Kampfsport als Möglichkeit der Prävention bei Jugendgewalt - Marco Baumgarten - E-Book

Kampfsport als Möglichkeit der Prävention bei Jugendgewalt E-Book

Marco Baumgarten

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Beschreibung

Masterarbeit aus dem Jahr 2012 im Fachbereich Didaktik - Allgemeine Didaktik, Erziehungsziele, Methoden, Note: 1,3, Universität Hamburg, Sprache: Deutsch, Abstract: Gewalt durch Jugendliche ist von jeher ein Problem der modernen Gesellschaften. Die Statistik zeigt, dass die Zahlen im Bereich der Jugenddelinquenz über die Jahre relativ gleich geblieben sind und es scheinbar in jeder Generation von Jugendlichen den Hang zur Gewalt gibt. Die Arbeit analysiert die Reaktionskette von Aggressivität, Aggression und Gewalt und untersucht die im Zusammenhang mit gewalttätigem Verhalten relevanten Theorien zur Entstehung von Aggression und Gewalt. Ebenso werden die Ursachen zur Entstehung genauer betrachtet: Welche Faktoren wirken begünstigend und welche Folgen hat das für die Jugendlichen Täter, die Opfer und die Gesellschaft. Jugendgewalt ist ein beständiges Thema in der deutschen Gesellschaft. Eine Erhöhung der Vollzugsstrafen ist weitestgehend nutzlos und verschärft das Problem unter Umständen nur. Als hilfreich erweisen sich präventive Konzepte, die eine Veränderung der Lebensumstände der auffällig gewordenen Jugendliche fördern kann und deren Handlungsoptionen erweitert. Sport ist in diesem Zusammenhang ein nützliches Medium, allerdings nicht im Sinne einer einfachen Ableitung von negativer Energie. Vielmehr muss Sport in einer Form angeboten werden, die die soziale Kompetenz bewusst fördert und den Jugendlichen eine Möglichkeit bietet, ihr Verhalten neu zu bewerten. Kampfsport bietet in diesem Zusammenhang die Möglichkeit, sowohl das Thema „Kämpfen“ als auch die sozialen Anforderungen an die Jugendlichen produktiv zu verbinden. Das Ergebnis der Untersuchung zeigt: Kampfsport trainiert den respektvollen Umgang mit anderen, erweitert die Handlungsfähigkeiten und führt zu Selbstvertrauen und Erfolgserlebnissen. Dabei ist der Erfolg abhängig von dem Willen des Schülers und von der Sensibilität des Trainers. Um Jugendliche frühzeitig für körperliche Auseinandersetzungen zu sensibilisieren, ist ein erster Kontakt im Schulsportunterricht denkbar. Darauf aufbauende lokal etablierte Projekte können als Weiterführung relativ leicht umgesetzt werden. Bei erfolgreichem Training werden sich Veränderung besonders im außerfamiliären Lebensbereich des Jugendlichen zeigen. Kampfsport ist kein Zaubermittel und wird das Problem der Jugenddelinquenz nicht alleine auflösen können. Dafür sind die Ursachen zu vielfältig und komplex. Aber Kampfsport kann als intelligentes Konzept gerade für auffällig gewordene Jugendliche hilfreiche Dienste leisten und eine Abkehr von gewalttätigem Verhalten bewirken.

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Inhaltsverzeichnis

 

1. Einleitung und Fragestellung

2. Aggressivität - Aggression - Gewalt: Definition und Forschungsstand

2.1. Theoretische Erklärungsansätze für Aggression und Gewalt

2.1.1. Triebtheoretische Konzepte

2.1.2. Frustrations-Aggressions-Modell

2.1.3. Lerntheoretische Konzepte

2.1.4. Moderne theoretische Konzepte

2.2. Die Dimensionen von Gewalt

3. Jugend und Gewalt

3.1. Jugendgewalt aus Sicht der Statistik

3.2. Ursachen von Jugendgewalt (Lebenswelt-Elternhaus-Schule-Pubertät)

3.3. Folgen der Jugendgewalt - persönlich und gesellschaftlich

4. Gewaltprävention

4.1. Maßnahmen zur Gewaltprävention

4.2. Erwünschte Effekte der präventiven Arbeit

4.3. Grenzen von Prävention

4.4. Sport als Gewaltprävention

5. Kampf und Kampfsport

5.1. Ausgewählte Kampfsportarten

5.1.1. Boxen

5.1.2. Pa Kua

5.1.3. Judo

6. Diskussion: Kampfsport als Möglichkeit der Prävention

7. Fazit und Aussicht

8. Literaturliste

 

