Kind, du machst mich wahnsinnig! - Bastian Willenborg - E-Book
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Kind, du machst mich wahnsinnig! E-Book

Bastian Willenborg

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Beschreibung

Viele Eltern kommen irgendwann an den Punkt, an dem sie mit der Erziehung der Kinder überfordert sind, sich geradezu ohnmächtig fühlen. Dauernd kommt es zu Streit, oftmals aus nichtigen Anlässen. An guten Ratschlägen, etwa gelassener zu werden oder mal Fünfe gerade sein zu lassen, fehlt es dann nicht. Hilfreich ist das jedoch keineswegs, schon gar nicht angesichts der eigenen Schuldgefühle.

Bastian Willenborg, Facharzt für Psychosomatische Medizin, Psychiatrie und Psychotherapie und selber Vater von zwei Kindern, weiß: Vielen gestressten Eltern fehlt die Reife und Sicherheit, die für den Umgang mit Kindern so wichtig ist. Denn Erwachsene scheitern oftmals an ihren eigenen unerfüllten kindlichen Grundbedürfnissen. Diese werden ihnen erst gewahr, wenn sie selber Kinder haben und es zu Erziehungsproblemen kommt.

Hier setzt Willenborg an: Ausgehend von seiner langjährigen Erfahrung mit Eltern in der Krise, zeigt er in konkreten Schritten, wie Mütter und Väter ihre emotionalen Bedürfnisse besser kennenlernen können. Wie sie durch eine gezielte Auseinandersetzung mit ihnen zu einem erwachseneren Ich finden. Und zu größerer Erziehungskompetenz.

Damit sie als Eltern rausfinden, aus der Wut- und Ohnmachtsfalle, damit sie ihren Kinder ein zufriedenes, glückliches Aufwachsen ermöglichen. Und sie mit Gefühlen der Zuneigung begleiten können.

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Viele Eltern kommen irgendwann an den Punkt, an dem sie mit der Erziehung der Kinder überfordert sind, sich geradezu ohnmächtig fühlen. Dauernd kommt es zu Streit, oftmals aus nichtigen Anlässen. An guten Ratschlägen, etwa gelassener zu werden oder mal Fünfe gerade sein zu lassen, fehlt es dann nicht. Hilfreich ist das jedoch keineswegs, schon gar nicht angesichts der eigenen Schuldgefühle.

Bastian Willenborg, Facharzt für Psychosomatische Medizin, Psychiatrie und Psychotherapie und selber Vater von zwei Kindern, weiß: Vielen gestressten Eltern fehlt die Reife und Sicherheit, die für den Umgang mit Kindern so wichtig ist. Denn Erwachsene scheitern oftmals an ihren eigenen unerfüllten kindlichen Grundbedürfnissen. Diese werden ihnen erst gewahr, wenn sie selber Kinder haben und es zu Erziehungsproblemen kommt.

Hier setzt Willenborg an: Ausgehend von seiner langjährigen Erfahrung mit Eltern in der Krise, zeigt er in konkreten Schritten, wie Mütter und Väter ihre emotionalen Bedürfnisse besser kennenlernen können. Wie sie durch eine gezielte Auseinandersetzung mit ihnen zu einem erwachseneren Ich finden. Und zu größerer Erziehungskompetenz.

Damit sie als Eltern rausfinden, aus der Wut- und Ohnmachtsfalle, damit sie ihren Kinder ein zufriedenes, glückliches Aufwachsen ermöglichen. Und sie mit Gefühlen der Zuneigung begleiten können.

Dr. Bastian Willenborg

Kind, du machst mich wahnsinnig!

Wie uns in der Erziehung unsere eigenen Muster in die Quere kommen

unter der Mitarbeit von Claus Peter Simon

Wilhelm Heyne Verlag

München

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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Originalausgabe 08/2022

Copyright © 2022 by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München.

