Keine Kinder?! - Maria Roßner - E-Book

Keine Kinder?! E-Book

Maria Roßner

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Beschreibung

Wenn ich mir als Teenager mein späteres Leben vorstellte, dann immer mit Kindern … Ein Haus mit Kindern – das war mein Traum. – Seit unserer Hochzeit vor neun Jahren wünschten wir uns Kinder. Die anfängliche Euphorie, dass sich eine Schwangerschaft bald einstellen wird, verflog nach zwei Jahren vergeblichen Wartens. – Ich wollte vier Kinder … Wenn ich durch den Ort ging, fielen mir die schwangeren Frauen auf, die ihren Bauch so selbstverständlich trugen, und Mütter, die Babys im Kinderwagen schoben. Aber ich wurde nicht schwanger, kein einziges Mal. Offen und ehrlich berichten hier zwölf Frauen und ein Mann von ihren Erfahrungen mit ungewollter Kinderlosigkeit aus christlicher Sicht. Die autobiographischen Geschichten und Fachartikel möchten ermutigen, sich den Fragen zum Thema ungewollte Kinderlosigkeit zu stellen und Wege der Hoffnung zu finden. „Ich wünschte, dieses Buch wäre vor 20 Jahren erschienen, als ich mit Kinderlosigkeit gekämpft habe!“

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Maria Roßner Anne-Kathrin Braun

(Hrsg.)

Keine Kinder?!

Ungewollt kinderlos - Erfahrungen und Denkanstöße

© 2012 Maria Roßner / Anne-Kathrin Braun (Hrsg.)

Gesamtherstellung: Lichtzeichen Verlag, Lage

ISBN: 9783869549842

Bestell-Nr.: 548984

E-Book Erstellung: LICHTZEICHEN Medien www.lichtzeichen-medien.com

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Erlaubnis des Verlegers in irgendeiner Form reproduziert werden.

Inhalt

Vorwort Elisabeth Mittelstädt

Teil I - Vorweg gesagt ...

Hannahs Schwestern - wie alles begannMaria Roßner

Hannahs Schwestern – Mit Gottes Hilfe ohne Kinder leben

Gott füllte leere Hände - zwei Frauen namens HannahAnne-Kathrin Braun

Teil II - So geht es unsZwölf Frauen und ein Mann erzählen ihre Geschichten

Ein Kind bei GottMona, 29 Jahre

HerzenswunschHope, 31 Jahre

Kinderlosigkeit: Schmerz und ChanceBenjamin, 30 Jahre

Trauer und Träume – Abschied und NeubeginnJulia, 32 Jahre

Das Wunschkind stirbt, bevor es leben darfRea, 34 Jahre

Ein Haus mit KindernElisabeth, 34 Jahre

Abschied von LysannLena, 37 Jahre

Bittere Tränen – TagebuchauszügeRebecca, 41 Jahre

Mit Marilyn Monroe im KinderwunschzentrumGabriela, 41 Jahre

Erfüllt – trotz unerfülltem Herzenswunsch?!Doreen, 42 Jahre

Auf Deboras SpurJohanna, 48 Jahre

Ein ganz anderes LebenBeate, 50 Jahre

Brief an mein KindAnna, 25 Jahre

Drei Gründe, dankbar zu seinUrsula, 62 Jahre

Teil III - Hilfen, Fakten und Argumente

Kinderlosigkeit – zwischen Hoffnung und ErkenntnisSonja Fritzsch

Meine Erfahrungen mit NERJohanna, 48 Jahre

Reproduktionsmedizin – eine kritische BetrachtungEin Vorwort von Anne-Kathrin Braun

Nach der Befruchtung und vor dem Leben Überlegungen zur Reproduktionsmedizin und LebensschutzDr. Jörg Michel

GlossarDr. Jörg Michel

„Wer ein solches Kind aufnimmt ...“ Pflegekindschaft und Adoption aus christlicher SichtMichael Schwantge

Dank

Literaturempfehlungen

Vorwort

Elisabeth Mittelstädt

Ich wünschte, dieses Buch wäre vor 20 Jahren erschienen, als ich mit Kinderlosigkeit gekämpft habe! Endlich wurde ich schwanger. Meine Gedanken kreisten um das Kind, und ich spürte eine wachsende Liebe zu meinem Baby. Mein ganzer Körper und meine Gefühle bereiteten sich darauf vor, diesen kleinen Menschen willkommen zu heißen und zu nähren. Doch plötzlich war das Kind weg. Psychisch, gedanklich, emotional und geistlich wusste ich kaum, wie ich diesen schroffen Umbruch verkraften sollte.

Eine Fehlgeburt gleicht einem üblen Streich, den einem der Körper spielt. Es werden Hoffnungen geweckt, die sich zu höchsten Höhen aufschwingen, um dann im tiefsten Abgrund zu zerschellen.

Als mein Kind in die Ewigkeit ging, bevor ich es im Arm halten konnte, wusste ich nicht, wohin mit meinem Schmerz und meiner Enttäuschung. Wie hilfreich wäre da ein Buch wie dieses gewesen, um zu erfahren, wie andere Frauen damit umgehen!

