn auch nur, um dem Boss einen Gefallen zu tun.
Rowena konzentrierte sich darauf, Adriana Leigh gründlich abzuschätzen, bevor Simon sie beide allein lassen würde. Sie hatte langes karamellfarbenes Haar mit hellblonden Strähnen, das sorgfältig frisiert war, damit es zerzaust aussah. Es suggerierte, dass Adriana gerade mit einem Mann im Bett gewesen war und nichts dagegen hatte, das Vergnügen jederzeit zu wiederholen.
Sie trug eine langärmelige, durchsichtige cremefarbene Bluse und darunter einen Seidenbody mit dekorativen Spitzenblenden am Dekolleté, der ihren vollen Brüsten nicht genug Halt gab. Ein hellbrauner hautenger Gabardinerock, der bis zum Oberschenkelansatz durchgeknöpft war und durch einen Seitenschlitz bei jedem Schritt auseinanderklaffte, betonte ihre schmale Taille und die üppigen Hüften. Dazu trug sie elegante cremefarbene Pumps mit sehr hohen Absätzen.
Diese Frau strahlte bewusst Sexualität aus, und Rowena bezweifelte, dass irgendein Mann hundertprozentig dagegen gefeit war. Es war leicht nachzuvollziehen, welche Anziehungskraft Adriana Leigh auf Phil ausübte. Die entscheidende Frage war, wie sehr er ihr verfallen war.
„Rowena …“ Simon nahm ihre Hand, um Rowenas Aufmerksamkeit zu erregen. „Ich bin im Büro meiner Sekretärin. Du brauchst mich nur zu rufen.“
Seine aufrichtige Anteilnahme und Fürsorge entging Rowena nicht, und sie verspürte den Wunsch, sich an seiner warmen, starken Hand festzuhalten. Aber in Anbetracht der Tatsache, warum sie hier hergekommen war, wäre es höchst unpassend gewesen. War ihm das nicht klar?
„Es geht schon, Simon. Danke“, sagte Rowena abwehrend.
Bevor er sie losließ, drückte er sanft ihre Hand.
Adriana bemerkte es, und ihre bernsteinfarbenen Augen funkelten höhnisch, als sie Simon nachblickte. Sobald er draußen war und die Tür hinter sich geschlossen hatte, eröffnete sie die Feindseligkeiten. „Wie sind Sie dazu gekommen, mit unserem Mr. Delahunty so vertraut zu sein?“
„Lieben Sie meinen Mann, oder ist er nur eine weitere Eroberung für Sie?“, fragte Rowena ruhig, anstatt auf die sarkastische Bemerkung der anderen Frau einzugehen.
Einen Moment lang war Adriana überrascht. „Sie sind aber direkt.“
„Ich möchte eine offene Antwort.“
Adriana steckte es ein. „Ich liebe Phil, und er liebt mich. Es gibt nichts, das Sie dagegen tun können.“
„Sie haben doch sicher gewusst, dass er verheiratet ist.“
„Na und? Er wusste das auch. Ich habe Ihnen nichts weggenommen, das Sie nicht schon verloren hatten. Phil ist zu mir gekommen.“ Adriana wirkte triumphierend und überlegen. Offenbar hatte sie überhaupt kein schlechtes Gewissen.
„Sind Sie verheiratet?“, fragte Rowena.
„Nein.“
„Geschieden?“ Mit zweifellos teurem Make-up perfekt geschminkt, hatte Adriana Leighs Gesicht ein frisches, jugendliches Aussehen. Dennoch war Rowena überzeugt, dass die Frau in den Dreißigern war, vielleicht sogar älter als Phil, der dreiunddreißig war.
„Nein.“ Adriana schien die Befragung zu amüsieren.
„Kinder?“
Adriana lachte spöttisch. „Zwei Abtreibungen.“ Ihre Miene verhärtete sich, als sie hinzufügte: „Und das mache ich nicht noch einmal mit.“
Rowena fragte sich, ob frühere Liebhaber Adriana im Stich gelassen hatten. Sie hatte Mitleid mit ihr, weil sie sich nur allzu gut daran erinnerte, wie sie gelitten hatte, als sie mit Jamie schwanger gewesen war und vergebens auf Simon gewartet hatte. Das Mitleid hielt nicht lange an. Adriana brachte ihr auch keins entgegen. „Hat Phil jemals unsere Kinder erwähnt?“
„Ja, schon.“ Adriana zuckte die Schultern. „Emily ist fünf und Sarah drei. In dem Alter kommen sie ohne bleibendes Trauma über die Trennung hinweg. Und der Junge ist alt genug, um auf sich selbst aufzupassen. Es ist ja nicht so, als hätte Phil eine große Rolle im Leben der Kinder gespielt.“
„Hat er Ihnen das erzählt, oder wollen Sie das gern glauben?“
„Ich weiß, wie viele Stunden Phil pro Woche arbeitet“, erwiderte Adriana überheblich.
„Seit Sie eine Affäre mit ihm haben.“ Das war inzwischen klar. Rowena tadelte sich im Stillen dafür, niemals den Verdacht gehegt zu haben, dass Phil nicht nur aus beruflichen Gründen so viele Überstunden und Geschäftsreisen machte. Wie naiv sie gewesen war, alles seinem Ehrgeiz zuzuschreiben!
