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Magisterarbeit aus dem Jahr 2011 im Fachbereich Germanistik - Sonstiges, Note: 2,0, Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main (Kinder- und Jugendbuchforschung), Sprache: Deutsch, Abstract: Im Herbst 2009 feierte das deutsche Volk das Jubiläum der Friedlichen Revolution der Deutschen Demokratischen Republik. 1989, genau zwanzig Jahre zuvor, protestierten hunderttausende Menschen gegen das Regime, demonstrierten auf den Straßen mit den Rufen „Wir sind das Volk“ und „Keine Gewalt“ und brachten schließlich die Diktatur der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands zu Fall. Die Friedliche Revolution und die Selbstdemokratisierung der DDR führten zur Wiedervereinigung Deutschlands im Jahre 1990. Die DDR war Geschichte und wurde gleichzeitig zum Objekt wissenschaftlicher Untersuchungen. Auch heute erscheint es als äußerst notwendig, die Geschichte der DDR zu analysieren und sich mit ihr auseinanderzusetzen. Egal ob die Wende 1989 positiv oder negativ empfunden wurde, verlangt sie nach einer Auseinandersetzung, einer Verarbeitung, die in großem Maße auf der literarischen oder literaturwissenschaftlichen Ebene geschieht. Die Auseinandersetzung damit erfolgt ebenso in den Medien – in Form von Reportagen, Filmen, Rundfunksendungen. Die Theaterstücke und Ausstellungen machen auch diesen Teil der deutschen Geschichte lebendig. Die politische Wende kann als wichtigstes Ereignis für die deutsche Literatur der letzten zwanzig Jahre angesehen werden. Mit dem Ende der DDR endete auch ihre 40-jährige Literaturgeschichte, die mehrere Autorengenerationen hervorgebracht hat. Zugleich meldeten sich neue Autoren zu Wort. Es konnte ein Anstieg der Anzahl veröffentlichter Romane, Anthologien, Essays, Gedicht- und Dokumentarbände und Erinnerungsbücher beobachtet werden. Die Zahl der Bücher zur politischen Wende 1989 in der DDR steigt mit jedem Jahr. Um diese Entwicklung festzuhalten und die verschiedenen Titel sowohl alphabetisch, als auch der Textsorte nach anordnen zu können, besteht die Notwendigkeit, die Bibliographien zu publizieren, deren Gegenstand die Wendethematik ist. In diesem Zusammenhang sind in erster Linie zwei Arbeiten zu erwähnen: das im Jahre 1996 von Jörg Fröhlich, Reinhild Meinel und Karl Riha herausgegebene Werk „Wende-Literatur. Bibliographie und Materialien der deutschen Einheit“
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Einleitung
Im Herbst 2009 feierte das deutsche Volk das Jubiläum der Friedlichen Revolution der Deutschen Demokratischen Republik. 1989, genau zwanzig Jahre zuvor, protestierten hunderttausende Menschen gegen das Regime, demonstrierten auf den Straßen mit den Rufen „Wir sind das Volk“ und „Keine Gewalt“ und brachten schließlich die Diktatur der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands zu Fall. Die Friedliche Revolution und die Selbstdemokratisierung der DDR führten zur Wiedervereinigung Deutschlands im Jahre 1990. Die DDR war Geschichte und wurde gleichzeitig zum Objekt wissenschaftlicher Untersuchungen. Auch heute erscheint es als äußerst notwendig, die Geschichte der DDR zu analysieren und sich mit ihr auseinanderzusetzen.1
Egal ob die Wende 1989 positiv oder negativ empfunden wurde, verlangt sie nach einer Auseinandersetzung, einer Verarbeitung, die in großem Maße auf der literarischen oder literaturwissenschaftlichen Ebene geschieht. Die Auseinandersetzung damit erfolgt ebenso in den Medien - in Form von Reportagen, Filmen, Rundfunksendungen. Die Theaterstücke und Ausstellungen machen auch diesen Teil der deutschen Geschichte lebendig. Die politische Wende kann als wichtigstes Ereignis für die deutsche Literatur der letzten zwanzig Jahre angesehen werden. Mit dem Ende der DDR endete auch ihre 40-jährige Literaturgeschichte, die mehrere Autorengenerationen hervorgebracht hat. Zugleich meldeten sich neue Autoren zu Wort. Es konnte ein Anstieg der Anzahl veröffentlichter Romane, Anthologien, Essays, Gedicht- und Dokumentarbände und Erinnerungsbücher beobachtet werden.2