Gott erschuf uns Frauen mit dem tiefen, angeborenen Wunsch, Leben zu geben und zu nähren. Ich war da keine Ausnahme. Und ich fühlte diese starke Sehnsucht immer in mir aufsteigen, wenn ich Mütter mit ihren kleinen Kindern sah – besonders in der Weihnachtszeit und am Muttertag.

Monate, Jahre vergingen und ich war überzeugt: Nur ein Kind kann diese Muttersehnsucht stillen. Doch eines Tages wurde mir beim Beten plötzlich bewusst, dass ich mein Leben an mir vorüberziehen ließ. Ich vergeudete meine Energie damit, zu glauben, dass nur ein Kind diese Sehnsucht in mir stillen könne. Als ich begann, von meinem Schmerz wegzublicken, erkannte ich: Gott kann all meine Erfahrungen – auch die schmerzlichen – für seine höheren Absichten gebrauchen. Bis heute weiß ich nicht, warum Gott dieses Gute zurückgehalten hat. Aber bestimmt gab es einen guten Grund.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie beim Lesen dieses Buches erkennen: Sie brauchen Ihr Leben nicht nach dem zu beurteilen, was Sie nicht haben. Schauen Sie auf das, was Sie haben, und freuen Sie sich daran.

Elisabeth Mittelstädt ist Buchautorin und Herausgeberin der Zeitschrift LYDIA sowie mehrerer Bücher.

Teil I

Vorweg gesagt ...

Hannahs Schwestern - wie alles begann

Maria Roßner

Anne-Kathrin Braun und ich, wir kennen uns seit ungefähr fünfzehn Jahren. Zuerst kamen wir durch unsere ehrenamtliche Arbeit in der Kirchgemeinde ins Gespräch, und bald auch über unsere Kinderlosigkeit. Es tat uns gut, zu zweit über unsere Sehnsucht nach einem Kind, unsere Fragen nach dem Warum und unseren Erfahrungen mit Gott zu reden. Ich bin einige Jahre älter als Anne und hatte zur Zeit unseres Kennenlernens die intensiven Tiefen der Auseinandersetzung mit meiner Kinderlosigkeit bereits hinter mir. Ich erlebte dabei einen Gott, der mich hindurchführte und mir neue Wege trotz meiner Kinderlosigkeit zeigte. Diese Erlebnisse gab ich an Anne weiter. Dabei spürten wir eine schwesterliche Gemeinschaft, die uns beide ermutigte. Wir konnten beten, fühlten uns dabei gestärkt und als Kinderlose nicht allein.

Unabhängig voneinander meldeten wir uns 2005 für ein theologisches Fernstudium an. Unsere Entscheidung für das Studienangebot zur Vorbereitung auf den Dienst als Prädikantin führte Anne und mich noch ein Stück näher zusammen. Während eines Seminarwochenendes unterhielten wir uns wieder einmal über das Problem der Kinderlosigkeit und fanden, dass es für ungewollt Kinderlose keine öffentliche christliche Begegnungsmöglichkeit gibt. Für Familien gibt es verschiedene Vereine, für Mütter z. B. die Bewegung Mütter in Kontakt, aber für uns? Vielleicht sehnen sich ja auch andere kinderlose Frauen und ihre Ehemänner nach einem Austausch? Diese Frage beschäftigte uns. Und so reifte in uns der Entschluss, dass wir an die Öffentlichkeit gehen wollen. Und dann wurde eine Idee nach der anderen geboren. Anne hatte den Vorschlag mit der Internetseite, ich den Gedanken der „Schwestern“, Anne fand dazu die Hannahs aus der Bibel.

Unsere Internetseite www.hannahsschwestern.de wurde im Juni 2007 ins Leben gerufen. Seitdem ergänzen wir uns mit unseren Begabungen.

Inzwischen verteilen sich die Aufgaben auf mehrere Mitarbeiterinnen. Sie sind zu bestimmten Zeiten im Chat, betreuen das Forum, bieten seelsorgerliche Begleitung an, schreiben Andachten, gestalten regionale Treffen und Wochenendfreizeiten, helfen beim Versand von Rundbriefen oder bei der Öffentlichkeitsarbeit.

Unsere Arbeit für Hannahs Schwestern erleben wir als sehr gesegnet. Besonders dankbar sind wir, dass im September 2010 eine Frau durch unsere Internetseite zu Jesus gefunden hat.

Wir sind gespannt auf die weiteren Wege, die Gott mit uns gehen möchte.