„Sein Wunsch, bei mir zu bleiben, sagt Ihnen nichts?“, höhnte Adriana.
Rowena konnte ihre spöttische Belustigung kaum ertragen. Adriana mochte selbstgefällig sein, aber sie hatte nicht Jagd auf den Mann einer anderen gemacht, um die einsamen Stunden auszufüllen. Es kostete Rowena all ihre Willenskraft, ruhig und gelassen zu bleiben. Die Genugtuung, die Beherrschung zu verlieren, würde sie ihrer Gegnerin nicht geben. „Sie glauben, Sie haben Phils Prioritäten geändert. Für kurze Zeit vielleicht“, sagte sie, um Adriana Leighs Überheblichkeit zu erschüttern. „Leidenschaft neigt dazu, auszubrennen.“
„Sie wissen wohl nicht viel über Männer?“, konterte Adriana halb mitleidig, halb herablassend. „Männer haben zwei Gehirne. Wenn man das unter der Gürtellinie befriedigt, kann man das andere manipulieren, wie man will.“
Ihre berechnende Art widerte Rowena an. Phil zog diese Frau ihr vor? „Dann finde ich es seltsam, dass Sie keinen der vielen Liebhaber halten konnten, die Sie offenbar in der Vergangenheit schon hatten.“
„Bis jetzt habe ich das nicht gewollt.“
„Direkt erprobt haben Sie Ihre Theorie also noch nicht, stimmt’s?“, fragte Rowena, doch nichts, was sie sagte, hatte irgendeine Wirkung.
„Finden Sie sich damit ab, Schätzchen, Sie sind geschlagen. Sie haben Phil niemals so befriedigt, wie ich es tue. Das ist eine Tatsache.“ Adriana musterte Rowenas klassisches dunkelblaues Kostüm. „Ich darf wohl behaupten, dass Sie zu sehr Dame sind.“
„Zu einer Beziehung gehört mehr als Sex“, erklärte Rowena.
„Und was?“
„Kameradschaft, gemeinsame Ziele, gegenseitige Fürsorge, Verständnis …“
Adriana lachte. „Erzählen Sie das einmal einem nach Sex lechzenden Mann. Und davon gibt es viele. Besonders Väter.“
Das mit den Vätern verwirrte Rowena, doch sie wurde schnell aufgeklärt.
„Ihr hingebungsvollen Mütter setzt oft eure ganze Kraft für die Kinder ein. Eure Aufmerksamkeit ist geteilt. Ihr seid erschöpft. Ihr habt Kopfschmerzen. Und das macht den Weg frei für eine andere Frau, die einem Mann das zurückgibt, was ihm seine Kinder genommen haben. Seine Kinder sind ihm dann plötzlich völlig gleichgültig. Er will eine Frau, keine Mutter.“
„Das möchten Sie gern glauben“, sagte Rowena kurz angebunden, aber sie war beunruhigt. Hatte sich Phil bei Adriana darüber beklagt, sie, Rowena, würde keine Rücksicht auf seine Bedürfnisse nehmen?
„Ich gebe Ihnen einen guten Rat für das nächste Mal. Die Welt ist voller unzufriedener Männer.“
„Warum ausgerechnet Phil?“
„Er war hier. Er ist, was ich will. Ich werde ihn glücklich machen.“
Rowena wünschte von ganzem Herzen, Adrianas unfassbares Selbstvertrauen erschüttern zu können. Und unvermittelt hatte sie eine Eingebung. „Aber Phil war nicht Ihre erste Wahl, stimmt’s?“
Adriana zögerte und warf ihr einen wachsamen Blick zu. Dann wurde sie wieder aggressiv. „Phil ist meine letzte Wahl, und ich werde dafür sorgen, dass es hält. Also denken Sie nur nicht, Sie können da irgendetwas durcheinanderbringen.“
Rowena setzte ihr weiter zu. „Sie haben den Job hier angenommen, damit Sie in Simon Delahuntys Nähe sein und versuchen können, ihn auf sich aufmerksam zu machen. Er ist der erste Preis, stimmt’s? Nur hat er nicht angebissen.“
„Hat er das gesagt?“, fragte Adriana mit zusammengekniffenen Augen.
„Sie haben ihm zu verstehen gegeben, dass Sie noch immer zu haben sind, als Sie ins Büro kamen. Wenn Simon Sie auch nur ein bisschen ermutigte, würden Sie Phil fallen lassen.“
Adriana schnaubte verächtlich. „Der Mann ist aus Stein. Phil ist eher mein Typ, und er weiß es. Es wird Ihnen nicht gelingen, Simon Delahunty zwischen uns zu stellen.“
Das stimmt wahrscheinlich, dachte Rowena frustriert. Es war unerheblich, dass ihre Vermutungen richtig waren. Offensichtlich interessierte Simon sich nicht für Adriana, weil er Frauen durchschaute, die auf Geld aus waren. Warum erkannte Phil nicht … Aber vielleicht hatte Adriana recht damit, dass er sich vernachlässigt fühlte.
Rowena überlegte, ob sie die Bedürfnisse der Kinder zu oft über die ihres Mannes gestellt hatte. Wie verteilte man seine Pflichten als Ehefrau und Mutter am gerechtesten? Und warum trug sie allein die Verantwortung? Sollten sich die Partner in einer guten Ehe nicht gegenseitig unterstützen?