Die Zahl der Bücher zur politischen Wende 1989 in der DDR steigt mit jedem Jahr. Um diese Entwicklung festzuhalten und die verschiedenen Titel sowohl alphabetisch, als auch der Textsorte nach anordnen zu können, besteht die Notwendigkeit, die Bibliographien zu publizieren, deren Gegenstand die Wendethematik ist. In diesem Zusammenhang sind in erster Linie zwei Arbeiten zu erwähnen: das im Jahre 1996 von Jörg Fröhlich, Reinhild Meinel und Karl Riha herausgegebene Werk „Wende-Literatur. Bibliographie und Materialien der deutschen Einheit“3und die 2003 erschienene umfassende Bibliographie von
1Vgl. Heidi Behrens u.a. [Hrsg.]: Lernfeld DDR-Geschichte. Ein Handbuch für die politische Jugend- und Erwachsenenbildung. Schwalbach/Ts. 2009, S. 11.
2Vgl. Fabian Thomas: Neue Leben, neues Schreiben? Die „Wende“ 1989/90 bei Jana Hensel, Ingo Schulze und Christoph Hein. München 2009, S. 3, 8.
3Vgl. Jörg Fröhlich u.a. [Hrsg.]: Wende-Literatur. Bibliographie und Materialien der deutschen Einheit. Frankfurt am Main 1996.
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Frank Thomas Grub mit dem Titel „‚Wende’ und ‚Einheit’ im Spiegel der deutschsprachigen Literatur“4.
Die Anzahl der Arbeiten zur Wendethematik ist äußerst groß, sodass aus Gründen der Übersichtlichkeit und des Verständnisses lediglich die Hauptwerke Erwähnung finden. Dabei möchte ich mich auf die Bibliographie von Wiebke Helm „‚Wende’ und ‚Deutsche Einheit’5als Thema der deutschsprachigen Kinder- und Jugendliteratur im Zeitraum 1990 bis 2004“ aus dem Jahre 2004 beziehen, die bis heute eine aktuelle und umfassende bibliographische Schrift zur Wendethematik darstellt. Im Vergleich zu den beiden oben erwähnten Bibliographien, die nur ansatzweise die Veröffentlichungen berücksichtigen, versucht diese Schrift die innerhalb der fünfzehn Jahre nach der Wende erschienenen Werke der Kinder- und Jugendliteratur vollständig zu belegen. Dabei wird von einem erweiterten Kinder- und Jugendliteraturbegriff ausgegangen, denn diese Bibliographie enthält nicht nur die literarischen Produktionen aus den Kinderbuchverlagen, sondern auch epische Werke der großen Verlage.6
Wiebke Helm fasst zum einen die Titel zusammen, deren zentrale Thematik die Revolution 1989 und die deutsche Einheit ist, zum anderen sind es Bücher, in denen die historischen Ereignisse nur peripher thematisiert werden. Die Bücher befassen sich mit den gesellschaftlichen Entwicklungsprozessen vor der Wende, mit der Wende selbst und den Folgeerscheinungen. Hier sind auch die Texte beinhaltet, die rückblickend von der DDR handeln und dadurch die politischen Ereignisse zu verarbeiten versuchen. Die Bibliographie umfasst die Werke der Primär- und der Sekundärliteratur.7Als eine erste literarische Reaktion auf die Wende ist eine umfassende Anthologie „Wahnsinn. Geschichten vom Umbruch in der DDR“8zu nennen, an der sich viele DDR-Autoren beteiligten. Der Sammelband ermöglichte einen Blick auf die bedrohte Kindheit der Vorwendezeit, mit dem der Untergang der DDR zu erklären versucht wurde. Aufgrund des Verlusts von Freundschaften infolge des Verlassens der DDR von vielen Familien und der Tatsache, dass die Kinder für ihre Väter, die zu den „Trägern der Macht“ gehörten
4Vgl. Frank Thomas Grub: „Wende“ und „Einheit“ im Spiegel der deutschsprachigen Literatur. Ein Handbuch. Bd. 2. Bibliographie. Berlin 2003.