„Unsere Jugend ist verdorben bis auf den Grund des Herzens, böse und faul. Sie werden nie wie wir früher und können unsere Kultur nicht erhalten." (Inschrift auf alten Weinkrügen in den Ruinen Babylons, mehr als 3.000 Jahre alt)[1]

 

1. Einleitung und Fragestellung

 

Das Thema Gewalt ist eines der immer wiederkehrenden Themen, die von der Gesellschaft mit einer hohen Sensibilität aufgenommen werden. Gewalt war und ist allgegenwärtig in unzähligen Formen und bei der Flut an täglichen „schlechten Nachrichten" schreckt die Öffentlichkeit reflexartig auf, wenn die Medien wieder einmal über einen besonders schweren Fall von Gewalt berichten. Das Thema Jugendgewalt spielt dabei eine hervorgehobene Rolle, denn sie verunsichert die Menschen auf mindestens zwei Ebenen: Die rohe Gewalt gegen andere ängstigt den Menschen, der bei entsprechenden Nachrichten naturgemäß über seine eigene Sicherheit zu reflektieren beginnt. Wenn diese Gewalt aber zusätzlich von Jugendlichen ausgeht, verdrehen sich die Verhältnisse von Autorität und es scheint, als wäre die jüngere Generation eine unkontrollierte Gefahr; besonders, wenn man bedenkt, dass es die junge Generation ist, die die Alten irgendwann ablösen und die Verantwortlichen der Gesellschaft sein sollen. Jugendliche sollen lernen, spielen und heranwachsen. Die Angst, sie könnten bereits in ihren jungen Jahren ein „verdorbenes Herz" haben, lässt die Öffentlichkeit „laut aufschreien", und zwar immer dann, wenn die Medien über Gewalttaten in drastischer Weise berichten. Die Argumentationskette danach verläuft meist nach einem ähnlichen Schema: Freunde und Familie sind entsetzt (auf Seiten von Opfern und Tätern), die Öffentlichkeit fragt nach den Ursachen und Maßnahmen, politisch Aktive fordern mehr Strenge, schnelleren Vollzug und „harte Strafen". Es wird der Eindruck gefördert, dass es mit der Jugend immer schlimmer werde. In der öffentlichenWahrnehmung ist Jugendkriminalität ein größer und größer werdendes Problem . Da ist es nur verständlich, dass die Frage nach der Prävention gestellt wird. Es ergeben sich aber noch mehr Fragen: Wie groß ist das Problem wirklich und hat die Gewalt, die von Jugendlichen ausgeht, zugenommen? Wie kommt es dazu, dass Kinder und Jugendliche aggressiv sind, Aggressionen zeigen und zu Gewalt neigen? Ab wann ist Aggression nicht mehr „normales Jugendverhalten" und wie entsteht die Gewalt? Was steckt hinter dem Begriff der „Gewaltprävention", was soll oder kann sie bewirken und ist Sport, insbesondere Kampfsport ein Mittel zur Prävention? Diese Fragen sollen in dieser Arbeit untersucht werden.

 

Die Gliederung zeigt, dass zunächst die Begriffe, die im Zusammenhang mit Jugendgewalt benutzt werden, sortiert werden sollen: Was ist Aggressivität, was ist Aggression und was ist Gewalt?