Covergestaltung: Favoritbuero

Coverfoto: GettyImages / Lisa5201

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN: 978-3-641-27953-0V002

www.heyne.de

Für meine Kinder

Inhalt

Vorwort

Einleitung

1. Erziehung ist Arbeit – und wenn man sie gut macht, macht sie Freude!

2. Wie Sie dieses Buch sinnvoll für sich nutzen können

3. So erkennen Sie die Muster, die Mütter und Väter davon abhalten, gut zu erziehen

4. Unsere Grundbedürfnisse als Mütter und Väter (und warum sie den Umgang mit unseren Kindern so schwer machen, wenn sie nicht befriedigt worden sind)

4.1. Das Bedürfnis nach Bindung

4.3. Das Bedürfnis nach Grenzen

4.4. Das Bedürfnis nach Freiheit

4.5. Das Bedürfnis nach Spontaneität und Spie

5. Was einen »gesunden Erwachsenen« auszeichnet

6. Warum wir als Eltern fehlbar sein dürfen – und es manchmal sogar sein sollten

Anhang

Die Wissenschaft der Schematherapie

Vorwort

Wir alle kennen diese Momente, in denen unsere Geduld erschöpft ist. In denen wir unseren Kindern nicht mehr wohlwollend begegnen. Sondern uns überfordert fühlen, laut rumschreien, zu harte Worte wählen. Und manchmal – in Situationen schierer Verzweiflung – sogar mit einem zu festen Griff am Arm oder gar Ärgerem reagieren.

Was bringt uns Eltern dazu? Was ist da los, wenn das Lächeln eines Babys, die ersten klugen Sätze des Kleinkinds, das ausgelassene Toben eines Heranwachsenden nicht mehr das Gefühl von Glück auslösen? Sondern nur noch den Wunsch, in Ruhe gelassen zu werden und nicht mehr zuständig sein zu müssen? Wenn wir ständig rufen möchten: »Kind, du machst mich wahnsinnig!«

Und vor allem: Wie können wir die nagenden Schuldgefühle überwinden, die eine solche Überforderung so oft mit sich bringt?

Wir alle möchten »gute Eltern« sein, informieren uns über neue Erziehungskonzepte und versuchen, unser Verhalten zu verändern. Doch mitunter müssen wir die bittere Erkenntnis verarbeiten, den eigenen Erziehungsansprüchen dennoch nicht gerecht zu werden.

Wie gehen wir dann um mit dem Gefühl zu scheitern?

Und was ist die tieferliegende Ursache, wenn die Probleme mit den Kindern nicht irgendwann von selbst verschwinden, sondern sich zu einer erschöpfenden Dauerschleife aus Streit und Überforderung entwickeln?

Gestresste Mütter und Väter gibt es nicht erst, seit Begriffe wie »Helikoptereltern« oder »Regretting Parenthood« (Eltern, die bereuen, Eltern geworden zu sein) in der Debatte um gute Erziehung auftauchen. Es gibt sie schon lange. Doch ein grundsätzlicher Ausweg aus der elterlichen Belastung scheint nach wie vor nicht in Sicht.

Uns begegnen zwar viele gut gemeinte Ratschläge, wie wir gelassener oder achtsamer werden können. Nur: Diese Tipps helfen, wenn überhaupt, oft nur sehr kurzfristig.

Als Psychiater und Psychotherapeut stehe ich der Idee, Eltern sollten einfach ihre Ansprüche an die Erziehung ihrer Kinder reduzieren, kritisch gegenüber. Der Ausweg aus der Überforderung besteht aus meiner Sicht darin, dass sich Eltern als Erwachsene verhalten. Als Erwachsene, die die Bedürfnisse ihrer Kinder angemessen erfüllen. Und die sich über ihre eigenen Bedürfnisse im Klaren sind.

Es ist zweifellos wichtig, auch als Erwachsener eigene Bedürfnisse erfüllt zu bekommen. Aber zum Erwachsensein gehört die Erkenntnis, dass dies eben nicht immer möglich ist. Daher ist es entscheidend, mit der daraus entstehenden Frustration angemessen umzugehen.

Das jedoch fällt vielen Eltern schwer. Denn ihre eigenen nicht erfüllten Grundbedürfnisse stehen ihnen dabei im Weg. Das hat meiner festen Überzeugung nach nichts mit persönlichem Versagen oder gar bösem Willen zu tun. Sondern damit, dass zahlreichen Müttern und Vätern, sobald sie Kinder haben und es zu Erziehungsproblemen kommt, ihre eigenen »Baustellen« oft erstmals offenbar werden. Und ihnen alte Wunden ins Blickfeld geraten.