Verworrene Schuldgefühle und die schmerzliche Erkenntnis, dass alle ihre Ideale verraten worden waren, ließen Rowena schwindlig werden. Hier herzukommen und mit dieser Frau zu sprechen erwies sich als völlig zwecklos. Das half überhaupt nicht. Phil wollte Adriana Leigh? Soll er sie doch haben, dachte Rowena, zunehmend resignierter, weil sie so verletzt und enttäuscht war.
Und die Kinder?
„Auf die Rolle der Stiefmutter sind Sie nicht versessen, nehme ich an“, sagte sie ausdruckslos. Sie musste alles berücksichtigen, was Adriana vielleicht bewog, sich eine Zukunft mit Phil noch einmal reiflich zu überlegen.
„Sie wollten Kinder haben. Die sind Ihre Sache, nicht meine.“
„Glauben Sie im Ernst, Phil wird ohne seine Kinder glücklich sein?“
„Drücken wir es einmal so aus: Sie brauchen sich keine Gedanken wegen des Sorgerechts zu machen. Phil wird die Mädchen wahrscheinlich hin und wieder sehen wollen, und damit bin ich einverstanden.“
„Sie vergessen Jamie.“
Adriana zuckte wieder die Schultern, als wäre das alles nicht ihr Problem. „Er ist nicht Phils leibliches Kind, stimmt’s?“
„Phil ist der einzige Vater, den Jamie kennt.“
„Und wessen Schuld ist das?“
„Er hat Jamie adoptiert!“, brauste Rowena auf, obwohl sie sich vorgenommen hatte, ruhig und gelassen zu bleiben.
„Wie alt war der Junge da? Vier?“
„Drei.“
„Das ändert nichts. Er war kein Baby mehr, und ganz gleich, wie Sie es zu beschönigen versuchen, die Gefühle sind nicht dieselben. Jamie ist Ihr Sohn, nicht Phils. Und in seinem Alter ist der kleine Kerl bestimmt ein bockiger Unruhestifter.“
Rowena begann vor Empörung zu zittern und fürchtete, die Beherrschung zu verlieren. „Danke“, sagte sie angespannt. „Ich möchte Ihre Zeit nicht noch mehr in Anspruch nehmen.“
„Danke“, erwiderte Adriana höhnisch. „Die Ehefrau kennenzulernen ist immer interessant.“
„Mrs. Goodman hat gesagt, was sie loswerden wollte, Mr. Delahunty.“
Adrianas unbekümmerter, fast respektloser Ton verärgerte Simon so sehr, dass er nur mühsam eine scharfe Erwiderung unterdrückte. Seine heftige Abneigung ihr gegenüber zu verraten wäre unklug und unprofessionell gewesen, denn er war sich durchaus bewusst, dass sie durch sein Mitgefühl für Rowena hervorgerufen wurde. Er hatte kein Recht, sich in dieser Angelegenheit persönlich zu engagieren, und etwas Objektivität sollte er schon bewahren.
Simon hatte auf der Kante des Schreibtisches seiner Sekretärin gesessen, und jetzt stand er absichtlich langsam auf. Mit dem Bericht, den er zu lesen versucht hatte und noch in der Hand hielt, bedeutete er Adriana, dass sie gehen konnte. „Danke für Ihre Hilfe, Adriana.“
„War mir ein Vergnügen.“
„Jemandem Kummer bereitet zu haben?“, fragte Simon unwillkürlich schneidend.
Zumindest verschwand das überhebliche Lächeln aus ihrem Gesicht. Das war eine Genugtuung.
„Ich habe dieses Treffen nicht heraufbeschworen, Mr. Delahunty“, erinnerte Adriana ihn kühl.
„Das ist Ansichtssache. Meiner Erfahrung nach fordert man Vergeltung heraus, wenn man das Leben von Menschen ändert, sogar wenn die Veränderung schuldlos herbeigeführt wird.“
Rowenas Eltern hatten ihn das gelehrt. Nicht, dass es diese selbstbesessene Frau jemals kümmern würde, welchen Schaden sie anrichtete, wenn sie rücksichtslos ihre Ziele verfolgte. Für Adriana Leigh waren das leere Worte.
„Ich will nicht, dass in der Firma noch mehr Zeit mit Klatsch verschwendet wird“, fuhr Simon fort. „Deshalb rate ich Ihnen, Ihr Gespräch mit Mrs. Goodman für sich zu behalten. Ist das klar?“
„Vollkommen, Mr. Delahunty. Ich weiß Ihr Taktgefühl zu schätzen.“
Er nickte.
Adriana Leigh ging.
„Dasselbe gilt für Sie, Fay.“ Er wandte sich zu seiner freundlichen Sekretärin mittleren Alters um. „Kein Wort über das, was hier stattgefunden hat.“
„Ist bei mir sicher aufgehoben“, erwiderte sie und warf ihm einen eulenhaften Blick zu, wie es für sie typisch war.
Simon entspannte sich und lächelte. Er mochte Fay Pendleton. Sie erledigte nicht nur alles, was er von ihr verlangte, schnell und gründlich, ohne nervös zu werden, sondern amüsierte ihn auch immer wieder mit ihrem Mienenspiel und trockenen Humor. Und mit ihrem Haar, das zurzeit burgunderrot war, mit dicken blonden Strähnen. Alle drei Monate probierte Fay eine neue Farbkombination aus. Grau, hatte sie ihm erklärt, sei zu langweilig für sie.
