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Wer ist die rätselhafte alte Dame mit dem Shetland-Pony vom Spielplatz? Warum versteckt sie sich mit einem Fernglas im Busch? Und warum schmeißt Mama sie aus der Wohnung? Leni und Jonas haben einen Verdacht: Könnte die Ponyfrau tatsächlich … ihre Oma sein? Als Mama mal wieder zu einem Wochenendseminar verschwindet, beschließen Leni und Jonas, sich ihre Großmutter nicht entwischen zu lassen. Notfalls muss sie entführt werden! Gesagt, getan: Die Ponyfrau ergibt sich in ihr Schicksal … und nun beginnt ein Abenteuer, von dem sie alle drei nicht zu träumen gewagt hätten – mit Campingbus, Pony und viel Sommersonne. Noch ahnen Jonas und Leni nicht, dass ihnen schon bald die Polizei auf den Fersen sein wird …
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Seitenzahl: 132
Für Mia, die auch gern ein echtes Pony hätte.
eISBN 978-3-649-63103-3
© 2018 Coppenrath Verlag GmbH & Co. KG,
Hafenweg 30, 48155 Münster
Alle Rechte vorbehalten, auch auszugsweise
Text: Matthias Morgenroth
Umschlagillustration: Astrid Henn
Innenillustrationen: Marloes de Vries
Lektorat: Frauke Reitze
Satz: Arnold & Domnick, Leipzig
www.coppenrath.de
HÜHNCHEN RUPFEN
WALDMEISTEREIS FÜR CHARLES
EIN UNGLAUBLICHER VERDACHT
DIE FOTOS, DIE ES NICHT MEHR GIBT
DIE ENTFÜHRUNG
EINMAL VON RECHTS NACH LINKS
DAS ERSATZRAD LIEGT IN SCHOTTLAND
EIN SEEMANNSLIED ZUM EINSCHLAFEN
EINE SCHUHVERKÄUFERIN AM BADESEE
ZWEI KINDER MIT MÜTZE
KOMMT EINE KUH UM DIE ECKE
SPIEGEL IM SPIEGEL
PONYS SIND HERDENTIERE
FLUCHT DURCH DIE NACHT
ECHTE GANGSTER
DER BUS NACH HAUSE
SO FRÜHSTÜCKT MAN IN SCHOTTLAND
SECHS WOCHEN SPÄTER
„Ich glaub, ich träume!“
Leni schaute Jonas überrascht an. Und dann glaubte auch sie zu träumen: Im Gebüsch neben dem Spielplatz, durch das sie nach der Schule mit ihrem Bruder immer lief, weil es eine Abkürzung war, stand ein kleines Pony. So ein ganz kleines, mit kurzen dicken Beinen und blonder Mähne. Wenn man bei Ponys blond sagte.
„Das ist Charles“, hörten sie eine Stimme aus dem Gras.
Neben dem Pony wuchsen wild zerzauste graue Haare aus dem Klee, und als Leni noch mal hinsah, erkannte sie, dass die grauen Haare zu einem Kopf gehörten und zu einer Frau, die aussah wie eine der älteren Damen, die jeden Tag mit ihren Dackeln spazieren gehen. Nur dass bisher noch keine von ihnen auf dem Boden gelegen hatte.
„Brauchen Sie Hilfe?“, fragte Leni, weil man ja alten Leuten helfen soll, wenn sie auf dem Boden liegen.
Der graue Wuschelkopf lachte heiser und zwei Bienen flogen auf. „Mir geht’s ausgezeichnet hier, wenn du das meinst. Die Aussicht ist wunderbar.“
Leni hob den Kopf und konnte nur die zwei verkrüppelten Birken sehen, dahinter ragten Wohnblocks in den Himmel und die fand sie eigentlich überhaupt nicht wunderbar.
Jonas starrte gebannt auf das kleine Pferd. „Ist Charles ein echtes Shetland-Pony?“
„Jo!“, kam es aus dem Gras.
„Und es gehört Ihnen?“
„Jo!“
„Darf man – darf man es streicheln?“, fragte Jonas.
„Nicht“, murmelte Leni noch, denn sie hatten wenig Zeit, und wenn Jonas sich wieder verzetteln würde, bekämen sie bestimmt Ärger. Es war schon nach vier Uhr, in einer halben Stunde musste Jonas zum Klavier.