 

Danach wird das Feld der „Jugendgewalt" näher beleuchtet: Was wissen wir über den Umfang (Statistik), was wissen wir über die Ursachen und welche Folgen hat „Jugendgewalt". Im Rahmen der möglichen Präventionsmaßnahmen wurde der Blickwinkel dieser Arbeit auf den Bereich Sport, und zwar auf den Bereich „Kampfsport" eingeschränkt. Die Überlegung dahinter war: Wenn junge Menschen gewalttätig werden, zeigen sie eine Antriebsenergie, die sich in offener Aggression niederschlägt. Die gewalttätige Handlung ist für sie eine Möglichkeit, Konflikte zu lösen. Der Kampf mit anderen scheint also ein akzeptiertes Mittel der Wahl darzustellen. Daraus folgt der Gedanke, ob dann nicht versucht werden kann, die Energie und den Willen zu kämpfen, positiv und handlungsnah in einem konstruktiven Sinne zu nutzen. Anders gesagt: Kann Kampf in einem geregelten Rahmen einen positiven Effekt auf Jugendliche haben? Besonders die thematische Nähe zur gewalttätigen Handlung schien dabei interessant: Kampfsport und Straßenkampf oder Jugendgewalt im öffentlichen Raum haben in den Grundzügen ähnliche Elemente. Dennoch ist das eine produktiv für den Ausübenden in Bezug auf seinen Körper, Geist und seine Umwelt. Das andere ist zerstörerisch und geächtet. Liegt also in der positiven Anwendung der Kampfenergie eine Möglichkeit, Jugendgewalt zu verhindern und die Ursachen ihrer Entstehung positiv zu beeinflussen? [2]

 

Die Fragestellung der Arbeit ist daher: Eignet sich Kampfsport als Mittel zur Gewaltprävention?"

 

Nach einer Untersuchung der Felder Aggressivität - Aggression - Gewalt (Kapitel 2), Jugendgewalt (Kapitel 3) und Gewaltprävention (Kapitel 4) wird in Kapitel 5 der Blick auf Kampfsportarten gerichtet. Aufgrund der Vielzahl von Kampfsportarten erfolgt eine Begrenzung auf drei Kampfsportarten mit einer jeweils spezifischen Ausrichtung. In Kapitel 6 werden dann die Erkenntnisse zusammenfassend diskutiert und ein grobes Modell eines Ansatzes von Prävention und Kampfsport entwickelt, das die Potenziale von Kampfsportarten zur Prävention von Jugendgewalt belegen.

 

2. Aggressivität - Aggression - Gewalt: Definition und Forschungsstand

 

Im Zusammenhang mit dem Begriff Gewalt müssen auch der Ursprung der Gewalt, die Aggression, und deren Ursprung, die Aggressivität, betrachtet werden. Dabei ist zu erwähnen, dass es zu diesen Begriffen eine Vielzahl von Deutungen und Erklärungsansätzen gibt. Im Rahmen dieser Arbeit muss dieses Feld aber nicht detaillierter aufgearbeitet werden. Es ist vielmehr ausreichend, ein plausibles Erklärungsmodell zugrunde zu legen, um die Kernfrage nach einer Eignung von Kampfsportarten zur Prävention bei Jugendgewalt zu beantworten.

 

Die Definitionsversuche von Aggressivität, Aggression und Gewalt sind in der Literatur sehr unterschiedlich. Die Ansätze zur Begriffsabgrenzung haben in der Fachliteratur zu einer langen Diskussion geführt, deren Ende nicht abzusehen ist. Daher werden im Folgenden nur bestimmte für die Arbeit wichtige Grundannahmen aufgezeigt.

 

Übereinstimmend findet man bei allen Bestimmungsversuchen zur Begriffskette Aggressivität, Aggression und Gewalt direkt oder indirekt den Faktor der „Schädigung". Dabei meint dieser Begriff sowohl das Zufügen eines physischen Schadens an Gegenständen oder Personen als auch „weichere" Schädigungen wie verbale Beleidigungen, Stören, Ärgern oder das Schmerzufügen in irgendeiner anderen Weise (vgl. Peper, S.6). Das Problem hierbei ist, dass der Grad der Schädigung nicht objektiv messbar ist, zumindest im Bereich der Persönlichkeit eines Menschen. Somit müsste man jeden Drang nach Überlegenheit, der gegenüber anderen geltend gemacht wird, als aggressive Handlung begreifen, da er stets eine Störung des gleichen Drangs des anderen oder dessen Bedürfnisses nach körperlicher oder psychischer Unverletzlichkeit darstellt. Diese Überlegung beinhaltet zwei unterschiedliche Anknüpfungspunkte zur Begriffsbestimmung: die Handlungsintention und das Schadensmoment oder das Schadensereignis (vgl. Peper, S.7). Die Unterscheidung liegt dann zum Beispiel im Erfolg (gab es tatsächlich einen - messbaren - Schaden?) oder aber in der Intention, die bereits den Versuch als Aggression definiert (ebd.).