„Ich sehe mir das nachher an“, sagte Simon und ließ den Bericht, den Fay für ihn vorbereitet hatte, auf ihren Schreibtisch fallen. „Würden Sie bitte Kaffee kochen und in mein Büro bringen, sobald die Sandwiches geliefert werden?“
„Wird gemacht.“
Simon wollte Rowena nicht ohne Kaffee und einen Snack gehen lassen. Wahrscheinlich war sie am Morgen zu aufgeregt gewesen, um zu frühstücken, und Adriana war zweifellos aufs Ganze gegangen. Rowena war bestimmt nicht fahrtüchtig. Und allein sollte sie auch nicht sein.
Mit wenigen großen Schritten erreichte Simon die Tür zu seinem Büro. Er wusste nicht, ob Rowena seine Gesellschaft begrüßen würde oder nicht. Auf der Weihnachtsfeier der Belegschaft im letzten Jahr war sie höflich, aber unnahbar gewesen. Damals hatte er das Gefühl gehabt, dass sie nichts von ihm wissen wollte, und er hatte ihren Wunsch widerwillig respektiert. Vielleicht war die alte Vertrautheit zwischen ihnen an diesem Morgen nur durchgebrochen, weil Rowena durch die Erkenntnis, dass ihre Ehe gescheitert war, so erschüttert war.
Er konnte es nur versuchen.
Als Simon das Büro betrat und leise die Tür hinter sich schloss, war er sich darüber im Klaren, dass er sehr vorsichtig sein musste. Rowena war gekommen, um ihre Ehe zu retten. Sie wollte – liebte – Phil Goodman und war nicht auf der Suche nach einem anderen Mann. Gewiss nicht nach einem Lebenspartner oder Liebhaber.
Rowena saß am Tisch, die Ellbogen aufgestützt, die Hände vors Gesicht geschlagen und die Finger fest an die Schläfen gepresst. Sie wirkte gequält und niedergeschlagen … Und ich kann nichts dagegen tun, dachte Simon. Wäre Benedict noch am Leben und würde seine kleine Schwester so leiden sehen, würde er Schmerz mit Schmerz vergelten und Phil Goodman verprügeln. Simon wusste, dass es unter diesen Umständen nichts nützen würde, doch er konnte den Wunsch nach Gewalt nachempfinden. Rowena verdiente Hochschätzung. Beiseite geschoben zu werden wegen einer Frau wie Adriana Leigh …
Er atmete tief ein und durchquerte den Raum, um Rowena zu trösten, so gut er konnte. Vielleicht akzeptierte sie eine Schulter zum Ausweinen oder erlaubte ihm, sie nach Hause zu fahren. Vielleicht durfte er hoffen, irgendwann wieder ihr Freund zu sein oder sogar mehr als das.
Seit er Rowena und Benedict verloren hatte, war sich Simon der Lücke in seinem Leben bewusst. Niemand hatte sie füllen können. Ein Band langjähriger Freundschaft und Gemeinsamkeit war durchtrennt worden, und die Jahre danach hatten ihm nur klargemacht, wie kostbar und außergewöhnlich es gewesen war. Benedict zurückzubekommen war unmöglich, aber Rowena …
Simon blieb vor ihr stehen. Wagte er es, sie vom Stuhl zu heben und in die Arme zu schließen?
Sie sah auf.
In ihren schönen grünen Augen schimmerten Tränen.
Simon überlegte nicht.
Er tat es einfach.
Rowena hatte nicht einmal Zeit, daran zu denken, dass es falsch war, von Simon Delahunty umarmt zu werden, so schnell passierte es. Und im nächsten Moment wurde sie sich seiner unmittelbaren Nähe bewusst und geriet völlig in Verwirrung.
Sie war es nicht gewohnt, von einem anderen Mann als Phil so gehalten zu werden. Aber obwohl elf Jahre vergangen waren, seit sie mit Simon geschlafen hatte, erinnerte sie sich sofort daran, wie es mit ihm gewesen war.
Bilder aus jener Nacht kamen ihr in den Sinn, und ihre Brüste an Simons breiter Brust begannen zu prickeln. Der Druck seiner starken Oberschenkel war ihr noch schockierend vertraut, und ihr liefen heiße Schauer über den Rücken, wo sie Simons Arme spürte. Empfindungen, gegen die sie machtlos war, brachten sie so aus dem Gleichgewicht, dass sie unfähig war, noch einen klaren Gedanken zu fassen.
Simon schob eine Hand in ihr Haar und drückte ihren Kopf sanft an seine Schulter. Rowena nahm den Duft eines herben After Shave wahr. Ihr Herz klopfte wie verrückt. Die Erinnerungen, die sie überfielen, versetzten sie in helle Panik.
„Du brauchst die Tränen nicht zurückzudrängen, Rowena“, sagte Simon leise, während er die Wange an ihrem Haar barg. „Bei mir kannst du dich ausweinen. Ebenso wie du es bei Benedict tun würdest, wenn er hier wäre.“
Fühlte er sich schuldig, weil sie keinen großen Bruder mehr hatte? Hatte er Mitleid mit ihr? Ihre Tränen waren versiegt, als er sie an sich gezogen hatte. Sie hätte nichts anderes als Verzweiflung empfinden dürfen, aber sie tat es. Und das war falsch. Schrecklich falsch!
