Kalte Gefühle - Kim Rylee - E-Book
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Kalte Gefühle E-Book

Rylee Kim

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Beschreibung

Viktoria ist zuverlässig, effizient und verschwiegen. Eiskalt geht sie ihrem Job nach: der Beseitigung von Ungeziefer. Und damit sind nicht nur Kakerlaken oder anderes Kleintier gemeint.
Gefühle sind für sie nur körperliche Symptome, die sie normalerweise abschüttelt wie lästige Insekten.
Als sie ihren nächsten Auftrag, die Beseitigung eines Drogenbarons in San Francisco, ausführen will, spürt sie, dass sich etwas verändert hat.
Bedroht diese Veränderung nun ihr Leben?
(2024 neu überarbeitet)

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Prolog
Therapie
Erfolge
Ein Psychiater mit Gewissen?
Wiederbeschaffung
Das Angebot
Die Einladung
Untersuchungen
Der Drogenbaron
Geschäfte
Letzte Überprüfung
Der Schlüsselmeister
Plan B
Die Überraschung
Der Auftrag
Das Ende der Welt
Die Zeit verrinnt
Der Anruf
Der Schuss
Bestandsaufnahme
Die Jagd
Verpasste Gelegenheit

d

Kim Rylee

KALTE

GEFÜHLE

Kalte Gefühle wurde 2016 zum

'Krimi des Jahres'

gewählt und erhielt den

Planet Award 2016

Kim Rylee

KALTE

GEFÜHLE

Impressum

Texte: ©Copyright by Kim Rylee Coverdesign: ©Copyright by VercoDesign, Unna

Verlag: Arc of Suspense

An der Berner Au 45 B

22159 Hamburg

E-Mail: [email protected]

Homepage: www.arc-of-suspense.de

4. Auflage

©Kim Rylee 2015 + 2017 + 2024 neu überarbeitet

Lektorat/Korrektorat: worttaten.de (2024)

eBook: ISBN 978-3-7438-0698-6

Prolog

Die Sonne setzte quälend langsam und unablässig ihre Reise fort, bis keine Fernsehantenne und kein Schornstein mehr auch nur den Hauch eines Schattens spendeten, der sie vor dem Einfall der Sonnenstrahlen schützte. Die Temperatur stieg weiter an und Schweißperlen tropften unentwegt auf die Plastikplane unter ihr. Ihre Hand tastete nach der dritten Wasserflasche und führte sie zum Mund. Auch die war nun leer. Die paar Tropfen Wasser, die sie in regelmäßigen Abständen zu sich nahm, schwitzte sie sofort wieder aus. Die Funktionswäsche hatte schon vor einigen Stunden ihren Dienst quittiert und seit zwei Stunden hatte sie kaum noch getrunken. Ihre Kehle schrie stumm nach etwas Flüssigem. Etwas, das den plagenden Durst lindern würde.

In diesem Sommer spielte das Wetter verrückt und die Klimaprognose der Experten schien sich zu erfüllen. Die Hitze wurde unerträglich und ließ den dunklen Belag auf dem Dach erweichen, während sich der Geruch von Teer in ihrer Nase ausbreitete. Ein Hubschrauber war in der Ferne zu hören. Ihr Körper versteifte sich und wurde eins mit dem Dach. Der Helikopter flog nur wenige Meter über sie hinweg. Erst nachdem das flappende Geräusch der Rotorblätter in der Ferne verebbt war, erlaubte sie ihrem Körper, wieder ungehindert Luft durch die Lunge fließen zu lassen. Sie begann ruhig und kontrolliert zu atmen.

Aufmerksam lauschte sie, doch außer dem Verkehrslärm auf der Hauptstraße weit unter ihr, drang kein auffälliges Geräusch an ihr Ohr. Man hatte sie nicht entdeckt. Die Tarnung war perfekt. Ihre dunkle Kleidung und die anthrazitfarbene Decke, die sowohl sie als auch den Lauf des M40-Scharfschützengewehrs bedeckten, lieferten sich einen erbitterten Kampf, wer zuerst seinen maximalen Hitzegrad erreichen würde. Keine guten Aussichten für ihr Vorhaben.