Die seltsame Frau wischte sich die Haarsträhnen aus dem Gesicht und setzte sich auf, strich sich die Bluse glatt und schaute die beiden Kinder interessiert an. Erst Jonas, wie er verschwitzt vor ihr stand, die blaue Schultasche lässig über der Schulter, das Handy in der Hand. Dann zu Leni in ihrer roten Lieblingsjacke, schwer atmend vom Rennen und ebenfalls verschwitzt, aber ohne Handy, weil sie ja noch keins haben durfte. Sie war schließlich erst neun und ging noch in die dritte Klasse. Jonas schon in die sechste.
„Streicheln“, sagte die grauhaarige alte Frau schließlich und grinste, „darf man. Wenn man seinen Namen sagt.“
Irgendwas an ihrer Stimme klang ungewöhnlich. Als käme die Frau von weit her.
Leni warf Jonas einen warnenden Blick zu. Fremden soll man seinen Namen ja eigentlich nicht sagen.
„Jonas!“, sagte Jonas, ohne auf sie zu achten, und reichte der Frau, die immer noch im Gras saß, sogar die Hand.
„Jonas, so, so.“ Die Frau schüttelte seine Hand. Dann hielt sie plötzlich inne, fummelte in ihrer Brusttasche und fischte eine Sonnenbrille heraus – so eine verspiegelte, coole, wie sie die Jugendlichen drüben im Eiscafé immer trugen. Sie klappte sie auf und setzte sie sich auf die Nase. „Die Sonne blendet fürchterlich“, sagte sie.
Dabei saß sie im Schatten.
Seltsam.
„Na, dann mal los“, sagte die Frau, stand schnaufend aus dem Gras auf und klopfte dem Pony, das Charles hieß, mit fester Hand auf den Hals. „Charles beißt nicht. Nur wenn es sein muss.“
Wieder meinte Leni, einen eigenartigen Singsang in ihrer Stimme zu erkennen.
Zögernd trat sie näher. Ein bisschen Zeit war ja noch, bevor Jonas zum Klavierunterricht musste. Und wer weiß, ob Mama überhaupt schon zu Hause war. In den vergangenen Tagen war sie immer erst um sechs heimgekommen.
Das Pony schnupperte an Lenis Arm. Und dann an ihrem Schulranzen – ob es Leberwurst mochte? Sie hatte noch einen Leberwurstbrotrest in der Außentasche. Jetzt hob das Pony den Kopf und blickte ihr tief in die Augen. Leni musste lächeln, sie konnte nicht anders.
„Wie kommen Sie denn mit dem Pony auf unseren Spielplatz?“, fragte sie. Ein Pferd bei ihnen, mitten in der Stadt, und wenn es auch nur ein kleines, dickes mit kurzen Stummelbeinen war – das war noch nie vorgekommen. Der Spielplatz bestand weitgehend aus Sand, einem Hartgummiplatz, einer Rutsche und alten Palisaden. Keine ideale Weide.
„Na, wie werde ich wohl hergekommen sein?“ Die Frau schob Charles am Hintern zur Seite, stellte sich neben ihn und schaute die Kinder durch ihre spiegelnde Sonnenbrille herausfordernd an. „Mit dem Bus!“
„Mit dem Bus?“, riefen Leni und Jonas gleichzeitig, und kurz stellte Leni sich vor, wie das Pony mit seinen Zähnen die Streifenkarte in den Stempelautomat schob, freundlich den verwunderten Fahrgästen zunickte, sich auf den Kinderwagenplatz stellte und dort lässig wieherte.
„Mit meinem Bus“, stellt die Ponyfrau klar. „Ihr könnt Charles auch Löwenzahn pflücken, das mag er.“
Leni folgte ihrem Blick und entdeckte in der Parkbucht hinter dem Spielplatz zwischen zwei Kastenwagen den blauen VW-Bus. Mit geblümten Vorhängen in den Fenstern. An die Antenne war eine Schleife gebunden.
Die Frau nickte. „Genau, mit dem.“
Unsicher schielte Leni zu Jonas. Der streichelte voller Inbrunst dem Pony über die Nüstern und schob ihm ein Löwenzahnblatt nach dem anderen zwischen die Zähne.
„Darf man das? Sein Pony in einem Bus transportieren?“, fragte Leni.