Erinnerte sich Simon an die anderen Male, als er sie nicht wie ein Bruder, sondern wie ein Mann, der sie begehrte, umarmt hatte?
Sie war nicht mehr siebzehn. Jetzt war sie eine erfahrene Frau, deren Ehe in die Brüche gegangen war, weil ihr Mann in eine andere verliebt oder vernarrt war, und die deshalb im Moment äußerst verletzlich war. Glaubte Simon, dass sie das verfügbar machte?
Warum hatte er nicht geheiratet? Was für ein Mann war er jetzt? Rowena wusste es nicht. Das Gespräch mit Adriana hatte ihr das Gefühl gegeben, ein naives, dummes Ding zu sein, das überhaupt nichts wusste.
Es war, als hätte man ihr den Boden unter den Füßen weggerissen. War Simon der zuverlässige Beschützer, dem sie vertrauen konnte? Oder war es gefährlich, ihm oder irgendjemandem zu trauen?
Simon rieb die Wange an ihrem Haar. Und dann … was tat er da? Das waren … Küsse! Erschrocken sah Rowena auf. Sein Blick verriet nicht brüderliche Zuneigung oder Mitleid, sondern eine schwelende Leidenschaft, die all die Zweifel und Ängste hochkommen ließ, die Adriana geschürt hatte.
„Lass mich los!“, rief Rowena und befreite sich aus der Umarmung, sobald Simon seinen Griff lockerte.
„Rowena …“, bat er rau und versuchte, sie wieder zu berühren.
Wütend und entsetzt wich sie zurück. „Adriana hat recht. Männer wollen nur Sex.“
„Nein!“, widersprach Simon heftig.
Aber Rowena ging bereits zur Glaswand hinüber, um einen sicheren Abstand zwischen sie beide zu bringen. Desillusioniert und verzweifelt verschränkte sie die Arme vor der Brust.
Sie war eine verheiratete Frau. Es war nicht recht von Simon, so zu tun, als würde er ihr brüderlichen Trost anbieten, und dann die Situation auszunutzen. Selbst wenn Phil … Aber das entschuldigte es nicht. Simon musste klar sein, dass sie gekommen war, um ihre Ehe zu retten. Wenn Simon ihre Schwäche zu einem solchen Zeitpunkt missbrauchte, war er auch nicht besser als Adriana Leigh.
„Sie wollte dich“, stieß Rowena hervor. Welch bittere Ironie, dass Simon sich nicht viel anders als Adriana verhielt! Das traf sie schwer. „Warum hast du sie nicht genommen, Simon? Sie war frei …“
„Du bedeutest mir viel, Rowena. Hast du immer.“
Die leise Antwort wühlte sie noch mehr auf, und Rowena klammerte sich an den erstbesten Grund, der ihr einfiel, warum sie ihm nicht glauben sollte. „Warum hast du die Affäre zwischen Adriana und Phil dann nicht verhindert?“
Simon erwiderte nichts.
„Erzähl mir nicht, du hättest nicht gewusst, dass sie an dir interessiert ist.“ Rowena drehte sich zu ihm um. „Sogar ich habe es erkannt, als sie vorhin hereingekommen ist.“
Er zuckte zusammen, als hätte sie ihn geschlagen, doch er hielt ihrem Blick stand. „Willst du einen Mann, der vor einer anderen Frau gerettet werden muss?“, fragte er verächtlich. „Finde dich damit ab. Phil verdient deine Liebe nicht. Wenn er sich wirklich etwas aus dir machen würde, hätte Adriana keine Chance gehabt.“
Phil hatte sich etwas aus ihr gemacht! Sie würde nicht vergessen, dass er für sie gesorgt hatte, als Simon, dem sie angeblich viel bedeutete, spurlos verschwunden war. „Du maßt dir an, das zu beurteilen? Möglicherweise ist es meine Schuld, weil ich Phil nicht genug gegeben habe. Vielleicht wollte er mehr … mehr …“
„Sex?“
Hitze stieg Rowena ins Gesicht. Einzuräumen, dass sie Phil auf diesem Gebiet wohl nicht befriedigt hatte, war zu demütigend. Doch es musste so sein. Rowena biss sich auf die Lippe. Jetzt wünschte sie, sie hätte diesen geschmacklosen Streit nie angefangen. Sogar Simon verzog angewidert den Mund.
„Sex ist kein Klebstoff, der einen Mann und eine Frau zusammenhält, Rowena. Er hilft, doch wenn andere Dinge fehlen …“ Simon zögerte, als wollte er sich vergewissern, dass sie ihm genau zuhörte. „Du hast so viele begehrenswerte Eigenschaften. Ein Mann sollte sich glücklich schätzen, dich zu haben.“
Begehrenswert. So sah Simon sie? Noch immer? Dazu hatte er kein Recht. Und sie durfte sich nicht verwirren und ablenken lassen. „Die Tatsachen sprechen dagegen. Phil will mit Adriana zusammen sein. Alles, was wir miteinander erlebt haben, bedeutet anscheinend überhaupt nichts im Vergleich zu dem, was sie ihm gibt.“
„Adriana schmeichelt seinem Ego“, erwiderte Simon ausdruckslos. „Dein Mann liebt es, gelobt zu werden. Davon kann er nie genug bekommen. Wird er nie. Diese Schwäche hast du doch im Verlauf der Jahre sicher erkannt.“
„Warum hast du ihn dann eingestellt?“, fragte Rowena, deren Sinn für Loyalität nicht zuließ, dass sie Simons scharfsichtiges Urteil akzeptierte.