Sie lag bereits länger auf der Lauer, als ihr lieb war. Hatte sie bei ihren Vorbereitungen etwas übersehen? Oder spielte das Glück ihr heute einen Streich? Er war überfällig.

Die Zeit lief gegen sie. Die konstante Erhöhung der Temperatur sorgte dafür, dass ihre Konzentration nachließ. Ihr erster Schuss durfte sein Ziel nicht verfehlen.

Sie überlegte, ob ihr ein Fehler unterlaufen war. Seit er am Morgen um acht Uhr dreißig die Arbeitsstätte betreten hatte, hatte er das Bürogebäude nicht mehr verlassen. Noch nicht einmal, um sich in seinem Lieblingsrestaurant an der Ecke ein überteuertes Mittagessen zu gönnen, das er normalerweise mit seinem Stellvertreter gemeinsam einnahm. Nun war seine Mittagspause bereits seit drei Stunden vorbei.

Erneut schaute sie durch das Zielfernrohr. Die Schweißtropfen ronnen von ihrer Stirn und das Salz brannte wie Feuer in ihren Augen. Ohne es verhindern zu können, musste sie blinzeln. Mit einer Hand versuchte sie, die Stirn zu trocknen, doch auch ihr Handschuh war in der Zwischenzeit durchnässt.

Für diesen Job bekam sie eindeutig zu wenig Geld. Sie hätte einen Hitzezuschlag von einhunderttausend Dollar verlangen müssen.

Ihre Hand tastete nach dem Entfernungsmesser. Das Flimmern der Luft vor ihren Augen bot ihr kein klares Ziel. Achthundertsiebenundsechzig Meter und vierunddreißig Zentimeter zeigte die digitale Messung. Nicht mehr, nicht weniger. Jeder einzelne Muskel in ihrem Körper schrie nach Entspannung, wollte raus aus dieser Hölle, es endlich hinter sich bringen. Ihr Herz begann zu rasen, während das Blut wie ein Formel-1-Rennwagen auf Gewinnkurs durch ihre Adern schoss und vergeblich versuchte, die Körpertemperatur herunterzukühlen.

Die ersten Erschöpfungserscheinungen machten sich bemerkbar. Ihr Herz raste, und sie schloss die Augen, um ihre Atmung wieder unter Kontrolle zu bringen. Das Letzte, was sie sich jetzt leisten konnte, war der Verlust ihrer Konzentration. Lange würde sie es nicht mehr aushalten und dann war alles umsonst.

Sie kniff ihr rechtes Auge zusammen und blickte erneut durch das Zielfernrohr. Plötzlich stutzte sie und wischte sich über Stirn und Augen. Sie musste blinzeln, als sie beobachtete, wie eine Person am Fenster auftauchte. Ein Mann um die fünfzig.

Er stand mit dem Rücken zu ihr. Eine Frau, vermutlich seine Sekretärin, näherte sich ihm und reichte ihm ein Tablett mit einer kleinen Flasche Wasser und einem Glas. Er nahm beides in die Hände und füllte das Glas. Nachdem er die leere Flasche auf dem langen Konferenztisch vor sich abgestellt hatte, verschwand er aus ihrem Sichtfeld.

»Komm schon. Zeig dich mir«, sprach sie zu sich selbst.

Das Gesicht des Opfers war fest in ihrer Erinnerung verankert. Die wenigen Minuten, in denen sie sich das Foto angesehen hatte, reichten aus, um sich das Aussehen ihrer Zielperson einzuprägen.