Foto: fotolia.com

Hannahs Schwestern – Mit Gottes Hilfe ohne Kinder leben

Grundsatzerklärung

Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Barmherzigkeit und Gott allen Trostes, der uns tröstet in aller unserer Trübsal, damit wir auch trösten können, die in allerlei Trübsal sind, mit dem Trost, mit dem wir selber getröstet werden von Gott. (2. Kor. 1,3-4)

Hannahs Schwestern sind Frauen (und deren Ehemänner), denen die bewusste Auseinandersetzung mit ungewollter Kinderlosigkeit aus persönlicher Betroffenheit ein Anliegen ist. Wir sind Christen aus verschiedenen Gemeinden in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Als Grundlage unseres Glaubens erkennen wir die Glaubensbasis der Evangelischen Allianz von 1846 an.

Wir sind Frauen, die nie schwanger waren oder alle ihre Kinder während der Schwangerschaft verloren haben. Wir befinden uns entweder noch in der Phase der Abklärung, Entscheidungsfindung und Trauerarbeit, oder wir haben bereits gelernt, mit Gottes Hilfe auch ohne eigene Kinder zu leben. Wir setzen uns kritisch mit den Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin auseinander.

Was uns verbindet, ist nicht nur die ungewollte Kinderlosigkeit, sondern auch unser Glaube an den Gott, den wir in der Heiligen Schrift, der Bibel, kennen lernen. Wir alle sehnen uns nach einem Kind und gehen mit dieser Sehnsucht immer wieder zu Gott, der uns wunderbar geschaffen hat. Wir wissen, dass die Erfüllung dieses Kinderwunsches letztlich in Gottes Hand liegt.

Für unser Leben und unseren Glauben sind uns u. a. die beiden Hannahs aus der Bibel Vorbild:

Hannah, die Mutter Samuels, die lange keine Kinder hatte, und schließlich zu Gott ging und ihm ihr Herz ausschüttete undHannah, die Prophetin, die nur sieben Jahre verheiratet war, und lange Zeit später das Kind Jesus auf dem Arm halten durfte. In den 47 Jahren ihrer Witwenschaft war sie dazu gekommen, viel Zeit mit Gott zu verbringen.

Folgende Fragen beschäftigen uns:

Wie gehe ich mit der Situation Kinderlosigkeit um?

Welche medizinischen Schritte kann ich als Christ verantworten?

Was sagt Gott dazu?

Bin ich nicht gesegnet, weil ich keine Kinder habe?

Will Gott mich bestrafen – bin ich deshalb unfruchtbar?

Was ist Gottes Wille für mein Leben, wenn ich keine eigenen leiblichen Kinder habe?

Diese Fragen bewegen uns auf unserer Internetseite www.hannahsschwestern.de, im persönlichen Gespräch und bei unseren regelmäßigen regionalen und überregionalen Treffen. Dabei werden wir von Fachleuten u. a. auf den Gebieten der Theologie und Medizin unterstützt.

Unsere Treffen dienen zum persönlichen Austausch, zur Fürbitte, zur Ermutigung und zur Zurüstung. Der Austausch geschieht offen, ehrlich und einfühlsam. Dabei muss niemand seine Meinung verstecken, aber jede Meinung soll in Liebe und voller Wertschätzung für die Person des Gegenübers gesagt werden. Beleidigungen und Beschuldigungen verbieten sich daher von selbst.

Darüber hinaus bieten wir an, in Gemeinden über dieses Thema ins Gespräch zu kommen. Es ist uns auch ein Anliegen, Verständnis zwischen Familien und kinderlosen Ehepaaren zu wecken.

Besonderes Gewicht legen wir auf das Wissen um die Natürliche Empfängnisregelung (NER)1. Allen ethischen Entscheidungen in Fragen der Reproduktionsmedizin liegt die Ehrfurcht vor dem Leben zugrunde. Wir bekennen uns zum Lebensschutz vom Tag der Empfängnis an. Wichtige Impulse für die Entscheidungsfindung geben uns die Bioethik-Dokumente Donum vitae2 und Dignitas personae3.

Mein Herz freut sich, dass du so gerne hilfst. Ich will dem Herrn singen, dass er so wohl an mir tut. (Ps. 13, 6)

Stuttgart, März 2010

Anne-Kathrin Braun, Ingeborg Händler,

Beate Lehnert, Maria Roßner,

Deborah Schäfer, Uta Overs

Gott füllte leere Hände - zwei Frauen namens Hannah

Anne-Kathrin Braun

In der Bibel begegnen wir zwei Frauen, die Hannah heißen, und die viel gemeinsam haben. Diese beiden Frauengestalten sind uns bei Hannahs Schwestern ganz besonders wichtig – und das nicht nur deshalb, weil die eine lange Zeit und die andere vermutlich nie Kinder hatte. Diese beiden Frauen haben uns vorgelebt, wie man mit unerfüllten Wünschen leben kann.

Eine Frau schüttet Gott ihr Herz aus Hannah, die Mutter des Propheten (1. Sam. 1-2)

Diese Hannah lebte zur Zeit der Richter. Es gab also noch keinen König in Israel, es gab keine staatliche Ordnung – jeder tat, was er für richtig hielt (Ri. 21, 25). Hannah wird als erste der beiden Ehefrauen Elkanas genannt, deshalb kann man davon ausgehen, dass Elkana zuerst Hannah heiratete und nur deshalb eine zweite Frau nahm, weil Hannah keine Kinder bekam.