Die Frau grinste. „Verratet mich besser nicht.“
„Mami, Mami, ein Pferd!“, rief eine Stimme von der Rutsche. Jetzt hatten auch andere Kinder Charles entdeckt.
„Red keinen Blödsinn“, antwortete jemand von einer Bank. „Pferde gibt’s nicht in der Stadt.“
Leni musste kichern.
Charles knabberte zärtlich an Jonas’ Jacke. „Machen Sie hier Urlaub, oder was?“, fragte er neugierig.
Die Ponyfrau überlegte. „Hm … eigentlich nicht. Ich muss hier mal nach dem Rechten sehen, das ist höchste Zeit geworden. Ich hab einige Hühnchen zu rupfen. Aber wenn man so will, ist es auch ein wenig Urlaub. Urlaub in alten Geschichten.“
„Komm jetzt lieber“, sagte Leni mit einem Blick auf die Uhr und zupfte Jonas am Ärmel. „Dein Klavierunterricht.“
„Habt ihr etwa Stress?“, fragte die Frau und steckte sich einen Kaugummi in den Mund.
„Wir haben jedenfalls keinen Urlaub“, meinte Jonas und tätschelte dem Pony noch ein letztes Mal den Hals.
„Na, dann los.“ Die Frau zögerte. „Jonas, sagst du, heißt du?“
Jonas nickte.
„Wohnt ihr – hier um die Ecke?“
Leni war sich nicht sicher, aber hatte die Frau jetzt nicht einen lauernden Ausdruck im Gesicht?
„Gleich da vorn“, sagte sie daher möglichst unbestimmt, bevor Jonas zu viel ausplauderte.
„Gleich da vorn“, wiederholte die Frau und überlegte. „Hubertusstraße?“
Leni zögerte, aber Jonas hatte schon wieder genickt.
„So, so“, murmelte die Ponyfrau. „Na, vielleicht sehen wir uns dann noch. Ich bin jetzt erst mal da.“
„Hol mal das Sushi aus der Tasche“, sagte Mama und wischte eilig mit einem Schwamm über den Küchentisch.
Es war drei Stunden später und natürlich war Mama erst nach sechs nach Hause gekommen. Während Jonas beim Klavierunterricht war, hatte Leni auf seinem Handy gespielt, hatte versucht, sich auf die Mathehausaufgaben zu konzentrieren, war kurz am Computer gewesen und hatte die Begriffe „Shetland-Pony“, „Hühnchen rupfen“ und „blauer Bus“ gegoogelt und dabei ziemlich Hunger bekommen.
Unter „Shetland-Pony“ hatte sie gefunden, dass diese Tiere in der Altsteinzeit schon sehr beliebt waren, von den Shetland-Inseln kommen, die im Norden von Schottland liegen, und dass sie nur von Kindern geritten werden dürfen. Außerdem war sie auf einer Seite gelandet, auf der man Shetland-Ponys kaufen und verkaufen konnte. Sie hatte sich verschiedene Angebote angeschaut, aber die waren alle sehr teuer. Unter „Hühnchen rupfen“ hatte sie erfahren, dass es sich um eine beliebte Redewendung handelte, aber das hatte sie natürlich schon gewusst. Und unter „blauer Bus“ hatte sie einen Partybus, ein Jugendzentrum und eine Seite des öffentlichen Nahverkehrs gefunden und schließlich war die Zeit um und Jonas und kurz darauf Mama waren heimgekommen.
Jonas stellte die Alu-Schächtelchen auf den Tisch. „Schon wieder Sushi.“
„Es musste eben schnell gehen“, sagte Mama. „Und es ist genau das, was eine hungrige Familie heutzutage isst, also setz dich und nimm dir schön Reis dazu. Schmeckt dir doch immer.“
Mama konnte sich so geschickt ausdrücken, dass ihr immer alle zustimmen mussten. Das hatte sie zu ihrem Beruf gemacht, und jetzt erklärte sie Firmenmitarbeitern auf der ganzen Welt, wie auch sie ihre Werbeanrufe so geschickt gestalten konnten, dass alle, die angerufen wurden, sofort zustimmten. Und vor allem, dass dann alle das kauften, was die Firmen gerade loswerden wollten.
Nur bei Papa hatte es nicht geklappt, der hatte sich nicht von Mamas professionellen Werbeanrufen beeindrucken lassen. Und als sie mehr und mehr in ihrer Arbeit verschwunden und wochenlang mit ihren Firmen unterwegs gewesen war, hatte es ihm irgendwann gereicht und er war ausgezogen.
