Kilos gegen Kilometer - Augusta Zack - E-Book

Kilos gegen Kilometer E-Book

Augusta Zack

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Beschreibung

Dieses Buch ist ganz bestimmt Kein Ratgeber! Die Hamburger Außenalster, das Laufparadies der Hansestadt, fast vor ihrer Haustüre war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis eine bis dahin recht genußfreudige Enddreißigerin auf die Idee kommt, mit dem Joggen zu beginnen. Die Anfänge sind teils so aberwitzig, dass sie sich entschließt, über das Erlebte zu schreiben. Entstanden ist eine Kolumnensammlung, die von diesen ersten wenig bis mäßig erfolgreichen Zeiten, über Rückschläge aus heiterem Himmel bis hin zum ersten Halbmarathon reicht. Die Autorin beobachtet sich schonungslos und gewährt freizügige wie auch quietschvergnügte Einblicke auf dem nicht immer geraden Weg in ihr neues Läuferinnen-Leben. Und auch wenn das Laufen manchmal nicht so einfach zu sein scheint, so gelingt das Lesen darüber äußerst leichtfüßig.

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INHALTSVERZEICHNIS

Kilos gegen Kilometer

FrSaSo

Marathon Mädchen

Und die Pfunde purzeln wie von selbst

Schöne Bescherung

Im Neuen Jahr wird alles besser

Lauf, Mädchen, lauf!

Fire & Ice

Der will doch nur spielen

Die Ruhe in Person

Alster-Affairen

Doppelter Einsatz

Höhere Gewalt

Bitte lächeln

Das Morgengrauen

Keinen Meter!

1983

Final Countdown 1

Final Countdown 2

Final Countdown 3

Bonusmaterial Mails for Miles

KILOS GEGEN KILOMETER

Der Wecker klingelt um 6:15 Uhr. Grausam. Aber es muss sein. Die ersten Kilos sind in den letzten Wochen gepurzelt. Jetzt habe ich meinem Kernspeck den Kampf angesagt. Wenn er mit weniger essen nicht weniger wird, muss es eben mit mehr bewegen klappen. Gesagt getan, rein in die Jogging-Klamotten und dann locker zur Hamburger Außenalster traben. Und, ja, wie herum denn? Ok, links. Wie der Wind spule ich Meter um Meter ab. Da kommt schon die Alsterperle, ein kleiner Stehimbiss, an dem noch nichts los ist. Leckeren Glühwein haben die hier. Weiter über Brücken und vorbei am morgendlichen Stau, noch eine Brücke und dann fängt der schöne Teil an, der Park. Herrlich, diese frische Luft! Aus Jux und Dollerei lege ich einen Zwischenspurt ein. Das findet auch der Schäferhund ganz prima, der ohne Leine auf der Wiese tollt. Ich renne um mein Leben. Ich höre, wie er hinter mir hechelt. Ich mobilisiere ungeahnte Kraftreserven und lege noch einen Zahn zu. Da beißen seine Kiefer laut ins Leere. Ich schreie. Und bin schlagartig wach. Ich liege in meinem warmen Bett. 7:15 Uhr am Tag der Tage. Heute wird zum ersten Mal die Alster umrundet. Alles in allem, von Haustür zu Haustür, gut neun Kilometer. Und das Wort Morgengrauen bekommt eine neue Bedeutung.

Erst quäle ich mich aus dem Bett und dann meinen Busen in einen kratzenden, vorsintflutlichen Sport-BH. Wegen der Kälte kommt unter die Trainingshose eine lange Unterhose, Sweatshirt, Sportsocken, Goretex-Jacke und diese Sportschuhe, die fast von alleine laufen. So hat es jedenfalls der Verkäufer gesagt. Vor drei Jahren, als ich zuletzt gegen die Folgen meines zivilisierten aber zügellosen Lebens Amok laufen wollte. Um 7:30 Uhr bin ich schon an der Ampel. Aber irgendwie sind die Schuhe komisch geschnürt. Noch mal aufmachen, zumachen, so müsste es gehen. Jaha, da guckste was, denke ich, als ich einen Mann im Mantel und brennender Zigarette auf den Bus warten sehe. Ich tue etwas für mich! Jetzt noch eine Ampel und dann bin ich da. Mist, mit den Schuhen stimmt wirklich etwas nicht! Sie scheuern. Hinten. Oberhalb der Ferse. Rechts und links. Links etwas mehr. Reiß’ dich gefälligst zusammen! schnauzt eine Stimme in mir. Und im nächsten Augenblick fällt mir die Kinnlade herunter: Atem beraubend schön liegt die Stadt vor mir, das tiefdunkle Blau des herannahenden Tages steigt aus der Finsternis der Nacht und die Lichter spiegeln sich müde im milchig stillen Morgendunst auf dem See. Aber ich bin ja nicht wegen der Aussicht hier.