5Vgl. Wiebke Helm: „Wende“ und „Deutsche Einheit“ als Thema der deutschsprachigen Kinder- und Jugendliteratur im Zeitraum 1990 bis 2004. Eine Bibliographie. In: Institut für Jugendbuchforschung der Johann Wolfgang Goethe-Universität (Frankfurt am Main) u.a. [Hrsg.]: Kinder- und Jugendliteraturforschung 2003/2004. Frankfurt am Main u.a. 2004, S. 79-99.
6Vgl. Helm: „Wende“ und „Deutsche Einheit“ als Thema der deutschsprachigen Kinder- und Jugendliteratur im Zeitraum 1990 bis 2004, S. 79.
7Ebd., S. 79.
8Vgl. Peter Abraham u.a. [Hrsg.]: Wahnsinn. Geschichten vom Umbruch in der DDR. Ravensburg 1990.
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stellvertretend büßen müssen, erscheint die Kindheit in diesem Band als ein schwieriger Lebensraum.9
Bedrohte Kindheit und Jugend steht oft im Zentrum der kinderliterarischen Texte ostdeutscher Autoren, die die Wende- und Nachwendezeit im Osten Deutschlands in ihren Büchern darstellen. Viele ostdeutsche Kinderbuchautoren zielten mit ihren Texten auf die Veränderung des Gesellschaftssystems, aber nur einige von ihnen versuchten die veränderte Lage einzufangen und die Besonderheiten der Wende- und Nachwendekindheit in ihren Werken zu beschreiben.10
Unter den epischen Texten für Kinder und Jugendliche, die einen größeren Teil der Bibliographie darstellen und in den ersten Jahren nach der Wende erschienen sind, ist die Erzählung „Hauptsache zusammen“11von Elisabeth Arendt zu nennen, die aus der Außenperspektive die Wende- und Nachwendeereignisse erfasst. Die Autorin, die in den fünfziger Jahren in den Westen gegangen ist, beschreibt in einem, im Vergleich zu anderen ostdeutschen Autoren, weitaus traditionelleren Erzählmuster das Schicksal eines ostdeutschen Jungen und seiner Familie. Mit der Wahl der künstlerischen Mittel und Verfahren geht sie um Jahrzehnte zurück und scheint Anleihen bei Erich Kästner genommen zu haben: der junge Protagonist reist allein, mit dem Ziel, die durch die Wende problematisch gewordenen Familienbeziehungen wieder in Ordnung zu bringen.12Von Bedeutung sind außerdem die Werke des Ostberliner Autors Thomas Brussig (geboren 1964): „Helden wie wir“13, „Am kürzesten Ende der Sonnenallee“14und „Wie es leuchtet“15, die einen autobiographischen Charakter haben und die Wendeereignisse auf unterschiedliche Art und Weise satirisch bearbeiten.16
Mit den politischen Ereignissen der Zeit 1989/90 hängt das autobiographisches Erzählen eng zusammen, denn es war von großer Bedeutung für die Zeitzeugen, das Erlebte in Worte zu fassen.17Hier sind die Romane „Zonenkinder“18von Jana Hensel und „Neue Leben“19von
Ingo Schulze zu erwähnen. Dass das Buch von Jana Hensel sich zu einem Bestseller
9Vgl. Karin Richter: DDR-Kindheit - Wendekindheit. Der neue Alltag in ostdeutschen Kinder- und Jugendromanen. In: Hannelore Daubert u.a. [Hrsg.]: Veränderte Kindheit in der aktuellen Kinderliteratur. Braunschweig 1995, S. 137.
10Vgl. Richter: DDR-Kindheit - Wendekindheit, S. 136.
11Vgl. Elisabeth Arendt: Hauptsache zusammen. München 1994.
12Vgl. Richter: DDR-Kindheit - Wendekindheit, S. 136.