Ausgehend von meiner beruflichen Erfahrung mit Eltern in der Krise möchte ich in diesem Buch vor allem zweierlei vermitteln: Wie Eltern, die mit der Erziehung ihrer Kinder überfordert sind, ihre eigenen kindlichen Bedürfnisse kennenlernen und besser verstehen können. Und wie sie durch eine gezielte Auseinandersetzung damit zu einem erwachseneren Ich und größerer Erziehungskompetenz finden können.

Das hat enorm positive Folgen: Mütter und Väter können dadurch dann bestmöglich dazu beizutragen, dass die eigenen Kinder sich zu starken und zufriedenen Menschen entwickeln. Und sie können deren Heranwachsen mit Gefühlen der Zuneigung begleiten.

Lassen Sie uns gemeinsam schauen, wie auch Sie zu zufriedenen und ausgeglichenen Eltern werden können! Lassen Sie uns Ihr Erziehungs-Potenzial heben!

Einleitung

Dieses Buch ist kein Buch für Kinder, sondern eines für Mütter und Väter. Oder besser gesagt: für die Kinder, die alle Mütter und Väter früher einmal gewesen sind.

Von Schwierigkeiten bei der Erziehung kann wohl jeder Elternteil berichten. Die Probleme entstehen meistens in einem Spannungsfeld: Auf der einen Seite bringen Mütter wie Väter einen gut gemeinten, energiegeladenen Aktionismus mit. Der zielt darauf, die Kinder auf die zahllosen Eventualitäten des Lebens gut vorzubereiten, ihnen dabei zu helfen, die Klippen des Größerwerdens unfallfrei zu umschiffen. Auf der anderen Seite erleben sie häufig Frustrationen, sind persönlich überfordert und haben das Gefühl, ihrer Erziehungsaufgabe letztlich nicht gewachsen zu sein.

In meiner Arbeit als Psychiater und vor allem als Psychotherapeut spielen Erziehungsthemen immer wieder eine wichtige Rolle. Ich habe die Probleme vieler Eltern an Extrembeispielen kennengelernt: durch die Geschichten meiner Patienten. Ihre Erfahrungen zeigen mir wie unter einem Brennglas, was in vielen Familien schiefläuft, warum es immer wieder zu typischen Trigger-Situationen kommt.

Die Erkenntnisse, die ich aus zahlreichen Psychotherapien gewonnen habe, sind für mich der Grund gewesen, diesen Ratgeber zu schreiben. Natürlich steckt nicht hinter allen Erziehungsproblemen eine psychische Erkrankung. Aber aus den exemplarischen Fällen meiner Patienten lässt sich viel Hilfreiches auch für das »normal-problematische« Alltagsleben mit Kindern ableiten.

Nicht wenigen meiner Patienten wird erst im Zuge einer Therapie klar, was in ihrer eigenen Erziehung nicht gut gelaufen ist. Dass dies womöglich sogar einer der Gründe für ihre psychische Erkrankung ist. Dann reift in vielen die Erkenntnis, dass sie Gefahr laufen, eben das, was ihnen in der Kindheit widerfahren ist, heute an ihre eigenen Kinder weiterzugeben.

Beispielsweise erzählen mir sowohl Mütter als auch Väter, die sehr streng von ihren Eltern erzogen worden sind, dass sie wiederum streng zu ihren eigenen Kindern sind. Sie geben ihre Erfahrungen oftmals an die nächste Generation weiter, da ihnen alternative Strategien nicht zur Verfügung stehen.

Sicherlich, wir alle profitieren von den Erfahrungen anderer Menschen, vor allem von denen unserer Eltern. Insofern ist ein erlerntes Verhalten in vielen Fällen absolut sinnvoll, beispielsweise um im Straßenverkehr Gefahren zu vermeiden. Im Bereich Erziehung ist es jedoch wichtig, genau zu schauen, ob das Bekannte tatsächlich hilfreich oder eher hinderlich ist. Diese Abwägung unterscheidet eine bewusste Erziehung von einer Erziehung, die gewissermaßen auf Autopilot läuft. Und manchmal dann in die falsche Richtung.

