Kaleidoskop Mensch  1 - Udo Robert Riegger - E-Book

Kaleidoskop Mensch 1 E-Book

Udo Robert Riegger

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Beschreibung

Kaleidoskop Mensch 1 Über die potentielle Farbenpracht des Menschen Aus dem Leben - Für das Leben Wahr oder nicht wahr, entscheiden Sie selbst. ... was macht den Menschen eigentlich aus ... ... erinnern Sie sich an das Seelen-Prinzip ... ... wer könnte Totes Auge überhaupt aufhalten ... kann Rauchen das Gehirn vernebeln ... ... was passierte im Tal der Wasserquellen ... ... wer wurde aus diesem Findelkind ... ... kann ein Mensch sich selbst im Wege stehen ... ... sind Besucher immer willkommene Gäste ... ... glaubten Sie sich schon mal im falschen Film ... Kurzgeschichten Jede für sich eine Perle mit faszinierenden Überraschungen und spannenden Wendungen. von Udo Robert Riegger

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Der Autor:

„Manchmal beisst das Leben an der richtigen Stelle.“

Sein Weg ist sein Ziel. Und als er sich darauf begab, war ihm das nicht bewusst. Udo Robert Riegger, Jahrgang 1958, seine Interessen und Vielseitigkeit brachten ihn beruflich zum Maschinenbaumeister, Elektrotechniker, Betriebswirt, Ergotherapeuten und in die freiberufliche Gesundheitsberatung und privat u.a. bis ans Ende (nein, eigentlich bis an den Anfang) dieser Welt. Menschen aller Couleur und das Leben selbst in seiner Unberechenbarkeit, hinterlassen Eindrücke die ihn zu lyrischen Texten, Kurzgeschichten, Dreizeilern und Romanerzählungen inspirieren. Wichtig ist ihm dabei, wie im richtigen Leben auch, Humor und Tiefgang.

„Ich schreibe, weil es mir Spaß macht und etwas in meinem Inneren mich dazu auffordert. Formulierungen über Zusammenhänge, Begebenheiten, Erfahrungen oder Empfindungen entwickeln sich in mir und machen einfach Laune. Insbesondere, wenn die Muse mich völlig überraschend küsst. Das kann am helllichten Tage oder in tiefschwarzer Nacht sein. Nicht selten lese ich dann erstaunt das, was sich vor mir auf dem Papier zusammen gefunden hat. Jedes Mal aber, löst es eine innere Zufriedenheit aus und das sichere Gefühl, dass es richtig ist zu schreiben.“

Widmung

All den wunderbaren Menschen, die erkannt haben, dass sie zu allem fähig sind und sich entschieden haben wohlwollend zu sein.

Wir haben die Erde von unseren Eltern nicht geerbt, sondern wir haben sie von unseren Kindern nur geliehen.

Indianisches Sprichwort

Inhalt

Totes Auge

Loretta

Das Seelen-Prinzip

Total Normal oder Simone steht mal wieder völlig neben sich

Der Alte und der Junge

Lui im Tal der Wasserquellen

Besucher

Sie glauben sich im falschen Film?

Schwereloser Nachmittag

Für Dich

Totes Auge

Betäubend schön, intensiv und gefühlt nicht enden wollend, tauchte das grandiose Lichtspiel des Sonnenuntergangs diesen Teil der Welt in ein majestätisch anmutendes, tiefes Abendrot. Sein Farbverlauf auf Horizonts Schneide begann wie fließende glühende Lava und ging blutrot in ein leuchtend gelbes Licht über. Es wirkte, als versuchte er sich gegen die Verbindung mit dem flirrenden Horizont zu stellen, aber dennoch im Zeitlupentempo darin versank. Die Sonne schien sich gegen jeden Augenblick des Versinkens an der Horizontkante wegdrücken zu wollen. Sie breitete sich abwehrend zu einer gleißend flimmernden Wand aus, die sich verfließend an der Oberfläche gegen das Untergehen zu stemmen versuchte. Um dann doch, zwar unschuldig strahlend, die surreal wirkende grauenhafte Realität dramatisch auszuleuchten.