Als hätte sie ihm per Gedankenübertragung den Befehl erteilt, tauchte der Mann wieder am Fenster auf. Sie positionierte sich neu und nahm ihn ins Visier. Sie sah, dass seine Haarpracht am Hinterkopf etwas schütter war, als sich dieser Teil seines Körpers genau im Zentrum des Fadenkreuzes befand.

Nicht der kleinste Lufthauch war zu spüren. Endlich Drehte er sich um und sah aus dem Fenster. Er sah in ihre Richtung. Hatte er sie entdeckt?

Sie wagte es nicht, sich zu bewegen, und beobachtete ihn weiter. Ihre Mundwinkel zuckten, als das Gesicht des Mannes im Sucher klar zu sehen war.

»Da bist du ja, Jacob Miller.«

Er stützte sich mit den Händen auf der Fensterbank ab. Die kalte Luft der Klimaanlage unter ihm brachte seine Hemdsärmel zum Flattern. Kurz beneidete sie ihn, doch dann besann sie sich wieder auf ihren Auftrag, schloss sofort die Augen und öffnete langsam das Auge am Zielfernrohr. Er genoss sichtlich den kühlen Luftstrahl, reckte sein Kinn nach vorn und drehte den Kopf genießerisch hin und her.

Ihr Zeigefinger legte sich um den Abzug. Nichts konnte sie jetzt noch aus der Ruhe bringen. Sie atmete ein, atmete aus. Ihre gesamte Konzentration legte sie in diesen einen Moment.

Wieder atmete sie ein und dieses Mal sehr langsam durch den Mund aus, als ihr Finger den Abzug betätigte.

Sie hatte ihn getroffen. Ein sauberer Schuss in die Stirn.

Der Mann sackte zu Boden.

Therapie

»Sie machen Fortschritte, Viktoria.«

Er legte Stift und Notizblock zur Seite, während er die attraktive Frau anschaute, die keine Regung zeigte.

Langsam erhob er sich aus dem eckigen grauen Ledersessel und ging zum Fenster.

Der Blick aus dem zweiten Stockwerk der modern eingerichteten Praxis bot eine gute Sicht auf die Straße und den dahinterliegenden Fluss. Gerade lief wieder ein Containerschiff aus dem nahen Hafen aus. Voll beladen schob sich die fast vierzig Meter hohe Stahlwand majestätisch zwischen das Büro und die am Horizont stehende Sonne, sodass es in der Praxis kurz deutlich dunkler wurde. Er rückte den Knoten seiner dunkelblauen Krawatte zurecht, während er sich seiner Klientin zuwandte.

»Ich möchte nun mit Ihnen einen Schritt weiter gehen. Begleiten Sie mich dabei, Viktoria?« Ein schmales Lächeln unterstützte seine Aufforderung, doch ihr abschätzender Blick ließ ihn innehalten.

Sie saß auf dem grauen Sofa, das eine Einheit mit dem Sessel bildete. Als würde in der Praxis eine arktische Kälte herrschen, hatte sie ihre Arme eng um den Körper geschlungen. Während der Therapiestunde war das ihre bevorzugte Haltung.

»Sind Sie der Ansicht, dass ich schon so weit bin, Doktor Darka?«

»Warum denn nicht, Viktoria? Denken Sie zurück, als Sie damals mit Ihrem Freund ... ich glaube, René war sein Name, richtig?« Doktor Darka erwartete keine Bestätigung von ihr. »… in meine Praxis kamen. René vermutete, dass Sie unter Bindungsangst litten. Wie viele Männerbekanntschaften, oder besser gesagt: Beziehungen hatten Sie gehabt, nachdem Sie sich von ihm getrennt haben?«

Sie schwieg.