Meiner Überzeugung nach ist nicht das Traditionelle, das »So-war-es-immer-schon-und-so-wird-es-weiterhin-sein« eine stabile Grundlage dafür, Kinder beim Aufwachsen zu begleiten, sie dabei zu unterstützen, ein selbstbewusster, zufriedener und toleranter Erwachsener zu werden. Entscheidend ist vielmehr die bewusste und dauerhafte Auseinandersetzung mit unseren eigenen erfüllten und unerfüllten Bedürfnissen. Welche sind womöglich in unserer eigenen Erziehung zu kurz gekommen? Welche unserer unerfüllten Bedürfnisse bewirken, dass das Verhalten unserer Kinder uns aus der Haut fahren lässt? Warum erscheint unsere eigene Erziehung, die uns vielleicht gelungen erschien, in ganz anderem Licht, seitdem wir selbst Kinder erziehen?

Mit Hilfe dieses Buches können Sie diese Fragen ergründen und einer Antwort nahekommen. Denn zu wissen, was unsere Bedürfnisse sind und wie wir sie uns erfüllen können, hat grundlegend positive Auswirkungen auf unser gesamtes Leben. Und damit auch auf die Erziehung der eigenen Kinder.

Die bewusste Entscheidung für Kinder verpflichtet uns Eltern, ihre emotionalen Grundbedürfnisse zu erfüllen, denn das ist essenziell notwendig für ein gesundes Aufwachsen. Dies gelingt nur, wenn wir die Erziehung jedes unserer Kinder individuell und an dessen Bedürfnissen orientiert gestalten. Insofern ist es für uns als Eltern unabdingbar, die Bedürfnisse unserer Kinder zu erkennen, und diese auch, so weit wie möglich, zu berücksichtigen.

Wenn wir die gesamte Klaviatur aus Bedürfnisbefriedigung, aber auch Bedürfnisfrustration und Bedürfnisaufschub kennen und nutzen, können wir dauerhaft zufriedene Eltern von zufriedenen Kindern sein. Denn ebenso wichtig, wie Bedürfnissen nachzukommen ist es, dass Eltern ihre eigenen Bedürfnisse und die der Kinder abwägen. Das heißt im Zweifel, ein Bedürfnis auch aufschieben zu können und es auszuhalten, es nicht immer und sofort erfüllt zu bekommen – denn ohne diese Fähigkeit gelingt Zusammenleben nicht. Allein schon, weil im Alltag mit Kindern ständig unterschiedlichste Bedürfnisse aufeinandertreffen.

Auch an mir als Vater von zwei Söhnen geht die therapeutische Begleitung meiner Patienten nicht spurlos vorüber. So gleiche ich mein Verhalten immer wieder ab an jenen Erfahrungen, die meine Patienten gemacht haben. Ich erkenne dann eigene Muster, hilfreiche und weniger hilfreiche. Frage mich mitunter, ob ich meinen Kindern gegenüber die richtigen Strategien anwende. Und was ich besser machen könnte. Die Erkenntnisse sind nicht immer erfreulich, aber sie helfen mir, bringen mich weiter.

In den folgenden Kapiteln werden Sie meine Einsichten begleiten – besonders in den verschiedenen Fallbeispielen von Patienten (wobei die Namen der Patienten aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes verändert sind). Ich werde auch Nuancen meiner eigenen Unsicherheiten, Zweifel und Hilflosigkeit nicht verschweigen. Und gleichzeitig von der Freude, der Ausgelassenheit und vor allem dem Quatsch berichten, den ich mit meinen Kindern erlebe.

Einer der entscheidenden Anlässe für dieses Buch gab mir ein Treffen mit einem guten Freund und seinem damals sechs Monate alten Sohn. Markus war damals in Elternzeit und ich hatte ihm versprochen, ihn nach Dienstschluss am frühen Abend zu besuchen. Schon unten an der Tür konnte ich hören, dass sein Sohn lauthals schrie. Als mein Freund die Tür öffnete, blickte ich in sein sichtlich erschöpftes und höchst angespanntes Gesicht.

Er bat mich, seinen Sohn kurz auf den Arm zu nehmen, er selbst könne einfach nicht mehr. Er fragte mich, ob es in Ordnung sei, wenn er ein paar Minuten vor die Tür gehen würde. Selbstverständlich bejahte ich seinen Wunsch. Wir sind schließlich gemeinsam spazieren gegangen, mit seinem Sohn im Kinderwagen. Der schlief nach kurzer Zeit ein.