„Er ist gut in seinem Job.“
„Warum hast du sie eingestellt?“
„Habe ich nicht. Das war Phil. Er hat das Recht, die Mitarbeiter in seiner Abteilung selbst auszuwählen. Normalerweise erhöht das die Leistung eines Teams.“
Das klang alles plausibel. Rowena wurde von widersprüchlichen Gefühlen gequält, ohne ihnen Luft machen zu können. Ein Klopfen an der Tür war eine willkommene Störung.
Eine Frau, die einen Teewagen schob, kam herein. Sie schien die gespannte Atmosphäre zu spüren, denn sie blieb stehen und blickte unschlüssig zwischen Simon, der ihr den Rücken zukehrte, und Rowena hin und her. Offensichtlich fand sie die Stimmung im Raum bedrohlich. Sie zuckte entschuldigend die Schultern und wollte sich wieder zurückziehen.
„Ist in Ordnung, Fay“, sagte Simon leise. Er drehte sich um und winkte sie herein. „Das ist meine Sekretärin, Fay Pendleton. Mrs. Goodman, Fay.“
„Freut mich, Sie kennenzulernen, Mrs. Goodman.“ Die Sekretärin lächelte zögernd.
„Ja. Danke“, erwiderte Rowena fahrig. Sie war überrascht, weil sie mit einem eleganten, weltgewandten Aushängeschild für Simons Unternehmen gerechnet hatte. Diese Frau mit dem Mondgesicht wirkte jedoch unauffällig und reizlos – bis auf ihr Haar. Das kräftige Burgunderrot mit den dicken blonden Strähnen hatte zweifellos etwas Exzentrisches.
Fay Pendleton rollte den Teewagen zum Tisch und deckte schnell und geschickt Untertassen, Tassen, Teller, Zuckerschale und Milchkännchen auf. Dann schenkte sie Kaffee ein und stellte zuletzt eine Platte mit kunstvoll angeordneten Sandwiches in die Mitte. „Räucherlachs, Putenfleisch mit Avocado, Schinken mit …“
„Danke, Fay“, unterbrach Simon sie.
Sie warf Rowena einen mütterlichen Blick zu und sagte freundlich: „Versuchen Sie, etwas zu essen.“
„Fay …“, warnte Simon.
Die Sekretärin ging hinaus.
Rowena sah ihr nach. Sie mochte die Frau und fühlte sich seltsam getröstet, weil Fay Pendleton keine erotische Anziehungskraft besaß. Natürlich hätte es ihr gleich sein sollen, wen Simon bei der Arbeit um sich hatte. Ist es ja auch, sagte sich Rowena. Der Gegensatz zu Adriana Leigh war einfach eine Erleichterung.
Das leise Klicken, als Fay Pendleton die Tür hinter sich schloss, riss Rowena aus ihren Gedanken. Warum war sie überhaupt noch hier? Eine Kaffeepause änderte nichts. Sie verlieh lediglich einer aufgeladenen Situation den Anschein von Normalität – einer Situation, der sie, Rowena, entfliehen musste, bevor alles noch schlimmer wurde.
Sie bereitete sich darauf vor, Simon wieder anzuschauen. Auf keinen Fall wollte sie noch länger mit ihm allein sein. Sie würde ihm dafür danken, dass er ihr sein Büro zur Verfügung gestellt hatte, und dann gehen. Langsam wandte sie den Blick von der Tür ab und sah Simon offen an. Was immer er im Sinn hatte, sie würde es unterbinden.
Ganz gleich, was Phil getan hatte, sie war noch mit ihm verheiratet, und Simon hatte kein Recht, Gefühle aufzurühren, die schon vor langer Zeit hätten begraben werden sollen – zusammen mit ihrem Bruder, Benedict, denn sein Tod war das Ende aller Gemeinsamkeiten zwischen Simon und ihr gewesen.
Als ahnte er, was sie vorhatte, kam er ihr zuvor. „Um auf deine Frage von vorhin zurückzukommen“, sagte er energisch, „ich habe kein Interesse an Adriana, weil ich keine Menschen mag, die andere manipulieren. Ich will nicht mit einer Frau zusammensein, die Empfindungen vortäuscht. So eine Frau ist für mich völlig reizlos. Wie attraktiv und leicht zu haben sie ist, spielt keine Rolle.“
„Und ich bin plötzlich reizvoll?“ Rowena war entsetzt, dass sie sich zu einer solch provozierenden Erwiderung hatte hinreißen lassen, aber Simons unerschütterliche Selbstsicherheit setzte Phil als Mann herab, und das ärgerte sie. Noch wütender machte sie die Vorstellung, Simon könnte denken, er brauchte nur ihre Verwundbarkeit auszunutzen und ihr zu sagen, dass er sie begehrenswert fand, auch wenn ihr Ehemann es nicht mehr tat.