13Vgl. Thomas Brussig: Helden wie wir. Berlin 1995.
14Vgl. Thomas Brussig Am kürzesten Ende der Sonnenallee. Berlin 1999.
15Vgl. Thomas Brussig: Wie es leuchtet. Frankfurt am Main 2004.
16Vgl. Bücher. In: Homepage von Thomas Brussig. URL: http://www.thomasbrussig.de/buch2.html <10.12.2010>.
17Vgl. Thomas: Neue Leben, neues Schreiben?, S. 3.
18Vgl. Jana Hensel: Zonenkinder. Reinbek bei Hamburg 2002.
19Vgl. Ingo Schulze: Neue Leben. Berlin 2005.
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entwickelte, liegt möglicherweise an ihrem Jahrgang - die 1976 geborene Autorin war wie ihre Altersgenossen in der DDR geboren, aber im vereinten Deutschland erwachsen geworden. Im Laufe der neunziger Jahre hat sich diese Generation an das West-Niveau angepasst. Mit der Aussage, dass „ihre Vergangenheit nicht nur verblasste, sondern völlig aus dem Blickfeld verschwand“ formuliert Jana Hensel in ihrem Roman eine gemeinsame Generationenerfahrung.20Der Briefroman von Ingo Schulze handelt vom Abschied staatlich verordneter Lebensentwürfe und vom schwierigen Neubeginn unter fremden Bedingungen. Die Größe dieses Romans liegt auch darin, dass er ohne die kleinsten Nuancen zu vernachlässigen, die Schicksale vieler Menschen einzubinden versteht.21Ebenfalls autobiographisch ist der Erzählband von Claudia Rusch „Meine freie deutsche Jugend“22. Doch anders als Jana Hensel erzählt die Autorin hier nicht aus der Perspektive eines Zonenkindes vom DDR-Alltag, sondern aus der Perspektive einer Außenseiterin. Der Band beschreibt die DDR nicht als einen romantischen Kindheitsort, sondern als eine „strenge Lebensschule“. Die Autorin wuchs im Umfeld der DDR-Bürgerrechtsbewegung auf und wurde von der Stasi überwacht.23
Susanne Leinemanns Buch „Aufgewacht. Mauer weg“24handelt von der Liebe zwischen Ost und West. Hier wird die Wiedervereinigung nicht positiv angesehen - die Liebesbeziehung scheitert daran. Im größeren Kontext schildert die Autorin eine Generation, die sich nicht herausgebildet hat. Susanne Leinemann stellt bedauernd fest, dass die jungen Menschen in Ost und West eine Chance verpasst haben.25Die Wende wird auch in Bilderbüchern thematisiert. Hier möchte ich folgende zwei Quellen erwähnen. Der Sachcomic von Claire Lenkova „Grenzgebiete. Eine Kindheit zwischen Ost und West“26macht mithilfe der persönlichen Beobachtungen und Erinnerungen
der Autorin einen Teil der deutschen Geschichte lebendig. Ein weiteres spannend gestaltetes Bilderbuch zur Wende von Harriet Grundmann u.a. erzählt Geschichten von Janosch in der einen und von Anni in der anderen Hälfte, die im Berlin der Nachkriegszeit aufwuchsen und
20Vgl. Thomas: Neue Leben, neues Schreiben?, S.38.
21Vgl. Susanna Gilbert-Sättele: Neue Leben. Ingo Schulzes großer Wende-Roman. In: Stuttgarter Zeitung. Stand: 24.10.2005. URL: http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/1017748_0_9223_-ingo-schulze-neueleben.html <10.12.2010>.
22Vgl. Claudia Rusch: Meine freie deutsche Jugend. Frankfurt am Main 2003.
23Vgl. Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 29. 07.2003 In: perlentaucher.de. Das Kulturmagazin. URL: http://www.perlentaucher.de/buch/14687.html <10.12.2010>.
24Vgl. Susanne Leinemann: Aufgewacht. Mauer weg. München 2002.
25Vgl. Ute Dettmar u.a. [Hrsg.]: Grenzenlos. Mauerfall und Wende in (Kinder- und Jugend-)Literatur und Medien. Heidelberg 2010, S. 67, 149.