Jetzt versuchte Mama, nur noch ab und an übers Wochenende weg zu sein, damit Leni und Jonas nicht zu viel allein waren.
„Du könntest ja auch mal was bei McDonald’s holen“, murmelte Jonas, „das geht auch schnell und ist auch was für eine hungrige Familie von heute.“
Leni warf ihm einen Blick zu, damit er nicht noch weiter motzte. Sie hasste es, wenn gestritten wurde. „Sushi ist doch okay.“
Jonas verdrehte die Augen und goss sich Saft ein.
„Mama“, sagte Leni, „ich habe heute den Deckel von meinem Füller verloren.“
„Schön“, murmelte Mama abwesend und wischte über ihr Smartphone.
„Was soll daran schön sein?“, fing Jonas schon wieder an zu mosern, aber Leni winkte ab.
„Schön ist es, wie ihr klarkommt“, sagte Mama und stopfte sich ein Thunfischröllchen in den Mund.
Leni seufzte und kaute auf den Algen herum, die Nori genannt werden, damit man nicht merkt, dass man eigentlich Seetang isst.
Als sie die leeren Packungen in den Mülleimer fallen ließ, rief Jonas sie zum Fenster. „Schau mal!“
Er schob vorsichtig die Gardinen ein Stück zur Seite und lugte nach unten auf die Straße.
„Was hast du denn?“, fragte Leni und musste lachen, weil er ein so geheimnisvolles Gesicht machte. „Gehst du auf Verbrecherjagd? Ist da ein Vampir vor dem Fenster? Oder ein Spion?“
„Weiß ich nicht genau“, murmelte Jonas.
Auf der anderen Straßenseite, halb in den Büschen, halb hinter Mülltonnen verborgen, stand die alte Frau von vorhin, nur diesmal ohne Pony. Vor den Augen hielt sie ein Fernglas. Leni hatte den Eindruck, als starrte sie ihr damit mitten ins Herz. Erschrocken fuhr sie zurück und stieß mit Jonas zusammen.
„Au.“ Jonas rieb sich die Stirn. Leise fragte er: „Was will die hier?“
„Hühnchen rupfen“, flüsterte Leni zurück. „Und nach dem Rechten sehen.“
Als sie ganz behutsam noch einmal aus dem Fenster spähten, war die Straße leer.
„Kommst du am Samstag mit zum Schwimmen?“, fragte Emma am nächsten Tag nach dem Sportunterricht.
„Geht nicht“, antwortete Leni und band sich die Schuhe zu. „Meine Mama ist am Wochenende weg, da sollen Jonas und ich zu Hause bleiben.“
„Schon wieder?“ Emma schleuderte ihr Turnsäckchen wie einen Kreisel durch die Luft.
„Wieso, letztes Wochenende war sie doch da“, meinte Leni und wollte eigentlich gar nicht schnippisch klingen.
„Aber da hat es geregnet“, sagte Emma und rannte ihrem Turnsäckchen hinterher, das ihr aus der Hand geflutscht und quer durch die Umkleide gezischt war. „Mein Vater sagt, ab morgen wird es richtig heiß!“
„Mama hat Filme für uns ausgeliehen, damit uns am Wochenende nicht langweilig wird“, sagte Leni. Sie freute sich schon, weil ein Harry-Potter-Film dabei war. Heute war Donnerstag und gleich morgen Abend würden Jonas und sie Heimkino machen. Mit Popcorn.
Dann jedoch ärgerte sie sich über ihre Lehrerin Frau Ferk, die man niemals Frau Ferkel nennen durfte, auch wenn es einen noch so reizte. Denn Frau Ferk gab ihnen übers Wochenende eine schwere Hausaufgabe auf. Obwohl sie doch genau wie Emmas Papa wissen musste, dass es richtig heiß werden sollte!
Etwas Schönes, hatte Frau Ferk erst scheinheilig gesagt, etwas Schönes hätte sie jetzt noch mit ihrer Klasse vor, und Leni hatte sich schon entspannt zurückgelehnt, um sich auf das Schöne vorzubereiten. Dann aber sagte Frau Ferk, jeder solle in sich gehen und überlegen, was er schon mal Tolles mit den Großeltern erlebt habe, und wenn alle etwas Tolles gefunden hätten, dann sollten sie eine Erlebniserzählung schreiben mit dem Titel „Mein Tag mit Oma“.