Mein Freund erzählte mir während des Spaziergangs von seinem Tag. Sein Sohn habe über eine Stunde ohne Unterbrechung geschrien. Er selbst habe nicht mehr gewusst, was er hätte tun können. Füttern, wickeln, nichts hatte geholfen. Markus war regelrecht verzweifelt, er wirkte hoffnungslos.

Ich fragte ihn, ob es neben der Schreiattacke noch mehr gebe, was ihn bedrückt. Markus berichtete, dass er die gesamte Erziehungssituation unterschätzt habe. Er habe den Eindruck, dass er dem Ganzen nicht gewachsen sei. Dass seine Frau viel besser mit ihrem gemeinsamen Sohn umgehen könne als er, weil solche Schreitiraden nur vorkämen, wenn er seinen Sohn betreute.

Markus Frau hatte, unter anderem weil ihr Job besser bezahlt war, nach fünf Monaten wieder zu arbeiten begonnen. Nun sorgte er sich, ihr von seinen Problemen zu erzählen, weil er nicht wollte, dass sie sich schlecht fühlt. Er wusste, dass sie einerseits zwar gerne wieder zur Arbeit gegangen ist, es ihr andererseits aber auch schwerfiel, vom Alltag des Sohnes nur wenig mitzubekommen.

Da ich Markus und seine Lebensgeschichte schon sehr lange kannte, fiel mir eines sofort auf: Sein Verhalten hatte offensichtlich mit Erfahrungen aus der Vergangenheit zu tun. Markus’ Vater war gestorben, als er noch zur Schule ging. Seine Mutter hatte seitdem allein gelebt. Markus hatte sich sehr um sie gekümmert, hatte versucht, Schwierigkeiten weitestgehend von ihr fernzuhalten. Vor allem auch seine eigenen Sorgen.  

Ich gab Markus vorsichtig zu verstehen, dass seine Frau ja nicht seine Mutter sei. Und dass er sich sicher sein könne, dass seine Frau die Schwierigkeiten, die er mit dem gemeinsamen Sohn hat, bestimmt gut versteht. Dass es zudem für alle Beteiligten hilfreich wäre, seine Sorgen mit ihr zu teilen. Markus musste zunächst schlucken, als ich seine Frau mit seiner Mutter verglich. Dann aber konnte er darüber lachen und verstand, was ich sagen wollte. Kurz darauf hat Markus sich ein Herz gefasst und seine Bedenken und Sorgen seiner Frau gegenüber angesprochen.

Sie erzählte daraufhin, dass sie selbst ganz ähnliche Gefühle gehabt habe. Anfangs sei sie unsicher im Umgang mit dem Sohn gewesen, habe sich oft gefragt, ob sie alles richtig mache. Der Austausch mit anderen Müttern habe ihr dann sehr geholfen. Die Gespräche haben dazu geführt, dass Markus seine Einstellung ändern konnte. Er begriff, dass er nicht perfekt sein muss und dass seine Frau das auch nicht erwartete. In der Folgezeit war er deutlich weniger angespannt. Das hat sich auch auf seinen Sohn übertragen, zu derart heftigen Schreiattacken ist es nicht mehr gekommen.

Was ich mit diesem Beispiel sagen möchte: Die eigenen Verhaltensmuster erkennen, zu verstehen, wie sie entstanden sind, daraus zu lernen und sein Verhalten gegebenenfalls zu ändern oder anzupassen – das ist essenziell wichtig für die Erziehung der eigenen Kinder. Die verschiedenen Übungen für den Alltag, die ich Ihnen im Buch vorstelle und nahebringen möchte, können Sie auf dem Weg unterstützen.

In jeder Familie gibt es ungeschriebene Verhaltensmuster und Regeln, die einen Großteil des Zusammenlebens bestimmen. Es stabilisieren sich vor allem jene Muster, die aus Sicht des Kindes dessen individuelle Bedürfnisse am besten befriedigen. Und ganz gleich, wie alt ein Kind ist: Tief im Inneren bleibt es auch als Erwachsener der kleine Junge, der seine kritische Mutter zufriedenstellen will. Oder es sucht sich als junge Frau immer wieder genau jene berufliche Position, die der Vater erwartet hat.