*

Dieses grausame Szenario hatte bei Roc eine körperliche Schockstarre ausgelöst. Zum Lähmungsgefühl kamen eine innerlich spürbare Zermürbung und das starke Bedürfnis einfach zu resignieren. Durch das dumpfe Dröhnen in den Ohren und dem Schwindel im Kopf verlor er fast sein Bewusstsein. Er kämpfte mit aller Kraft dagegen an. Nur sein Instinkt funktionierte noch und hielt seinen Organismus davon ab zusammenzubrechen. Das durfte auf gar keinen Fall passieren. Denn sonst würde Roc sich selbst verlieren in all dem Blut, den Körperteilen und den Eingeweiden, die ihn umgaben soweit sein Blick reichte. Überall aufgerissene Leiber, verlorengegangene Früchte von Schwangeren, die anhand der verschiedenen Stadien, in denen sie sich befanden, ihre Entwicklungsphasen sichtbar werden ließen. Manche Schwangere waren kurz vor ihrer Niederkunft und jetzt mit ihrer Frucht zum Sterben verurteilt. Neues, junges Leben schändlich ignoriert und ermordet zurückgelassen.

Roc konnte seinen Blick von diesen Grausamkeiten nicht abwenden. Er sah die Jungen und Alten, tot, in ihren vertrauten Gesichtszügen hatte sich ihr letztes Gefühl, das der Todesangst, eingebrannt und ihre Augen weiten und erstarren lassen. Vertraute liebliche Gesichter, in Rocs Erinnerung mit Freudentränen und herzlichem Lachen geschmückt. Wohlwollende, glückliche Gesichtszüge zeigten sich jetzt verzerrt, entstellt, ausgelöscht und in einer Vielzahl, die für den Verstand nicht mehr fassbar, nicht mehr erträglich war. Roc wurde in seiner Empfindung immer tauber. Er dachte es müsse ein überirdischer Schock sein, dessen schmerzliche Schwingung bis in ferne Galaxien wahrnehmbar sein musste.

Übermannt von unbändiger Übelkeit, Trauer und stechenden Schmerzen im ganzen Körper, trat Roc widerwillig seinen Heimweg an. Trunken von den herrschenden Eindrücken, musste er sich mit all seiner Kraft gegen das gelähmte Verweilen in dieser Tragödie wehren. Sein Kopf schmerzte, sein Körper fieberte vor Krämpfen und seine Tränen brannten wie Säure auf seinen Wangen. Sein Körper bewegte sich instinktiv und entfernte sich mehr und mehr von diesem grässlich abscheulichen Ort.

Hier, wo sich traditionell zwei der größten Familien der Blues aus dem Norden und aus dem Süden wie immer im siderischen Zyklus getroffen hatten. Hier, wo sich die Alten austauschten und sich zwischen den Jugendlichen zärtliche Liebesbande knüpften und bestehende verstärkt wurden. Hier, wo Vermählungen stattfanden, gespielt, getanzt und endlos friedlich gefeiert wurde. Hier, wo zerbrechliche und kraftvolle Stimmen wunderschöne Melodien in den weiten und hohen Gebirgen lange nachhallen ließen. Hier, wo zauberhafte Verzauberung spürbar war. Hier, wo die gemeinsame Jagd und das Ehren der Nahrung das mehrtägige Treffen beendete, wo man sich friedlich in Harmonie mit Respekt und tiefer Zufriedenheit trennte und sich freudig wieder verabredete.

Roc hatte bereits eine gute Strecke zwischen sich und diese furchtbare Stätte gebracht als er plötzlich innehielt. Eine apathische Ruhe hüllte ihn ein, dann spürte er aufkommende Hassgefühle, die sein Herz schneller schlagen ließen. Er wollte sich nicht beruhigen, er spürte wie langsam sein Kopf leichter wurde und wie sein messerscharfer Verstand zurückkehrte. Er erinnerte sich an Erzählungen der daheim gebliebenen Alten, die sich die Strapazen der langen Reise nicht mehr zumuten wollten oder konnten. Sie sprachen oft von ähnlichen Massakern in der Vergangenheit. Nun war Roc zum zweiten Mal mit auf dieser Reise und wurde Zeuge einer Gräueltat, die alle seine bisherigen Vorstellungen, die er sich durch die Schilderungen der Alten gemacht hatte, zum Erblassen brachte.