Leni meldete sich. „Ich habe keine Oma!“
Frau Ferk schaute kurz wie ein Schaf.
Es stimmte nur fast, dass Leni keine Oma hatte: Papas Mutter war in einem Altenheim in Hamburg und hatte sie alle schon längst vergessen, weil sie Alzheimer hatte. Leni hatte sie schon ewig nicht mehr gesehen. Aber Papa sahen sie ja auch nur noch zwei Mal im Jahr, weil er jetzt so weit weg wohnte, und vielleicht hatte er auch schon ein bisschen Alzheimer und vergaß sie langsam, Stück für Stück.
Und Mamas Mutter war bereits vor vielen, vielen Jahren gestorben. Auf jeden Fall hatte Leni noch nie einen Tag mit einer Oma verbracht, über den sie jetzt eine Geschichte hätte schreiben können. Und einen Opa gab es auch nicht mehr.
„Dann“ – Frau Ferk hatte sich gefangen und sah wieder ganz normal aus – „dann helfen wir Leni auf die Sprünge. Suchen wir doch mal gemeinsam einige schöne Überschriften! Mein Tag mit Oma! Los!“
Frau Ferk war sehr zufrieden, wie viele schöne Überschriften der 3c einfielen:
Wie ich mit Oma im Zoo war
Wie mir Oma einmal so viel Süßigkeiten mitbrachte, dass mir schlecht wurde
Wie Oma mit mir auf dem Volksfest Achterbahn gefahren ist, bis ihr schlecht wurde
Wie Oma mir mein Lieblingsessen gekocht hat, bis mir schlecht wurde
Wie ich bei Oma übernachtet habe und nicht schlafen konnte Wie Oma mit mir einen Tag lang nur Mensch-ärgere-dich-nicht gespielt hat
Wie Oma mit mir in “James Bond” gegangen ist, obwohl meine Eltern es verboten hatten
Wie Oma mit mir im Prähistorischen Museum war
Wie Oma sich eine Rippe gebrochen hat, als sie mit mir Schlitten gefahren ist
Leni hatte keine Ahnung gehabt, was man alles mit einer Oma machen konnte. Sie hatte bisher nicht einmal gewusst, dass es ein Prähistorisches Museum gab, und sie hatte auch keine Ahnung, was das sein sollte. Eigentlich hatte Leni bisher keine Oma vermisst – aber jetzt kam sie sich doch ein wenig benachteiligt vor. Zumal sie als omaloses Kind nicht um den Erlebnisaufsatz herumkam, sondern wie jeder andere in der Klasse einen schreiben musste. Auch wenn es bei ihr wohl eher eine Fantasieerzählung werden würde.
Nach dem Hort sammelte sie Jonas ein, der auf der Bank an der Bushaltestelle abhing und auf seinem Handy spielte. Er hatte den entscheidenden Schritt vor den Pausenhof gemacht, weil man natürlich auf dem Schulgelände kein Handy benutzen durfte. Dieser Schritt war wichtig, denn jetzt konnte der Hausmeister schimpfen, so viel er wollte.
„Es handelt sich um öffentlichen Grund“, sagte Jonas einfach, wenn der Hausmeister es wagte, ihn anzusprechen.
„Hi, Leni.“ Ohne aufzusehen, schloss er sich ihr an und trottete neben ihr her.
„Kaufen wir uns noch ein Eis?“, fragte er, während er einem Straßenschild auswich. „Ich hab noch Geld übrig, weil ich mir in der Pause nichts gekauft habe.“
Leni nickte. „Cool.“
Die Sonne hatte beschlossen, schon heute sommerheiß zu scheinen, die Hauswände blendeten, und es roch nach Asphalt. Die Geschäfte hatten ihre Markisen weit heruntergekurbelt und eine schläfrige Ruhe lag über dem Nachmittag. Da würde ein Eis genau das Richtige sein.
Abrupt stoppte Leni, als sie um die Ecke bogen. Vor dem Eisladen stand eine lange Schlange – und ganz hinten in der Schlange stand eine grauhaarige Frau, die ein Pony an der Leine hielt und sich nicht davon stören ließ, dass sie von allen Seiten angestarrt wurde.
„Da ist sie wieder“, entfuhr es Leni. „Sie verfolgt uns!“