Ich laufe links herum. Linkes Bein und rechter Arm. Rechtes Bein und linker Arm. Immer abwechselnd. Locker laufen und schön durch die Nase atmen. Ich fühle mich großartig. Bisher habe ich noch niemanden gesehen, den ich kenne. Weder meinen Friseur, der immer behauptet, mit seinem Hund um diese Zeit Gassi zu gehen, noch meine Freundin mit dem süßen Welpen. Wahrscheinlich liegen die alle noch in ihren Betten bzw. Körbchen. Auaaah! So geht es echt nicht. Wieder anhalten, wieder neu schnüren. Weiter. Ich stampfe auf, damit die Füße in den Schuhen nach vorne rutschen. Aber das bringt nicht viel. Wenn mir nicht bald etwas einfällt, muss ich umkehren. Ich habe das Gefühl, schon jetzt fette, mit Wasser gefüllte Blasen oberhalb der Hacken zu haben. Genau da, wo die Haut dünner wird. Und bei jedem Schritt scheuert es mehr. Vielleicht sind es ja auch Brandblasen, überlege ich kurz. Die Wärmflasche letzte Nacht war wirklich heiß... In der Ferne schiebt sich die Alsterperle in meinen Blick. Ich hatte gedacht, sie wäre viel näher. Ein wahrlich markanter Punkt der Strecke... Aber nein, meine Liebe, wer denkt denn hier an Aufgeben?! Denk lieber an deine Hüften und die lahmen Beine! Du hast noch nicht mal ein Viertel geschafft. Siehst Du, geht doch, mache ich mir Mut und schleppe mich mühsam weiter. Scheinbar kann keine Schnürung der Welt das Scheuern der Schuhe beenden. Werde das Gefühl nicht los, dass sich meine Socken hinten mit Blut voll gesogen haben. Nach der Brücke kommt ein kleiner Weg, der direkt zum Wasser führt. Den nehme ich. Hier geht es bergab. Die Füße rutschen in den Schuhen nach vorne. Jaaah! Aber nicht viel. Unten mache ich zur Ablenkung Stretching. Und dann packe ich mir je ein halbes Papiertaschentuch an die Fersen (kein Blut!). In der Zwischenzeit müssten auch alle Läufer, die hinter mir gewesen sind, diese Stelle passiert haben. Keiner würde merken, dass ich umkehre. Also, den Berg rauf, die Füße rutschen nach hinten und ich entferne die Papiertaschentücher. Jetzt beiße ich nur noch die Zähne zusammen und sehe zu, dass mein Martyrium nicht mehr allzu lange dauert.

Ohhh, welch Wohlbehagen entfaltet sich bereits auf meiner Fußmatte ohne diese Selbstlauf-Schuhe an den Füßen! Ich habe mir zwei dicke, prall mit Wasser gefüllte Blasen gelaufen. Stramme Leistung für 20 Minuten Bewegung! Als erstes stelle ich mich unter die Dusche, nein, der Bauch ist nur unwesentlich dünner, als vor dem Joggen. Nachdem ich abgetrocknet bin, stellt sich mir die Frage: Aufstechen oder nicht? Ich weiß, dass man es nicht soll, entscheide mich dafür und greife zum Nagel-Nessessaire. Die Nagelhaut-Schere scheint mir das geeignetste Instrument. Blanker Edelstahl und die beiden zierlichen Klingen sind für meine Zwecke perfekt, vorne leicht nach oben gebogen. Das Werkzeug wird von allen Seiten desinfiziert und soll sich jetzt in die Blasenhaut bohren. Tut es aber nicht. Es ist auch gar nicht so einfach, richtig an die Operationsstelle zu gelangen. Nach einigem Prokeln heißt es dann: Touché! Meine Herren, das tut weh! Warum bin ich heute bloß so empfindlich? Ich reiße mich zusammen. Nutzt ja auch nichts. Jetzt noch mal desinfizieren, heijeijei! Dann ist der andere Fuß dran. Auch hier das gleiche Spiel. Hinterher sitze ich am Schreibtisch mit brennenden Füßen und frage mich: Kilos hin, Kilos her – ist das noch gesund?