Jeder Elternteil hat gewisse Vorstellungen davon, wie die eigenen Kinder sein sollen. Sowohl was ihr Verhalten als auch ihre Persönlichkeit betrifft. Bis zu einem gewissen Grad ist das auch völlig normal und sinnvoll. Problematisch wird es jedoch, wenn aus Erwartungen festgefahrene Forderungen werden. Denn halten Eltern an unerfüllbaren und hohen Erwartungen fest, bringen sie ihrem Kind bei, dass die Zuneigung von Vater und Mutter an Bedingungen geknüpft ist. Dass es nicht um seiner selbst willen geliebt wird, sondern eine Projektionsfläche der elterlichen Vorstellungen ist. Dabei ist es ganz normal, dass Kinder sich ihren Eltern gegenüber loyal verhalten. Aber die Loyalität ist eben nicht frei gewählt, sondern entsteht dadurch, dass die Eltern für ihre Kinder sorgen: Ihre Beziehung ist immer auch ein Abhängigkeitsverhältnis.

Idealerweise beruht die Loyalität auf Liebe, enger Bindung und Gerechtigkeit. Doch wenn wichtige, unabhängig getroffene Entscheidungen des Kindes zu seiner eigenen Lebensplanung nicht mit den Wünschen der Eltern übereinstimmen, entsteht oft ein innerer Zwiespalt für das Kind. Letztlich stehen alle Menschen vor der Aufgabe, sich ein Stück weit von der eigenen Familie zu lösen, ohne sich komplett von ihr abzuwenden. Eltern können ihre Kinder bei diesem Ablösungsprozess unterstützen. Sie können sie aber auch behindern. Wenn das der Fall ist, hält das Kind oft lebenslang an den Mustern fest, die sich in der Kindheit geformt haben.

Mit diesem Buch möchte ich eine Anleitung für überforderte Eltern schreiben. Eine Anleitung, die Ihnen hilft, selbst solche Muster zu erkennen, so wie ich sie bei meinen Patienten und später auch bei mir selbst erkannt habe. Ich zeige Ihnen, wie Sie diese Muster durch die Arbeit an Ihren unerfüllten, emotionalen, kindlichen Grundbedürfnissen durchbrechen können. Ich hoffe, dass ich Ihnen und Ihren Kindern mit diesem Buch das Leben ein kleines Stückchen leichter machen kann.

Der effektivste Weg, hinderliche Muster zu erkennen, sie zu vermeiden und hilfreiche Verhaltensweisen in der Erziehung anzuwenden, ist für mich das schematherapeutische Denken. Auf dieser besonderen Herangehensweise basiert meine therapeutische Arbeit – und auch dieses Buch. Ich bin sicher, dass diese besondere Form der Verhaltenstherapie vielen Menschen, mich eingeschlossen, hilfreich zur Seite stehen kann. Vor allem dann, wenn wir wieder einmal ausrufen möchten: »Kind, du machst mich wahnsinnig!«

Worüber wir sprechen

In aller Kürze möchte ich Ihnen wichtige Begriffe der Schematherapie vorstellen, die Ihnen im Buch immer wieder begegnen werden:

Schema

In der Kindheit entwickelte Verhaltensmuster, die aus Erinnerungen, Emotionen, Gedanken und Körperempfindungen entstehen. Wenn kindliche Grundbedürfnisse nicht gut befriedigt wurden, entstehen Schemata, die von Misstrauen, Angst oder Negativismus geprägt sein können. Diese gilt es zu erkennen und zu überwinden. Denn Schemata wirken machtvoll im Hintergrund und steuern uns gewissermaßen wie ein Autopilot.

Modus

Das »Programm«, das in einem Moment unser Verhalten steuert. Gewissermaßen der »Film«, der gerade läuft, der unser Denken, Fühlen und Handeln bestimmt. Der Modus ist der aktuelle Persönlichkeitszustand, der durch unterschiedliche Emotionen, Schemata und die Reaktionen darauf gekennzeichnet ist. In der Regel gibt es mehrere Modi in uns, die aktiv sein können. Ein Modus ist immer aktiv – im besten Fall der »gesunde Erwachsene«.