26Vgl. Claire Lenkova: Grenzgebiete. Eine Kindheit zwischen Ost und West. Hildesheim 2009.
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durch die Errichtung der Mauer getrennt wurden. Beim Mauerfall in der Buchmitte treffen die beiden wieder aufeinander.27
Des Weiteren sind Kinderlieder, Dramen, Sachbücher, insbesondere Aufsätze, Interviews und Protokolle, Hörbücher sowie Hörspiele zur Wendethematik vorhanden. Ebenso gehören die Titel der Sekundärliteratur dazu, darunter Kataloge, Monographien und wissenschaftliche Beiträge.28
Diese Arbeit befasst sich ebenso mit der Wendethematik und stellt eine Fortsetzung der Reihe der Magisterarbeiten dar, die in den letzten Jahren im Schwerpunkt „Kinder- und Jugendbuchforschung“ im Fachbereich „Neuere Philologien“ der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt unter Betreuung von Prof. Dr. Hans-Heino Ewers geschrieben wurden.29Das Thema dieser Arbeit - „Kindheit und Jugend in der DDR im Spiegel literarischer Neuerscheinungen“ - ist mit der Thematik der in den Literaturverweisen erwähnten, bereits existierenden Magisterarbeiten verwandt, zugleich zeichnet sie sich dadurch aus, dass die Untersuchungen hier anhand der Neuerscheinungen durchgeführt werden.30Es werden hier sechs Bücher der Kinder- und Jugendliteratur aus dem Jahr 2009 vorgestellt, die von der ehemaligen DDR handeln und deren Protagonisten Kinder und Jugendliche im Alter zwischen zehn und sechzehn Jahren sind. Die Herkunft der Autoren ist unterschiedlich - Nina Petrick und Karsten Stollwerck kommen aus Westberlin. Diese Stadt ist auch die Wahlheimat der Deutsch-Amerikanerin Holly-Jane Rahlens. Die drei anderen Autoren - Ira Wedel, Grit Poppe und Petra Kasch - kommen aus dem östlichen Teil Deutschlands. Die Autoren sind zwischen 1950 und 1974 geboren, vier von ihnen zwischen 1959 und 1965.
Charakteristisch für die Generation der jungen Autoren, die um 1960 geboren wurden, ist ihre Nichtbeteiligung an den Debatten im Kontext der deutschen Vereinigung. Gleichzeitig thematisieren diese Schriftsteller die gesellschaftlichen Ereignisse rund um den Mauerfall und
27Vgl. Harriet Grundmann u.a.: Das Wendebilderbuch. Die Geschichte von Janosch aus West-Berlin/Die Geschichte von Anni aus Ost-Berlin. Münster 2009.
28Vgl. Helm: „Wende“ und „Deutsche Einheit“ als Thema der deutschsprachigen Kinder- und Jugendliteratur im Zeitraum 1990 bis 2004, S. 93-99.
29Vgl. Hannah Siebert: Ostdeutsche Jugendliche in der Nachwendezeit im Spiegel der Gegenwartsliteratur. Magisterarbeit. Frankfurt am Main 2009; Anja Dorn: DDR-Kindheit im Spiegel ausgewählter Nachwenderomane / -bücher. Magisterarbeit. Wiesbaden 2008; Daniela Michaela Bussa: Wende- und Nachwendejugend im Spiegel der Gegenwartsliteratur - Literatur als Medium der Generationenbildung. Magisterarbeit. Frankfurt am Main 2009; Caroline Uhl: Die DDR und die Teilung Deutschlands in Romanen für junge Leser seit den 1990er Jahren. Magisterarbeit. Zwickau 2007.
30Ausnahme stellt ein Buch aus dem Jahr 1995 dar, das 2009 unter einem anderen Titel erschien und schon mal behandelt wurde. Vgl. Kornatowska, Beata: Äußere und innere Grenzen der Liebe. Deutsch-deutsche Begegnungen in der deutschen Kinder- und Jugendliteratur der 90er Jahre. In: Olshevska, Anna [Hrsg.]: Realitäten. Bochum: Institut für Deutschlandforschung, 2004, S. 95-107. (=Ost-West Perspektiven, Bd. 4).