Blu, der Älteste mit 96 Sider, erzählte, wie sie eines Tages entdeckten, dass sich Fremde in das Kommunikationssystem der Blues einlockten und so die Familienstandorte bestimmen konnten. „Wir änderten ständig unsere Frequenzen, aber es half nichts. Die Fremden waren immer an uns dran. Und nicht nur an uns. Auf andere Familien traf das Gleiche zu. In der Folge kam es zu mehr Austausch zwischen den unterschiedlichen Großfamilien. Selbst verfeindete Familien kommunizierten miteinander um Lösungen zu finden und um sich gegenseitig Schutz zu bieten. Doch alles war vergebens. Die Massaker wiederholten sich in immer kürzeren Zeiträumen und nahmen ein immer größeres Ausmaß an.“

Roc dachte nach, er konnte jetzt nach Hause, aber was sollte er dort? Dem Ältestenrat diesen Wahnsinn hier erzählen? Gesagt zu bekommen, dass man nichts ändern kann und dann die langen Trauerzeiten über viele Sider? „Nein, nein, nein!“ hörte er seine eigene Stimme und hämmerte mit seinem Kopf an einen Felsen bis warmes Blut über seine Wange rann und er es auf seinen Lippen schmeckte. „Aber was soll ich tun? So kann und darf es nicht weitergehen. Bald wird keiner unserer Art mehr am Leben sein. Dieses barbarische Töten und Verschleppen. Keine ehrenvollen Bestattungen. Was passiert da? Ich will wissen, will verstehen! Was ist zu tun?“ Er schrie sich die Worte aus dem Leib und bemerkte wie ihm seine eigene tiefe Stimme Mut gab. Er entschloss sich Antworten zu finden.

*

Traurige Gesänge begleiteten die langen Kolonnen von jenen, die dem Massaker entkommen waren. Es gab keinen Unterschied mehr, wer aus dem Norden oder Süden gekommen war. Die vielen unterschiedlichen Familien gingen einen gemeinsamen Weg. Tausende gebrochene Herzen wandten sich gen Norden, von dort erhofften sie sich Sicherheit und Rat von den Ältesten, oder auch nicht, zu niedergeschmettert und verstört waren alle, um mehr zu tun, als sich irgendwie zu bewegen und ob sie sich in Sicherheit brachten war vielen gleichgültig. Durch die lähmende Angst und die Befangenheit durch die sich breitmachenden Sinnlosigkeit und der schmerzend quälenden Trauer, wollten sie sich einfach fallen lassen, sitzen bleiben, liegen bleiben, irgendwo, nur noch ruhen, die Augen schließen und bleiben, mehr nicht, es schmerzte zu sehr noch am Leben zu sein. Die Stärksten der Gruppe fochten gewaltige innere Kämpfe aus, sie mussten ungeheure Energien freisetzen, um sich und andere zu beruhigen, zu trösten, zu motivieren sich einfach weiter zu bewegen und zu ermutigen, trotz Tränen in den Augen und geschundener Seele. Es bot sich ein beängstigend unwirkliches Bild. Unzählig niedergeschlagene Reisende, die auf ihrer sich schleppenden Wanderung Melodien anstimmten, die tiefste Traurigkeit, eine alles durchdringende Hoffnungslosigkeit und Verzagtheit spüren ließen. Die sich lang hinstreckenden Gebirgszüge, die normalerweise vertrauten Schutz signalisierten, wirkten jetzt beängstigend und bedrohlich.

*

Roc wusste, wenn er Antworten haben wollte, dann musste er zurück. Es war stockdunkel, als er zurück zum Ort des Massakers kam. Er zwang sich seine Emotionen abzuschalten und folgte nur seinem analytischen Denken. Seine Augen konnte er zwingen sich auf die kleinsten Details zu konzentrieren, aber seinen Geruchsinn konnte er nicht beeinflussen. Er versuchte kaum zu atmen, um den üblen Geruch von Blut und totem Fleisch so lange als möglich außen vor zu halten. Nach einer Weile versank er so in seiner Konzentration, dass er nicht bemerkte, wie weit er sich bereits wieder von diesem schrecklichen Ort entfernt hatte. Die Spuren, die er fand, zeigten eine eindeutige Richtung auf, der er, wie in Trance, folgte. Er vergaß Raum und Zeit, seine Sinne konzentrierten sich, sein Verstand war hellwach und er meditierte auf seine Instinkte und seine Intuition. Er war einer der Schnellsten in seiner Familie und er wusste, dass er bei diesem Tempo, das er vorlegte, bereits eine sehr weite Strecke zurückgelegt hatte. Die Umgebung war ihm durch viele Wanderungen vertraut. Die Spur, die er verfolgte, war so eindeutig, dass er keine Zweifel hatte. Nach und nach verlor sie sich jedoch. Roc folgte seinem Spürsinn und wagte sich in unbekannte Gebirge vor. Es war schwierig sich in den engen Zerklüftungen nicht zu verletzen. Sein Weg führte ihn höher und höher. Als er auf einer großen Plattform ankam, war er sehr angespannt. Über ihm schaukelten dichte Wolken aus nebeligem Dunst. Er verhielt sich ruhig und überdachte seine Situation. Im leisen Zwiegespräch versucht er seine Unsicherheit zu überwinden. „Wage ich mich weiter, werde ich die Wolkendecke durchbrechen müssen? Aber was ist darüber? Es könnte ein bewachter Zugang sein. Eine Falle. Es fühlt sich gefährlich an.“ Roc erkundet die Plattform und entdeckt eine überhängende Felswand mit einer darunter im Felsen tiefer liegenden Nische. Er entschließt sich hier etwas auszuruhen und nachzudenken. Im Schutze der Felsennische kommt er etwas zur Ruhe und kann sich ein wenig entspannen und fällt in einen Halbschlaf.

