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Ev hat ihre Pflicht getan. Ihre Kinder stehen auf eigenen Füßen. Zählen schafft ihr Struktur. Sie zählt: morgens ihre gymnastischen Übungen, Schritte, Schwimmzüge... Auf Norderney zählt sie Kaninchen im Hotelgarten und legt darüber eine Rubrik im Kalender an. Manches dokumentiert sie in Skizzen. Ihre Gelassenheit schwindet, als sie beim Schwimmen im Meer in eine Strömung gerät...
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Seitenzahl: 14
Prolog
Epilog
Hannover, im Juli 2019
Guten Morgen, Arne!
Ev zündet die Kerze neben dem gerahmten PC-Ausdruck an.
Das Foto mit Sohn und Enkel steht weiter rechts.
Dazwischen der Kunstkalender und ein kleiner Blumenstrauß.
Die Kerze flackert.
Arne, ihr Retter, lächelt traurig.
Ev möchte jeden Tag etwas ausdrücken – auch das, was da noch klumpt.
Einer ihrer Ticks ist das Zählen. Übungen morgens bei der Gymnastik, Schritte, Armzüge beim Brustschwimmen – SW... notiert sie – beim Atmen während der Meditation, beim Warten – auf ihn – fünfmal bis hundert, dann muss er doch kommen! – lange vorbei.
Auch beim Abreißen der Blätter von der Toilettenpapierrolle zählt sie nicht mehr.
Sie mag keine Krümel am Boden. Die zählt sie auch nicht. Sie liest sie auf oder wischt sie unter die Teppichkanten. Morgens bei der Gymnastik auf dem Bettvorleger ist sie ganz nah dran.
Und alles muss rechtwinklig ausgerichtet sein. – Ihre Mutter hatte regelmäßig ihren Schreibtisch abgeräumt und Hefte und Stifte unter das Bettlaken gesteckt.
Heute kann sie ihre Mutter manchmal besiegen und Dinge einfach liegen lassen.
Aber rechtwinklig, das ist wichtig.
Ev sichtet ihre Skizzenblöcke und Notizen im Kalender.
Und die Fotos.
Die klebt sie ins Album – Nummer 29.
Norderney sollte es sein. Die Insel ist bequem erreichbar.
Ev will ungestört zeichnen.
Darf sie doch.
(2 Kinder, 3 Enkel, Pension)
Sie möchte ja gar nicht sagen, dass man sich mit 78 Jahren verlieben kann.
Aber man kann es.
Norderney, 2. Juni
Ev geht am Nordstrand auf dem Deich entlang und zeichnet Wellen, die sich überschlagen, einen Angler und Menschen am Ufer.
Menschen gehen vorbei.