»Soweit ich mich erinnere, haben Sie mir von keiner einzigen berichtet. Es ist jetzt an der Zeit, dass Sie herausfinden, ob Ihnen eine Beziehung etwas bedeutet.« Er blickte sie zuversichtlich an. »Nun? Sind Sie dabei?«

Viktoria hatte sich gut unter Kontrolle. Das wusste Doktor Darka. Er war die Person, die sie am besten kannte und einschätzen konnte. Nur ihm gegenüber hatte sie sich in den letzten Jahren etwas geöffnet. Obwohl Viktoria ihre Umwelt anders wahrnahm als jeder normale Mensch, schaffte sie es, sich der Außenwelt anzupassen.

Ihr Freund René und sie waren vor vier Jahren von Irland nach San Francisco gezogen. Sie hatten sich kaum in ihrem Apartment eingelebt, als René Viktoria bat, ihn zu einem Termin zu begleiten. Sie wusste nicht, was auf sie zukam. René hatte sie einfach überrumpelt. Vor der Praxis machte sie ihm eine gehörige Szene. Dabei wollte René nur ihre Beziehung retten. Doktor Darka hörte den Streit, kam hinzu und schickte René weg, damit er allein mit ihr reden konnte. Bereits in den ersten zwei Minuten ihrer Begegnung hatte Viktoria dem Psychiater klargemacht, dass er alles zu verlieren hatte, sollte er auch nur mit einer Menschenseele über sie sprechen. Er hatte ihr versichern können, dass er als ihr Arzt an die Schweigepflicht gebunden war, was ihr die Möglichkeit bot, mit ihm über vieles zu reden.

Doktor Darka musterte die junge Frau und veränderte seine Sitzposition. Mit steifem Oberkörper lehnte er sich in den Sessel zurück. Irgendwie schaffte er es heute nicht, sich zu entspannen. Trotz ihres attraktiven Äußeren war sie allein, sie hatte keine Freunde. Menschliche Bindungen konnte sie nicht aufrechterhalten, besser gesagt: Ihre Partner konnten es nicht. Wenn sie sich auf eine Beziehung einließ, nahm sie sich alles, gab aber im Gegenzug nichts zurück. Der Psychiater versuchte, ihr zu erklären, dass eine Beziehung immer auf Gegenseitigkeit, auf Kompromissen oder Zugeständnissen und auf Liebe beruhte. All das waren Wörter, die in ihrer Welt nicht vorkamen.

Viktoria überlegte.

Doktor Darka zwang sich, ruhig zu atmen. Da sie nicht antwortete, erhob er sich. Das Leder des Sessels knirschte, als er sich an den Armlehnen abstützte. Langsam ging er einige Schritte auf sie zu, bis nur noch der kleine Glastisch mit der Kleenex-Box darauf zwischen ihnen stand. Der Psychiater strich sich mit der Hand durch die kurzen blonden Haare und schaute auf sie hinunter. Viktorias Blick war ausdruckslos. Mit unbewegter Miene beobachtete sie das vorbeiziehende Schiff.

»Ich weiß, Sie denken, Sie sind noch nicht bereit. Doch vertrauen Sie mir. Sie können es schaffen.«

Wenn sie überhaupt jemandem vertraute, dann ihm.

»In Ordnung«, brachte sie endlich hervor. »Was soll ich tun?«

Doktor Darka entspannte sich sichtlich. Seit einigen Wochen entwickelte er bereits den Plan. Er musste behutsam vorgehen.

»Es gibt einen Mann. Sein Name ist André Murony. Er ist zurzeit allein und braucht eine Freundin. Wenn Sie möchten …« Er blickte sie erwartungsvoll an.

Sie nickte knapp.

»Sehr gut. Er schaut freitagabends immer im ›Blended Inn‹ vorbei.«

»Wie erkenne ich ihn?«

»Keine Sorge, Viktoria. Er wird Sie erkennen.«

Erfolge

Im ›Blended Inn‹ roch es nach Rauch und Alkohol. Die Bar versprühte den Charme eines alten englischen Pubs. Der braune Teppich war fleckig und durch die mit dunklem Holz verkleidete Theke wirkte der Club noch beengter. Von den fünf Tischen war nur einer besetzt. Es war gerade nicht viel los. Viktoria saß an der Bar und genehmigte sich einen Long Island Iced Tea: ihr favorisierter Cocktail, wenn sie in eine Bar ging, denn es war einer der wenigen Drinks, den jede Bar wohlschmeckend zubereiten konnte. Damit war sie noch nie auf den Bauch gefallen.