„Nein, nicht plötzlich“, antwortete Simon leise. „Die meisten Menschen vergessen ihre erste Liebe nie.“
Sein Blick verriet die Sehnsucht nach der Zeit, als alles noch einfacher gewesen war, und das tat weh. Wenn Simon nicht vergessen hatte, was zwischen ihnen gewesen war, hätte er sich vor vielen Jahren anders verhalten müssen. Jetzt spielte es keine Rolle mehr. Es schmerzte auch, weil es Rowena daran erinnerte, wie naiv und vertrauensvoll sie damals gewesen war. Sie hatte gedacht, er würde zu ihr zurückkommen und sie würden sich eine gemeinsame Zukunft aufbauen.
Er hatte dieses Vertrauen zerstört und seine erste Liebe hinter sich gelassen. Deshalb hatte er kein Recht, sich jetzt darauf zu berufen. Phil hatte wieder Liebe in ihr Leben gebracht. Aber er verriet diese Liebe, ebenso wie Simon damals.
„Es bedeutet nichts“, sagte Rowena traurig.
„Für mich schon.“
Sie konnte ihm nicht glauben. Nicht nach all der Zeit. Vielleicht vermochte Simon noch immer verräterische Gefühle in ihr zu wecken, doch seine waren gewiss oberflächlich. Sie wurden durch einen vorübergehenden Reiz ausgelöst, den sie auf ihn ausübte. Mit tiefer, dauerhafter Zuneigung hatte das nichts zu tun.
„Wie viele Jahre hat jeder von uns sein eigenes Leben geführt, Simon?“
„Wir sind noch immer dieselben Menschen.“
Rowena störte es, dass er davon so überzeugt war. „Nein, sind wir nicht. Ich nicht!“, erklärte sie entschlossen. Sie hatte zu viele Verluste erlitten. Die Vergangenheit hat Narben hinterlassen!, wollte sie ihn anschreien, aber ihr Stolz hielt sie zurück.
Simon runzelte die Stirn, und seine Miene verriet zum ersten Mal Unsicherheit. „Willst du Phil wirklich zurückhaben, Rowena? Obwohl du über ihn und Adriana Bescheid weißt?“
„Er ist mein Mann. Er hat mich geheiratet.“ Du nicht. „Und er ist der Vater meiner Kinder“, fügte Rowena hinzu, doch dann hätte sie den letzten Satz am liebsten zurückgenommen.
Simon presste die Lippen zusammen.
Es machte ihr das Herz schwer, wie traurig er plötzlich aussah, und heftige Schuldgefühle quälten sie, weil sie ihm sein Kind – seinen Sohn – vorenthalten hatte. Doch Simon hatte jeden Anspruch auf Jamie verwirkt. Phil war der einzige Vater, den Jamie kannte, und er war immer gut zu ihm gewesen. Aber jetzt … Was sollte sie nur tun? Was, wenn Adriana ihren Willen durchsetzte und Phil sich nicht mehr mit Jamie abgeben wollte?
Sein Blick fiel auf den Tisch, und Simon kam und nahm das Milchkännchen. „Noch immer mit Milch und einem Stück Zucker?“, fragte er, ohne aufzusehen.
„Ich möchte keinen Kaffee“, erwiderte Rowena ausdruckslos. Sie wünschte, Simon würde sich nicht daran erinnern, wie sie ihren Kaffee trank. Die Vertraulichkeit tat weh. Alles tat weh. Ich sollte gehen, dachte Rowena. Warum verspürte sie solch einen Widerwillen, es zu tun? Was konnte es denn bringen, dieses beunruhigende Gespräch mit Simon fortzusetzen?
Er stellte das Milchkännchen langsam zurück auf den Tisch, dann schaute er sie durchdringend an. „Soll ich versuchen, deinem Mann Adriana auszuspannen?“
Rowena war verblüfft, dass Simon daran dachte, das für sie zu tun. „Du hast gesagt, du magst keine Menschen, die andere manipulieren.“
„Manchmal kann Feuer nur mit Feuer bekämpft werden.“ Er zuckte die Schultern. „Wenn es dir so viel bedeutet, Phil zurückzubekommen …“
„Nein. Nicht so.“ Rowena schauderte bei dem Gedanken an solch einen unehrlichen Schachzug.
„Wenn du wirklich glaubst, nur mit Phil glücklich sein zu können …“
„Es würde ohnehin nicht funktionieren. Adriana ist nicht dumm, Simon. Du hättest vorhin nicht meine Hand halten sollen.“ Und später hatte er nicht nur ihre Hand genommen, sondern sie in seine Arme geschlossen … Rowena errötete, als sie daran dachte, wie sie auf seine Umarmung reagiert hatte. Es war einfach nicht fair, dass Simon sie noch immer so tief berühren konnte.
„Tut mir leid. Es war nicht meine Absicht, dich zu verärgern“, sagte er leise. Dann fügte er ironisch hinzu: „Ich hätte meine menschlichen Regungen zügeln müssen.“
„Vielleicht hast du es nur gut gemeint, aber Menschen legen die Dinge aus, wie sie wollen, und ein Ruf ist schnell ruiniert. Ich möchte nicht noch mehr Probleme, als ich schon habe, Simon. Deine Sekretärin hätte hereinkommen können, während du mich im Arm gehalten hast. Wie hätte das ausgesehen?“
Sein Blick wurde kühl und abwägend. „Du willst Phil zurück“, sagte Simon, als würde er bereits planen, wie dieses Ziel am besten zu erreichen war.