 

Bezogen auf den Sport hieße das: der Grundgedanke des Sports ist die persönliche Leistung, ob als Individuum oder Teil eines Teams. Die eigene Leistung oder die des Teams gewinnt ihre Bedeutung bzw. Anerkennung aber nur im Wettkampf. Wer nur vermuten kann, dass er im besten Team spielt, bleibt in einer Ungewissheit, die oft oder regelmäßig zur Frustration führen wird. Dem Wettkampf kommt damit eine entscheidende Bedeutung im Sport zu. Das Streben nach Dominanz gegenüber dem Gegner wäre demnach ein zwingendes, regelkonformes Verhalten. Sport bietet also Raum für Aggression. Aggressives Verhalten wird in diesem Zusammenhang dann als erwünschter Motor für den Sportzweck gesehen (vgl. Pilz, S.89). Dies klingt zunächst paradox in Bezug auf die Hypothese dieser Arbeit. Dieser Widerspruch lässt sich lösen, wenn man Aggressivität von negativen Konnotationen der umgangssprachlichen Verwendung löst und als Art Energie versteht, die einen Antrieb des Menschen darstellt, „aber nicht verallgemeinerbar als Antrieb für alle Menschen, sondern zuvorderst als Antriebsmittel des nach Selbstverwirklichung strebenden, innerhalb der Kultur konstruiert modernen Individuums." (Scholz, 2012, S.133)

 

Aggressivität ist also zunächst nicht destruktiv oder produktiv, sondern vielmehr eine Komponente jeglichen menschlichen Handelns, zunächst vorhanden als - wie Pazzini es ausdrückt - eine Art flüssiger Energie (Pazzini, 2005, S.1), die nicht aufgelöst werden kann; kippt diese Energie (wodurch auch immer), erhält man Aggression; dies wäre die geronnene Aggressivität, die dann wiederum umständlich mittels therapeutischer Mittel verflüssigt werden muss (ebd.). Gewalt ist in diesem Kontext die sichtbar gewordene Aggression. Diese Betrachtung lässt menschliches Handeln im aggressiven Kontext zu und trägt zum Verständnis des Antriebs von Sportlern bei. Diese Definition scheint also hilfreich im Rahmen dieser Arbeit:

 

Die Aggressivität ist zu sehen als generell verfügbare Handlungs- oder Antriebsenergie, eine Aggression ist ein negativ verfestigter Aggregatzustand der Aggressivität (die Ursachen für die Veränderung des Aggregatszustands erklären die Theorieansätze im nächsten Kapitel) und die Gewalthandlung ist der Ausdruck/Hinweis dieser Gerinnung. Der Grad der Absicht, beziehungsweise der Grad der Schädigung ist dabei grundsätzlich nur insoweit relevant, als sie erkennbar ist. Es mag für die Aggressionsforschung von Bedeutung sein, in Bezug auf diese Fragen Klarheit zu erlangen. Für die vorliegende Arbeit reicht der Konsens, dass Gewalt alles ist, was die Gemeinschaft oder Individuen spürbar beeinträchtigt - also zum Beispiel Mobbing, Vandalismus, körperliche Beschädigungen oder ähnliche Taten[3]. Dabei ist entscheidend, dass die erkennbare Absicht bereits einen Tatbestand der Gewalt darstellt. Solche Gewalt ist zu verhindern sowohl zum Schutze des Individuums als auch zum Schutze der gesellschaftlichen Gemeinschaft. Dies berührt die noch offene Frage nach der Steuerbarkeit der Aggressivität: gibt es so etwas wie unbeabsichtigte Aggression? Nach der obigen Eingrenzung gibt es allenfalls eine unverschuldete Aggression, die unter Umständen auch nicht unkontrollierbar ist. Für die Prävention ist daher auch die Frage nach der Kontrolle über die „Rückwandlung der geronnenen Energie" wichtiger als die Frage nach der Absicht. Entscheidend sind die Ursachen und der Grad der „Gerinnung", d.h. der Aggression.

 

2.1. Theoretische Erklärungsansätze für Aggression und Gewalt