Stuhldialog

Eine therapeutische Technik, um Emotionen zu aktivieren. Dazu werden mehrere leere Stühle um den Patienten aufgestellt, die unterschiedliche Persönlichkeitszustände (Modi) des Patienten repräsentieren. Der Patient wechselt dabei die Stühle, um sich in unterschiedliche Zustände zu begeben. Therapeut und Patient können diese dann aus einer Vogelperspektive betrachten, analysieren und bewerten.

Nachbeeltern

Therapeutische Tätigkeit, die dem Patienten gewissermaßen eine gezielte nachträgliche elterliche Fürsorge zukommen lässt – eine Art der Hilfe, die er schon als Kind gebraucht hätte. Der Therapeut verhält sich dabei in begrenztem Maße wie ein guter Elternteil. Dadurch können Patienten nacherleben, was ihnen früher verwehrt wurde. Sie können neue Erfahrungen in Bezug auf ihre Grundbedürfnisse machen, etwa durch gemeinsame Imaginationen mit dem Therapeuten.

Gesunder Erwachsener

Das Ziel der Therapie: Der Patient soll im Modus des gesunden Erwachsenen handeln. Das bedeutet, dass es ihm gelingt, mit einem liebevoll-vernünftigen Blick auf sich selbst verschiedene Strategien im Umgang mit Problemen flexibel einzusetzen. Auf diese Weise kann er auch zu einem guten Umgang mit den eigenen Kindern finden.

1. Erziehung ist Arbeit – und wenn man sie gut macht, macht sie Freude!

Erziehung ist Arbeit. Was nicht heißen soll, dass sie keinen Spaß machen darf. Aber bei aller gemeinsamen Freude, die man mit seinen Kindern haben kann, darf man diesen Unterschied nie vergessen: Wir – die Eltern – tragen die Verantwortung dafür, dass dieses Unterfangen den Umständen entsprechend so gut wie möglich gelingt.

Und so erfreulich es ist, wenn einigen Eltern das Erziehen leicht von der Hand geht: Für viele Eltern gilt das nicht. Aber selbst dann, wenn es völlig unproblematisch zu laufen scheint, ist es überaus wertvoll, gelegentlich innerlich einen Schritt zurückzutreten. Gewissermaßen aus der Vogelperspektive auf die Situation zu schauen und sich zu fragen, ob das Zusammenleben von allein so unkompliziert läuft oder ob die Kinder sich anpassen, weil sie Angst haben, ihre Eltern zu überfordern.

Dieses Phänomen hat die Psychologin Alice Miller in ihrem Buch »Das Drama des begabten Kindes« schon 1979 auf den Punkt gebracht. Das Drama, so führte sie aus, besteht darin, dass begabte, sehr sensible Kinder schon früh die Bedürfnisse der Eltern spüren und sich ihnen anpassen. Indem sie lernen, ihre intensivsten, aber unerwünschten Gefühle zu unterdrücken. Auf diese Weise wird ein wichtiger Teil ihres wahren Selbst nicht in die Persönlichkeit integriert, was viel psychisches Leid verursacht.

Alice Miller hat unsere heutige Idee von Erziehung geprägt. Doch sie selbst hatte ihr Kinder nicht gemäß der eigenen Ideale erzogen, sondern einige gravierende Erziehungsfehler gemacht. Aber so ist das mit uns Therapeuten: Oft ist unser professionelles Interesse auch von privaten Themen getrieben. Und Fehler zu machen, gehört zur Erziehung. Es ist nicht entscheidend, sie um jeden Preis zu vermeiden, sondern: aus Fehlern zu lernen.

Natürlich sind wir alle im Privaten Menschen, denen längst nicht immer alles gelingt. Aber je besser wir in der Lage sind, dies anzuerkennen, desto besser können wir auch mit unseren Kindern umgehen. Und so ist auch mir vieles, von dem mir meine erwachsenen Patienten berichtet hatten, erst klarer geworden, seitdem ich selbst Kinder habe. Ich habe begriffen, dass Mütter und Väter, deren emotionale Bedürfnisse in der Kindheit nicht ausreichend befriedigt wurden, sich nicht nur sich selbst im Weg stehen. Sondern dass ihre eigenen kindlichen Anteile, ihre negativen Selbstkonzepte und ihre nicht erfüllten kindlichen Bedürfnisse auch ihrer Fähigkeit und Bereitschaft im Weg stehen, den eigenen Kindern zu geben, was sie brauchen.