Jahrelang musste sich Hannah dann die Sticheleien der Nebenfrau Pennina anhören. Immer, wenn alle fröhlich sein sollten, weil die festlichste Mahlzeit des Jahres stattfand. Immer, wenn sie Teile des Opferfleisches in der Nähe des Heiligtumes aßen. Wenn Pennina dann sah, dass Elkana Hannah ein besonderes Stück Fleisch gab, fing sie an zu sticheln. Ob Elkana dagegen machtlos war, weil Pennina seinen Kindern das Leben geschenkt hatte? Denn offensichtlich hat er Pennina nicht zurechtgewiesen.

Stattdessen versucht Elkana Hannah zu trösten. Manchen erscheinen die Worte Elkanas herzlos, aber ich denke, so sind sie auf keinen Fall gemeint. Seine Worte, wie wir sie heute in der Bibel lesen können, sind sicher eine Zusammenfassung vieler Gespräche. Es gab eine tiefe Liebe, ein tiefes Verstehen zwischen Hannah und Elkana. Beiden ist die Gemeinschaft mit Gott wichtig. Elkana pilgert mit seiner Familie jährlich zum wahren Heiligtum, auch wenn andere Heiligtümer näher gewesen wären. Er hat diese mehrtägige Wallfahrt als Zeit für Gott reserviert. Wenn nun Hannah bei dieser schönen Wallfahrt so traurig ist, versucht er sie zu trösten – mit seiner Liebe. Die starke Liebe eines Mannes ist etwas sehr Kostbares. Und wenn er sie fragt, ob seine Liebe ihr nicht mehr wert sei als zehn Söhne, hat sie wohl oft bejaht. Und dann war sie wieder etwas getröstet. Auch heute ist jede Frau, aber besonders jede kinderlose Frau, dankbar für die tiefe und treue Liebe ihres Mannes.

Lange Jahre versteht Elkana Hannah zu trösten, aber irgendwann hilft das nicht mehr. Hannah steckt in einer tiefen Depression – sie kann nicht aufhören zu weinen. Und bei der Festmahlzeit bringt sie keinen Bissen herunter. Aber sie muss wohl während der ganzen Mahlzeit anwesend sein und kann nicht einfach gehen. Und so hält Hannah durch - wie sie die ganzen Jahre lang die Sticheleien von Pennina ausgehalten hat. Sie ist nicht einfach weggelaufen. Und sie hat ihrem Leben auch nicht ein Ende gemacht. Sie hat durchgehalten. So auch jetzt. Sie wartet, bis sie aufstehen kann, und dann geht sie sofort in das Heiligtum.

Da fällt sie vor Gott nieder und betet wie wohl noch nie in ihrem Leben. Sie schüttet Gott ihr Herz aus. Ihren ganzen Kummer breitet sie vor Gott aus. Das dauert lange. Und weil sie leise betet und nur ihre Lippen bewegt, denkt der Priester schließlich, sie sei betrunken. Er stellt sie zur Rede. Und obwohl alles in ihr in Aufruhr ist, ist sie in der Lage, ihm höflich und ruhig die Lage zu erklären. Sie bittet ihn um sein Verständnis. Und er sagt ihr zu, dass Gott ihr Gebet erhört hat.

Aber was hatte Hannah denn gebetet? Sie hatte nicht einfach um ein Kind gebetet. Das hatte sie wohl schon viele Jahre lang getan. Und das tut wohl jede kinderlose Frau. Nein, diesmal bat sie Gott um einen Sohn – und den würde sie Gott gleich nach der Stillzeit wieder zurückgeben. Sie würde ihren Sohn also nur drei bis vier, maximal fünf Jahre bei sich haben. Um diese kurze Zeit bat sie Gott: Nur einmal ein eigenes Kind haben und es stillen, es die wichtigsten Dinge lehren. Dann soll es wieder Gott gehören. Hannah bat Gott um ein kleines Kind für ein paar Jahre. Erstaunlich, nicht wahr?

Und Gott, dessen Eigenschaft die Treue ist, steht zu seinem Wort. Er lässt Hannah schwanger werden. „Und der Herr gedachte an sie.“ (1. Sam. 1, 19) Das heißt nicht, dass Gott Hannah vorher vergessen hatte. Aber es macht deutlich, dass Hannah auf natürlichem Wege kein Kind bekommen hätte. Gott hatte das alles in der Hand. Er nimmt Hannah beim Wort. Als Hannah ihrem Mann von ihrem Gelübde (ihrem Versprechen vor Gott) erzählt, bestätigt er es. Jetzt muss Hannah auch ausführen, was sie versprochen hat. Nur ihr Mann hätte sie von ihrem Wort befreien können, und das nur an dem Tag, an dem er davon erfahren hatte (4. Mo. 30, 11-16). Aber Elkana ist natürlich weit davon entfernt, Gott ein Kind wegzunehmen, das Hannah ihm versprochen hat. Und so bestätigt er das Gelübde. Was Gott zusteht, muss man ihm auch geben - darin sind sich die beiden Eheleute einig.