FR SA SO

3 Kilogramm weniger in einem Monat! Wer jetzt denkt, wie, nur 3 kg bei der ganzen Rennerei und den Obsttagen, den bitte ich zu bedenken, dass man mit fiesen Blasen an den Fersen höchstens vom Joggen träumen kann. Und außerdem: Die natürlichen Feinde guter Vorsätze sind Freitage, Samstage und Sonntage. Der Rückfall in alte Gewohnheiten ist da so gut wie vorprogrammiert. Das ganze Universum besteht auf Knopfdruck nur noch aus Restaurants, Weinhandlungen und anderen Tempeln einer niemals enden wollenden Versuchung. Man trifft sich beispielsweise zum Kaffee, auf ein Bierchen oder zwei, zum Abendessen, plötzlich plöppt ein Korken und es wird ein Glas Sekt gereicht. Sicher, da kann man dankend ablehnen und sagen: ein Mineralwasser wäre mir lieber. Aber, wer will das schon?! Na ja, in der Woche mag das ja noch angehen. Da geht man schließlich auch zur Arbeit. Aber FrSaSo?

Wofür stehen diese Abkürzungen überhaupt? Für Frucht- oder Frust-, Sauna- oder Salat, Sorgen- oder Sobrietätstag (lat. sobrietas „Mäßigkeit, Nüchternheit)? Neihein, da bin ich mir sicher. Deshalb, Hand aufs Herz – FrSaSo stehen für: Fressen, Saufen und So-lange-liegen-bleiben-bis-Mo-ist. Aber das war einmal...

Fr: Um der voraussichtlichen Trainings-Trägheit des Wochenendes vorzubeugen, verabredet man sich am besten rechtzeitig mit Gleichgesinnten zum Laufen. Kneifen unmöglich, Sonntag 15 Uhr soll es sein. Außerdem habe ich das zweifelhafte Glück, die drohende Diätunterbrechung hinauszögern. Ich überstehe demnach unbeschadet – also unsatt – den Freitag-Abend. Allerdings nicht ganz nüchtern. Immerhin weiß ich jetzt, dass man Bier auch aus kleinen Gläsern trinken kann.

Sa: Erst Walken an der Alster, das erste Mal seit meinem schmachvollen Versuch von vor einer Woche. 10 Minuten in die eine Richtung, 10 Minuten in die andere. Und dank großzügiger Verpflasterung der Fersen zicken die Selbstlaufschuhe auch nicht herum! Anschließend auf den Markt und später noch schnell ein paar von den leckeren Sahnetrüffeln holen, als Mitbringsel für die Gastgeberin des Abends. Oder lieber einen Bund Möhren? Nein, Biene mag Süßes. Und sie muss auch nicht auf ihr Gewicht achten. Liebeskummer lässt ihre Pfunde schmilzen. Beneidenswert! Gegen 11 Uhr ein Frühstück aus Obst. Und wenn ich gegen drei noch eine Kleinigkeit zu mir nehme, kann ich am Abend mit gutem Gewissen zuschlagen. Mache ich dann auch. Die Nudeln mit Gemüse macht Biene wie keine Zweite. Das Grünzeug knackig, die Pasta al dente und die Sauce – ein Gedicht. Kleine Fettäuglein im sämigen Sud, ein Hauch Ingwer dazu, erst Weißwein und später einen Roten – lecker! Das Ganze aufgetischt von einer Gastgeberin, die Herzschmerz-bedingt kaum einen Bissen runter bekommt und ich deshalb die üppigen Reste der Mahlzeit nachts auf meinem Fahrrad in mein asketisches Heim kutschiere.