Das Dramatische daran ist, dass vielen Eltern ihre Unzulänglichkeiten mehr als bewusst sind, es ihnen aber dennoch nicht gelingt, anders zu handeln. Sie stecken in einer Art Teufelskreis fest: Sie werden ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht, verlieren sich daraufhin in Schuldgefühlen und Selbstvorwürfen – und versuchen schließlich, durch einen Befreiungsschlag aus der gefühlten Schuld auszubrechen. Was dazu führt, dass sie an ihren überhöhten Erwartungen scheitern und der Kreislauf von vorne beginnt.

Viele Ratgeber setzen genau dort an und empfehlen, einfach die eigenen Ansprüche zu reduzieren, weniger zu »helikoptern« und dadurch entspannter zu werden. Doch dieser Ansatz ist nur teilweise sinnvoll und wird leider gerne missverstanden. Die eigenen Ansprüche runterzuschrauben ist nur ratsam, wenn diese zuvor unangemessen hoch waren.

Wer freiwillig und wissentlich Kinder zeugt und in die Welt setzt, ist damit auch eine Pflicht eingegangen. Hinter die sollte und darf man nicht einfach so zurücktreten. Wir stehen unseren Kindern gegenüber in der Pflicht, uns nicht im Larifari, im Ungefähren zu verlieren. Sondern vielmehr unser Möglichstes zu tun, um den angemessenen Ansprüchen gerecht zu werden.

Um es noch einmal auf den Punkt zu bringen: Elterndasein bedeutet die Erfüllung einer Pflicht, die man mit der Entscheidung für Kinder eingegangen ist. Nicht die Erziehungsansprüche müssen den eigenen elterlichen Bedürfnissen angepasst werden. Sondern Mütter und Väter sollten eine ausreichend innere Reife erlangen, um ein erwachsener, werteorientierter Elternteil sein zu können.

Das Geheimnis des Gelingens besteht darin, uns selbst dazu zu befähigen, in anstrengenden Zeiten nicht von den eigenen unbefriedigten emotionalen Bedürfnissen aus der Kindheit eingeholt zu werden.

Damit Sie besser verstehen, was ich damit meine, möchte ich anhand zweier typischer Elternpaare erläutern, wie einem bei der Erziehung der Kinder die eigene Kindheit in die Quere kommen kann. Die Beispiele sind zugegebenermaßen überspitzt, machen aber zwei Pole der Erziehung deutlich.

Die Erziehung des ersten Elternpaares ist davon geprägt, die Kinder auf die Herausforderung der Welt vorzubereiten. Sie sollen mit anderen mithalten können und in unserer Leistungsgesellschaft bestehen. Für das Paar zählt vor allem eine gute Ausbildung, und in der Freizeit werden qualitativ hochwertige Angebote in Anspruch genommen. Beides zusammen soll das Kind rundum perfektionieren. Diese Eltern organisieren für ihr Kind eine fremdsprachliche Babysitterin, bringen es zur musikalischen Früherziehung und später zum regelmäßigen leistungsorientierten Sportangebot.

Ihr Erziehungsmuster läuft unhinterfragt ab, was dazu führt, dass die Eltern nicht selten auf andere Eltern herabschauen. Schwierig wird es, wenn sie sich selbst dann nicht hinterfragen, wenn die Kinder auffällige Verhaltensweisen entwickeln. Etwa im Schulalter noch ins Bett machen. Oder im Spiel mit anderen Kindern übermäßig aggressiv sind. Nicht wenige meiner kinder- und jugendtherapeutischen Kollegen beklagen sich regelmäßig, wie schwer es solchen Eltern zu vermitteln ist, dass sie einen wesentlichen Anteil an den Schwierigkeiten des Kindes haben.

Ganz anders bei dem zweiten Elternpaar. Sie sehen die Bedürfnisse ihrer Kinder schon dann, wenn die Kinder selbst noch gar nichts davon ahnen. Auf Elternabenden und in Einzelgesprächen mit Erzieherinnen und Lehrern setzen sie sich leidenschaftlich dafür ein, dass ganz besonders ihre Kinder mit ihrer speziellen Sensibilität wahrgenommen werden müssen.