Die Tür ging auf und warme, reine Luft vermischte sich mit den abgestandenen Ausdünstungen im Raum. Als sie den Luftzug spürte, sah sie hinüber und ihn hereinkommen. Wie sie war er zu gut gekleidet für dieses Lokal. An seiner Haltung erkannte sie, dass er auf der Jagd nach Frischfleisch war. Sein Blick wanderte zur Theke und er nickte dem kahlköpfigen Barkeeper zu. Der nickte zurück und deutete mit einer leichten Kinnbewegung in ihre Richtung, gefolgt von einem breiten Grinsen, das eine Zahnlücke in seinem ansonsten perfekten Gebiss enthüllte. Trotz der hohen Temperaturen trug der Neuankömmling einen dunkelblauen Maßanzug, jedoch keine Krawatte. Der oberste Knopf seines Hemdes war offen. Sie schätzte ihn auf Mitte oder Ende dreißig. Somit war er um einiges älter als sie.

Sie nahm einen Schluck vom Cocktail und schenkte dem Neuankömmling von nun an keine weitere Beachtung mehr. Sie spürte, dass er die ganze Zeit über seine Augen auf sie gerichtet hatte. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie er, elegant wie ein Panther, der seine Beute ins Visier nahm, zielstrebig auf die Theke zuging.

Den linken Arm auf den Tresen gelehnt, musterte er die unbekannte Schöne von der Seite.

Ihr glattes, fast bis zur Hüfte reichendes Haar, trug sie offen und es schmeichelte ihrer schmalen Figur. Das dunkelgrüne Etuikleid wirkte dagegen schon eher geschäftsmäßig. Ohne zu fragen, ob der Platz frei sei, setzte er sich auf den Barhocker neben sie und schnippte mit den Fingern. Nachdem der Barkeeper ein abgetrocknetes Glas ins Regal zurückgeräumt hatte, wandte er sich wieder dem neuen Gast zu, um dessen Bestellung aufzunehmen.

»Einen Whiskey Sour, Jim.« Er bestellte beim Barkeeper, ohne dessen Frage abzuwarten.

»Kommt sofort.« Der Barkeeper zog einen Whiskey-Tumbler hervor und füllte ihn. Dann stellte er das Glas auf den Tresen vor den neuen Gast und sah, wie dessen Augen an Viktoria herunterglitten. Sofort zog er sich wieder zurück und trocknete weitere Gläser ab.

»Darf ich Ihnen einen Drink spendieren?« Eine angenehm warme Stimme.

Langsam drehte sie sich ihm zu und sah, wie sein Atem für einen Moment stockte. Seine Pupillen weiteten sich, als sie sich in die Augen sahen und er einen leisen, anerkennenden Pfiff ausstieß.

»Wow!«

Er löste den Blickkontakt, um seine Augen genüsslich über ihren Körper wandern zu lassen, bis sein Augenmerk schließlich in ihrem Schoß verharrte. Als er eine kleine, fast unauffällige Erhebung an ihrem Oberschenkel bemerkte, legte sie dezent ihre Hand darauf. Zufrieden stellte er fest, dass sie keinen Ehering trug.

»Gern. Ich nehme noch einen Long Island Iced Tea«, lächelte sie, doch das Lächeln erreichte ihre Augen nicht.

»Mein Name ist André Murony. Und Sie sind?«

»Viktoria. Viktoria Stern.«

Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem kaum wahrnehmbaren Lächeln und ließen ein kleines Grübchen an der linken Wange entstehen.