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den Vereinigungsprozess in ihrem Schreiben. Ihre poetischen Wege sind ein Resultat eines spezifischen Erfahrungshintergrundes ihrer Generation.31Die Auswahl dieses Themas wurde von mir sehr bewusst getroffen. Schon immer interessierte ich mich für die deutsche Geschichte, insbesondere für die Wendezeit, die heute zwei Jahrzehnte zurückliegt. Da eines meiner Schwerpunkte im Hauptfach Germanistik die Kinder- und Jugendbuchforschung ist, war es für mich besonders wichtig zu erfahren, wie die Kinder und Jugendlichen in beiden deutschen Staaten gelebt haben und welche Änderungen die Wiedervereinigung Deutschlands in ihr Leben brachte. Diesem Interesse konnte ich in einem im Wintersemester 2007/08 von Prof. Dr. Hans-Heino Ewers geleiteten Seminar „Die Wende 1989/90 in ausgewählten deutschen (Jugend-)Romanen“ nachgehen, in dessen Rahmen ich auch die Hausarbeit zum Thema „Künstlerproblematik im Roman von Thomas Brussig ‚Wie es leuchtet’“ geschrieben habe.
Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist in erster Linie, die ostdeutsche Kindheit und Jugend zu untersuchen und die dafür charakteristischen Züge auszumachen. Es wird auch untersucht, was Kinder und Jugendliche in ihrem Leben beschäftigt und auf welche Weise das von den politischen Ereignissen beeinträchtigt wird. Um eine gewisse Gegenseitigkeit herzustellen, wird auch die westdeutsche Kindheit und Jugend vorgestellt. Ein weiteres Ziel ist, nachzuforschen, zu welcher Generation die Autoren gehören und welche Generationen sie in ihren Werken vorstellen. Außerdem wird der Frage nachgegangen, welche Rolle die Wiedervereinigung Deutschlands vor allem für Kinder und Jugendliche spielte und inwieweit sie ihr Leben veränderte. Es wird auch versucht, die Rolle der Wende am Beispiel der anderen Generationen und die Schuldzuweisungen der handelnden Figuren auszumachen. Die Arbeit setzt sich aus sechs Kapiteln zusammen, in jedem davon wird ein Buch vorgestellt. Zu Beginn sind die Kapitel jeweils gleich aufgebaut. Zunächst wird der Autor mit seinen Werken kurz vorgestellt und auf paratextuelle und formale Aspekte eingegangen. Danach erfolgt eine knappe Darstellung des Inhalts, um eine Vorstellung über die Handlung zu vermitteln und eine Beschreibung der Generationen im jeweiligen Werk. Ein wichtiger Punkt jedes Kapitels ist die Rolle der Wiedervereinigung Deutschlands für die Figuren und die Autoren. Je nach thematischem Hintergrund folgt dann eine buchindividuelle Erörterung. Hier wird ebenfalls der Bezug zu den politischen Ereignissen hergestellt. Im Anschluss noch eine allgemeine Bemerkung zu den Literaturangaben. Da die hier behandelten Titel erst vor einem Jahr erschienen sind, existiert grundsätzlich noch keine Sekundärliteratur, die sich mit den Neuerscheinungen befasst, außer dem von Ute Dettmar
31Vgl. Ulrike Bremer: Versionen der Wende. Eine textanalytische Untersuchung erzählerischer Prosa junger deutscher Autoren zur Wiedervereinigung. Osnabrück 2002, S. 19, 20.
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und Mareile Oetken herausgegebenen Buch „Grenzenlos. Mauerfall und Wende in (Kinder-und Jugend-)Literatur und Medien“32, welches aber nur auf einige Werke eingeht. Dafür gibt es aber genügend Internetquellen, die über Informationen zu den Autoren und ihren Büchern verfügen. Das Existieren mehrerer Internetquellen dazu erklärt sich dadurch, dass die literarischen Erscheinungen aus dem Jahr 2009 stammen und dass es deutlich weniger Zeit in Anspruch nimmt, die Informationen online zur Verfügung zu stellen, als ein Buch darüber zu schreiben.