So: Wie ich mich so im Bett räkel überlege ich, dass ich heute einen Sobrietäts-Tag einlegen könnte. Guter Gedanke, nach der Magenerweiterung von gestern Abend. Und dann noch um 15 Uhr der Jogging-Termin. Alle Achtung – ich kann wirklich stolz auf mich sein. Bis 12 Uhr gefällt mir mein Sobrietäts-Tag ganz gut. Dann machen sich meine Gedanken auf den Weg zum Kühlschrank. Aber da ist nichts drin, auf das ich so richtig Lust hätte. Eine geriebene Möhre mit Apfel vielleicht... Ich frage mich, was man alles anstellen muss, um bei möglichst viel Nahrungsaufnahme, möglichst eine Top-Figur zu behalten, oder, wie in meinem Fall, erst einmal zu bekommen. Draußen nieselt es, ich liege auf dem Sofa und denke natürlich auch an die Pasta mit Gemüse in unschlagbarer Soße. Wird doch nicht so schlimm sein, oder? Genauso, wie ein Tag ohne Joggen – davon geht die Welt nicht unter. Einen Abend mit den Mädels feiern – das hat man doch ratzfatz wieder im Griff. Denkt man. Bevor man in die Küche geht. Aber hat erst einmal der Schlendrian Einzug gehalten, wird er sich auch einnisten. Ich bewege mich an diesem Mittag recht viel. Immer vom Sofa zur Küche und zurück. Gegen 14 Uhr habe ich So-was-von-die-Schnauze-voll und verputze endlich dieses köstliche Gericht, dazu ein frisch gepresster Orangensaft. Jaha, ich lebe gesund! Außerdem möchte ich gleich beim Laufen doch keinen Schwächeanfall erleiden! Seitenstiche und Schluckauf habe ich bereits, als ich ankomme. Meine Trainingspartnerin ist schon am Treffpunkt. Und der Rest von Hamburg offensichtlich auch. Selbst bei diesem bescheidenen Wetter wollen alle um die Außenalster pilgern. Nach der ersten Minute hängt mir die Pasta bis zur Schlundoberkante. Und der ach so gesunde Orangensaft stößt sauer dazu! Meine Trainingspartnerin ist etwas irritiert. Bei jedem Schritt denke ich: jetzt schwappt’s gleich über! Nein, jetzt! Oh, bitte, bitte nicht! Ich füge mich in mein Schicksal, kann aber nicht entscheiden, wo ich mich von meinem Mittagessen verabschieden soll. A propos verabschieden: Die Laufkollegin habe ich wohlweislich ziehen lassen. Komm, mache ich mir Mut, ein Stückchen noch, hinter der Kurve ist eine tolle Stelle, wo dich auch keiner sieht. Aber so weit komme ich leider nicht mehr. Alles geht dann ganz schnell. Ich kann mir lebhaft vorstellen, was die nicht gerade wenigen Spaziergänger bzw. Zuschauer jetzt über mich denken. Hoffentlich postet das keiner bei Facebook. Und ich schwöre: Nie, nie wieder werde ich vor dem Laufen essen! Morgens nach dem Aufstehen bin ich auf der sicheren Seite.

Aber nicht Montag früh. Ich klebe in meinem warmen Bett, wie Karamell am Gaumen. Oder wie der rote Zeiger meiner Waage an der persönlichen Bestmarke. Na, immerhin nicht zugenommen! Wie gut, dass morgen Dienstag ist – wie geschaffen für einen Diättag.

MARATHON-MÄDCHEN

Wenn man jeden Tag, meist um die gleiche Zeit, das Gleiche macht, ist das ein Ritual. Man kann schon gar nicht mehr anders. So setze ich mich morgens fast wie von selbst in Bewegung. Hand raus, Wecker aus und eine Drehung um 180° – ausatmen. Nach einer kleinen Pause: Drehung um 180°, Hand raus, Wecker aus. Heute dauert die Rollgymnastik nur fünf Minuten. Ich habe einen Termin um 10 Uhr. Briefing-Gespräch für einen lukrativen Job. Jetzt aber schnell: Zahnbürste in den Mund und Joggingsachen an. Unten vor der Haustüre ein leichtes Stretching und dann lostraben. Für viele Hamburger ist es das Selbstverständlichste der Welt, täglich ein Ründchen gegen die Pfündchen zu rennen. 37 Minuten dauert es um die Alster, habe ich gelesen. Bei mir dauert es mindestens doppelt so lange. Auf dem Weg zum See frage ich mich auf einmal, wie schnell Franka Potente alias „Lola rennt“ die Runde gedreht hätte? Ich tippe auf unter 30 Minuten. Ihr Leidensdruck war aber auch etwas größer als meiner, sie musste nämlich 100.000 DM auftreiben.

Und das schnell. Den Spurt spare ich mir, aber der Gedanke an sie beflügelt mich. Prompt habe ich das Gefühl, ein bisschen schneller zu sein. Entscheide mich, weil es so gut läuft, auf die volle Distanz zu gehen. Immerhin das erste Mal! Den Termin um 10 Uhr schaffe ich locker!