„Ich habe keine Ahnung, was ich tun soll“, erwiderte Rowena unglücklich. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass es für Phil und sie jemals wieder wie früher sein würde. Sein Ehebruch hatte alles kaputtgemacht und würde immer zwischen ihnen stehen, aber den Kindern zuliebe …
„Phil weiß gar nicht mehr, was er an dir hat. Vielleicht würde es helfen, ihn aufzurütteln, damit ihm bewusst wird, was er aufgibt.“
„Wie?“, fragte sie, ohne sich etwas davon zu versprechen. Adriana hatte ihr jede Hoffnung genommen.
„Ich bin sein Boss. Die meisten Menschen würden mich wohl einen sehr begehrenswerten Junggesellen nennen. Adriana hat mich zweifellos dafür gehalten“, sagte Simon sarkastisch.
„Was hat das mit mir zu tun?“ Rowena konnte seinem Gedankengang nicht folgen.
„Manchmal wissen Menschen das, was sie besitzen, erst zu schätzen, wenn jemand anders es haben will. Nimmt dieser Jemand einen höheren Rang ein als sie selbst, gilt das besonders. Legen wir es darauf an, zusammen gesehen zu werden. Benutz mich, um Phil eifersüchtig zu machen“, schlug Simon vor, ohne mit der Wimper zu zucken. „Vielleicht wirst du dann feststellen, dass Phil plötzlich wieder nur dich will.“
„Wenn du denkst, ich würde eine Affäre mit dir anfangen …“ Rowena war schockiert. Sie war einfach nicht dazu fähig, es Phil mit gleicher Münze heimzuzahlen. Und Simon glaubte, sie zu kennen?
„Ich erwarte nicht von dir, dass du mit mir ins Bett gehst. Wir treffen uns einige Male und sorgen dafür, dass es bemerkt wird.“ Simon lächelte beschwörend. „Wir sind früher befreundet gewesen.“
Rowena blickte ihn starr an. Sie konnten nicht mehr befreundet sein. Über Freundschaft waren sie hinausgegangen. Inzwischen war ihr klar, dass Simon sich daran erinnerte, mit ihr geschlafen zu haben. Und seine Anziehungskraft war viel zu stark. Rowena wusste, dass sie ständig an ihn denken würde, wenn sie ihn öfter sähe. Es würde sie hoffnungslos verwirren. Und was würde das bringen?
„Ich will Phil nicht eifersüchtig machen. Wenn er erst einmal glaubt, ich sei ihm untreu, und mir nicht mehr vertraut … Verstehst du denn nicht? Das würde endgültig alles zerstören. Dann bliebe uns nichts mehr.“
Sein Lächeln verschwand. „Er verdient dich nicht!“, sagte Simon wütend.
„Und du tust es?“, fragte Rowena scharf, unfähig, ihre Gefühle noch länger zu unterdrücken. „Was ist mit den Frauen in deinem Leben, Simon? Mit den intimen Beziehungen, von denen keine gehalten hat? Haben dir deine Partnerinnen wirklich etwas bedeutet? Oder waren sie dir im Grunde ebenso gleichgültig, wie es Adriana wäre, wenn du sie Phil ausspannen würdest?“
„Nein.“ Simon wurde rot vor Zorn. „Ich hätte Adriana nicht angerührt. Ich habe das nur vorgeschlagen, um zu sehen, was du willst.“
„Was ist mit den anderen?“ Sie musste einfach wissen, wie er die Frauen behandelte, mit denen er geschlafen hatte. „Du hast doch nicht all die Jahre immer nur allein gelebt.“
„Natürlich nicht. Niemand ist gern allein“, rechtfertigte sich Simon heftig. „Ich habe es versucht.“ Er schüttelte niedergeschlagen den Kopf. „Immer hat irgendetwas gefehlt.“
„Also hast du sie alle verlassen und aus deinem Leben verbannt.“
„Nein. Sie sind noch gute Freundinnen von mir.“
Mich hast du aus deinem Leben verbannt …
„Ich werde nicht deine Freundin sein, Simon. Niemals.“ Bei dem Gedanken, dass sie diejenige seiner Geliebten war, die ihm am wenigsten bedeutet hatte, wurde Rowena noch verzweifelter. Sie war es ihm nicht einmal wert gewesen, sich mit ihr in Verbindung zu setzen, nachdem sie durch den furchtbaren Unfall getrennt worden waren.
„Rowena, bitte.“ Simon machte einen Schritt auf Rowena zu und streckte die Hände aus.
„Komm nicht näher“, warnte sie ihn. „Fass mich nicht an. Nie wieder.“
„Ich möchte dir helfen. Ich will …“
„Nein! Dass du mich immer noch begehrenswert findest, soll wohl ein Kompliment sein, aber genau das ist eben alles, was zwischen uns gewesen ist. Nur Sex. Du weißt nicht, was Liebe ist. Oder gefühlsmäßige Bindung.“
„Das stimmt nicht.“ Er blickte sie durchdringend an. „Ist es meine Schuld, dass die Frau, die ich liebte, einen anderen geheiratet hat, und die Kinder, die ich mit ihr wollte, Phil Goodmans sind?“