Viktoria wusste sofort, dass er ein Mann war, der alles bekam, was er wollte.

»Sie überstrahlen den Abendhimmel mit Ihrer Schönheit, Viktoria.« Er nahm ihre Hand vom Oberschenkel und hauchte einen Kuss auf den Handrücken. Ungerührt ließ sie ihn gewähren.

»Kommen Sie, diese Bar ist nicht der richtige Ort für eine Dame. Ich kenne da etwas Passenderes.«

Es war ersichtlich, dass er mehr wollte. Er wollte sie. Jetzt. Sofort. Sie konnte es in seinen braunen Augen lesen.

»Welches Lokal haben Sie denn im Sinn?«

»Vertrauen Sie mir und lassen Sie sich überraschen. Keine Angst. Ich werde Ihnen nichts tun.«

Viktoria musterte ihn, während er sein einnehmendes Lächeln aufsetzte.

»Was wäre, wenn es mir hier gefällt?«

Andrés Stirn legte sich in Falten. Kurz überlegte er, schüttelte dann jedoch den Kopf.

»Das glaube ich kaum.« Ihr war klar, dass er vor Selbstbewusstsein nur so strotzte.

»Haben Sie heute schon gegessen?«

Sie starrte ihn an und schüttelte kaum merklich den Kopf. Kurz dachte sie darüber nach, die Einladung auszuschlagen, doch er kam ihr zuvor.

»Der Club, den ich im Sinn habe, machte die ausgefallensten Canapés und besten Drinks in der Stadt. Er ist nicht weit von hier. Sie müssen sich also keine Gedanken machen«, erklärte er seelenruhig. Dann zog er ein Bündel Dollarscheine, zusammengehalten mit einer silbernen Klammer, aus der Innentasche seines Jacketts. Er platzierte einen Hundertdollarschein auf dem Tresen. Ganz selbstverständlich legte er die Hand um Viktorias Hüften und führte sie hinaus.

Wie André es versichert hatte, brauchten sie nicht lange, bis sie das ›In Style‹erreichten, den angesagtesten Club der Stadt in der Nähe des Piers 39. André öffnete die massive Holztür und ließ Viktoria den Vortritt. Bereits am Eingang wurden sie von den heftigen Beats der Musik empfangen.

»Guten Abend, Mister Murony«, begrüßte sie der junge Mann hinter dem hohen Mahagonipult mit erhobener Stimme, während er einem anderen Gast das Wechselgeld aushändigte.

»Hallo, Tom. Ist der Tisch vorbereitet?«, grüßte André freundlich zurück.

Sie hatte den Eindruck, dass André zu den Stammgästen dieses elitären Nachtklubs gehörte.

»Sicher. Roberto wird Sie zu Ihrem Platz führen.« Sein Arm schnellte in die Höhe und ein etwas dicklicher Mann mit Kinnbart näherte sich ihnen.

»Folgen Sie mir bitte, Sir«, forderte er André höflich auf.

Sie kamen an einer kleinen Tanzfläche vorbei. Auf dem blanken Boden huschten bunte Lichter schnell durcheinander und tauchten die Gesichter der Tanzenden in ein farbiges Bild, wie es außer der Realität nur ein Andy Warhol hätte erschaffen können. Schließlich erreichten sie den hinteren Teil des Clubs mit seinen drei Separees. Ein riesiges Steuerrad aus Holz und schwerfällig wirkende rote Ledersofas, verpackt in ein maritimes Ambiente, hießen sie willkommen. Roberto wies ihnen die linke Nische zu. Sie war halbrund und bot nur einen kleinen Blick auf die Tanzfläche, da die halbhohe Wand alle anderen Gäste außen vor ließ.

Ein quadratischer Tisch befand sich in der Mitte, umsäumt von einem Ecksofa. Es bot Platz für drei Personen. Gegenüber stand ein bequemer Stuhl, sodass nur die Seite zum Gang hin offen war.