*

Von weit her, wie aus einer anderen Welt, kamen plötzlich Erinnerungen an Sore. Vor einem Sider lernte Roc sie kennen. Als eines Abends die Familien ihre Nachtmelodien anstimmten, wurde er unter den vielen Chorälen auf eine besondere Stimme aufmerksam. Neugierig suchte er nach ihr. Roc hatte das Gefühl, dass diese Stimme nur zu ihm alleine spreche und er ihr folgen sollte. Als er sah wem sie gehörte, verschlug es ihm den Atem. Die Augen in die er blickte, verursachten in ihm gleichzeitig Hitze und Kältewellen. Er hatte das Gefühl, als würde sein Herz stillstehen und gleichzeitig spürte er seinen Herzschlag rasen. Er liebte sie vom Fleck weg, beim ersten Blick in ihre nachtblauen Augen. Er hörte nicht, wie ihre Stimme sagte: „Hallo, ich bin Sore“ und nach einer kurzen Weile: „Hallo?! Ich bin Sore und wer bist du?“ Roc spürte nur, dass sein Mund offen stand und er hatte wohl irgendwie einen Silberblick, weil er dieses betörende, seinen Verstand lähmende, sanfte, anmutende Antlitz plötzlich doppelt sah. Doch schlagartig wurde ihm die Situation bewusst und er sah eine Mischung von fragendem und unfassbar schönem Lächeln vor sich.

Obwohl Roc hier in der Felsennische unter dem Felsvorsprung sehr müde war und die Traurigkeit sein Herz umklammerte, musste er darüber schmunzeln, wie blöd er damals gewirkt haben musste.

Sore kam mit ihrer Familie von den Weißen Riesen. Roc hatte sich unglaublich darauf gefreut sie bei diesem Treffen wieder zu sehen und war sich sicher, dass es Sore genau so gehe. Und nun das. Er wusste nicht was aus ihr geworden war, wollte nicht weiter denken, gewaltsam riss er sich von den Gedanken los und dachte nur noch Schlaf, Schlaf, Schlaf … und irgendwann schlief er ein.

*

Die schreckliche Nachricht von diesem Massaker fand sehr schnell seine Verbreitung. Abgesandte der Blues im Norden kamen der großen trauernden Kolonne entgegen und führten sie ins sichere Gebirgsland. Blu hatte schon Tage vorher den Ältestenrat gerufen. Sie hatten beschlossen den Rat der Räte einzuberufen. Noch nie in der Geschichte war dies auch nur im Ansatz versucht worden. Blu hatte keine Vorstellung was daraus werden sollte, er spürte nur, dass es das Richtige war. In den folgenden Tagen trafen Abgesandte der verschiedenen Clans und Familien ein. Es gab Familien, die sehr schnell reisten und andere, die einen gemächlicheren Reisestil bevorzugten. Deshalb trafen ihre Abgesandten erst über mehrere Tage verteilt ein. An langen Abenden lernten sie sich kennen und fingen an sich intensiv auszutauschen. Die Strukturen und Gebräuche der Familien glichen sich weitgehend und es bildeten sich vor dem Hintergrund des Geschehenen ein starkes Gefühl der Verbundenheit und der Wunsch zur Zusammengehörigkeit. Wie sich nach und nach herausstellte, hatte die Tragödie ein viel größeres Ausmaß, als bisher angenommen. Durch die Erzählungen der unterschiedlichen Familienoberhäupter wurde allen schnell bewusst, nicht nur die Blues aus dem Norden und Süden waren betroffen, sondern alle Familien, sobald sie ihre Wanderungen weg von den Weißen Riesen oder zu ihnen hin unternahmen.

*