Als Hannah dann nach vier oder fünf Jahren wieder vor Eli steht und Samuel mitbringt, ist keine Traurigkeit oder Bitterkeit in ihrem Herzen. Nein, sie hat ein Loblied auf den Lippen. Sie rühmt Gottes große Taten, seine Macht, seine Schöpfung, seine Herrlichkeit. Und das, obwohl sie ihren geliebten Sohn wieder abgeben muss.

Hannah war eine Frau nach dem Herzen Gottes: Sie blieb auch im Leid treu. Und sie schüttete Gott ihr Herz aus. Der Prophet Samuel salbte später den ersten König Israels. Hätte Hannah auf natürlichem Wege Kinder bekommen, hätte sie wohl keines bei dem Priester Eli und seinen gottlosen Söhnen aufwachsen lassen. Aber so ist ihre Kinderlosigkeit einem ganzen Volk zum Segen geworden, denn unter Samuel begann eine Erweckung in Israel (1. Sam. 3,21).

Die im Tempel wohnte Die alte Witwe Hannah (Lk. 2,22-38)

Die alte Witwe Hannah begegnet uns in nur drei Versen im Neuen Testament. Aber diese wenigen Verse erzählen uns viel aus ihrem Leben. Der Name ihres Vaters Phanuël bedeutet Einer, der Gott sieht. Sicher hat Hannah bei ihrem Vater diesen Blick auf Gott für das ganze Leben gelernt. Und der Stamm Asser, dem sie angehört, galt als besonders gottesfürchtig.

Hannah heiratete sicher noch jung. Aber das junge Glück dauerte nur sieben Jahre, dann starb ihr Mann. Höchstwahrscheinlich hat Hannah keine Kinder bekommen, denn Kinder sind nicht erwähnt. Nach dem Tod ihres Mannes hatte sie nicht viele Möglichkeiten. Sie konnte eigentlich nur in das Haus ihrer Eltern zurückkehren und darauf warten, dass ein Mann sie heiraten möchte. Als kinderlose Witwe hatte sie einen schweren Stand. Sie hatte sozusagen keine Rentenversicherung. Was sollte mit ihr passieren, wenn ihre Eltern nicht mehr lebten? Ob sie Geschwister hatte, die sie versorgten? Das alles wissen wir nicht.

Aber wir wissen, dass Hannah ihre Tage im Tempel verbrachte – und auch die Nächte. Möglicherweise hatte sie ein kleines Zimmer im Tempel, in dem sie die wenigen Stunden verbrachte, die sie als alte Frau noch zum Schlafen brauchte. Die restliche Zeit hat sie im Gebet oder in der Gemeinschaft mit den anderen Wartenden verbracht. Beten und Warten – das tat sie nicht nur dann und wann. Beten und Warten waren ihr Lebensinhalt geworden.

Hannah wartete irgendwann nicht mehr darauf, einen zweiten Mann zu finden. Entweder begrub sie diesen Wunsch ganz schnell, weil sie ihren Mann so sehr geliebt hat, dass sie sich nicht vorstellen konnte, einen anderen Mann noch einmal genauso zu lieben. Oder sie begrub diesen Wunsch mit der Zeit, weil er sich nicht erfüllte. Vielleicht auch, weil sie immer mehr merkte, dass es viel sinnvoller ist auf Gott zu warten als auf Menschen. Denn Gott würde sie nie enttäuschen. Und so vertiefte sie sich in die Schriften der Propheten. So begann sie mit der Erwartung zu leben, dass eines Tages der Messias kommt. Sie wartete darauf, dass er das Heil für Israel und alle Völker bringen würde. Viele Jahrzehnte lebte sie in dieser Erwartung.

In solchem Warten kann man wohl gar nicht anders als beten. Hannah betete nicht nur hin und wieder, sondern sie führte ein Leben des Gebets. Wenn sie nachts nicht schlafen konnte, betete sie. Wenn sie tagsüber nicht gerade mit jemandem über die heiligen Schriften sprach, betete sie. So war Gott ihr bester Freund und Ratgeber geworden. Sie lebte in einer sehr engen Beziehung zu ihrem Gott.

Und so wird sie irgendwann eine Prophetin genannt. Ein Prophet ist jemand, der Gottes Wort in die jeweilige Situation eines Menschen oder eines Volkes hineinspricht. Das hat Hannah sicher getan. Sie war so vertraut mit den Schriften und lebte in so inniger Gemeinschaft mit Gott, dass sie anderen Menschen das Wort Gottes zusprechen konnte. Sie konnte die Schriften auslegen, sie konnte ermahnen und ermutigen. Wie lange sie das schon tat, wissen wir nicht. Aber Lukas berichtet von ihr, als sie 84 Jahre alt ist.