32Vgl. Dettmar u.a. [Hrsg.]: Grenzenlos.
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1. Grit Poppe: „Weggesperrt“
Die Autorin: Leben und ihre Werke
Grit Poppe wurde 1964 in Boltenhagen an der Ostsee geboren. Aufgewachsen ist sie in Stahnsdorf, wo ihr Vater, Gerd Poppe, als Bürgerrechtler im Halbleiterwerk arbeitete. In den Jahren 1984 bis 1988 studierte sie am Literaturinstitut in Leipzig. Ab 1989 engagierte sie sich in der Bürgerbewegung „Demokratie Jetzt!“ in Brandenburg. Zurzeit wohnt die Autorin in Potsdam und hat zwei Kinder.33
Grit Poppe schreibt sowohl für Erwachsene als auch für Kinder. Ihr erster Roman „Andere Umstände“34, in dem sich bereits einige Details der Friedlichen Revolution wiederfinden,35erschien im Jahre 1989, 1999 folgte der Kinderroman „Alabusch oder Das Herz des Vulkans“36. In diesem Jahr erhielt sie den Förderpreis für Literatur des Landes Brandenburg und mehrere Stipendien, unter denen das Aufenthaltsstipendium der Stiftung Kulturfonds im Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf. Gritt Poppes Arbeit wurde auch in einigen Anthologien veröffentlicht. Im Jahr 2005 erhielt sie den Lotto Brandenburg Kunstpreis Literatur. In den folgenden Jahren wurden andere Werke der Autorin veröffentlicht: 2006 - Jugendbuch „Käpten Magik“37und Roman „Geteiltes Glück“38; 2007 - Kinderbücher „Dragid Feuerherz. Hüter der Drachen“39und „Dragid Feuerherz. Die Perle des Lichts“40; 2008 - „Dragid Feuerherz. Im Bann der Magier“41; 2009 - „Anderswelt“42, „Dragid Feuerherz. Die Rache des Dschinn“43und Roman „Weggesperrt“44.45
Paratextuelle und formale Aspekte des Romans
Der Jugendroman „Weggesperrt“ von Grit Poppe wurde zum ersten Mal im August 2009 vom Cecilie Dressler Verlag in Hamburg in Form einer Englischen Broschur veröffentlicht.
33Vgl. Karim Saab: Alcatraz heißt hier Torgau. Gritt Poppe führt in dem Roman „Weggesperrt“ die Schrecken der DDR-Jugendwerkhöfe vor Augen. In: Märkische Allgemeine. Stand: 2.09.2009. URL: http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/beitrag/11596657/63369/Grit-Poppe-fuehrt-in-dem-Roman-Weggesperrt-die.html <8.05.2010>.
34Vgl. Grit Poppe: Andere Umstände. Berlin 2006.
35Vgl. Über mich. Biographie. In: Homepage von Grit Poppe. URL: http://www.grit-poppe.de/biografie.html <28.11.2010>.
36Vgl. Grit Poppe: Alabusch oder Das Herz des Vulkans. Berlin u.a. 1999.
37Vgl. Grit Poppe: Käpten Magik. Hamburg 2006.
38Vgl. Grit Poppe: Geteiltes Glück. Berlin 2006.
39Vgl. Grit Poppe: Dragid Feuerherz. Hüter der Drachen. Würzburg 2007.
40Vgl. Grit Poppe: Dragid Feuerherz. Die Perle des Lichts. Würzburg 2007.
41Vgl. Grit Poppe: Dragid Feuerherz. Im Bann der Magier. Würzburg 2008.
42Vgl. Grit Poppe: Anderswelt. Hamburg 2009.
43Vgl. Grit Poppe: Dragid Feuerherz. Die Rache des Dschinn. Würzburg 2009.
44Vgl. Grit Poppe: Weggesperrt. Hamburg 2009.
45Vgl. Poppe, Grit. In: Kulturportal Brandenburg. Stand: 28.08.2009. URL: http://kulturportal.maerkischeallgemeine.de/cms/beitrag/10298624/72279/ <8.05.2010>.