Über dem Warten und Beten war sie so alt geworden. Bei ihr hat sich das Wort des Psalmisten erfüllt: Und wenn sie auch alt werden, werden sie dennoch blühen, fruchtbar und frisch sein. (Ps. 92, 15) Hannah ist nicht vor Kummer gestorben, kurz nachdem ihr Mann begraben wurde. Das Wort Gottes und die Gemeinschaft mit Gott haben sie jung erhalten, so scheint es.

Und weil sie ganz in der Gegenwart Gottes lebt, ist sie auch zur Stelle, als das Baby Jesus in den Tempel gebracht wird. Sie hört die Worte von Simeon und weiß: Das ist er. Mein Warten hat sich gelohnt. Das ist der Messias. Kein Wunder, dass ihr das Herz überfließt vor Lob und Dank. Sie ist voller Dankbarkeit darüber, dass sie sehen darf, was Gott verheißen hat. Da kommt kein Wort der Klage über ihre Lippen. Sie beschwert sich nicht bei Gott über die langen, einsamen Jahre. Sie klagt nicht darüber, dass sie nie Kinder hatte und jetzt allein dasteht. Weil sie in der Gemeinschaft mit anderen Wartenden lebte, war sie ja auch nie wirklich allein. Und selbst wenn diese einer nach dem anderen gestorben sind – da ist immer Gott, der Ewige und Treue.

Am Ende ihres Lebens lobt Hannah Gott. Ich finde das großartig. Wir würden das als ein schweres Leben bezeichnen: So jung Witwe werden und bleiben, und das mit der finanziellen Unsicherheit – ohne jegliche Rentenversicherung. Wenn wir Hannah hätten fragen können, hätte sie bestimmt gesagt, dass sie ein erfülltes und glückliches Leben hatte. Hätte ihr Mann länger gelebt, wäre sie sicher nicht in den Tempel umgezogen. So aber konnte sie ganz für Gott und die Gemeinde leben, beten und warten. So konnte sie eine Prophetin werden. Und so wurde ihre tiefe Sehnsucht nach Gemeinschaft mit Gott gestillt. Diese Sehnsucht kann kein anderer Mensch wirklich stillen. Ist es da ein Wunder, wenn Hannah ihr Leben als ein erfülltes und glückliches sieht?

Literatur:

Ernst Modersohn: Die Frauen des AT, Berlin, 1965;

Ernst Modersohn: Die Frauen des NT, 2. Aufl., Neumünster, 1911

Ich danke Mailis Janatuinen, dass ich ihre Überlegungen zu Frauen aus der Bibel verwenden durfte.

Teil II

So geht es uns

Zwölf Frauen und ein Mann erzählen ihre Geschichten

Dieser Teil des Buches soll zwölf Frauen und einem Mann eine Stimme geben, die mit dem unerfüllten Wunsch nach eigenen Kindern leben mussten oder müssen. Sie erzählen von ihrem Weg damit, mit ihrem Ehepartner und mit Gott. Alle haben ihre Geschichten selbst geschrieben. In der Regel haben sie allerdings einen anderen Vornamen gewählt. So sind diese Geschichten kleine Autobiographien – bis auf die Namen.

Aber eigentlich sind es nicht nur Autobiographien. Es sind alles Wundergeschichten – nicht nur die, in denen am Ende ein Kind geboren wurde. Die Wunder, die Gott tut, sehen ganz verschieden aus: ein lebendiges Kind, Freude und Frieden im Herzen, ein erfülltes Leben in der Ehe und in der Gemeinde und ein ruhiges Herz, das Kraft und Zeit hat, für andere da zu sein. Wir laden Sie ein, sich mit hineinnehmen zu lassen in diese Wundergeschichten.

Anne-Kathrin Braun

Ein Kind bei Gott

Mona, 29 Jahre

Ich kann es kaum glauben. Nach all den Jahren des Hoffens und Verzagens, nach einem Duzend Schwangerschaftstests, erscheinen im Testfeld zwei rosa Streifen: schwanger! Der Besuch beim Frauenarzt bestätigt das Ergebnis. Achte Woche, aber die Ärztin schätzt den Fötus erst auf die sechste Schwangerschaftswoche. So etwas könne vorkommen bei unregelmäßigem Zyklus, kein Grund zur Beunruhigung. In zwei Wochen soll ich wiederkommen zum Blutabnehmen. Die Arzthelferin gibt mir geschätzte 10 Kilo Infomaterial mit. Ich besuche meinen Mann auf der Arbeit und zeige ihm das Ultraschallbild mit dem kleinen schwarz-weißen Gebilde. Endlich.

Ich nehme die Schwangerschaftsbeschwerden gern auf mich und stelle mich auf das kleine Geschöpf in meinem Körper ein. Information, Planung, Träume. Wir erzählen es nach und nach unseren Familien und Freunden. Viele freuen sich mit uns, weil wir nach 8 Jahren Ehe nicht mehr nur zu zweit sind. Voller Freude fahre ich zum zweiten Frauenarzttermin, denn heute müsste man das Schlagen des kleinen Herzens im Ultraschallbild sehen. Ich liege da und die Ärztin sucht nach dem Fötus, er scheint sich etwas versteckt zu haben. Doch als dann endlich was zu sehen ist, merke ich am Bild und auch an der Reaktion der Ärztin, dass etwas nicht stimmt. Beim Gespräch sagt sie mir behutsam, aber eindeutig, dass sich alles zurück entwickelt hat und somit eine verhaltene Fehlgeburt vorliegt. Das bedeutet, dass der Fötus abgestorben ist, aber mein Körper hat ihn noch nicht abgestoßen und nun muss in einer OP eine Gebärmutterausschabung gemacht werden. Sie erzählt mir dann noch etwas wie „aber wenigstens wissen wir, dass eine Schwangerschaft bei ihnen möglich ist“, aber ich stehe schon völlig unter Schock. Als mir die Arzthelferin zur Kontrolle Blut abnimmt, fangen die Tränen an zu laufen. Und während ich das jetzt schreibe, muss ich auch wieder weinen...

Die nächsten Stunden und Tage nach diesem Befund empfinde ich dann nur noch als surreal. Ich heule und schreie zu Gott: „Was hat das für einen Sinn, erst diese Hoffnung und Freude – und dann zerbricht alles?“ Mein Mann kann mich nur noch in den Arm nehmen und halten, wir weinen zusammen.

Als an dem Abend dann leichte Blutungen und Schmerzen eintreten, fährt er mich ins Krankenhaus und ich will alles schnell hinter mir haben. Die zuständige Ärztin macht einen Ultraschall, bestätigt noch mal eine verhaltene Fehlgeburt, sieht aber keinen Grund, die OP gleich durchzuführen. Ich soll am nächsten Tag wiederkommen zum Gynäkologen, mich noch mal untersuchen lassen und einen ambulanten Termin ausmachen. Am nächsten Tag untersucht mich also ein weiterer Arzt, ich muss noch zu einem Vorgespräch zum Anästhesisten, sitze dann allein irgendwo und muss Formulare für den OP-Termin am nächsten Tag ausfüllen.

Gegen Mittag fahre ich heim und eine Freundin kommt vorbei. Als sie wieder geht, bekomme ich Bauchschmerzen und ich nehme eine Bruscopan-Tablette. Doch die Schmerzen werden immer schlimmer, Krämpfe in immer kürzeren Abständen. Ich renne aufs Klo und ein Schwall Blut ergießt sich in das WC-Becken. Ich handle wie in Trance, will mir das Blut mit dem Papier abwischen und habe auf einmal die Fruchtblase in der Hand. Vor Schreck lasse ich sie ins Klo fallen, mache mich noch etwas sauber und spüle alles runter.

Doch die Schmerzen hören nicht auf, ich rufe die Freundin, die zum Glück gleich nebenan wohnt und auch noch Krankenschwester ist. Sie ruft meine Frauenärztin an, und fragt, was wir machen sollen, denn der OP-Termin ist erst morgen. Sofort ins Krankenhaus. Sie fährt mich in zehn Minuten wieder in das Krankenhaus, in dem ich am Vormittag erst war. Auf der Fahrt habe ich immer wieder Bauchkrämpfe. Von der Notaufnahme werde ich gleich auf die gynäkologische Station geschickt. Wir warten auf den Arzt, aber ich muss wieder schnell aufs Klo. Wieder Blut und diesmal auch Gewebe, viel Gewebe. Ich versuche alles soweit abzuwischen. Dann wieder Untersuchung, Einweisung und Warten auf dem Zimmer mit langsam nachlassenden Schmerzen. Fahrt in den OP, Narkose und Augen zu.

Beim Aufwachen bin ich noch voll high, alles dreht sich, ich sehe Muster an der Decke und frage die Schwestern lallend „was sin‘n das für Drogen, die ihr mir gegeben habt?“ Mir ist alles sch...egal. Ich weiß zwar, was passiert ist, aber ich kann es emotional nicht nachvollziehen, auch dank der LMAA-Mittel. Im Krankenzimmer auf der HNO-Station schlafe ich die Nacht kaum. Ich glaube, man hat mich extra nicht auf die Gyn. gelegt, zu den Schwangeren.

Morgens eine letzte Untersuchung, Tasche packen und auf meinen Mann warten, der mich abholt. Ich sitze im Gang und starre vor mich hin. Eine Schwester kommt und versucht, etwas zu sagen: „Vielleicht war es besser so, das Kind war nicht lebensfähig. Beim nächsten Mal vielleicht.“ Ich sage trotzig „Es hat schon über fünf Jahre bis zu dieser Schwangerschaft gedauert.“ Dann meint sie nur noch: „Es ist traurig zu sehen, wie Frauen, die Kinder wollen, diese verlieren und andere kommen hierher, um Kinder, die sie nicht wollen, abzutreiben.“ Dann ist sie gegangen, und ich saß allein und auch immer noch etwas gedämpft vom Narkosemittel da und habe mit den kleinen Weihnachtsengeln am Tischschmuck gespielt.

Es war Advent, aber meine frohe Erwartung war zu Ende. Ich hatte das Kind tot geboren, wenn auch nur als kleinen Zellhaufen, mich unter den Schmerzen der Abortwehen gekrümmt, ich hatte die Fruchtblase in der Hand und vor Entsetzen im Klo heruntergespült. Diese Phrase „mein Kind im Klo runtergespült“ hat sich so sehr eingebrannt in meinen Kopf und kommt immer wieder als Anklage ins Bewusstsein, dass ich nicht wert sei, Leben zu schenken.

Meine Trauerzeit begann erst am nächsten Tag, denn ich fand für das Geschehene noch keine Tränen, ich war einfach leer: ohne Gefühle, ohne Gedanken, ohne Kind.

Freunde und Familie kamen, versuchten zu trösten. Viele liebe Worte und Anteilnahme. Aber es war noch zu früh für Sprüche wie „das wird schon wieder“, „gebt die Hoffnung nicht auf“, „vielen ist das schon passiert, und sie haben trotzdem noch Kinder bekommen“. Ich musste erst den Verlust betrauern, bevor ich in die Zukunft schauen konnte. Ich musste den Bezug zu meinem Körper wieder herstellen, der hier kläglich versagt hatte.

Ein Grab, dachte ich immer wieder, mein Bauch ist ein Grab, mein Kind wurde da hinein gelegt zum Sterben.

Ich malte ein paar Tage an zwei Bildern, um all die Gedanken herauszubekommen. Tiefer Schmerz bewegte mich und immer wieder der Gedanke an die Niederlage meines Körpers. Ich hasste ihn dafür, nicht so zu funktionieren wofür er geschaffen ist.

Ich war immer noch wie leer, suchte Trost in Bibelworten und fühlte mich mit der Zeit wie geläutert. Keine unnützen Gedanken an Alltäglichkeiten, keine Grübeleien über: Was wäre, wenn... Aber genug Tränen, um alles heraus zu spülen, auch das, was sich in den Jahren des vergeblichen Hoffens angestaut hatte. Die Erwartungen der anderen („Wann ist es endlich bei euch so weit?“), die Erwartungen an mich selbst („ich muss funktionieren“) und all das, was noch mitschwingt: Kinder sind eine Gabe des Herrn, seid fruchtbar und mehret euch, Fortpflanzung ist eines der Hauptmerkmale biologischen Lebens, die Äste im Stammbaum enden bei uns, kinderlose Paare sind egoistisch, sinkende Geburtenraten, leere Rentenkassen... Das alles ist nicht mehr meine Last, die ich mir durch Nichterfüllen meiner biologischen Bestimmung selbst auferlegt hatte.

Meine Angst vor dem Tod, die vorher stellenweise in Panikattacken gipfelte, wurde durch dieses hautnahe Erlebnis, das Sterben meines ungeborenen Kindes, relativiert. Ich halte es nicht in der Hand, weder mein Leben noch ein anderes Leben. Ich habe das alles noch einmal Gott vor die Füße gelegt. Herr, nicht mein Wille, sondern dein Wille geschehe. Wenn du Leben schenkst, dann tust du das nach deinem Plan und auch wenn du Leben wieder nimmst.

Die Fehlgeburt ist jetzt ein Jahr her und ich durchlebe immer wieder Trauerphasen, vor allem in der Zeit des errechneten Geburtstermins ging es mir schlecht. Bei einem englischen Lobpreislied mit der Zeile „You give and take away“ fing ich in einem Raum voller Leute zu weinen an.

Ich freue mich, wenn andere von ihrer Schwangerschaft erzählen. Durch meine künstlerische Arbeit habe ich schon etliche Bilder von Schwangeren machen können, und das bereitet mir auch viel Freude. Aber ab und zu wird es mir zu viel, vor allem in lockeren Runden mit Frauen wird oft von Babys und Kinderkriegen gesprochen. Ein Stück weit rede ich mit, höre aber meist nur zu und fühle mich mit der Zeit immer unwohler, wenn das Thema nicht mehr wechselt. Dann ergreife ich schon mal die Flucht, fresse es in mich hinein, um dann auf die Frage meines Mannes, was mit mir los ist, in Tränen auszubrechen.

Vielleicht umreiße ich an dieser Stelle noch mal kurz den Weg unserer Kinderlosigkeit. Als wir mit 19 Jahren heirateten, standen erst mal mein Studium und der Abschluss im Vordergrund. Es brauchte viele Versuche, um die richtige Pille für mich zu finden. Dann kam schon bald das Thema Kind, und ich setzte die Pille wieder ab. Gleich im ersten Zyklus ging es los mit den ständig wieder zerbrechenden Hoffnungen. Ich deutete die Absetznebenwirkungen als Schwangerschaftsanzeichen, zwei negative Tests holten mich wieder auf den Boden der Tatsachen, um auf das nächste Mal zu hoffen. Bis heute um die 60mal zerbrochene Erwartungen, jeden Monat aufs Neue.